zurück 6.11.1894, Dienstag ID: 189411065

Erlaß des Kultusministeriums:
     Bruckner solle, da er vermutlich keine Universitätsvorlesungen mehr halten werde und Honorareinbußen habe, ab 1895 eine Ehrengabe von 600 fl und für 1894 eine Unterstützung von 150 fl erhalten (*).
 

Schreiben an die Niederösterreichische Statthalterei (*a) und das Rektorat der Wiener Universität (*b): Neben einer Subvention für 1894 (150.- fl.) gewähre man »dem Tondichter Dr. Anton Bruckner in Wien, in Anerkennung seiner Leistungen auf dem Gebiete der musikalischen Composition, für das Jahr 1895 eine Ehrengabe von sechshundert (600) Gulden« (*a).
 
[Vorgedrucktes fett gedruckt. Vom Minister persönlich nur die Unterschrift]
Ministerium für Cultus und Unterricht.
Z. 10995
     Mit Bezug auf den Bericht vom 5. März l. J. Z. 1480 beehre ich mich, das Rectorat in Kenntnis zu setzen, dass ich mich bestimmt gefunden habe, dem Tondichter, Dr Anton Bruckner in Wien, in Anerkennung seiner Leistungen auf dem Gebiete der musikalischen Composition, für das Jahr 1895 eine Ehrengabe von sechshundert /: 600 :/ Gulden in Aussicht zu stellen.
     Des Weiteren bewillige ich dem genannten Tonkünstler aus den laufenden Mitteln dieses Jahres eine Subvention von einhundertfünfzig /: 150 :/ Gulden.
     Ich ersuche den Statthalter für Niederösterreich unter Einem, Dr Bruckner hievon unverweilt zu verständigen und ihm den zuletzt genannten Betrag gleichzeitig flüssig zu machen.
                 Wien, am 6. November 1894.
     Der Minister für Cultus und Unterricht:
                             Madeyski.
An das Rectorat der k. k. Universität Wien."
Kanzleivermerk am 23.11.1894.
Die Kanzleivermerke ""Collationiert" und "ges. Vlat. 1. XI." [1.11.1894, sic] sind in den verfügbaren Faksimilia nicht auffindbar (*b).
 

Kritik der f-moll-Messe (signiert »G. v. B.« [Gaigg von Bergheim]) in der »Reichspost« Nr. 255 auf S. 5:
"    – Die große Messe von Dr. Anton Bruckner. Es war ein Nachklang zum verflossenen Bruckner-Jubiläum und zugleich die Abtragung einer Ehrenschuld an den gegenwärtig größten Tonschöpfer auf dem Gebiete der absoluten Musik, daß die Gesellschaft der Musikfreunde gestern unter Gericke's Leitung die große Messe in F von Bruckner in würdiger Weise zur Aufführung brachte. Trotz der vielen großen und hervorragenden Symphonien und des hinreißend schönen Streichquintetts möchten wir doch diese Messe als die bedeutendste Schöpfung des greisen Meisters bezeichnen. Stets klar in der thematischen Form, streng anpassend an den kirchlichen Text, glänzend illustrirt durch eine feine und edle Instrumentation, wirkt dieses Werk geradezu hinreißend von Satz zu Satz durch seine kräftigen Einsätze, breiten Accorde und eine – bei Bruckner stets – mannigfaltige Modulation. Die dem Meister so eigene freie musikalische Form ist in diesem Werke durch den kirchlichen Charakter in bemerkenswerther Weise beschränkt und gebunden. Wirken das grandiose "Gloria" und das breit angelegte "Credo" imponirend durch die mächtigen Chöre und den jubelnden Ausklang der festlichen C-dur-Tonart, so steigt der hochsinnige und zugleich kindlich gläubige Meister gleichsam auf die Schwingen der Andacht in dem weihevollen "Benedictus" und "Agnus Dei" hinauf zum Chor der Sterne, von dem einst auch Haydn bei seiner letzten Aufführung der "Schöpfung" rief: "Nicht von mir, von dort kommt das – Licht!" – Der eben von schwerer Erkrankung kaum genesene Meister, erhielt nach der Aufführung dieses bedeutenden Werkes, welches im Jahre 1893 zu [sic] ersten Male hier durch den Wagnerverein unter Mitwirkung der Capelle Strauß ebenfalls vorzüglich gebracht wurde, solenne Huldigungen.     G. v. B." (**).

Besprechung der f-moll-Messe durch Hans Paumgartner (signiert »dr. h. p.«) in der Wiener Abendpost Nr. 255 (Wiener Zeitung) auf S. 5f:
»               Concerte.
     Die Gesellschaft der Musikfreunde hat in ihrem diesjährigen ersten Concerte zur nachträglichen Feier des siebzigsten Geburtstages Anton Bruckners dessen große Messe in F-moll aufgeführt. Dieses schöne kirchliche Werk wurde bereits im vorigen Musikjahre vom Wiener akademischen Wagner=Vereine in einem Concerte zu Gehör gebracht, und man kann der Leitung des Gesellschaft der Musikfreunde nur dankbar sein, daß sie mit den vollkommeneren Mitteln ihres trefflichen Singvereins=Chores und ihres Orchesters diese Aufführung nunmehr in würdigerer und künstlerischerer Art wiederholt und damit zugleich dem Schöpfer des Werkes ihre Huldigung dargebracht hat.
     Bruckner, der sonst in seinen Messen bei aller Freiheit des Styles sich doch in den Grenzen der kirchlichen Aufführbarkeit während des sonntäglichen Hochamtes hält, ist in seiner F-moll-Messe den Weg gewandelt, den zuerst Bach in strengem Style in seiner hohen Messe in H-moll und dann Beethoven in freierem Tonausdrucke in seiner Missa solemnis eingeschlagen hat. Beide Werke sind schon räumlich so sehr über die liturgischen Schranken hinausgewachsen, daß ihnen das gothische Kirchenschiff zu eng wurde. Auch ist bei Beethoven die Form eine so freie geworden (man denke an das Recitativ im Agnus Dei der Missa solemnis mit den kriegerischen Trompeten=Fanfaren), daß bei aller Gemeinsamkeit der Wurzel des Christkatholischen doch dieses Werk als eine weltliche Abzweigung angesehen werden muß und daher von jeher nur im Concertsaale aufgeführt wurde. Beethoven hat den Meßtext in seiner genialen Art aufgegriffen, den contemplativen Theil (wie im Kyrie, Sanctus, Benedictus) seelisch vertieft, den erzählenden Theil jedoch mit dem leidenschaftlichen Ausdrucke der Dramatik in Töne umgedichtet. Diese fessellos freie große Messe Beethovens ist Bruckner bei der Composition seiner F-moll-Messe, welche zu den schönsten chorischen Werken der Periode nach Beethoven zählt, deutlich wahrnehmbar vorgeschwebt.
     Mit dem schönen ernsten Kyrie, welches im "Christe" so reizvoll nach Ges-dur modulirt, hebt die Messe auf das weihevollste an. Das lebensprühende Gloria gipfelt in dem ausgesponnenen fugierten Schlußsatze des „Cum sancto spritu“. Mit großer Mannigfaltigkeit (ins kleinste Detail tonmalerisch gehalten) spricht das Credo sein Glaubensbekenntnis. Der bedeutendste Satz ist das Benedictus. Ein wunderschönes Orchesterstück voll innigster Wärme der Empfindung und Schönheit des Klanges leitet dasselbe ein, Chor und Soloquartett führen es in dieser Stimmung fort. Auch das Agnus Dei ist in seinem edel schmerzlichen Ausdrucke ein weihevolles Stück geistlicher Musik. Versöhnlich schließt die Bruckner’sche Messe in der Dur-Tonart ab.
     Die Aufführung war, wie bereits bemerkt, vorzüglich. Herr Concertdirector Gericke hat das Werk mit liebevoller Sorgfalt und die Aufführung mit sicherer Hand geleitet. Das Soloquartett (die Damen Chotek und Kusmitsch, die Herren Erxleben und Kraus) hat trefflich gesungen. Insbesondere verdient Frl. Chotek für die saubere Ausführung des sehr schwierigen, sich beinahe ausschließlich in der höchsten Lage bewegenden Sopransolo=Partes warme Anerkennung. Den Anspruch auf ein separates Lob hat sich auch Herr Kraus durch die in letzter Stunde für den erkrankten Herrn von Reichenberg erfolgte Uebernahme des Baßsolo=Partes und die sichere Durchführung desselben erworben. Der Chor des Singvereins und das Gesellschafts=Orchester haben ihre Aufgabe auf das vorzüglichste gelöst. Das Publicum bereitete nach jedem Satze der Messe dem anwesenden Componisten warme persönliche Ovationen, welche derselbe von seinem Logenplatze aus dankend erwiderte.
     Mit viel Reclame hat sich ein Londoner Trifolium [...] bei uns eingeführt. [... über dieses Konzert und den Arienabend Bellincioni mit zwei schlechten männlichen Partnern, aber der guten Geigerin Rosa Hochmann, die] mit den lebhaftesten Beifallsbezeigungen ausgezeichnet wurde.
                                     dr. h. p.« (***).

Besprechungen des Konzerts vom 4.11.1894 erscheinen auch

in der Deutschen Zeitung Nr. 8210 auf S. 5f von Theodor Helm:
"Bruckner's F-moll-Messe im ersten Gesellschafts=Concert.
     Zur nachträglichen Feier des siebzigsten Geburtsfestes Dr. Anton Bruckner's führte die Gesellschaft der Musikfreunde in ihrem ersten heurigen Concerte Sonntags des Meisters große F-moll=Messe auf. Es wurde mit dieser Aufführung eigentlich nur eine seit vielen Jahren fällige Ehrenschuld an den größten lebenden vaterländischen Tondichter abgetragen, denn bereits 1872 war die F-moll=Messe – und zwar von einer Bruckner heute keineswegs freundlich gesinnten Seite, der "Neuen Freien Presse" nämlich!! – zum Concertvortrag vorgeschlagen worden, aber die Gesellschaft der Musikfreunde ließ sich Zeit und wiederum Zeit, bis ihr wirklich ein auf weit bescheidenere Mittel beschränkter Chorverein, nämlich der des für Bruckner's Größe unermüdlich kämpfenden Wiener akademischen Wagner=Vereines, am 23. März 1893 mit der künstlerischen That der Erstaufführung einer Bruckner'schen Messe im Concertsaal zuvorkam.
    Wir haben die F-moll-=Messe gelegentlich der damaligen Aufführung in Nr. 7632 der "Deutschen Zeitung" (vom 28. März 1893) eingehend gewürdigt und müssen, was das erhabene Kunstwerk selbst anbelangt, durchaus auf die citirte Schilderung verweisen. was nun die gestrige Wiedergabe der Messe betrifft, so stand sie an Schwung stellenweise der durch den Wagner=Verein unter Herrn Schalk's Leitung gebotenen nach, indem Herr Gericke einige Chorsteigerungen wohl etwas zu vorsichtig nahm. [... Lob für Benedictus und Agnus dei ...]. Unter den Solisten vermißten wir diesmal schmerzlich Gustav Walter (den Herr Erxleben nicht entfernt zu ersetzen vermochte), dagegen machte sich der frische führende Sopran des Fräuleins Sofie Chotek wie bei der Aufführung 1893 angenehm bemerkbar, sang Fräulein Kusmitsch recht ausdrucksvoll den Alt und bot Herr Felix Kraus, ohne Probe für den plötzlich heiser (?) gewordenen Herrn Reichenberg einspringend, als Vertreter der Baßpartie eine überraschend gelungene Leistung. Schade, daß die Mitwirkung der Orgel und damit auch das 1893 von Herrn Labor nach Bruckner'schen Motiven so stilvoll improvisirte Zwischenspiel (vom Sanctus zum Benedictus führend) ausfiel. [.... Chöre imposanter und Orchester besser als 1893 ... aufmerksames Publicum ...], wiederholt seine Begeisterung in stürmischem Beifall und Hervorruf des in einer Loge anwesenden Meisters kundgebend. So nach der jubelnden Schlußfuge des Gloria, nach dem mächtigen Credo, und besonders nach dem himmlischen Benedictus, das gestern wohl am tiefsten wirkte.
     Am Schlusse des Concertes bereitete das gesammte Publicum Bruckner eine wahrhaft ergreifende Ehrung, der nicht endenwollende Beifallssturm schien wie aus Einem Herzen zu kommen. . . . . . . Möge der vor Kurzem noch so schwer leidenen Meister durch den doppelt überwältigenden Eindruck seiner Musik und ihrer Wirkung auf die Hörer nicht zu tief erschüttert worden sein!                    h.–m." (°),

im Linzer Volksblatt Nr. 254 auf S. 4 (die Rubrik ist datiert "5. November"):
"    – Dr. Anton Bruckner. Die große Messe des Meisters in C-moll [sic] gelangte gestern in Wien in einem von der Gesellschaft der Musikfreunde veranstalteten Concerte zur Aufführung. Die Zuhörer brachten dem persönlich anwesenden Componisten begeisterte Ovationen dar." (°°),

im Neuen Wiener Tagblatt Nr. 305 auf S. 1f, signiert "W. Fr." [Wilhelm Frey]:
"               Konzerte.
     Die Gesellschaft der Musikfreunde leitete vergangenen Sonntag ihre diesjährigen Konzerte mit einer Messe ein, mit der F-moll Messe Dr. Anton Bruckner's, und dieses halb weltliche, halb geistliche Konzert sollte gewissermaßen eine nachträgliche Feier des 70. Geburtstages sein, den der Komponist zu Anfang des September in Steyr, und zwar auf dem Krankenlager beging. Das Publikum ließ es sich auch nicht entgehen, dem greisen Meister die herzlichsten Sympathien zu bezeigen. Wiederholt brachte es ihm herzlichste Ovationen, die Bruckner vom Versteck seiner Loge aus mit kindlicher Rührung quittirte. Die F-moll Messe, in Wien übrigens erst vor anderthalb Jahren zur Aufführung gebracht, kann zu den geschlossensten und abgerundetsten Werken Bruckner's gezählt werden. In räumlicher Ausdehnung und den von ihr geforderten künstlerischen Mitteln gleich der D-Messe Beethoven's nicht für die Kirche angelegt, imponirt sie im Kyrie und dem Credo durch monumentalen Aufbau und durch mächtige Steigerungen, im Sanctus, Benedictus und Agnus Dei durch den innigen und wahrhaft gläubigen Herzenston. Hier, auf dem Gebiete der musikalischen Architektonik, im Weben des kontrapunktischen Geistes, fühlt sich Bruckner als wahrer Herrscher, aus seiner andächtigen Lyrik athmet die wärmste religiöse Ueberzeugung. Hätte Bruckner nur dieses eine Werk geschrieben, so wäre ihm dafür allein schon die allgemeine Verehrung gesichert. – Die Aufführung entsprach nicht in allen Punkten den gehegten Erwartungen. Es fehlte der Schwung, hier und dort auch die absolute Sicherheit und stellenweise das muthige Eingreifen der Chöre. Das Soloquartett erwies sich unzulänglich. So begeht man keine Feste.
     Einige Stunden nach der Messe hörten wir bei Bösendorfer jene Künstlertrias, die eine rührige Londoner Konzertagentur auch nach Wien gesandt [... über dieses Konzert (schlecht besucht) ...]. Man soll eben auch auf dem Kontinente die Sabbatruhe beachten und am Sonntag Abend kein Konzert geben.           W. Fr." (°°°),

im Neuigkeitsweltblett Nr. 254 auf S. 10, signiert "Alpha." (die Rubrik ist datiert "5. November"):
"     Bruckner's F-moll-Messe. Zur nachträglichen Feier des siebzigsten Geburtstages Anton Bruckner's wurde gestern des Meisters F-moll-Messe im ersten Gesellschafts=Konzerte zur Aufführung gebracht. [... Besprechung im März 1893 ... gestern wieder bedeutender Eindruck ... Kyrie, Gloria ...], das herrliche Sanctus und das melodisch, schier überirdisch klangschöne Benediktus, technisch genommen wohl der schönste Satz des Werkes und das edle, in seinem schmerzlichen Ausdrucke so ergreifende Agnus Dei erregen als die Haupt=Nummern dieser mächtig wirkenden Messe die Andacht und Bewunderung des größten Theiles der Zuhörer. Der greise Meister war zur Freude seiner Verehrer persönlich anwesend und dankte nach den einzelnen Sätzen von seiner Loge aus für den ihm gespendeten großen Beifall, der zum Schlusse derart anwuchs, daß Bruckner auf dem Podium erscheinen und von hier aus oftmals danken mußte. Die Aufführung unter Gericke's korrekter, aber keineswegs begeisternder Führung war eine im Ganzen recht befriedigende. Der Singvereinschor und das Orchester waren vortrefflich und das Soloquartett, bestehend aus den Damen Chotek (Sopran), Knomitsch [sic] (Alt) und den Herren Erxleben (Tenor) und Krauß, (Baß) wurde seiner schwierigen Aufgabe mit vielem Fleiße gerecht.         Alpha." (#),

in der Österreichischen Volkszeitung Nr. 306 auf S. 3, signiert »B. B-t.« [= Balduin Bricht]:
"Theater - und Kunstnachrichten.
                 Konzerte.
 
   Die diesjährige Konzert=Regenzeit ist mit heftigem Geprassel hereingebrochen. Von Samstag Abend auf Sonntag Abend sind, ohne alle Rücksicht auf die Sonntagsruhe, drei Konzerte niedergegangen. Ein vielversprechender Anfang. Immerhin wäre es zu wünschen, daß die zu erwartende endlose Fortsetzung sich künstlerisch wenigstens einigermaßen auf der Höhe des Anfanges halte. – Das erste Gesellschafts=Konzert brachte als Nachfeier zum siebzigsten Geburtstage Bruckner's des Altmeisters F-moll-Messe, ein hochbedeutsames Werk, das ungeachtet verschiedener Gewaltsamkeiten in der Behandlung des Chores, von blühender Schaffenskraft durchweht ist, und gerade in den innigen und lyrischen Theilen, wie im Kyrie und Benediktus sich zu klarer, ruhiger Schönheit erhebt. Im Kredo [sic] finden sich, auch aufs erste Hören, originelle Geistesblitze, ein Beweis, daß die fromm=naive Kunstseele Bruckner's der Führung durch einen hellen, zielklaren Kunstverstand nicht entbehrt. Die Aufführung war wohlvorbereitet und sehr eifrig; letzteres nur manchmal zu sehr, so daß im Lärm der Stimmen das Orchester und zeitweilig auch die Komposition unterging. Das Soloquartett, Fräulein Chotek und Fräulein Kusmitsch, die Herren Erxleben und Fritz Kraus, dieser als hilfsbereiter Ersatz für Herrn Reichenberg, löste seine schwierige Aufgabe in ausreichender Weise.
     [... über zwei Liederabende ...]     B. B–t." (##),

in der »Presse« Nr. 305, S. 11, von Robert Hischfeld:
"     (Festaufführungen.) Unsere Musikfreunde haben am Sonntag zwei kerndeutsche Meister, Hans Sachs und unseren Bruckner, gefeiert. – Die Hofoper [... "Meistersinger" unter Hans Richter ...]. . . .  Im ersten Gesellschafts=Concerte wurde Bruckner's große F-moll-Messe aufgeführt. Es berührte uns schmerzlich, daß in dem Programme des Concertes die Aufführung des Werkes erst besonders begründet – oder entschuldigt? – wurde. Die großartige Messe hätte auch ohne Feiergründe aufgeführt werden müssen. Sie steht hoch über den Parteien. Für einen festlichen Charakter des Concertes wurde leider nicht gesorgt. Die Parallele mit der Strauß=Feier drängt sich darum unwillkürlich auf. Und doch ist Bruckner ein echter, warmherziger Oesterreicher, er hat sich in harten Mühen, auf dornenreichem Pfade bis ins Greisenalter nur den höchsten und edelsten Kunstformen, der Kirchenmusik, der Kammermusik, der Symphonie gewidmet. Auch hat Tilgner nicht blos Johann Strauß, sondern auch Anton Bruckner mit großer Kunst modellirt. Das frische Grün hätte auch die Büste Bruckner's, welcher heute mit 70 Jahren rüstig und frisch im Geiste an seinem neunten symphonischen Werke arbeitet, bedeutungsvoll bekränzen dürfen. Unseren vortrefflichen Singverein zu hören, ist zwar jedesmal eine Freunde und ein Fest; die Besetzung der Solopartien war aber nur gut bürgerlich und durchaus nicht festlich. Ein ganz kleiner Theil jener hervorragender Opernkräfte, welche in der "Fledermaus" stumme Figur machten, hätte genügt, um den Jubilar Bruckner und sein Werk zu ehren. Es wäre eine Ehrenpflicht dieser Künstler gewesen. Indessen hatte auch Herr v. Reichenberg abgesagt, für welchen Dr. Felix Kraus, allerdings zum Vortheile des Werkes, in letzter Stunde eintreten mußte. Die Anwesenden folgten mit vollster Theilnahme der Aufführung der Messe und huldigten dem Meister nach jeder Abtheilung des Werkes. Wie immer es auch war – die Gesellschaft der Musikfreunde hat sich durch die Vorführung der erhabenen Schöpfung, welcher noch eingehende Worte zu widmen sind, herzlichen, freudigen Dank gesichert.      r. h." (###)

und im Wiener Tagblatt Nr. 305 auf S. 1, signiert "R. Hr." [vermutlich Richard Heuberger]:
„                   Konzerte.
     
Mit den drei B Bruckner, Bellincioni, Ben=Davis wurde die heurige Konzertsaison eröffnet. Bruckner erlebte mit der unter Gericke’s Leitung stattgehabten Aufführung seiner großen F-moll=Messe eine von der Gesellschaft der Musikfreunde veranstaltete nachträgliche Feier seines 70. Geburtstages und genoß bei der Gelegenheit die Freude, Gegenstand überaus herzlicher Ovationen zu sein. Von einer Loge aus dankte der – sehr leidend aussehende – Meister. Ueber die Messe selbst ist schon anläßlich ihrer ersten Aufführung in einem Wagnervereinskonzerte (23. März 1893) ausführlich berichtet worden und erübrigt uns nur, zu wiederholen, daß uns dieselbe als das verhältnißmäßig abgeklärteste aller Bruckner’schen Werke erscheint. Gedankensprünge, Willkürlichkeiten, Unschönheiten gibt es freilich auch hier. Die meisten wohl im arg zerfahrenen Schlußsatze des Credo, einzelne in jeder anderen Abtheilung; selbst das Benediktus [sic] – die schönste Partie des Ganzen und eines der allerbesten Stücke, die Bruckner je geschrieben – ist nicht frei davon. Aber konsequenter als in seinen meisten anderen Schöpfungen, hält der Meister hier seine Gedanken fest, logischer läßt er sie auseinander hervorgehen. Freilich kommt die Nöthigung, den stets wechselnden Stimmungen des Meßtextes durch musivische Arbeit möglichst gerecht zu werden, dem Komponisten und seiner Eigenheit auf halbem Wege entgegen. Die Worte motiviren so oft das Unmotivirte der Musik. Die Noth wird zur Tugend. Man erhält erfreulicherweise in dieser Messe nicht gar zu viel von dieser Tugend und wird außerdem durch eine Unzahl geistvoller, zuweilen sogar genialer Details ununterbrochen interessirt, oft genug auch wirklich ergriffen. Am meisten unmittelbare Wirkung üben ein Theil des Kyrie, dann das wohllautgesättigte Benediktus und der Schluß des Agnus, in dem noch einmal eines der originellen Doppel=Fugenthemen aus dem Gloria anklingt. Die Stimmbehandlung ist in dieser Messe so rücksichtslos wie in den meisten Bruckner’schen Werken. Besonders für die Soprane hat der Meister eine Reihe verzweifelt hoher Einsätze, wahre Kreuzigungen, aufgespart. Ein Chor, der aus minder tüchtigen Sängern und Sängerinnen besteht, wie unser Singverein, wird gewaltige Mühe haben, den hochgespannten Anforderungen nachzukommen. Die Messe erfuhr hier vorgestern eine Aufführung von größter Vollkommenheit. Herr Gericke hatte die Partitur bis ins kleinste Detail inne und wußte – ebenso musivisch arbeitend, wie Bruckner – Alles und Jedes ins richtige Licht zu stellen. Er verdient für diese glänzende Dirigentenleistung außergewöhnliches Lob. Das Orchester wurde seiner schwierigen Aufgabe mehr als gerecht, die Solisten Fräulein Chotek, Fräulein Kusmitsch und Herr Erxleben leisteten mit ihren äußerst undankbaren und wie zufällig in die Partitur hineingeschneiten Soli das überhaupt Mögliche. Den Baßpart hatte für Herrn v. Reichenberg in letzter Stunde der hiesige Konzertsänger Herr Felix Kraus übernommen und mit der vortrefflichen Wiedergabe desselben die beste Reklame für seinen dieswöchentlichen Liederabend gemacht. [… über die Konzerte Bellincioni und Ben-Davis …].          R. Hr.“ (a).

Brief von Hermann Zumpe an Hermann Behn:
    Er wolle nächstes Jahr Bruckners 7. Symphonie aufführen (b).

Brief der Steyrer Liedertafel an Bruckner:
    Auf einer außerordentlichen Generalversammlung [12.9.1894] sei er zum Ehrenmitglied ernannt worden und möge das mitfolgende Ehrendiplom entgegennehmen. Unterschriften von Gustav Heyek und Franz Angermann (c).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189411065, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189411065
letzte Änderung: Mai 14, 2024, 8:08