zurück 30.3.1893, Donnerstag (Gründonnerstag) ID: 189303305

Im Alpen-Boten Nr. 26 wird auf S. 3 die Steyrer Aufführung der d-Moll-Messe am 2.4.1893 angekündigt:
"             Oertliches.
(Kirchenmusik.)
Am Ostersonntag wird in der Vorstadtpfarrkirche [...]. – In der Stadtpfarrkirche kommt, wie bereits gemeldet, die Messe in D von Dr. Anton Bruckner, als Graduale "Haec dies" von Joh. Ev. Habert, als Offertorium "Terra tremuit" von A. Förster zur Aufführung." (*).

Die Linzer Zeitung berichtet auf S. 383, daß Theodor Helm in der Deutschen Zeitung über die Aufführung der f-Moll-Messe am 24.3.1893 [recte: 23.3.] geschrieben habe:
„           Theater= und Kunstnachrichten.
     – Theodor Helm schreibt in der „Deutschen Zeitung“ vom 24. d. über Bruckners F-moll=Messe Folgendes: Dieselbe hat bei ihrer heutigen Aufführung durch den Wiener akademischen Wagner=Verein (der ersten vollständigen Concertaufführung des Werkes überhaupt) in den großen Musikvereinssaal ein sehr zahlreiches Publicum gelockt und dieses aufs höchste begeistert. Lauschte man schon mit athemloser Spannung, offenbar tief ergriffen, der demüthig frommen Bitte des Kyrie", so brach brausender Jubel los nach den Jubelklängen der Schlußfuge des Gloria. Der Eindruck schien nicht zu überbieten [sic], und doch wurde er noch überboten durch die gleich einer Offenbarung wirkende Verkündigung der Wunder des Evangeliums in dem felsenfesten Credo, durch das unendlich innig empfundene weihevolle Benedictus und das wahrhaft verklärt ausklingende Agnus Dei. Vom Gloria angefangen mußte sich Bruckner immer von neuem dem wie ein Mann applaudierenden Publicum zeigen: er hat heute als apostolisch begeisterter Sänger des Herrn keinen minder glänzenden Triumph gefeiert denn als kühner, gewaltiger Symphoniker am 18. December 1892 im vierten Concert der Philharmoniker. Um die Einstudierung der so überaus schwierigen Messe hatte sich Professor Schalk außerordentliche Mühe gegeben, und gerieth demnach die Aufführung so gut, ja imposant, als man es unter den gegebenen Verhältnissen nur verlangen konnte. Der durch Mitglieder des Akademischen Gesangvereines verstärkte Wagner=Vereinschor verrichtete wahre Heldenthaten. Die Leistung der (gleichfalls verstärkten) Capelle Strauß als Orchester übertraf alle Erwartungen, in dem mitunter sehr heiklichen Soloquartett wurden der edle Vortrag Meister Walters, die frische Stimme und musikalische Sicherheit der Sopranistin Fräulein Sophie Chotek sowie deren treffliches Zusammenwirken mit der tüchtigen Altistin Fräulein Widermann auf das angenehmste bemerkt, und endlich gebührt noch Herrn Labor für die wunderschöne Ausführung des einleitenden Präludiums und des das Sanctus mit dem Benedictus auf das sinnigste verbindenden Zwischenspieles ein besonderes Ehrenkränzlein. Die Seele der mächtig bewegenden Aufführung war aber doch Herr Schalk, dem Hans Richter (der auch in den Applaus für Bruckner enthusiastisch einstimmte) zu dieser neuen glänzenden Probe seines Interpretations=Talents in den schmeichelhaftesten Ausdrücken gratulierte.“ (**).

Das Musikalische Wochenblatt Nr. 14 bringt auf S. 209 in Theodor Helms »Wiener Musikbrief« die Fortsetzung der Besprechung der 8. Symphonie [1. Teil am 29.12.1892], überwiegend eine "Würdigung" Hanslicks:
"                                               Wien.
    
Mit meinem in No. 1 dieses Jahrganges des "M. W." erschienenen Bericht über die Erstaufführung von Bruckner's 8. Symphonie in unserem 4. Philharmonischen Concert (verzeihen Sie, dass sich hier so viele trockene Zahlenangaben anhäufen!) habe ich die Leser in medias res geführt: nämlich in die Mitte der Wiener Concertsaison. [... als einziges Werk...] Die begeisterte Aufnahme der grossartig concipirten Novität seitens des Publicums, die ich in jenem Berichte zu constatiren hatte, wurde nachher von fast der ganzen Kritik ratificirt, nur natürlich jener altersmüde Herr vermochte in den spontanen Jubel nicht einzustimmen, dem jeder ehrlich Enthusiasmus für neuere Musik, wenn er nicht Brahms oder Dvorak gilt, sehr unbequem, wenn er aber gar Wagner, Liszt oder Bruckner angeht, ein Greuel ist: der ständige Referent der "Neuen Fr. Presse". Wer blos seinen höchst einseitigen und engherzigen Bericht über Bruckner's "Achte" gelesen haben sollte, müsste jedenfalls von der gewaltigen Schöpfung eine gänzlich falsche Vorstellung empfangen, denn u.A. wurde da, wo der Wiener Tondichter Wagner'sche Anregungen in geistreichster und originellster Weise weiter führt, von sclavischer Wagner-Nachahmung gesprochen und der grossartig kunstvolle Contrapunct mit den bissigen Worten "trockene Schulweisheit" abgethan. Für die blühende Melodik, die herzinnige, echt Bruckner'sch warme Tonsprache, die herrliche Instrumentation, die fast unerhörten Modulations- und Klangsteigerungen war unser Wiener Beckmesser taub und blind oder stellte sich mindestens nur so. Denn in dem Maasse, als das Ansehen eines Tondichters steigt, welchen er wiederholt emphatisch "als nicht ernst zu nehmen" erklärte, muss natürlich das seinige sinken, und dagegen wehrt sich der alte Herr, so lange er noch die Feder halten kann, aus Leibeskräften. Die Leser mögen übrigens entschuldigen, dass wir nochmals auf Bruckner'*s Symphonie zurückkamen, sie verdiente es schon deshalb, weil wir wirklich seit Saisonanfang kein bedeutenderes oder auch nur annähernd so bedeutendes Concertereigniss zu verzeichnen haben. [... über weitere Konzerte ...] Weit höheres Interesse als die bisher erwähnten Novitäten – aber mit Ausnahme der Bruckner'schen Symphonie, die wie ein Koloss über alles andere Neue emporragte – erweckte im 5. Concert Richard Strauss' Tondichtung "Tod und Verklärung". [... u. a. über Smetana ...]
                      (Fortsetzung folgt.)
[Signatur am 24.8.1893:]           Dr. Theodor Helm." (***).

Das Neue Wiener Tagblatt Nr. 88 auf S. 6 bespricht die Aufführung der f-Moll-Messe [am 23.3.1893], signiert "W. F." [Wilhelm Frey]:
"     Konzerte. [... Gesellschaftskonzert mit Bachs h-Moll-Messe ...] – Bruckner's F-moll-Messe kam im Laufe der vergangenen Woche durch den akademischen Richard Wagner=Verein zu einer höchst würdigen Aufführung. Mit diesem Werke ist der unablässig strebende Meister dem Publikum weit näher gekommen als mit seinen Symphonien. Aus jedem einzelnen Theile dieser Messe strömen die Gedanken eines von innigster Andacht erfüllten Gemüthes und finden ihren Weg rasch in die Herzen der Zuhörer. Diese waren an jenem Abende, der auch dem akademischen Wagner=Verein zur vollen Ehre gereicht, erbaut und ergriffen]  und bezeigten dem Schöpfer des bedeutsamen Tonwerkes ihren Dank in reichster Weise. [... Konzert des Ambrosius-Vereins ...] W. Fr." (°).

Eine mit »B. B-t.« [Balduin Bricht] signierte Kritik der f-Moll-Messe erscheint in der Österreichischen Volkszeitung Nr. 88 auf S. 4:
"          Konzerte.
 
   Das herannahende Osterfest wurde durch die Aufführung der Großen Messe in F-moll von Anton Bruckner und der Hohen Messe von Bach einbegleitet. ruckner erschien im Akademischen Wagner=Verein und zwar fand seine Messe da ihre erste konzertgemäße Aufführung; Bach's glorreiche H-moll-Messe bildete ein außerordentliches Gesellschafts=Konzert. Dieses Nebeneinander war ein höchst anregendes. Bach, der glaubensstarke Protestant, hat, als er vor nahezu hundertundsechzig Jahren seine Hohe Messe fertigschrieb, niemals an eine vollständige Aufführung seines Werkes in einer Kirche gedacht. Bruckner dagegen mag es, als er vor einem Vierteljahrhundert seine Messe, streng dem katholischen Ritual angepaßt, in der Kirche aufführte, nie in den Sinn gekommen sein, damit je in einem Konzertsaale zu erscheinen. Die verschiedene Absicht beider Meister kennzeichnet auch ihre Werke. Bruckner's Messe zeigt in allen Theilen auf die kirchliche Handlung hin. Sie ist gebunden in Form und Inhalt.- Wie fast alle katholischen Messen bringt auch sie mehr den sieghaften Pomp der ecclesia catholica als die tiefinnere Glaubensdemuth zum Ausdrucke. Hervorragend schön in dem Werke ist das sinnige, naive "miserere nobis" im Gloria. Das wuchtig einsetzende Credo hat eine herrliche Stelle: Das klagende, ersterbende "passus et sepultus est" ist kaum verklungen, da geht ein zitterndes Weben, ein schauererregendes Geheimniß durch das Orchester, steigert sich rasch und gewaltig und mehr darstellend als subjektiv betheiligt bricht nun das "Et resurrexit tertia die" los. Auch das "Osanna in excelsis" mit seiner aufwärts geschleuderten letzten Note ist urkräftig und von unmittelbarer Wirkung. Alle die sehr hervorragenden Einzelheiten der Bruckner'schen Messe reichen jedoch nicht aus, um sie konzertfähig zu machen. Sie gehört in die Kirche, sie kann ohne den zelebrirenden Geistlichen nicht bestehen. – Die Aufführung unter Josef Schalk's vorzüglicher Leitung war eine durchaus würdige. Der verstärkte Vereinschor erwies sich seiner Aufgabe gewachsen. Die ebenfalls verstärkte Kapelle Eduard Strauß besorgte den instrumentanen Theil in einer Weise, welche dieser an so ganz andere Aufgaben gewöhnten Körperschaft sehr zur Ehre gereicht. Die Solisten, die Damen Sofie Chotek und Bertha Widermann, die Herren Walter und Hugel, dieser ein Baß mit befremdlichem Tonklang, wurden ihren kleinen, aber gefährlichen Partien ebenso gerecht wie Labor und August Duesberg. Bruckner erschien wiederholt auf der Estrade, umrauscht vom Applaus der Hörerschaft, und aus Leibeskräften den Mitwirkenden applaudirend. – Ueber Bach's H-moll-Messe [... über deren Aufführung und kurz über weitere Konzerte ...].     B. B–t." (°°).

Das Deutsche Volksblatt Nr. 1523 berichtet auf S. 1 über die am 28.3.1893 eröffnete Kunstausstellung [mit der Bruckner-Büste IKO 55]:
"   22. Jahresausstellung im Künstlerhause.
                    1. Untere Räume.

     Die am Dienstag eröffnete Jahresausstellung umfaßt 832 Nummern und bietet eine Fülle interessanter und guter Bilder. [...] Der erste Raum, der uns mitten in die Plastik führt, hat ungünstiges Licht, besonders Nachmittags. [...]
     [... Besprechung einiger Plastiken ...] Tilgner hat einige hübsche Büsten gebracht, Bruckner, Jahn, Preyer, Makart, von denen uns die Letztere in Bezug auf die Färbung des Marmors gut gefällt, doch haben wir den Künstler niemals mit so wildbewegtem Haar und Bart gesehen, wie er hier dargestellt wurde. [... weitere Plastiken und Bilder ...]
     Beide Reiterporträts sind gelungen und steht besonders das erstere im Mittelpunkte des Interesses.          J. Sch." (°°°).

Kirchenmusik in St. Florian: im Hochamt Werke von Habert, Witt, Asola und Bai. Bei den Metten Responsorien von Croce, Viadana, Ferrario, Handl [= Gallus?], Haydn und Mitterer (#).

In der Saisonübersicht in "Het vaderland" Nr. 76 ('s-Gravenhage) auf S. 2 wird die Aufführung der 3. Symphonie [am 21.12.1892] erwähnt:
"              Kunst- en Letternieuws.
             CONCERT-DILIGENTIA.
    
Beginnen wij met het begin: cijfers.
     Het afgeloopen seizoen bracht 7 Symphonieën: de 5e en 6e van Beethoven, de 1e van Schumann, de 3e van Brahms, Bruckner, Mendelssohn en Saint-Saëns.
     9 ouvertures [...]
     Bij de samenstelling der programma’s schijnt men het natuurlijk overwicht der klassieken en romantici op de modernen, waar het de Symphonie geldt – op Bruckner, Saint-Saëns en enkele anderen na schrijven de modernen geen Symphonieën – te hebben willen compenseeren, door de nieuwe richting op ander gebied sterk te bevoorrechten. Van de 9 ouvertures kwamen haar 6 toe; vau de overige 8 orkeststukken, die minder gemakkelijk zijn te klassificeeren, kon de klassieke richting althans zich geen toerekenen.
     [...]." (##).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189303305, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189303305
letzte Änderung: Feb 25, 2024, 15:15