zurück 1.4.1896, Karmittwoch ID: 189604015

Besprechung des III. Internen Musikabends des Wiener Akademischen Wagner-Vereins (mit Teilen der e-Moll-Messe [19.3.1896]) in der Deutschen Kunst- und Musikzeitung Nr. 7 auf S. 84, signiert "-ff." [vermutlich Otto von Kapff]:
"     Der dritte interne Musikabend des Wagnervereines begann mit einem Chor aus dem „Alexanderfest". Schubert's „Gott in der Natur" war der Frauenchor nicht ganz gewachsen; dagegen gingen das „Sanctus" und „Benedictus" aus Bruckner's E-moll=Messe trotz des sehr schwierigen Satzes unter Herrn J. Schalk's Leitung vortrefflich vonstatten. Der letztere spielte mit den Herren Herold (Violine) und F. Schmidt (Cello) Beethoven's B-dur=Trio, das in dieser Saison, als wäre es die beliebteste Novität, auf vielen Programmen stand. Mit Gesang ließen sich Frl. Martha Gey und Herr Schütte=Harmsen hören; erstere, aus der Schule von Frl. M. Brandt hervorgegangen, ist ein aufgehender Stern. Ihr sympathischer Mezzosopran gibt sich leicht und ohne aufdringliche Allüren, ihr Vortrag stellt sich mit Verzicht auf alle eigenwillige Sucht zu glänzen in den Dienst des jeweiligen Componisten, und so hatten sich denn die gut gewählten Lieder von Liszt und Cornelius („Untreu" sang sie mit reizendster Schlichtheit) nicht zu beklagen. Herr Schütte-Harmsen, ehemaliger russischer Opernsänger, hat seine Glanzzeit hinter sich; er brachte den „Abendstern" und „Blick' ich umher" aus „Tannhäuser" mit nüchterner Correctheit zur Geltung, die kalt lassen mußte.       –ff." (*).

Das Deutsche Volksblatt Nr. 2603, Morgenausgabe, meldet auf S. 8 die erfolgreiche Aufführung der 7. Symphonie in Monte Carlo:
"    – Bruckner's siebente Symphonie errang im 16. classischen Concerte in Monte Carlo großen Erfolg." (**).

Kritik des Konzerts vom 23.3.1896 (mit dem "Te Deum") von B. Lvovsky in der Österreichischen Musik- und Theaterzeitung Nr. 18 auf S. 4:
   "[...]
   Das erste der zwei angekündigten Dank- und Wohlthätigkeits-Concerte, welche der Laibacher Musikverein „Glasbena matica” in Wien veranstaltete, um den Dank der Laibacher für die während der Erdbeben-Katastrophe seitens Wien geleistete thatkräftige Hilfe zu bethätigen, fand am 23. März im grossen Musikvereinssaale statt. Der 180 Personen zählende gemischte Chor leistet unter seinem Dirigenten M. Hubad sehr Anerkennenswerthes; er folgt jedem Winke seines tüchtigen Dirigenten. Die dynamischen Abstufungen werden mit grosser Gewissenhaftigkeit beobachtet und die Einsätze vollziehen sich mit grosser Präcision. [...] Den Beschluss des Concertes bildete Meister Anton Bruckner's grossartiges „Te Deum” für Soli Orchester und Orgel; leider war die Ausführung desselben keine mustergiltige, und zeugt es etwas von provinzialer Selbstüberhebung, dass Hr. Hubad dieses Werk den Wienern so ohneweiters vorführte. Der Chor schien mit dem Style dieser Composition nicht ganz vertraut zu sein, überhaupt habe ich die Wahrnehmung gemacht, dass mit Rücksicht auf die stattliche Zahl, insbesondere der weiblichen Stimmen, die Sache etwas dünn klang. Die grösste Schuld an dem theilweisen Misslingen des „Te Deum” trugen allerdings die Solisten; der Tenorist Hr. Laschek war ziemlich unsicher, auch Hr. Kliment zeigte sich weniger fest als wie im Fibich'schen Werke. Die Damen Frl. Sofie Chotek (Sopran) und Eugenie Hofmann (Alt) boten noch die erfreulichsten Leistungen, insbesondere Erstere verfügt über eine hübsche, klangvolle Stimme. Schwankungen gab es genug und musste man oft den guten Willen für die That nehmen; zu berücksichtigen bleibt aber, dass die Composition eine äusserst schwierige und daher die Leistung immerhin eine respectable ist. [...]     B. Lvovský." (***).

Die Ostdeutsche Rundschau Nr. 91 bringt auf S. 8 eine mit »T. K.« signierte Besprechung des Konzerts vom 27.3.1896 (mit dem Quintett):
"     Böhmisches Streichquartett. (Großer Saal, 27. März.) Ein interessantes Programm zum Abschied! Ihren reichbegabten Landsmann Dvorak hatten sie an die Spitze gestellt [... A-Dur-Sextett, Brahms-Klavierquartett ...]. Um so kräftiger, wärmer und edler hob sich das Bruckner'sche Quintett ab, an dem die tschechischen Gäste in geradezu überraschender Weise zeigten, wie tief sie doch in das so seltsam vereinsamte deutsche Werk einzudringen vermocht hatten. Wäre das Tempo des Adagio nicht Anfangs zu langsam genommen gewesen und damit eine fühlbare Schwere auf den herrlich schlichten Gesang gelastet worden, der Eindruck wäre ein noch tieferer gewesen. Wohlthätig war es, daß ein beträchtlicher Theil der musikalischen Schönheit den Saal verlassen hatte, so daß die Zurückbleibenden wohl zumeist der Bruckner=Gemeinde angehörten und sich in den Beifallsjubel keine störende Empfindung zu mengen brauchte. Wird der Bruckner noch lange warten müssen und – können?                   T. K. " (°).

Das Konzert vom 25.3.1896 wird in der "Lyra" Nr. 13 (503) auf S. 9 (147) besprochen, signiert "B-r.":
"     Schubertbund. Das am Mittwoch, den 25./3. abgehaltene Orchesterconcert dieses hervorragenden Vereines hatte einen glänzenden künstlerischen Erfolg, der wohl in erster Linie dem ausgezeichneten sich immer mehr in seine Aufgabe hineinlebenden Chormeister Adolf Kirchl und der unermüdlichen Vereinsleitung, nicht zuletzt aber auch der trefflichen, hochgebildeten Sängerschaar zu verdanken ist. [... Schubert (Rosamunde-Ouvertüre und "Gesang der Geister über den Wässern" [sic] ...]. Ein zweiter grübelnder Chor "Träumen und Wachen" (mit Tenorsolo) von Anton Bruckner folgte hierauf – es war beinahe zuviel "schwere" Musik an einander gereiht. Die Grillparzer'schen Verse: "Schatten sind des Lebens Güter, Schatten seiner Freuden Schaar, Schatten Worte, Wünsche, Thaten: Die Gedanken nur sind wahr – –" beschatten leicht selbst die holde Muse: Musik[,] und sie oder vielmehr Freund Bruckner zeigt uns ein vergrämtes Gesicht; die Töne klingen in Dissonanzen, die fortschweben, wenn sich auch über ihnen die Solostimme erhebt und beruhigend verkündet: "Und die Liebe, die Du fühlest, Und das Gute, das Du thust, Und kein Wachen, als im Schlafe, Wenn Du einst im Grabe ruhst – –" der Schmerz über das Herbe in diesem Stücke, weil er eben gar so empfindlich, kann nicht so bald überwunden sein. Da hatte es darauf leichter Herr Heuberger mit seinem Chor [... ausführlicher über Arnold Krugs "Fingal" ...]. Noch sei der prächtigen Gesammtleistung von Chor und Orchester gedacht; der warme Beifall des zahlreichen Publikums – sämmtliche Sitze waren vergriffen – bezeugte von [sic] volle Würdigung des Gebotenen.      B–r." (°°).

Auf Seite 12 reagiert die Redaktion auf eine mutmaßliche Stellungnahme Theodor Helms,vermutlich das Bruckner-Heft vom 15.12.1895 und das Konzert vom 18.12.1895 betreffend:
"                       Offene Post.
     Herrn Dr. Th. Helm, Wien. Es freut uns, daß Sie sich durch gewisse, uns ganz fernliegende Unterstellungen in Ihrer zutreffenden Auffassung der Mittheilung der "Lyra" über die bewußte Reclame=Nummer jener musikalischen Theaterzeitung nicht irre machen ließen. Die "Lyra" ist für Bruckner in würdiger Weise bereits eingetreten, als jene Theater= und Musikzeitung noch gar nicht bestand und der Briefkasten=Bruckmüller wohl kaum noch den Namen Bruckner buchstabiren konnte! Die "Lyra" nahm von der verurtheilenden Kritik der "Dresdener Nachrichten" und Berliner Musikblätter gegen die Reclame=Nummer jener Wiener Theater=und Musikzeitung einfach Notiz, um zu zeigen, wie man in Deutschland über gewisse Un–geschicklichkeiten denkt! Und das schon hat jenes "Kunst"=Organ zu Wuthausfällen und Stylblüthen, wie "Literarische Jauche!", Dresdener Winkelreferent(!)", "brotneiddurchtränkten (!!) Seitenblicken", "Pamphleten" u. s. w. veranlaßt, die für ein "Kunst"blatt natürlich sehr bezeichnend sind! Mit derlei "Kunstschriftstellern" sich weiter abzugeben, wäre völlig zwecklos! [...]" (°°°).

(2. Außerordentliches Gesellschaftskonzert unter Richard von Perger mit Friedrich Kiels Oratorium »Christus« (#)).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189604015, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189604015
letzte Änderung: Dez 20, 2023, 21:21