zurück 15.11.1892, Dienstag ID: 189211155

Brief Bruckners an Oddo Loidol:
    Ist betrübt über die Nachricht, daß sich Loidols Befinden verschlechtert hat. Dankt für die Erledigung seiner [welcher?] Angelegenheit. Freut sich, von den Schülern einst den Hymnus [»Iam lucis orto sidere« WAB 18] hören zu können. Grüße an P. Georg Huemer (*).

Max Graf gibt in der Musikalischen Rundschau Nr. 27 auf S. 226 einen Überblick über die kommende Saison, erwähnt das Konzert mit dem 150. Psalm [am 13.11.1892] und die geplante Aufführung der 8. Symphonie [am 18.12.1892]. Die Musik- und Theater-Ausstellung habe eine Trendwende (wieder zu mehr zeitgenössischen Werken) bewirkt (**).
"                 Wiener Concerte.
     Bevor ich mein Amt als Musikreferent antrete, ist mir wohl das kleine Vergnügen erlaubt, den Astrologen zu spielen und der beginnenden Musiksaison das Horoskop zu stellen. [... noch unter dem Eindruck und Einfluss der Theater- und Musik-Ausstellung ...]. Nicht weniger wichtig erscheint uns aber der Umstand, dass der Versuch, moderne deutsche Musik öfter zu Gehör zu bringen, vollständig gelungen ist. Er hat nachgewirkt. Im Programme des ersten der – sonst stark conservativen –Gesellschaftsconcerte finden wir neben dem Es-dur-Clavierconcerte von Liszt zwei neue Werke von R. Strauss und Bruckner*) [Fußnote: "*) Die eingehende Besprechung beider Werke, welche eine widerspruchsfreie warme Aufnahme fanden, müssen wir uns für die nächste Nummer vorbehalten."] – dies gibt der diesjährigen Concertsaison eine deutliche Prägung. Wenn sogar die philharmonischen Perückenmänner nach dem vorjährigen Misserfolge von Strauss' "Don Juan" ein dem Bewusstsein der Modeconcertbesucher noch mehr widersprechendes Werk "Tod und Verklärung", die 8. Symphonie von Bruckner und andere hochmoderne Werke ankündigen, so zeigen sich selbst hier, wo man es am wenigsten vermuthete, fruchtbare Nachwirkungen. Die Theater- und Musikausstellung hat auch zum ersten Male die häufige Aufführung von Werken Wiener Componisten (Bruckner, Brahms, Fuchs, Heuberger, Labor, Reinhold, Kauders u. A., darunter auch jüngerer, gebracht, welchen die diesjährigen Concertprogramme auch einen auffallend grösseren Platz anweisen als früher. [... über das erste Phiharmonische Konzert ...].        Max Graf." (**).

Auf S. 230 informiert ein Inserat über die Druckausgaben des 150. Psalms und der 2. Symphonie:
"Novitäten von Anton Bruckner.
Der 150. Psalm, Clavierauszug mit Text arr. von C. Hynais netto fl. 2.40, Singstimmen fl. 1.20; Partitur netto fl. 6.–, Orchesterstimmen netto fl. 6.–.
Zweite Symphonie C-moll. Clavierauszug zn [sic] vier Händen arr. von Josef Schalk fl. 7.20, Orchesterpartitur netto fl. 18.–, Orchesterstimmen netto fl. 18.–.
Grosse in allen Fächern der Musik reich assortirte MUSIKALIEN-LEIH-ANSTALT. [...]
LUDWIG DOBLINGER (Bernhard Herzmansky) [...]." (***).

Kritik zur Aufführung des 150. Psalms [am 13.11.1892] in der Österreichischen Volkszeitung Nr. 317 auf S. 4:
"         Konzerte.
     Das heilige Wort: Sechs Tage sollst du deine Arbeit thun, am siebenten aber ist Ruhetag, gilt nicht für den Musikreferenten nach Ausbruch der Saison. Da ist kein Tag ohne Sang oder Klang und, erfreulich genug. hat Alles, was da Konzerte gibt, wenn auch nicht das Publikum, so doch ein Publikum. Unsere Musiker dürfen sich nicht beklagen.
     Sonntag war Erstes Gesellschafts=Konzert mit überaus reichhaltigem, vornehmlich neuem Programm. Dieses bot ein kirchliches Chorwerk: die erste Aufführung von Bruckner's für die Eröffnung der Musikausstellung komponirten, jedoch nicht rechtzeitig fertig gewordenen 150. Psalm; [ ... Strauss, Mendelssohn (mit Frl. Standhartner), Schubert ("nicht gut studirt"), Liszt (mit Adele aus der Ohe)...]. Ein strenges Werk, das sich zum Schlusse durch die kühn geführten Sopranstimmen zu bedeutender Höhe hinanschwingt, ist Bruckner's neues Opus. Die begeisterte, wiederholte Aufforderung des Psalmisten: "Lobet den Herrn," "Lobet ihn," hat Bruckner mehr zur elegischen Bitte gemildert. Eine musikalische Textauslegung, über die sich streiten läßt. Sonst aber hat der Altmeister da wieder ein Werk geschaffen, das man schon beim ersten ANhören bewundern muß, das man bei näherer Vertrautheut mit demselben wohl auch lieben lernen wird. – [... "Wanderers Sturmlied" von Richard Strauss ...]. Wie in dem Bruckner'schen Werke ist auch hier der Schluß das Beste. Auf seraphischen Klängen schwebt der Wanderer dahin. Nur hätten wir diese Klänge noch zarter gewünscht, als sie Herr Gericke nehmen ließ. – In dem sprunghaften Konzerte von Liszt lernte man eine sehr musikalische, auch technisch hervorragende Pianistin kennen. Fräulein aus der Ohe erzielte einen glänzenden Erfolg, den weitaus stärksten des Tages.
     Das Quartett Hellmesberger hat seinen Umzug vollzogen aus dem unfreundlichen kleinen Musikvereinssaal in den hell anmuthenden Bösendorfer=Saal. [... Signatur vermutlich auf Seite 5 (vermutlich Balduin Bricht) ...]." (°).

Von diesem Konzert berichtet auch die Allgemeine Kunst-Chronik Nr. 24 auf S. 603:
"               Musikalische Chronik.
     Die neue Konzertsaison ward durch eine Produktion der Philharmoniker eingeleitet, [... über dieses Konzert ...]
     Einen merklichen Kontrast wies das Gesellschaftskonzert auf. Das Philharmonische hatte sich in dem seiner Bestimmung entsprechenden Rahmen gehalten, das Gesellschaftskonzert schien durch sein potpourriartiges Programm heraus zu fallen. [... "zerstückter Gesammteindruck" ... verblasste Schubert-Mumie besser schlafen lassen ...] Doch gehen wir über diese Lückenbüßer hinweg und halten wir uns an den vokalen Theil, vorerst an Bruckner's gewaltígen 150. Psalm (Partitur und Klavierauszug im Verlage von Ludwig Doblinger in Wien). Es liegt Hall in diesen markigen Tönen, die Großes, Gewichtiges, Majestätisches künden. Mag auch die Setzart den Ausführenden manche Schwierigkeit zu überwinden geben, es lohnt sich wahrlich der Mühe, sich damit abzuplagen. Der Singverein hat das redlich gethan. Die Darbietung war eine gelungene, die Wirkung überwältigend. Leider schien das Publikum die Schönheiten des erhabenen Werkes bei einmaligem Anhören nicht zu begreifen. Die hochinteressante Hervorbringung hätte unstreitig eine wärmere Aufnahme verdient, als sie ihr diesmal zutheil geworden. Gegen die eindringliche Wirkung von Bruckner's Psalm stand Richard Strauß' "Wanderers Sturmlied" arg im Rückstande. [... die anderen Werke ...]
     [... über Kirchenmusik ...]" [keine Signatur, vermutlich wie in den anderen Konzertberichten Max Dietz] (°°).

In der Konzertübersicht für Oktober in der "Caecilia" Nr. 22 (Algemeen muzikaal tijdschrift van Nederland) auf S. 183 (= S. 8) ist die Aufführung der 3. Symphonie am 13.10.1892 verzeichnet:
"            Programma's.
[...]
     Amsterdam. [...]
     — Concerten in het Concertgebouw (W. Kes). — 13 Oct. — 1. Symphonie in d (opgedragen aan R. Wagner), Anton Bruckner. — 2. Vorspiel Lohengrin, Wagner; 3. Andante cantabile met variaties uit het Strijkkwartet (op. 18, no. 5), Beethoven; 4. Marche funèbre d'une marionette, Gounod; 5. Ouverture voor Racine's: Athalia, Mendelssohn." (°°°).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189211155, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189211155
letzte Änderung: Okt 03, 2023, 10:10