Bericht über den Bruckner-Kommers
im Deutschen Volksblatt Nr. 1055 auf S. 9 und im Abendblatt auf S. 2f:
"Der Bruckner-Commers.
Gestern Abends fand im Sofiensaale ein von unserem wackeren Akademischen Gesangvereine veranstalteter Commers statt, bestimmt, die Ernennung Bruckner's zum Ehrendoctor unserer Universität zu verherrlichen. Zu derselben [sic] hatte sich ein äußerst distinguirtes Publikum eingefunden, das so zahlreich erschienen war, daß es die gewaltigen Räumlichkeiten dicht füllte.
Fortsetzung im Abendblatt auf S. 2f:
"Der Bruckner-Commers.
Der Commers, der in seinem Beginne einen so äußerst gelungenen Verlauf nahm, war auch in seiner Fortsetzung reich an vielen recht interessanten Einzelheiten. Leider vermögen wir jedoch nicht zu sagen, daß er die Erwartungen hielt, die man in ihn gesetzt hatte. [... Göllerich war vom WAGV seit Wochen als Festredner eingeplant, doch sollte nun Schaumann als erster reden, Göllerich als zweiter. Göllerich war im gedruckten Programm nicht angeführt, und nach Schaumanns Rede wäre eine zweite von Göllerich unpassend gewesen. Die "Mundtotmachung" Göllerichs vielleicht mit Rücksicht auf die von G. oft angegriffene feindliche Kritik, um Bruckner nicht noch mehr zu schaden? Die Zukunft werde zeigen, daß dieser Rückzieher des WAGV die Art der Kritik nicht ändern wird. Kein Verständnis für die Entscheidung des Commersleiters, viele Rufe nach Göllerich aus der Studentenschaft. Die Rede Göllerichs in der morgigen Ausgabe!]
Doch nun zum Berichte über den Schluß der Versammlung selbst. [... Festrede Schaumanns, es folgt ein Beifallssturm], in dem es Dr. Bruckner nur mit Mühe gelang, zum Worte zu gelangen. Unter athemloser Spannung der ganzen Versammlung wies der Gefeierte in herzlichen, schlichten Worten auf seine künstlerischen Bestrebungen hin. Die Mehrzahl der Anwesenden", sagte er, "sind nach der ernsten Beschäftigung mit der Wissenschaft, die so viele Berührungspunkte mit der Kunst [hat,] in ernster Begeisterung für diese erglüht. Mein Weg war ein anderer. Mich hat die Liebe zur Kunst, der Wunsch, deren Geheimnisse zu ergründen und tiefer und immer tiefer in sie einzudringen, dazugetrieben, diese wissenschaftlich zu betreiben, ich habe ihre Regeln studirt und bin dadurch in Berührung gekommen mit den Männern der Wissenschaft, und ohne zu wissen, wie das möglich, geschah beinahe auf wunderbare Weise meine Ernennung zum Lector. Dies brachte mich mit den jungen Männern in engere Verbindung und so viel es mir möglich war, theilte ich das Erlernte meiner Wissenschaft in Musik mit. Dieses Material von dem Erlernten der Wissenschaft sowohl, als die aus dieser Wissenschaft entsprungene Composition, das ist es, was mir von der hohen Universität diese hohe Auszeichung eintrug. Tief gerührt gedenke ich dieser hohen Institution und freue mich dieser Auszeichnung von ganzem Herzen, die mir wohl unverdienterweise (Oho=Rufe) geworden.
Indem ich meine dankbaren Gefühle für diese große, außerordentliche Auszeichnung Ihnen bekanntgebe und mir erlaube, meinen Dank auszudrücken allen Herren Professoren, dem akademischen Senate, Herrn Prorector Hartel, Herrn Rector Hofrath Exner, dem Decan und Prodecan Reinisch, Decan Hann, den Herren Hofräthen Stefan und Schenkl und allen übrigen Herren, die sich um mich verdient gemacht haben. Wollen Sie mir gestatten, für diese Auszeichnung, die mir die Universität als Musicus erwiesen hat, unzählige Hoch! auf die Universität und deren Vorstände auszubringen." Brausende Hochrufe beantworteten diese Rede, die sich immer wieder erneuerten und sich erst legten, als der Vorsitzende silentium für Seine Magnificenz den Rector Hofrath Exner gebot. Der Rector wies auf die enge Zusammengehörigkeit von Kunst und Wissenschaft hin, bezeichnete die Kunst als das Höhere von Beiden [...]. Nach einer kurzen, nochmaligen Ansprache des Gefeierten stieg sodann nach einer kleinen Pause unter lautloser Stille aller Anwesenden der zu Ehren Bruckner's geriebene Salamander, der in Anbetracht der gewaltigen Zahl der Theilnehmer brillant klappte. [... als Schluß des offiziellen Teils eine Rede von Dr. Höfler vom WAWV über die Beziehung Bruckners zu Richard Wagner, Absingen von Liedern und Verlesung zahlreicher Glückwunschtelegramme ... der Exkneipe präsidierte Reimers. Abgeordneter Kaiser hielt eine "begeisterte nationale Rede"], in der er Namens der anwesenden Abgeordneten Meister Bruckner als deutschen Meister pries, und auf die hohen Verdienste der deutschen Kunst für die Reinerhaltung unseres Volksthums hinwies. Nachdem noch Abgeordneter Hofmann=Wellenhof auf Bruckner gesprochen hatte, wurde auch dieser Theil des Commerses geschlossen." [keine Signatur] (*).
Berichte über den Bruckner-Kommers auch
im Neuen Wiener Abendblatt Nr. 341 (= Neues Wiener Tagblatt) auf S. 2:
" * (Bruckner=Kommers.) Der akademische Gesangverein hat gestern Abends aus Anlaß der Ernennung seines Ehrenmitgliedes Anton Bruckner zum Ehrendoktor der Wiener Universität einen solennen Kommers in den Sofiensälen abgehalten, welchem nebst vielen Professoren auch der Rector magnificus Dr. Adolf Exner beiwohnte. Gesangsvorträge des festgebenden Vereins wechselten mit Toasten auf den jungen Ehrendoktor und selbstverständlich fehlte auch nicht die Salamander in honorem clarissimi doctoris Anton Bruckner, excellentissimi melopoei. In der Festrede brachte Franz Schaumann "als alter Student dem alten Knaben Bruckner" ein Prosit und kam [sic] ihm einen Ganzen pro laude. Rektor Exner feierte Bruckner als den ernsten gediegenen Vertreter der Musik, dieses Kunstzweiges, der in Wien stets eine so treue und ersprießliche Pflege gefunden habe. Bruckner dankte gerührt mit einem Hoch auf die Alma mater, die auch ihm eine Mutter geworden sei." (**),
und in der Deutschen Zeitung Nr. 7166 auf S. 5f, signiert "h-m." [= Theodor Helm]:
"(Bruckner=Commers.) Der vom Akademischen Gesangverein ergangenen Einladung, die Ernennung unseres großen vaterländischen Tondichters Anton Bruckner zum Ehrendoctor der Wiener Universität in einem Festcommers zu feiern, war so allgemeine Zustimmung begegnet, daß der Sophiensaal die Zahl der Besucher kaum zu fassen vermochte. [... als anwesend notiert: Kapelle des Wiener Schützenvereins unter J. Kopetzky, Exner, Wähner, die Professoren Müller, Neumann, Swoboda, Benndorf, Toula, die Abgeordneten Fuß, Bareuther, Hofmann v. Wellenhof, Kindermann, Pattai, Steinwender, als Künstler Rosa Paumgartner=Papier, Reimers, ferner Studentenvertreter. Vereinsvorträge: "Gaudeamus", "Sind wir vereint zur guten Stunde" (E. M. Arndt), Wagners Huldigungschor an König Friedrich von Sachsen (mit unterlegtem Text "An die Kunst" von A. Seuffert) ..] und Bruckner's markiger "Germanenzug" mit Orchester, in dessen Ausführung die Soli Einiges zu wünschen ließen. Der prächtige Schluß erweckte wieder endlosen, donnernden Beifall. Die ganze Versammlung erhob sich von den Sitzen, um Bruckner, der nach allen Seiten gerührt dankte, zuzujubeln. Der Jubel steigerte sich wo möglich, als dem Meister ein riesiger Lorbeerkranz überreicht wurde. - Den Bericht über den Schluß des Commerses, namentlich Dr. Schaumann's Festrede, tragen wir morgen nach.
h-m." (***)
und im Welser Anzeiger Nr. 50 auf S. 5 ein kurzer Hinweis:
"Verschiedenes.
Bruckner-Kommers. Der Wiener akademische Gesangverein veranstaltet am 11. d. M. aus Anlaß der Ernennung des Komponisten Anton Bruckner zum Ehrendoktor der Wiener Universität im großen Sofiensaale einen Festkommers." (°).
Ein Inserat in der »Presse« Nr. 341 auf S. 12 macht auf die morgige Aufführung der 1. Symphonie aufmerksam:
" [...] A. Bruckner: Symphonie in C-moll Nr. 1 (Erste Aufführung). [...]" (°°).
Inhaltlich gleich ist das Inserat in der Wiener Zeitung Nr. 286 auf S. 16:
" [...] A. Bruckner: Symphonie in C-moll Nr. 1 (Erste Aufführung). [...]" (°°°).
Zitierhinweis:
Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189112125, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189112125letzte Änderung: Dez 19, 2024, 16:16