zurück 14.1.1897, Donnerstag ID: 189701145

Hinweis auf das heutige Konzert
im Alpen-Boten Nr. 4 auf S. 3 (*a)
und in der Steyrer Zeitung (*b).
Das Duesberg-Quartett spielt im Hotel Schiff in Steyr u.a. das Quintett. Der Erlös kommt dem Votivfenster in der Stadtpfarrkirche zugute (**).
Bei den anderen Programmnummern wirken u.a. Natalie Duesberg (Klavier) und Rudolf Mittermüller (Violine) mit (**a).

Sehr gute Besprechung des Konzerts vom 13.1.1897 (mit der 4. Symphonie) in der Allgemeinen Zeitung, München, Nr. 14 auf S. 1, signiert „§**“ [die beiden Asteriske stehen im Original übereinander]:
„        Feuilleton.     §** Das IV. Symphonie=Concert des Kaim=Orchesters unter Meister Herman Zumpe’s Leitung war eines der glänzendsten seit Beginn des Kaim’schen Unternehmens. Es ward eröffnet mit der großen Symphonie Es dur Nr. 4 von Anton Bruckner, welche den Namen „die romantische“ trägt. Auf das romantische Gebiet hat sich die symphonische Musik seit Schubert überhaupt herübergespielt, ja derjenige, welcher diese Wendung bereits inaugurirte, war Beethoven selbst, man kann sagen, mindestens seit seiner VIII. Symphonie. Was unter Bruckners Symphonien die besondere Bezeichnung „romantisch“ allenfalls rechtfertigen mag, ist vielleicht das Hereinziehen des romantischen Waldeszaubers, welches das Scherzo zum Gegenstand zu haben scheint. Name ist Schall und Rauch, auf das Wesen kommt es an. Letzteres ist aber in dieser Symphonie ein so hohes, herrliches, daß wir jede Bemäkelung der Bruckner’schen Muse, welche wir bisher auszusprechen uns genöthigt sahen, zurücknehmen möchten, wenn nicht leider der letzte Satz, welcher den gewaltigsten Anlauf nimmt, um dann in minder bedeutenden Episoden zu verlaufen, unsre Auffassung rechtfertigte, daß es dem unbestritten großen Genie an Klärung fehlte. Die ersten drei Sätze, das Allegro molto moderato, das Andante (C-moll) und das Scherzo (B-dur) sind vermöge ihres Gedankenmaterials und ihrer Durchführung wahre Perlen nicht nur der neuen, sondern der gesammten symphonischen Literatur. Sie bringen mit leiser Anlehnung an Schuberts Weise, aber völliger Ueberspringung Mendelssohns und Schumanns, neue Offenbarungen der Instrumentalmusik, in der That eine Art Fortsetzung Beethoven’scher Kunst in dem Sinne, wie sie nach Hanslick – Brahms’ Symphonien gebracht haben sollen. Die Formen sind an sich gleichgültig, wenn es nur wirkliche, faßbare Formen sind; und dies ist bei den drei ersten Sätzen, deren letzter, das Scherzo, sogar seine conventionellen Theile mit Wiederholungen hat, gewiß nicht zu leugnen. Auch die Einheit der Tonart ist trotz stark bewegter und kühner Modulation überall gewahrt. Die große Bedeutung liegt aber in der Poesie, welche über diesen Sätzen ausgebreitet ist. Bringt schon der erste Satz entzückende Bilder eines warmen Empfindungslebens, so liegt in dem Andante etwas undefinirbar Weihevolles – die herrlichen harmonischen Ueberraschungen ungerechnet; im Scherzo huschen die kleinen Jagdfanfaren wie Kuckuck spielend durcheinander. Alles ist geistreich, alles lebendig, alles entzückend. Schade nur, unendlich schade, daß der so gewaltig, wirklich titanenhaft beginnende Finalsatz sein Versprechen, das Ganze mächtig abzuschließen, nicht hält. Es wird da wieder einmal die harte Lehre gegeben, dass nichts hienieden vollkommen sein darf. O daß jetzt ein congenialer, jugendkräftiger Meister käme, der die gefundenen Perlen in ein Diadem zusammenfaßte, die neuere Kunst damit zu krönen! Die Wiedergabe des Werkes war das Vollendetste und, wir dürfen es ohne Uebertreibung sagen, Wunderbarste, was Zumpe bisher durch Gewissenhaftigkeit, technische Kenntniß und – vor allem – Poesie der Auffassung erreicht hat. Da fehlte auch kein Tüpfelchen der Nüance: so, wie das Werk vom Meister geschaffen ist, so wurde es hingestellt. Jubelnder und andauernder Beifall folgte aber auch jedem Satze. Hierauf spielte Hr. Alfred Krasselt, vor einem Jahre noch Concertmeister des Kaim=Orchesters, [… Violinkonzert von Richard Strauss … die Zugaben] konnten wir nicht mehr anhören, denn nach Beendigung der Akademischen Festouverture von Brahms, einer etwas trockenen Bescheerung, hatten wir – es war 9½ Uhr – unser vollgerütteltes Maß Musik genossen.“ (***).

Theodor Reisch erhält vom Bezirksgericht Wien die Legitimation zur Behebung der Sparguthaben Bruckners [vgl. 6.1.1897] (°).

Das Deutsche Volksblatt Nr. 2886 bringt auf S. 15 (Morgenausgabe) ein Inserat, demzufolge der Klavierauszug der d-Moll-Messe im Verlag Johann Gross erschienen ist (°°).
Eine ähnliche Annonce erscheint auch im Fremdenblatt Nr. 14 auf S. 18 (Morgenblatt) (°°°).

Die Innsbrucker Nachrichten Nr. 10 kündigen auf S. 5 die Aufführung der d-Moll-Messe am 15.1.1897 [recte: 17.1.1897] an (#).

Das Musikalische Wochenblatt verzeichnet in der "Concertumschau" auf S. 37f die Aufführung des Adagios der 7. Symphonie unter Richard Barth im 3. Philharmonischen Konzert in Hamburg (##).

Der 2. Teil des Feuilleton-Artikels "Erinnerungen an Anton Bruckner" erscheint in der Reichspost Nr. 10 (###).

Das Racine Journal Nr. 253 (Racine, Wisconsin) erwähnt auf S. 11 Bruckner im Jahresrückblick auf 1896:
"                 HISTORY OF A YEAR
[...]
                            OCTOBER.
[...]
12. Storm: A West India hurricane swept the Atlantic coast from New England to New Jersey.
     Obituary: Herr Bruckner, celebrated musical composer, in Vienna; aged 72. [...]." (a).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189701145, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189701145
letzte Änderung: Feb 13, 2024, 9:09