zurück 11.2.1895, Montag ID: 189502115

Besprechung der 3. Symphonie
 
durch Petrich in der Grazer Tagespost Nr. 42:
"Concert des Steiermärkischen Musikvereines.
 
    Im gestrigen Concert des Steiermärkischen Musikvereines gelangten die Ouverture Nr. 1 zu "Leonore" von Beethoven, die Passacaglia in C-moll (für Orgel) von J. S. Bach und die Symphonie Nr. 3 in D-moll von Anton Bruckner unter der Leitung des artistischen Directors Herrn Erich Degner zur Aufführung. An der Spitze des Programms stand Beethoven's selten gespielte erste Leonoren=Ouverture, welche Marx als Einleitung der Oper den übrigen Ouverturen derselben vorzieht. Die Composition einer neuen Ouverture und eine nochmalige Umarbeitung derselben — der dritten großen Leonoren=Ouverture, — lieferte den Beweis, das [sic] der Meister — und mit Recht — sich von dem erstgenannter Vorspiel nicht befriedigt fühlte. Die gestern aufgeführte Ouverture hörten wir zum letztenmal vor Jahren von den Meininger=Orchester unter dem berühmten Dirigenten Haus v. Bülow und erinnern uns noch lebhaft an die unvergleichliche und virtuose Wiedergabe dieses Tonwerkes durch die genannte Capelle. Die gestrige Aufführung der Ouverlure war im allgemeinen ganz verdienstlich. In der heiklen Einleitung ließen die die verschiedenen Instrumente durchlaufenden Sechzehntel=Staccati etwas an Deutlichkeit, Gleichmäßigkeit und Präcision vermissen; ein kleines Versehen des Horns im langsamen Mittelsatze trübte einen Moment die Wirkung der schönen Gesangstelle. Ganz lobenswerth war die weitere Durchführung der Ouverture, deren Schluß lebhaften Beifall hervorrief.
     Einen bedeutenden Eindruck erzielte Herr E. Degner mit dem ausgezeichneten Vortrage der gewaltigen Bachschen Passacaglia in C-moll. In der Wiedergabe diese großartigen und außerordentlich schwierigen Tonwerkes erwies sich Herr Degner als trefflicher und außerordentlich gediegener Künstler, welcher es verstand, durch feinsinnige und höchst wirksame Farbenmischung der verschiedenen Register den Eindruck der bewunderungswürdigen Tondichtung des großen Altmeisters zu erhöhen und die Vorzüge der herrlichen Orgel im vollen Umfang zur Geltung zu bringen. Zu der entzückenden und sphärenhaften Wirkung der zarten und sanft klingenden Register gesellte sich noch der überwältigende Eindruck des vollen Werkes mit dessen imposanter Tonfülle. Die Deutlichkeit der Tonfolge des Instrumentes hätte durch eine etwas breitere Temponahme jenes Theiles, dessen basso ostinato durch die reichere Triolenbegleitung figurirt wird, gewonnen. Die Ausführung der „Passacaglia" – welches Tonwerk vor mehreren Jahren unser trefflicher heimischer Orgelvirtuose Dr. Zechner auf demselben Instrumente spielte – verdient die vollste Anerkennung. Die höchst achtbare Leistung Herrn Degner's wurde verdientermaßen durch stürmischen Beifall und oftmalige Hervorrufe ausgezeichnet.
     Um die erfolgreiche Aufführung der hochbedeutenden symphonischen Schöpfung des großen österreichischen Tondichters Anton Bruckner haben sich der Verein und dessen Dirigent Herr E. Degner unleugbare Verdienste erworben. Die Schöpfungen des gefeierten Tondichters begegnen von Jahr zu Jahr einer gesteigerten Anerkennung und Werthschätzung; jede Aufführung Eines der Werke des genannten Meisters vermehrt die Zahl seiner Anhänger und Bewunderer; eine Thatsache, welcher die zahlreichen Widersacher Bruckner's, trotz eifriger jahrelang betriebener Agitation mit ohnmächtigem Grimme gegenüberstehen. Der Genius des würdigen Erben der großen Meister Beethoven und Wagner bricht sich allmählich siegreich Bahn und wir hatten gestern wieder Gelegenheit, mit Freude und Genugthuung die tiefgehende Wirkung zu beobachten, welche die großartige Tonschöpfung Anton Bruckner's auf die Zuhörerschaft ausübte.
     Die dritte Symphonie in D-moll reiht sich in würdiger Weise den anderen schon früher in Graz zur Aufführung gelangten Symphonien Bruckner's (der vierten, siebenten und fünften) an. Sie wurde vom Componisten dem von ihm hochverehrten Meister Richard Wagner gewidmet, welcher die Widmung freudig annahm und mit sichtlichem Erstaunen das Werk durchsah. Nicht lange vor seinem Ableben soll Wagner zu Bruckner gesagt haben: Wenn Niemand Ihre Symphonien aufführt, so werde ich es thun!
     Es ist unmöglich – auch nach mehrmaligem Anhören eines solchen complicirten Riesenwerkes – ohne Zuhilfenahme und eingehenderes Studium der Partitur oder mindestens eines Clavierauszuges ein erschöpfendes Urtheil über dasselbe zu fällen. Die D-moll-Symphonie, welche, wie alle uns bis jetzt bekannten Werke Bruckner's, den unverkennbaren Stempel des Genies an sich trägt, scheint uns, wenn auch nicht an Bedeutung, doch (in einzelnen Sätzen) an Uebersichtlichkeit der Gliederung, der Plastik und organischem Zusammenhange gegen die vierte (romantische) und siebente Symphonie zurückzustehen. Wir vermögen uns auch nach wiederholtem Anhören dieser kolossalen Tonschöpfung in dem Labyrinthe derselben noch nicht immer zurechtzufinden. Mannigfache Stockungen und scheinbare Willkürlichkeiten verleihen einzelnen Partien der beiden Ecksätze einen rhapsodischen Charakter. Dieselben scheinen die symphonische Form zu sprengen und machen anfänglich den Eindruck einer großartigen überwältigenden Orchesterphantasie. Wir gestehen indeß, daß wir schon nach dem dritten Anhören der Symphonie manche uns verwirrende Unklarheiten nicht mehr empfanden und setzen gerne voraus, daß eine eingehendere Bekanntschaft mit dem Werke uns auch den organischen Zusammenhang und die motivirte Begründung der einzelnen Theile erkennen lassen werde. Die Combinationsgabe und der unerschöpfliche Erfindungsreichthum des Tondichters erregen, die unbegrenzte Bewunderung. Unvergleichliche Polyphonie, gewaltige Rhythmik, Kraft und Energie der Themen sind die hauptsächlichsten Vorzüge der Werke Bruckner's. Dieselben zeichnen sich auch durch großartige, unerhörte Steigerungen und durch souveräne Beherrschung aller moderner orchestralen Ausdrucksmittel aus, mit welchen der Componist farbenprächtige, oft wahrhaft dramatische Wirkungen erzielt. Auch Diejenigen, welche nicht viel von dem verstanden, was der Componist darbot, mögen die Empfindung gehabt haben, daß hier etwas Ungewöhnliches, Großes und Erhabenes vorsichgehe.
      Ganz merkwürdig ist der architektonische Bau des ersten Satzes mit seiner – an die neunte Symphonie Beethovens erinnernden Einleitung mit den mächtigen recitativartigen Einsätzen der Bläser. Eine Eigenthümlichkeit Bruckner's ist seine Gabe, die beiden Chöre der Bläser und Streicher oft feindlich gegeneinander zu führen, um sie später in siegreicher und versöhnender Weise wieder zu vereinen. In dem, von melodischen Reizen überquellenden Stimmengewebe der späteren Entwicklung des Satzes sei besonders der zarten, rührenden Klage des Hornes gedacht, welche, von den leisen Figuren der Violinen umspielt, eine zauberhafte Wirkung ausübt. Finstere Energie und dämonische Einflüsse machen sich wieder geltend. Großartig ist die Stelle, wo das von der Trompete leise angestimmte Hauptthema in voller Macht und Herrlichkeit unisono vom vollen Orchester aufgenommen wird. Der ergreifende zweite Satz (Adagio) mit seiner verklärten, überschwänglichen Stimmung und seinem fortströmenden Gesange erinnert in seiner unerschöpflich mannigfaltigen Variirung und Langathmigkeit der Melodie an Beethoven's  Adagios der letzten Periode. Von eigenthümlicher Wirkung sind das leise Tremolo der Violinen und die an die Schlummerscene der „Walküre" mahnenden Harmonien dieses Satzes.
     Der dritte Satz ist zweifellos der formell abgeschlossenste der Symphonie. Der thematische Aufbau dieses Satzes ist meisterhaft, die kräftige Rhythmik desselben bewunderungswürdig. Die überschäumende Kraft; der Trotz dieses dämonischen Scherzos wirken überwältigend. Den entsprechenden Gegensatz bildet das blühende und anmuthsvolle Trio, welches den Charakter eines köstlichen ländlichen Tanzes aufweist, der eines Schuber würdig wäre.
     Der letzte Satz bringt neben zahlreichen unvergleichlichen Schönheiten und Geistesblitzen auch einige Stellen, welche uns unvermittelt erscheinen und deren Zusammenhang wir noch nicht verfolgen können. Der Eingang des Satzes in seiner mächtigen Steigerung steht, unserer Ansicht nach, mit der darauffolgenden, recht hübschen, aber etwas leichtfertig im Polka=Rhytmus sich bewegenden Melodie in Widerspruch; dieselbe ist nicht symphonisch in der Erfindung. Eigenthümlich ist die Stelle mit den nachschlagenden synkopirten Bässen und den Posannen. Mit dem Zurückgreifen auf das Anfangsthema des ersten Satzes, welches von dem ganzen Orchester mit voller Wucht und mit blendendem Glanze aufgenommen wird, findet das ganze Werk den denkbar großartigsten und wahrhaft überwaltigenden Abschluß.
     Das symphonische Wunderwerk Bruckner's fand eine enthusiastische Aufnahme und übte sichtlich einen tiefen und erhebenden Eindruck auf die Zuhörerschaft aus.
     Inwieweit der Dirigent im Verlaufe des Werkes hinsichtlich der Temponahme den Intentionen des Componisten entsprach, können wir nicht entscheiden, doch scheint es uns, als ob das Adagio noch ein langsameres Zeitmaß vertragen hätte. Die Ausführung der Symphonie, welche dem Dirigenten und den Musikern zahllose ungewöhnliche Schwierigleiten aller Art bietel, verdient die größte Anerkennung, und wir können beide Factoren zu dem ehrenvollen Resultate des gestrigen Abends aufrichtig beglückwünschen. Sowohl das Streichorchester als auch die mitwirkenden Bläser der Regimentscapelle boten ihre besten Kräfte auf, ihre bedeutenden Aufgaben in bestmöglicher Weise zu lösen. Der Dirigent Herr Director Degner, welcher sich mit so schönem Erfolge dem schwierigen, anstrengenden und zeitraubenden Studium der Tondichtung Bruckner's gewidmet, darf mit Befriebigung auf den gestrigen Abend zurückblicken. Herr Degner wurde nach den einzelnen Sätzen und am Schlusse der Symphonie durch wohlverdienten Beifall und mehrfache Hervorrufe geehrt. Ein zahlreiches Publikum füllte sämmtliche Räume des Stefanien=Saales.            Franz Petrich." (*)
 
und Julius Schuch im Grazer Tagblatt Nr. 42 auf S. 1f.
"Drittes Concert des Steiermärkischen Musikvereines.
     Um Schranken zu durchbrechen und neue Bahnen zu wandeln, bedarf es Kraft und Muth im Leben wie in der Kunst. Unvermeidlich ist jeder Sieg mit Kampf verbunden und je glänzender der Sieg, desto heißer der Kampf. Ungezählte Beispiele hiefür gibt die Geschichte der Weltereignisse, zahlreiche die Musikgeschichte.
     Beethoven und Wagner sind für diese Thatsachen bedeutsame Beweise, und Anton Bruckner mit seinem Ringen und Kämpfen kann ihnen würdig an die Seite gestellt werden. [... Schicksal der Symphonien, ihre Eigenheiten führten zu unterschiedlicher Beurteilung, Parteienstreit und Ignorierung ...]
     [... im 1. Satz hervorzuheben: Triolen, Unisoni, Orgelpunkte, Steigerungen, Choräle, Kontrapunktik ...] Und trotzdem kann ich den Satz nicht schwerfasslich finden. Es dünkt mir, dass er jedem musikalisch Gebildeten verständlich sei, der ihn nur verstehen – will.
     Zu dem prächtigen Klangschimmer des Eingangssatzes bildet das sanfte Adagio quasi Andante einen beruhigenden Gegensatz. [... Anklänge an "Tristan" ... Widmung an Wagner ...] Bruckner empfand, wie er selbst gesteht, die größte Freude seines Lebens!
     Ungestüm drängend und pochend setzt das Scherzo ein. Das ernste Gesicht des gestrengen Contrapunktikers hellt sich aber bald auf. [...].
     Ein klarer Satz, der nur leicht durch ein etwas zurückgehaltenes Zeitmaß im ersten Theile pathetisch werden kann, wie es bei der Generalprobe der Fall war.
     Den eigentlichen Humor scheint mir aber der Tondichter fast mehr für das Finale, wenigstens für den Eingang desselben, aufgespart zu haben. [... "Gavotte" [= 2. Gruppe], Anklänge an Walküre (Wotans Zorn) und Tannhäuser (Venusbergmusik) ...].
     Manche nennen das Finale paradox. Ich möchte [es] dahingestellt lassen, ob in diesem Punkte nicht ein Ausspruch Nietzsches modificiert anwendbar wäre, der da sagt: Die sogenannten Paradoxien des Autors, an welchen der Hörer Anstoß nimmt, stehen häufig gar nicht im Kopfe des Autors, sondern im Kopfe des Hörers. Beistimmen möchte ich mit Rücksicht auf den phantastischen Flug und die effectvolle Instrumentation des letzten Satzes den Worten Professors [sic] Doors, der Bruckner den "deutschen Berlioz nennt, nur dass ihm auch musikalisch immer etwas einfällt". Wenn es auch schwer ist, dem hyperkühnen Adlerschwunge und den complicirten contrapunktischen Künsten Bruckners zu folgen, so wäre es Unrecht, ihm darob einen Vorwurf zu machen und ihm geringere Anerkennung zu zollen.
     Ich gestehe, dass ich bisher den Werken Bruckners recht ferne stand, dass mich aber seine D-moll-Symphonie, die ich eine dramatische nennen möchte, zu einem treuen Verehrer des Meisters gemacht hat.
     Der Musikverein mit Director Degner an der Spitze hat sich mit der sorgfältig studierten Aufführung des schwierigen Werkes ein bedeutendes Verdienst erworben. Der sich steigernde Beifall der Zuhörerschaft sprach sowohl für die sich erschließende Schönheit, wie für die Ausführung der gewaltigen Tondichtung.
     [... Degner spielte J. S. Bachs Orgel-Passacaglia ... Leonoren-Ouvertüre (zum 100. Geburtstag Anselm Hüttenbrenners hätte auch dessen Opus gespielt werden können) ...]
                                                Julius Schuch." (**).
 
Vom Gesundheitszustand Bruckners und seiner Lebenssituation berichtet die Extrapost Nr. 682 (Wiener Montags-Journal) auf S. 4, signiert "Bmfld." [siehe die Anmerkung: Moriz Baumfeld]:
   "Ein Besuch beim kranken Meister.
     Seit dem vergangenen Frühling war ich in keine persönliche Beziehung mehr zu ihm getreten. Wir standen damals in der Nähe der Universität, als er daherkam in seiner regelmäßigen, rührenden Unbeholfenheit. Theils in einer übermüthigen Wallung, theils um dem alten Manne, dem wir ja mit all' seinen Schrullen aufrichtig zugethan waren, wirklich eine Freude zu bereiten, brachen wir in Hochrufe auf ihn aus. Er lächelte verlegen und ungeschickt wie immer, wenn er irgendwie gefeiert wurde. Wir umringten ihn, und da er in einigen von uns seine Schüler erkannte, reichte er uns Allen mit der ihm eigenen Wärme die Hand. Wir ließen es uns nicht nehmen, ihm bis vor sein Haus das Geleite zu geben im regen Austausch der Meinungen, dem er wie immer rasch eine humorvolle Färbung zu geben wußte.
     [... Wiedergabe einer wörtlichen Äußerung Bruckners über die Büste Tilgners (nicht vor dem 28.3.1893) ...]
     Wie ich nun neulich vor der Thüre stehe, tüchtig verschnaufend nach der Ersteigung eines ausgiebigen dritten Stockes mit dazugehörigem heuchlerischen Mezzanin, der dem alten Manne in den letzten Jahren wohl recht schwer geworden, trat mir so ganz das glückliche Lächeln vor Augen, mit dem dieses große Kind damals seine Worte begleitete.
     [...]
     "Es wird ersucht, nicht zu läuten." Der Zettel an seiner Thüre mahnt mich, daß mein Besuch einem Kranken gelte. [dessen] Tage vielleicht schon gezählt sind.
     [... Beschreibung der Wohnung: Vorzimmer, geräumige Küche, Wohnzimmer ...] Er ist gerade im Begriffe, sein Bett zu verlassen – 4 Uhr Nachmittag. Welch' sonderbares Gemach!
     Die Wände grellblau bemalt, alles regellos durch= und übereinander. In der Mitte ein geschlossenes Clavier sehr alter Construction, an der Wand ein unförmliches Harmonium, über und über mit beschriebenen und leeren Notenblättern im Kunterbunt bedeckt.
     [... Christbäumchen ...]
     An der anderen Wand sein Bild, vermuthlich von einem schlechtbegeisterten Anfänger so in der Art der deutschen Schule des XII. Jahrhunderts gemalt; bei aller Stümperarbeit ein gewisser Zug, der ihn wirklich ganz aus jener Zeit herausgewachsen erscheinen läßt.
     [... Esstisch ...]
     Die Thüre zum anstoßenden Schlafzimmer öffnet sich, er kehrt mir noch den Rücken. Schwerfällig wird er in einem gewöhnlichen, verschossenen Fauteuil in's Zimmer geschoben.
     Das dauert zum Glück eine geraume Weile, gerade lange genug, um meiner tiefgehenden Bewegung wenigstens einigermaßen Herr zu werden.
     Bis zur Unkenntlichkeit verändert  .  .  . 
     Sein "Charakterkopf", auf den er bei all' seiner Bescheidenheit so stolz gewesen, dahin. – – – 
    Ein weißer, etwas im Spitz verlaufender struppiger Bart umrahmt das früher stets glattrasirte Gesicht, kurzes, borstiges Haar nimmt dem sonst so gewaltigen, gleichfalls fast bis zur Nacktheit rasirten Kopf ein eigenthümliches Gepräge.
     Ein zahnloser, eingekniffener Greisenmund theilt das vergrämte, eingefallene Antlitz in zwei ungleiche Hälften. [... Ausdruck nicht heiter, "mürrisch, hart, anklagend." ... Misstrauen ... Sprechschwierigkeiten ...]
     [... langsam kehrt Erinnerung an den Besucher wieder ... starkes Zittern ... Wunsch, das Gespräch nicht zu veröffentlichen ...]
     Nur darauf sei hingewiesen, daß es sein Wunsch ist, seiner "Neunten", von der drei Sätze bereits fertig sind, möge, falls ihm nicht mehr vergönnt sei, den vierten hinzuzufügen, das "Tedeum" aus der hohen Messe als Schlußsatz angefügt werden, so daß das Werk auch äußerlich der "Neunten" seines großen Vorbildes Beethoven ähnlich werde. [... "bittere Anklagen", Verbitterung, Verlassenheitsgefühl (auch die akademische Jugend!) ... Abschiednehmen ... Parallele zu Grillparzer ...]
     Es ist dringend zu wünschen, daß sich dies nicht im verschärften Maße wiederholt.
     Jetzt ist es noch Zeit. Manches kann noch gut gemacht werden, um wenigstens den Lebensabend eines unserer bedeutendsten Künstler zu verschönern.
     "Alle Gerechtigkeit der Erde wiegt nicht so viel, denn ein Körnchen Samen, darin die Liebe wohnt."
     Wird sich dereinst ein Grabmal erheben über der Stätte, wo seine Gebeine ruhen, ein Grabmal in schlichter, einfacher Größe, wie er selbst eine war, dann wüßte ich keine passendere Inschrift, als diese Worte für Anton Bruckner.    Bmfld." (***).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189502115, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189502115
letzte Änderung: Mär 10, 2024, 14:14