zurück 3.7.1886, Samstag ID: 188607035

Vorbesprechung des heutigen Konzerts durch Riedel im Leipziger Tageblatt Nr. 184 auf S. 3829 (=17):
"                              Musik.
            Zum heutigen Kirchenconcert.
    Leipzig, 3. Juli. Wenn man vom Palestrinastyl spricht, so denkt man gewöhnlich an Chöre von jener Gattung, wie sie zu Anfang und Ende des zu Gehör gelangenden Responsoriums "Ecce quomodo" und in Vittoria's "Marienklage" erscheinen. [... ausführlich über Palestrina ... S. Bach ...]. Von dem in letzter Zeit viel genannten zu einer musikalischen Frage gewordenen Wiener Componisten Anton Bruckner erscheinen zwei Theile aus einer Manuscript=Messe Cdur, die in der Liturgie der kaiserlichen Hofkirche zu Wien in regelmäßigem Gebrauch, auch in Linz aufgeführt worden ist. Gloria und Credo, deren Blasinstrumenten=Begleitung diesmal auf die Orgel übertragen worden ist, haben sofort die Liebe des ausführenden Chors gefunden, der mit ausdauernder Neigung dem Studium der nicht leichten Partie sich unterzogen hat. Die kräftige, nicht weitschweifige Gestaltung, das zugvolle, schöner Contraste nicht entbehrende Herausarbeiten aus energischen Grundmotiven wird dem greisen Componisten sicher viele Freunde zuführen; Qui tollis im Gloria, die markige Amen=Fuge, das Et incarnatus est und das im Colorit meisterhaft das Gefühl der Einsamkeit und Gottverlassenheit schildernde Crucifixus, eine Menge glanzvoller und sinniger Einzelzüge, kühne, eigenthümliche harmonische Wendungen treten gewinnend und fesselnd hervor und gemahnen oft an Beethoven'sche Größe. – Herr Homeyer spielt interessante Orgelcompositionen [... Helene Wegeners Erfolg im letzten Jahr ...] Hoffentlich befestigt sich die Dame im Wohlwollen der Leipziger Hörer!     C. R." (*).
 
Auf Seite 3816 (= 4) weist ein Inserat auf das Konzert hin:
"              Riedel-Verein.
3. regelm. Auff. 1886, heute, 3. Juli, Abends halb 8 Uhr, Peterskirche. Einlass 7 Uhr.
     Frescobaldi, Passacaglia [..., Palestrina, Eccard, M. Franck, Händel ...] – F. Liszt, "Sporalizio" f. Org., Ant. Bruckner, Gloria u. Credo a. d. Cdur-Messe, Hs. Huber, [... Ferd. Hiller, Beethoven ...]. – S. Bach, "Singet dem Herrn", Motette f. Doppelchor.
         ________
Alt-Soli: Frl. Helene Wegener aus Berlin.
Orgel-Soli: Herr Paul Homeyer.
Solisten-Ensembles unter gef. Mitw. kunstgebildeter Damen und Herren.
         ________
[... Mitgliedschaft, Kartenverkauf ...]." (*a).

In der Leipziger Peterskirche führt Karl Riedel [nicht Albert Tottmann (**a)] Gloria und Credo der e-moll-Messe [WAB 27] (**b) auf. [siehe die Ammerkung]
Die Orchesterbegleitung wird von der Orgel (gespielt von Paul Homeyer) übernommen (***).
Als Gesangssolistin bei einigen Arien wirkt die Altistin Frl. Wegener mit (°).

Brief Bruckners an den Verlag Schott in Mainz:
     Auf Anregung Levis sende er die Partitur der 4. Symphonie. Nach einem Schreiben aus München [Amélie] interessiere sich nun auch der Kaiser [Franz Joseph] für ihn (°°).

Brief Josef Schalks an Franz Schalk:
    Durch Vermittlung von Dr. Boller erhalte Franz noch Karten für Bayreuth und ein Freibillet für den Extrazug am 24.7.1886. Bruckner, der Franz und Goldschmidt grüßen lasse, fahre ebenfalls mit, von Wien oder von Wels aus. Das Adagio der 8. Symphonie werde dann vollendet sein. Er, Josef, arbeite bereits am 1. Satz [des Klavierauszugs?] (°°°).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 188607035, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-188607035
letzte Änderung: Okt 08, 2024, 22:22