zurück 8.11.1894, Donnerstag ID: 189411085

Brief Bruckners an die Steyrer Liedertafel:
   »Hochlöbliche Steyrer=Liedertafel!
Wollen mir gütigst gestatten, für die hochehrende Auszeichnung meiner Ernen[n]ung zum Ehrenmitgliede sowol, wie auch für das prachtvolle Diplom meinen heißen Dank abstatten zu dürfen! Hoch! Hoch! Hoch der Verein!
Wien, 8. November 1894.
Dr. ABrucknermp.« (*).

Artikel im Alpen-Boten Nr. 89, S. 3f, über die Aufführung der f-Moll-Messe am 4.11.1894:
"              Verschiedenes.
                     Steyr, 8. November.
[...]
     (Bruckners F-moll-Messe.) Ueber die Aufführung derselben berichtet das Neue Wiener=Tagblatt: Die Gesellschaft der Musikfreunde leitete vergangenen Sonntag ihre diesjährigen Concerte mit einer Messe ein, mit der F-moll=Messe Dr. Anton Bruckners, und dieses halb weltliche, halb geistliche Concert sollte gewissermaßen eine nachträgliche Feier des 70. Geburtstages sein, den der Componist zu Anfang des September in Steyr, und zwar auf dem Krankenlager begieng. Das Publicum ließ es sich auch nicht entgehen, dem greisen Meister die herzlichsten Symphatien zu bezeigen. Wiederholt brachte es ihm herzlichste Ovationen, die Bruckner vom Versteck seiner Loge aus mit kindlicher Rührung quittierte. Die F-moll-Messe, in Wien übrigens erst vor anderthalb Jahren zur Aufführung gebracht, kann zu den geschlossensten und abgerundetsten Werken Bruckners gezählt werden. In räumlicher Ausdehnung und den von ihr geforderten künstlerischen Mitteln gleich der D-Messe Beethovens nicht für die Kirche angelegt, imponiert sie im Kyrie und dem Credo durch monumentalen Aufbau und durch mächtige Steigerungen, im Sanctus, Benedictus und Agnus Dei durch den innigen und wahrhaft gläubigen Herzenston. Hier, auf dem Gebiete der musikalischen Architektonik, im Weben des contrapunktischen Geistes, fühlt sich Bruckner als wahrer Herrscher, aus seiner andächtigen Lyrik athmet die wärmste religiöse Ueberzeugung. Hätte Bruckner nur dieses eine Werk geschrieben, so wäre ihm dafür allein schon die allgemeine Verehrung gesichert." (**).

Darüber berichtet auch die Steyrer Zeitung Nr. 89 auf S. 3:
"     Anton Bruckner's F-moll-Messe. Aus Wien wird berichtet: Die hiesige Gesellschaft der Musikfreunde brachte am Sonntag den 4. ds. zur nachträglichen Feier des 70. Geburtstages Dr. Anton Bruckner's dessen F-moll-Messe zur Aufführung. Das zahlreichst bei diesem Concerte versammelte Publicum bezeigte dem greisen Meister die herzlichsten Sympathien; wiederholt brachte es ihm herzlichste Ovationen, für die Bruckner vom Versteck seiner Loge aus sichtlich sehr erfreut dankte. Die F-moll-Messe kann zu den geschlossensten und abgerundesten [sic] Werken Bruckners gezählt werden. Hätte Bruckner nur dieses eine Werk geschrieben, so wäre ihm dafür allein schon die allgemeine Verehrung gesichter." (***).

Die Linzer Zeitung bringt auf S. 1266 den Bericht Paumgartners aus der Wiener Abendpost [6.11.1894]:
„    Linzer und Kronlands=Nachrichten.
                                         
Linz, 7. November.
      * (Noch einmal Bruckners Messe in F-moll.) Der Musikreferent der „Wiener Abendpost“ Herr Dr. H. Paumgarten [sic] schreibt: „ Die Gesellschaft der Musikfreunde hat in ihrem diesjährigen ersten Concerte zur nachträglichen Feier des siebzigsten Geburtstages Anton Bruckners dessen große Messe in F-moll aufgeführt. Dieses schöne kirchliche Werk wurde bereits im vorigen Musikjahre vom Wiener akademischen Wagner=Vereine in einem Concerte zugehör [sic] gebracht, und man kann der Leitung des Gesellschaft der Musikfreunde nur dankbar sein, daß sie mit den vollkommeneren Mitteln ihres trefflichen Singvereins=Chores und ihres Orchesters diese Aufführung nunmehr in würdigerer und künstlerischerer Art wiederholt und damit zugleich dem Schöpfer des Werkes ihre Huldigung dargebracht hat. Bruckner, der sonst in seinen Messen bei aller Freiheit des Stiles sich doch in den Grenzen der kirchlichen Aufführbarkeit während des sonntäglichen Hochamtes hält, ist in seiner F-moll-Messe den Weg gewandelt, den zuerst Bach in strengem Stile in seiner hohen Messe in H-moll und dann Beethoven in freierem Tonausdrucke in seiner Missa solemnis eingeschlagen hat. Beide Werke sind schon räumlich so sehr über die liturgischen Schranken hinausgewachsen, daß ihnen das gothische Kirchenschiff zu eng wurde. Auch ist bei Beethoven die Form eine so freie geworden (man denke an das Recitativ im Agnus Dei der Missa solemnis mit den kriegerischen Trompeten=Fanfaren), daß bei aller Gemeinsamkeit der Wurzel des Christkatholischen doch dieses Werk als eine weltliche Abzweigung angesehen werden muß und daher von jeher nur im Concertsaale aufgeführt wurde. Beethoven hat den Meßtext in seiner genialen Art aufgegriffen, den contemplativen Theil (wie im Kyrie, Sanctus, Benedictus) seelisch vertieft, den erzählenden Theil jedoch mit dem leidenschaftlichen Ausdrucke der Dramatik in Töne umgedichtet. Diese fessellos freie große Messe Beethovens ist Bruckner bei der Composition seiner F-moll-Messe, welche zu den schönsten chorischen Werken der Periode nach Beethoven zählt, deutlich wahrnehmbar vorgeschwebt. Mit dem schönen ernsten Kyrie, welches im "Christe" so reizvoll nach Ges-dur modulirt, hebt die Messe auf das weihevollste an. Das lebensprühende Gloria gipfelt in dem ausgesponnenen fugierten Schlußsatze des „Cum sancto spritu“. Mit großer Mannigfaltigkeit (ins kleinste Detail tonmalerisch gehalten) spricht das Credo sein Glaubensbekenntnis. Der bedeutendste Satz ist das Benedictus. Ein wunderschönes Orchesterstück voll innigster Wärme der Empfindung und Schönheit des Klanges leitet dasselbe ein, Chor und Soloquartett führen es in dieser Stimmung fort. Auch das Agnus Dei ist in seinem edel schmerzlichen Ausdrucke ein weihevolles Stück geistlicher Musik. Versöhnlich schließt die Bruckner’sche Messe in der Dur-Tonart ab.“ “ (°).

Im Deutschen Volksblatt Nr. 2102 wird auf S. 5 die Aufführung des Quintetts durch Hellmesberger [19.12.1894] angekündigt:
"    – Das Quartett Hellmesberger veranstaltet unter Mitwirkung der Herren J. Egghard und Th. Schwendt sechs Kammermusikabende an Mittwochen, und zwar am 5., 9 [sic] December 1894, 16., 23. Januar, 6., 20. Februar 1895, Abends halb 8 Uhr, im kleinen Musikvereinssaal. Außer Werken deutscher Classiker enthält die Vortragsordnung Bruckner's großes F-dur=Quintett und Christian Sinding's II. Suite für Clavier und Violine (neu, erste Aufführung)." (°°).

Das Neue Wiener Journal Nr. 375 veröffentlicht auf S. 2 - 4 Stellungnahmen von Wiener Künstlern, in deren letzter auch Bruckner erwähnt wird:
"          Kunst und Kunstsinn in Wien.
           Wie Künstler darüber denken.

     Die Enunciation der Wiener Künstlergenossenschaft über das Deficit der letzten Ausstellung hat uns veranlaßt, in Künstlerkreisen Umfrage zu halten, wie der Sinn der Wiener für bildende Kunst gehoben werden könnte und welche eventuellen Mängel und Fehler zu beseitigen wären, um in Hinkunft so niederdrückende Schlappen zu vermeiden. Das Ergebniß dieser Rundinterviews ist ein hochinteressantes, ein Nothschrei der Künstler – möchten wir sagen – ist es, und zugleich eine schwere Anklage gegen die berufenen Factoren. [... Mäzene, Staat, Bürgerschaft sind gefordert ...] Wir lassen den Künstlern, die wir befragt, in zwangloser Reihenfolge das Wort. [...]
     [... es folgen die Stellungnahmen von Hugo Charlemont, Caspar Zumbusch, Oberbaurat Wagner, Eugen Felix, Professor Helmer, Hans Schram, Carl Kundmann, Hans Schließmann und Victor Tilgner ...] Die Künstlerschaft allein ist es, die etwas für sich thun muß!"
                  Professor Eisenmenger.
     Er hat sich's abgewöhnt, über Kunstverhältnisse, wie sie bei uns herrschen, Betrachtungen nachzuhängen. Das sei ein bereits überwundener Standpunkt. Er sieht auch gar nicht ein, weshalb er es thun soll; er macht's wie Einer, der alle Hoffnungen aufgegeben, beinah' resignirt hat. .  .  .   "In Wien haben die Leute Interesse für Walzermusik, Bruckner aber ist ihnen schon eine terra incognita. . . .  Wo soll das Interesse für Malerei und bildende Kunst herkommen? Das muß im Blut liegen oder eingeimpft werden. Beides ist nicht der Fall. [...]
     [...] Die Dinge lassen sich nicht bessern, wenigstens jetzt nicht – vielleicht später einmal. Vielleicht erleb' ich's noch. Beide Fragen, die Sie mir stellen, kommen mir vor, wie das Problem über die Quadratur des Zirkels." " [keine Signatur] [siehe die Anmerkung] (°°°).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189411085, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189411085
letzte Änderung: Mai 14, 2024, 8:08