zurück 4.11.1894, Sonntag ID: 189411045

Ausführliche Vorbesprechung (signiert »-n.«) über die f-Moll-Messe (und Bruckners bisher stiefmütterliche Behandlung) im "Vaterland" Nr. 303 auf S. 1f:
"   Zur Aufführung der F-moll-Messe von Anton Bruckner.
          (Erstes Gesellschaftsconcert am 4. November 1894.)
     Die Gesellschaft der Musikfreunde in Wien konnte den Anlaß des siebzigsten Geburtsfestes Anton Bruckner's bei der Aufstellung ihres diesjährigen Concertprogrammes nicht übersehen, und hat durch die Veranstaltung einer wohlvorbereiteten Aufführung der F-moll=Messe des Meisters einen wirklich glücklichen Gedanken verwirklicht. [... zwiespältige Meinungen ... Verdienst des Wagner-Vereins ... zur Urteilsbildung häufigere Aufführungen nötig ... "stiefmütterliche Behandlung" auch in den Büchern ... Zitate aus den (unzureichenden) Musikführern von Hugo Riemann (Musiklexikon, Vorwurf der "Viertaktigkeit"), Bernhard Kothe (»Abriß der Musikgeschichte«: 11 fehlerbehaftete Zeilen) und Hermann Kretzschmar (»Führer durch den Concertsaal«, zu knapp, "ein gewisses Nachbeten") ... aufführen! ...]; denn die Zeit richtet gerechter als die Zeitgenossen.
     Kann von diesem Standpuncte das Programm des ersten diesjährigen Gesellschaftsconcertes nur gebilligt werden, so verdient die Wahl der F-moll-Messe noch aus einem anderen Gesichtspuncte vollste Anerkennung.
     Ist doch Bruckner auf dem Gebiete der Kirchenmusik selbt von Gegnern seiner Symphonien respectirt. Sein "Te Deum" genießt Weltberühmtheit, seine Messen aber vermochten weder in der Kirche, noch im Concertsaale festen Fuß zu fassen – vorwiegend wegen der Schwierigkeiten ihrer Ausführung. [... Aufführung am 23.3.1893 ... Skeptiker bemängeln "Freizügigkeit seiner Phantasie", aber bei Messen nicht so freie Gestaltung möglich wie bei Symphonien ... kürzer als vergleichbare große Messen ... kurz zur Entstehungsgeschichte (nach Krise 1867) ...] "Durch Nacht zum Licht" – möchte man als Motto auf die Partitur schreiben; denn ein wunderbares Zeugniß dafür liegt in der Messe vor uns, die heute in voraussichtlich glänzender Aufführung an einer gewählten Zuhörerschaft vorüberziehen wird; ist es ja doch gewissermaßen auch das Motto Bruckner's selbst, dessen Lebensabend die Verehrung immer weiterer Kreise, die Anerkennung selbst von gegnerischer Seite verschönt.     –n." (*).

1. Gesellschaftskonzert unter Wilhelm Gericke mit Bruckners f-moll-Messe als einzigem Werk (**) mit dem Wiener Singverein (**a).
    Als Solisten wirken mit Frl. Sofie Chotek, Frl. Lotte Kusmitsch und die Herren Richard Erxleben und (statt Franz v. Reichenberg [siehe Anmerkung]) Felix Kraus. Konzertmeister sind Arnold Rosé (Violin-Solo) und J. M. Grün. Das Programmblatt gibt einen Überblick über bisherige Bruckner-Aufführungen in den Gesellschaftskonzerten und unter Gericke und teilt den gesamten Text mit (lateinisch und deutsch) (***).
    Im Publikum befinden sich u.a. Waldeck (°), Brahms (applaudierte "unermüdlich") (°°), vermutlich auch Hugo Wolf (°°°) und die Kritiker Paumgartner (#), Theodor Helm (#a), Hanslick (##), Kalbeck (###) und vermutlich Carl Schön, der von Bruckners Anwesenheit berichtet (a).
    Bruckner war in einer Sänfte zum Musikvereinssaal getragen worden (a1).

Die Neue Freie Presse Nr. 10848 teilt auf S. 7 mit, daß die Partitur der f-Moll-Messe erschienen sei:
    "Neue Musikalien (Bericht der k. und k. Hof=Musikalien=Handlung Albert J. Gutmann, Wien, Hofopernhaus.) Anton Bruckner, Große Messe, F-moll. Kaiser Wilhelm II., „Sang an Aegir”. In Sicht: Robert Fuchs, Neue Serenade." (b).

Auf Seite 14 macht ein Inserat auf das heutige Konzert aufmerksam:
"     GROSSER MUSIKVEREINSSAAL.
          Sonntag den 4. November 1894, Mittags ½1 Uhr:
      Erstes Gesellschafts-Concert.
          
Dirigent: Concert-Director Herr Wilhelm Gericke.
Soli: Frl. Sofie Chotek; Frl. Lotti Kusmitsch, Opernsängerin; Herr R. Erxleben; Herr Franz v. Reichenberg, k. und k. Hofcapell= und Hofopernsänger. Der Singverein. Das Gesellschafts-Orchester.
PROGRAMM:
Dr. Anton Bruckner: Grosse Messe in F-moll für Soli, Chor und Orchester (erste Aufführung in den Gesellschafts-Concerten). [... Kartenpreise ...]" (c).

Inhaltlich damit identisch ist das Inserat in der Wiener Zeitung Nr. 255 auf S. 12 (d).

The San Francisco Call Nr. 157 kündigt auf S. 18 in der 7. Spalte die Wiener Aufführung der 2. Symphonie [25.11.1894] an:
"            European Muscial Items.
Translated from the Gazzetta Musicale of Milan.
[...]
     Bruckner's Symphony No. 2 will be one of the novelties to be given in Vienna.
[...]." (e).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189411045, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189411045
letzte Änderung: Mai 14, 2024, 8:08