zurück 14.5.1896, Donnerstag ID: 189605145

Artikel [von Josef Scheu?] in der Arbeiter-Zeitung Nr. 133 auf S. 5:
»     * Anton Bruckner in den letzten Zügen. Der greise Komponist Anton Bruckner liegt im Sterben. Seit langen Jahren leidet er an einer Herzkrankheit, zu der sich seit einiger Zeit schwere asthmatische Zustände gesellt haben. Er kann kein Auge schließen und verbringt qualvolle Nächte auf einem Lehnstuhl sitzend. Jede Minute kann sein Tod eintreten. Bruckner ist eine der bedeutendsten künstlerischen Individualitäten Oesterreichs. Seine "Carrière" hat er sehr langsam gemacht, und erst an der Schwelle des Greisenalters gelang es dem simplen Organisten mit den schwerfälligen Bauernmanieren, den Lorbeer zu erringen. Er hat dem Größten nachgestrebt, was es in der Tonkunst zu erreichen gibt, und er ist auch wirklich einer der bedeutendsten Symphoniker nach Beethoven geworden. Anton Bruckner steht im Alter von 72 Jahren. Er wurde im Jahre 1824 in Ansfelden (Oberösterreich) geboren, in frühester Kindheit als Sängerknabe in das Stift St. Florian aufgenommen und zum Organisten erzogen. Als gereifter Mann galt er als einer der größten Meister des Orgelspiels, seine Bedeutung als Komponist aber wird erst seit kaum einem Jahrzehnt gewürdigt. Viel zu seiner Verkennung hat der bekannte Musikkritiker der "Neuen Freien Presse", Eduard Hanslik [sic], beigetragen.« [keine Signatur] (*).


Von Bruckners Gesundheitszustand und Bayers Besuch berichten auch

das Deutsche Volksblatt Nr. 2645 (Morgenausgabe) auf S. 7:
"     * [Dr. Anton Bruckner.] Die "Steyrer Zeitung" schreibt: Bei unserem großen Meister Dr. Anton Bruckner in Wien weilte auf dessen speciellen Wunsch vor Kurzem der hiesige Regenschori Herr Franz Bayer drei Tage. Wie Herr Bayer mittheilt, ist der Gesundheitszustand Bruckner's nicht der beste und, obwohl größtentheils außer Bett, verbringt er die meiste Zeit des Tages schlafend in seinem Lehnstuhl. Den Schlußsatz seiner neunten Symphonie hat er wohl vollständig skizzirt, doch, wie er zu Herrn Bayer selbst äußerte, hofft er selber nicht mehr, diesen ganz fertig ausarbeiten zu können. Seiner "lieben Steyrer" erinnert er sich äußerst gerne, und speciell freut es ihn, daß in Steyr so ein reger Sinn für seine Compositionen existirt, und er läßt für Alles den "lieben Steyrern" danken. Weiters ersuchte Dr. Bruckner Herrn Bayer, den neuen hochw. Herrn Stadtpfarrer zu bitten, die paar Gegenstände (Lorbeerkränze etc.) im sogenannten "Bruckner=Zimmer", welches im Stadtpfarrhofe sich befindet, belassen zu wollen. – Der greise Meister ist gegenwärtig bedenklich erkrankt." (**),

die Österreichische Volkszeitung Nr. 133 (2-Kreuzer-Ausgabe) auf S. 8:
"                    Neuigkeitsbote.
[,,,]
     * Anton Bruckner. Der greise Meister Anton Bruckner, welcher im 72. Lebensjahre steht, ist seit einiger Zeit wieder schwer erkrankt, so daß sein Zustand als ein sehr bedenklicher gilt. Sein Krankenlager befindet sich in der ihm vom Kaiser eingeräumten Wohnung im Belvedere. Vor einigen Tagen wurde er vom Bürgermeister der Stadt Steyr besucht und sprach demselben sein Bedauern darüber aus, daß es ihm noch nicht vergönnt sei, den letzten Satz seiner Neunten Symphonie zu vollenden. Gestern hat sich sein Zustand wesentlich verschlimmert. Um Mitternacht meldet man uns, daß bei dem Patienten ein so hochgradiger Verfall der Kräfte eingetreten ist, daß die Umgebung des Komponisten auf das Schlimmste gefaßt ist." (***),

"Die Presse" Nr. 133 auf S. 4:
»     (Anton Bruckner.) Im großen Schloßhofe des kaiserlichen Belvederes hat Meister Bruckner dank der kaiserlichen Gnade in einem ebenerdigen Seitenbau seit Monaten seine Wohnung aufgeschlagen. Hier pflegt den alten gebrechlichen Mann seine treue Haushälterin, die stadtbekannte "Kathi", Frau Kachelmaier. Wir ziehen den Glockenzug, es wird lange nicht geöffnet. Schließlich geht die Thür zur Hälfte auf; in derselben erscheint die wohlbeleibte Gestalt der Wärterin Bruckner's, die bereits durch volle dreiundzwanzig Jahre in Diensten des Meisters steht. Wir dürfen, da wir in früheren Jahren bei Bruckner verkehrten, in die Wohnung eintreten, wo Frau Kachelmaier uns mit einem Zeichen bedeutet, Stille zu bewahren. Und dann beginnt sie in ihrem urwüchsigen Wienerisch, während sie die Hände in die Seite stützt, zu erzählen: "Sö kommen g'wiß auch z'fragen, wias dem alten Herrn geht? Und den ganzen Tag kummen die Herrn aus der Stadt und kaner därf mir herein. Nachher glauben's, daß eahm, Gott waß, wie schlecht geht und s'is gar net wahr. Er hat immer seine g'schwoll'nen Füaß und stärkere Athembeschwerden, i bitt' Sie, so a alter Mann. Und da hat der Docter, der Herr Docter Weißmaier g'sagt, i darf kan Menschen zu eahm 'neinlassen. Er därf gar net g'stört sein. Und so kann ich nit mal Sie zu eahm führen. Er muaß ganz allein bleiben. Wann's recht stad sein, können's ihn durch's Fenster in sein' Zimmer seh'n." Wir blicken in ein bescheiden möblirtes, mittelgroßes Zimmer, in welchem der Meister an seinem Schreibtisch saß und sich mit Briefschaften beschäftigte. "Sehn's," bemerkte unsere Erzählerin, "da macht er wiederum an Riesenwirrwarr auf sein' Schreibtisch und nachher schreibt er a paar Brief' an seine Bekannten. Wann er gut bei Laune is, da setzt er sich hin und componirt. Und wann's eahm sehr gut geht, nachher spielt er auch's Clavier. Morgen geh'n mir mit eahm 'nüber in die Schloßcapellen. Trotz der wehen Füß geht er immer fast ganz allein. Nur die Schmerzen mit'n Asthma sollt' er nit hab'n. Vorläufi is gar nit z'denken, daß mir auf's Land gehen. In Steyer lebt nimmer sein alter guter Freund, der Herr Pfarrer. Aber wann's schön und warm wird, dann hoffen wir's zu Gott, geh'n mir irgend wohin nach Oberösterreich." Mit dem Wunsche baldiger Wiederherstellung des Meisters verabschiedeten wir uns sodann von der alten Pflegerin des "Herrn Professors".« [keine Signatur] (°),

das Grazer Tagblatt Nr. 133 auf S. 18:
"     Wien, 13. Mai. Die Blätter melden, dass der Zustand des an Herzleiden daniederliegenden Componisten Anton Bruckner ein hoffnungsloser sei." (°a),

das Neue Wiener Journal Nr. 918 auf S. 7:
"    * Der Zustand Bruckner's hat sich im Laufe des gestrigen Tages nicht verschlimmert. Der greise Künstler ist wohl sehr schwach, doch ist, wie wir mit Vergnügen erfahren, das Allgemeinbefinden Bruckner's keineswegs ein solches, daß Anlaß zu Besorgnissen vorhanden wäre." (°b)

und die Linzer Tages-Post Nr. 112 auf S. 4:
"     (Anton Bruckner.) Ueber das Befinden des greisen Tondichters Anton Bruckner verlautet nichts Günstiges. Der Künstler verbringt, von einem Herzübel und großer Athemnoth geplagt, den größten Theil des Tages halbschlummernd im Lehnstuhle. Kürzlich noch erbat er sich den Besuch des Regenschori Bayer aus Steyr, dem er mehrere letztwillige Wünsche ausdrückte. So ließ er durch ihn den Stadtpfarrer von Steyr bitten, die im sogenannten Brucknerzimmer befindlichen Gegenstände im Pfarrhofe zu belassen. Mit Wehmuth gedachte der Tonkünstler des Umstandes, daß es ihm nicht gegönnt sei, heuer den Sommer in seinem lieben Steyr zu verbringen. Von seiner neunten Symphonie sind die ersten drei Sätze fertig, der letzte skizziert." (°°).

Im »Berliner Musikbrief« des Musikalischen Wochenblatts Nr. 21 auf S. 266f wird Weingartner mit Muck verglichen und die Aufführung der 7. Symphonie unter Muck [6.1.1894] erwähnt:
"             Musikbriefe.
                                 Berlin.
          
     (Fortsetzung.)
     Die Versuchung, über Weingartner als Dirigent ausführlicher zu sprechen, liegt nahe; durch seine aburtheilende Kritik über sine Collegen hat er ja das strengste Urtheil herausgefordert. [... über Weingartner ...].
     Vieles, was Weingartner fehlt, ist seinem Collegen Hrn. Dr. Muck gegeben. Als Operndirigent steht er in mancher Hinsicht über Jenem. [... Mucks Vorzüge, Vielseitigkeit ...].
    Aber Muck hat auch Gelegenheit gehabt, als Concertdirigent reiche Lorbeeren zu ernten. Schon vor zwei Jahren hat er als Vertreter Weingartner's Bruckner's Edur-Symphonie zur hellen Freude des anwesenden Wiener Meisters und seiner Verehrer aufgeführt.(NB.Das letzte Jahr ist vergangen, ohne dass auch nur ein Werk Bruckner's in Berlin zu Gehör kam!) In diesem Winter nun hat er die Gedächtnissfeier der Wagner-Vereine am 10. Februar geleitet, [... Saison-Höhepunkt, dreimal ausverkauft, Lili Lehmann und Kalisch ...].
                             (Fortsetzung folgt.)" ["Signatur" am 24.9.1896: "– – ."] (°°°).

Auf Seite 272 (»Aufgeführte Novitäten«) ist die Aufführung von »Helgoland« am 18.3.1896 verzeichnet:
"Bruch (M.) [...]
 – –"Salamis" f. Männerchor u. Orch.(Berlin, Popul.Conc. der Berliner Liedertafel [Zander] am 18. März)
 Bruckner (A.), "Helgoland" f. Männerchor u. Orch. (Ebendaselbst.)" (#).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189605145, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189605145
letzte Änderung: Sep 29, 2023, 14:14