zurück 22.10.1896, Donnerstag ID: 189610225

A. Geschehenes (Ereignisse)

Brahms kommt nochmals mit lobenden Worten auf Heubergers Bruckner-Feuilleton zu sprechen (*).

Aufführung des Adagios der 7. Symphonie unter Nikisch im Gewandhauskonzert in Leipzig (**).
Bei den anderen Programmnummern wirken mit: Dierich (Tenor), Homeyer (Orgel) und Julius Klengel (Violoncello) (**a).
Dieses Konzert erlebt eine amerikanische Musikstudentin mit (**b).

Ignaz Bruckner bedankt sich in Form einer Zeitungsannonce für die Teilnahmsbezeugungen (***).

Bei der Sitzung des Oberösterreichischen Volksbildungsvereins gedenkt Vorstand F. Scholz des verstorbenen Bruckners (°).

B. Geschriebenes (Briefe)

Brief Hugo Wolfs an Paul Müller:
     Legt den schönen Nachruf Speidels [16.10.1896?] bei. Der Nekrolog in der Neuen Freien Presse [vom 13.10.1896] sei zwar von Heuberger unterzeichnet, aber von Hanslick verfaßt (°°).

Schreiben der Direktion der Hofbibliothek (Zeißberg) an das Obersthofmeisteramt:
     Über Bruckners Vermächtnis an die Hofbibliothek, worüber am 19.10.1896 Theodor Reisch informiert habe. Am 20.10.1896 habe eine Kommission die (übrigens nicht lückenlos vorhandenen) Manuskripte geprüft, die Schalk und Löwe zum Ordnen überlassen worden sein.
„[...] Dabei ergab sich nach Beseitigung der amtlichen Sperre, dass zwei Wandschränke und eine Kiste unter vielen Büchern und anderen Musikalien auch eine grössere Anzahl von eigenhändig geschriebenen Musikwerken Bruckners enthielten, darunter auch solche, die laut Testament der Hofbibliothek zuzufallen haben. Indess lehrte der Augenschein, dass eine sofortige Ausscheidung des letzteren Bestandes von dem übrigen unmöglich, dass diese vielmehr nur auf Grund eingehender Prüfung durchführbar sei. Namentlich gilt dies von den auf einzelnen Blättern vorfindlichen Entwürfen für die unvollendet gebliebene neunte Symphonie, welche gegenwärtig ein wirres Chaos bilden. Daher schlug Herr Hof- und Gerichtsadvocat Reisch vor, und ersuchte beziehungsweise die Direktion der Hofbibliothek ihre Zustimmung dazu zu geben, dass zunächst sämmtliche vorgefundene Manuscripte unter seiner Haftung den beiden genannten Proff. Schalk und Löwe überlassen werden. In Hinblick auf die volle Vertrauenswürdigkeit des Herrn Testamentsvollstreckers und der von ihm ausdrücklich übernommenen Haftung glaubte ich im Namen der Bibliothek zu diesem Vorgang umsomehr meine Zustimmung ertheilen zu sollen, als in der That kaum ein anderer Modus zu denken ist, der geeignet wäre, aus dem gesammten handschriftlichen Nachlasse die unserer Bibliothek von Rechtswegen zufallenden Stücke auszuscheiden. Freilich rief bereits die commissionelle Erhebung den Eindruck hervor, dass der vorfindliche Nachlass die der Bibliothek legirten im Testamente namentlich angeführten Opera nicht selbständig enthalten dürfte und schon zuvor wurde ich durch ein Schreiben des Herrn Testamentsexecutors, das bei den hiesigen Acten Z. 680/1896 hinterlegt darauf vorbereitet, dass die im Testamente aufgezählten Manuscripte nicht vollständig im Besitze des Meisters vorhanden seien, daher erst Nachforschungen über den Verbleib derselben anzustellen sein werden. [...] Aber selbst wenn es etwa nicht gelingen sollte, den der Hofbibliothek zugedachten Theil des handschriftlichen Nachlasses vollständig seiner Bestimmung zuzuführen, so darf doch schon heute auf Grund einer summarischen Bewerthung gesagt werden, dass der Hofbibliothek durch das vielerwähnte Legat ein nicht zu unterschätzendes Erbe zufällt, um dessen Besitz wir von vielen Seiten beneidet werden. Denn wenn auch, wie dies bei jeder modernen Kunstschöpfung der Fall ist, so auch über den Wert der hier in Frage stehenden Musikwerke erst eine spätere Zukunft definitiv zu urtheilen im Stande sein wird, so darf doch heute schon der Befriedigung darüber Ausdruck gegeben werden, dass ein Großtheil der Geistesproducte eines der begabtesten u. begeistertsten Tonkünstler Oesterreichs in jener Originalgestalt, die zum Theil noch das allmälige Werden der einzelnen Compositionen zu lehrreicher Anschauung bringt, gerade der Hofbibliothek als Erbtheil zufiel.“ (°°°).

Schreiben von Franz Schaumann an Ferdinand Löwe:
     Dankt als Vorstand des Wiener Akademischen Wagner-Vereins für Löwes Mitwirkung bei den Begräbnisfeierlichkeiten (#).

Brief des Vereins der Musikfreunde für Reichenberg und Umgebung an Ignaz Bruckner:
     Kondolenzschreiben aufgrund der heute abgehaltenen Vorstandssitzung. In der Provinz fehlten die künstlerischen Mittel für Darbietungen, umso mehr blieben die gehörten Aufführungen in steter Erinnerung. Unterzeichnet von Alfred Ginzkey (dz. Obmann) und Dr. Hugo Reichmann (dz. Schriftführer) (##).

Ignaz Bruckner entwirft ein Dankschreiben, das sich insbesondere an den Prälaten [Ferdinand Moser], den Statthalter [Puthon], den Landeshauptmann Achleuthner und alle anderen hohen Persönlichkeiten der Behörden, Vereine und Corporationen wendet. Veröffentlicht wird das Inserat [vermutlich] am 24.10.1896 in der Linzer Zeitung und  am 25.10.1896 im Linzer Volksblatt. Ein allgemein gehaltener Text (ohne genaue Datierung) (###) ist bis Ende Oktober bei www.anno.onb.ac.at nicht nachweisbar.

C. Gedrucktes (Zeitungsartikel)

Artikel über Bruckners Testament im Alpen-Boten Nr. 85 auf S. 4.
"                      Verschiedenes.
     (Bruckners Testament.)
Zu Universalerben hat der verstorbene Anton Bruckner seinen Bruder Ignaz Bruckner und seine Schwester Rosalia Hueber bestimmt. Seiner langjährigen Wirtschafterein Kathi vermachte er 700 Gulden. Die Manuscripte hinterließ der Verstorbene der Hofbibliothek. Im Testamente sprach übrigens Anton Bruckner den Wunsch aus, daß seine Erben sich größerer Tantièmen erfreuen mögen, als es ihm vergönnt war. Nicht uninteressant ist der Wunsch des Verblichenen, in welchem er ein Leichenbegängnis erster Classe verlangte und speciell einen Metallsarg. Schon bei Lebzeiten, heißt es weiter im Testamente, habe sich Bruckner vom Stifte St. Florian die Erlaubnis erbeten, dort unter der großen Orgel beigesetzt zu werden." (za1).

Artikel "Aus Anton Bruckner's Testament" im Berliner Börsen-Courier (zb1).

Das "Dagblad van Zuidholland en 's Gravenhage" Nr. 250 schreibt auf S. 5 über Bruckners Nachlass:
"           Kunst en Letteren.
[...]
     * Bruckner laat een groot aantal composities na, verscheidene van godsdienstigen aard; missen, een Te Deum, een quintet en negen sinfoniën — één daarvan werd bij herhaling hier opgevosrd. Misschien gaat het hem evenals met Cesar Franck, die men nu, na zijn dood, wel onder de groote kunstenaars wil rekenen." (zd1).

"Das interessante Blatt" Nr. 43 bringt auf S. 6 ein Porträt (Profilansicht, nach links blickend) und auf Seite 7 einen Nachruf:
"[Seite 6, Bildunterschrift:]
         Der Componist Anton Bruckner. † (Siehe Seite 7).
           Nach der letzten photographischen Aufnahme."
[Seite 7:]
     Der Componist Anton Bruckner.
               (Siehe Porträt Seite 6.)
     Einer der größten Tonkünstler aller Zeiten, Anton Bruckner, ist am 11. d. M. heimberufen worden in das Reich der ewigen Harmonien. Mit einem großen Leichengepränge hat ihn die Kaiserstadt – die Stätte seines Kunstschaffens – geehrt und in breiten Bevölkerungsschichten füllt [sic] man die Empfindung des großen Verlustes, den die Kunst und die Menschheit durch den Tod des genialen Mannes erlitten hat.
     Als 72jähriger ist Anton Bruckner ins Jenseit [sic] abberufen worden; sein Ruhm aber war noch sehr jungen Datums, [... Spätentwicklung, (dadurch) Größe und Tiefe des Schaffens ...].
     Anton Bruckner wurde am 4. September 1824 zu Ansfelden in Oberösterreich geboren; [... Biographisches, wichtigste Werke ... Belvedere ...]. Dort hat er auch sein ruhmvolles Leben beendet. Er starb an Wassersucht, derselben Krankheit, welcher auch Ludwig Beethoven erlegen ist." [keine Signatur]. (zi1)

In einem Feuilleton-Artikel der Innsbrucker Nachrichten Nr. 24 auf S. 4, signiert "F. M. M.", wird Bruckner erwähnt:
"                     Wiener Brief.
     Hei, ist das eine Zeit für die journalistischen Topfgucker! Conflicte werden von Conflicten abgelöst; es gibt immer Stürme im Wasserglase [... über eine jahrelang unbeschäftigte und unterdrückte Schauspielerin, die plötzlich durch ein Engagement am Burgtheater bekannt wurde ...].
     Frl. Louise Brion, dies der Name der jungen und talentierten Künstlerin, [... über ihre Situation in Berlin und später in Wien ...].
     Das Fräulein kommt dadurch noch bei Lebzeiten zur Anerkennung, was andern, zum Beispiel dem berühmten Symphonisten Anton Bruckner nicht widerfuhr. Erst nach seinem Tode, gelegentlich der üblichen Eitelkeits=Orgien fällt ein Sonnenstrahl von zeitgenössischer Würdigung auf seinen Namen, der aber auch dann noch leuchten wird, wenn schon lange kein Hahn mehr um jene eingebildeten Größen krähen wird, welche auch seinen Nachruhm durch Nörgeleien an seinen grandiosen Schöpfungen zu beschädigen und zu schmälern suchen.
     Der Sumpf der Lagunen=Parodie treibt mitunter gar seltsame Blasen an die Oberfläche. [... über das Schicksal des Venedig-Projekts ... über teure Hofopernsänger, die nicht vom Blatt singen können und ein Probesingen bei der Hofkapelle ablehnen (vermutlich Winkelmann gemeint!) ... Kaffeehaus-Anekdote ...].   F. M. M." (zi2).

Das Satireblatt »Kikeriki« Nr. 85 nimmt auf S. 2 den Artikel der Neuen Freien Presse vom 13.10.1896 aufs Korn:
"                 Von unserem Bruckner.
     Kaum hatte Anton Bruckner die Augen geschlossen, mußte ihn die "Neue Presse" geschwind nochmals "verreißen", damit – dem todten Löwen der Eselsfußtritt nicht fehle.
                               *     I
     In dieser, namentlich den Katholicismus Bruckner's bespöttelnden Kritik wird er ein "wunderliches Original" genannt. Etwas Aehnliches sagte der Spatz über die Nachtigall, als er bei einem Wettsingen dem Gimpel den ersten Preis zuerkannte.
                               *    
     Beethoven hat Glück. Hätte Brahms (Abrahams) die Bruckner'schen Symphonien geschrieben, wäre Beethoven von der "Neuen Presse" schon längst abgesetzt worden und müßte sich mit dem Titel "der große Meister des größeren Schülers" begnügen.
                               *     
     Übrigens, wozu über die Bedeutung Bruckner's reden? Der todte Bruckner hatte nur den Franz Josefs=Orden, der lebende Goldmark hat bereits den Leopold=Orden. Damit ist doch klar bewiesen, daß Bruckner nur zu den "Berufenen", aber nicht zu den "Auserwählten" gehörte." (zk1).

Auf Seite 7 ein anekdotischer Bericht von einem Konzert 1892 [ 9.7.1892 oder 15.6.1892?]: "Vom todten Bruckner und von noch Etwas.
     Während seiner ganzen Lebenszeit wurde nicht so viel über Bruckner geschrieben und sein Schaffen nicht so anerkannt, als seit der Tod ihm die Augen geschlossen hat. Nun ist mit ihm plötzlich der "größte Symphonist" heimgegangen und es wird ihm die wohlverdiente Würdigung seines Strebens zutheil.
     Wie man über ihn, den bescheidenen stillen Mann dachte, wie man ihn "schätzte", als er noch unter den Lebenden weilte, dafür ist eine Thatsache maßgebend, welche verdient, der Vergessenheit entrissen zu werden: Es war während der Theater= und Musik=Ausstellung, als Dr. Schalk [sic] in der Tonhalle Bruckner's III. Symphonie zur Aufführung brachte; sie machte auf die Anwesenden und namentlich auch auf die ausübenden Musiker einen mächtigen Eindruck; diese erhoben sich spontan von ihren Sitzen und brachten durch eine Applaussalve dem Meister eine begeisterte Ovation dar. Hingerissen von dieser Scene eilte ein Mann hinaus in die Avenue und traf dort mit einem Herrn Hofmann zusammen, dem er sie mit der Aufforderung erzählte: er, Hofmann, der ja die Wiener Blätter mit Notizen über die Vorfallenheiten in der Ausstellung versorge, möge diesen doch sofort telephonisch von dieser Huldigung für den österreichischen Künstler Mittheilung machen.
     Der Mann aber machte eine abwehrende Handbewegung, verzog den Mund zu einem geringschätzigen Lächeln und sprach die großen Worte: "Bruckner!? Nicht der Rede werth!"
     Nun, von Bruckner spricht heute doch alle Welt und wird noch lange, lange von ihm sprechen, bevor sie noch angefangen haben wird, von jenem Hofmann zu sprechen, oder von dessen Existenz überhaupt Notiz zu nehmen.
     Der arme Bruckner mußte aber auch – wie so viele Andere – durch seinen Tod herhalten zur Reclame für einen lebenden Hebräer. Ein hiesiges Doppelschmock=Blatt konnte es sich nicht versagen, in seinem Bruckner gewidmeten Nachruf besonders hervorzuheben: Bruckner habe ausgesprochen, Goldmark käme ihm am nächsten! [... das sei unglaubwürdig: von Bruckner nie öffentliche Urteile, und er habe Richard Wagners Sicht über das Judentum geteilt ...]. Der Doppelschmock hat sich da entschieden in der Person geirrt, welcher er das Citat in den Mund legte; er wollte wohl sagen: Goldmark habe erklärt, er sei es, der Bruckner am allernächsten stehe.
     Es ist dies eben ein kleiner Irrthum; ein ähnlicher wie jener, von welchem die ††† Radfahr=Gilde befallen ist, die da wähnt, die Reichs= und Landstraßen seien ausschließlich, oder mindestens doch hauptsächlich nur des Radfahrsports wegen gebaut worden [... über die Auswüchse und die Aggressivität der Radfahrer, auch der weiblichen ...].
     Wir bitten um schneidige diesbezügliche Instructionen an die Sicherheitswache und die Bezirksgerichte und um ein Verbot der Benützung der frequentesten Straßen und namentlich der Kreuzungen für die P. T. Rad=Cavallerie." [keine Signatur] (zk2).

Das Linzer Volksblatt Nr. 244 berichtet auf S. 4 vom Seelengottesdienst im Alten Dom am 21.10.1896 und teilt mit, daß Bischof Franz Maria [Doppelbauer] am 18.10.1896 den Sarg Bruckners besucht habe:
"     – Bischof Franz Maria am Sarge Bruckners. Aus St. Florian wird uns mitgetheilt: Am Sonntag, 18. d., kam der hochwürdigste Bischof nach St. Florian, begab sich in die Gruft des Professors Dr. Anton Bruckner und betete für die Seelenruhe des Abgeschiedenen mit lauter Stimme den Psalm: "De profundis."
     – Bruckner=Requiem. Heute, am 21. d. M., wurde für unseren jüngst verstorbenen großen Landsmann Anton Bruckner über Anordnung des Hochwürdigsten Bischofes in der Domkirche ein Seelengottesdienst abgehalten. Bruckner, war, wie bekannt, seinerzeit Domorganist. Herr Domcapellmeister Waldeck versammelte daher alle Domchormitglieder um sich, den unsterblichen Meister in dankbarer Erinnerung in gebürender Weise zu ehren. Zur mustergiltigen Aufführung gelangte ein wenig bekanntes Requiem, zusammengestellt aus Mozart'schen Motiven. Ein schöner Kranz, welchen der Linzer Domchor auf den Sarg Anton Bruckners niedergelegt. R. I. P.
     – Bruckners Testament lautet: Für den Fall meines Ablebens treffe ich nach reiflicher Erwägung folgende letztwillige Verfügungen: 1. [... vollständiger Text, "Rosalia Huber" ... 6. Dr. Reisch ....]. Wien, den 10. November 1893. Dr. Anton Bruckner m. p. Ferdinand Löwe m. p., als ersuchter Testamentszeuge. Cyrill Hynais m. p., als ersuchter Testamentszeuge. Dr. Theodor Reisch m. p., als ersuchter Testamentszeuge." (zl1).

Das Neuigkeits-Weltblatt Nr. 243 berichtet auf S. 4 von der Trauerfeier am 15.10.1896:
     "Bruckner's Bestattung in St. Florian. Wie nachträglich aus St. Florian gemeldet wird, waren zu der dort stattgehabten Bestattung des großen Tondichters Dr. Anton Bruckner aus Wien an 50 Kränze eingelangt; im Ganzen dürften über 70 Blumenspenden den Sarg bedeckt haben. Statthalter Baron Puthon, drei Prälaten. mehrere Domherren, 50 bis 60 Geistliche, 10 bis 15 Vereine, Kapazitäten der Kunstwelt, zahlreiche Beamte und eine große Menge Volkes begleiteten den Trauerzug. Beim Eintritt in die Stiftskirche spielte der Stifts=Organist J. Gruber, ein Schüler Bruckner's, die große Orgel. – Bei der Beisetzung wurde das Libera [WAB 22] und tagsdarauf das Requiem von Bruckner [WAB 39] aufgeführt. Markt und Stift St. Florian trugen Trauerschmuck." (zn1).

Das Neue Wiener Tagblatt Nr. 291 berichtet auf S. 7 von der Sichtung der Manuskripte [am 20.10.1896]:
"     * (Die Originalmanuscripte der Compositionen Anton Bruckner's,) welche derselbe bekanntlich testamentarisch der Hofbibliothek vermacht hatte, wurden von der Verlassenschaftsbehörde gestern dem genannten Institute übergeben. Zu diesem Zwecke hatten sich in den Vormittagsstunden der Director der Hofbibliothek, Hofrath Professor Dr. Heinrich Ritter v. Zeißberg, in Begleitung des Custos des Musikaliendepartements der Hofsammlung, Dr. Franz Xaver Wöber, eines persönlichen Freundes des verblichenen Componisten, in den Wohnräumen, welche derselbe im Belvedere innegehabt, eingefunden, um die officielle Uebernahme zu bewerkstelligen. In dem Arbeitsraume des Künstlers, welcher mit dem Porträt von dessen Mutter geschmückt ist und allerlei wunderlichen alten Hausrath enthält, wurde eine sorgfältige Sichtung der eigentlichen Autographen und des übrigen musikalischen Nachlasses vorgenommen und erstere allein, sorgfältig in zwei Kisten verpackt, für die Hofbibliothek in Besitz genommen. Eine sorgfältige Katalogisirung der Originalmanuscripte Bruckner's war natürlich in der kurzen Frist nicht möglich, dürfte aber baldigst in Angriff genommen werden. Der greise Meister hat durch das Legat offenbar seiner Dankbarkeit für die vielen Gnadenbezeugungen, die ihm von Seite des kaiserlichen Hofes zutheil geworden waren, Ausdruck geben wollen." (zn2).

"Die Presse" Nr. 291 schreibt auf S. 4:
"    (Zur Leichenfeier Bruckner's.) Gemeinderath Dr. Theodor Reisch hat ein Schreiben an den Bürgermeister gerichtet, in dem er gegen die verletzenden Bemerkungen protestirt, welche anläßlich der Begräbnißfeier Anton Bruckner's im Stadtrathe gegen ihn gefallen waren. Dr. Reisch hatte sich in der letzten Gemeinderathssitzung das Wort erbeten, um diesen seinen Protest und seine Richtigstellung zur Sprache zu bringe; da aber Bürgermeister Strobach ihm zu diesem Zwecke das Wort nicht ertheilen wollte, bringt Herr Dr. Reisch seinen Protest auf publicistischem Wege zur allgemeinen Kenntniß." (zp1).

Zu dieser Angelegenheit ist im Abendblatt auf Seite 2 zu lesen:
"     (Zum Leichenbegängniß Bruckner's.) In der heutigen Sitzung des Stadtrathes theilte der Bürgermeister die von uns erwähnte Zuschrift des Testamentsvollstreckers Bruckner's, Gemeinderaths Dr. Reisch, mit, in welcher dieser verlangt, daß der mißbilligende, gegen seine Person gerichtete, auf unrichtige [sic] Information beruhende Beschluß des Stadtraths revocirt werde. Der Stadtrath faßte hierauf den Beschluß, daß eine Aenderung des früheren Stadtrathsbeschlusses nicht vorgenommen und ferner ausdrücklich der Vorwurf, als ob der Herr Bürgermeister die Leichenbestattungs=Unternehmung "Concordia" begünstige, als ein ganz unqualificirbarer zurückgewiesen wird." (zp2).

Die Reichspost Nr. 258 berichtet auf S. 3 von der Sitzung am 20.10.1896:
"             Wiener Gemeinderath
             Sitzung vom 20. October.
     Zu Beginn der Sitzung läßt der Vorsitzende Bürgerneister Strobach eine Zuschrift der Gasgesellschaft [... verlesen ... Diskussion darüber ...]
         Der Dank für Bruckner's Leichenfeier.
     Die Geschwister des vor Kurzem verstorbenen Tondichters Dr. Bruckner, Herr Ig. Bruckner und Frau Rosalia Weber [sic], geb. Bruckner, statten dem Präsidium, dem Stadtrathe und dem Gemeinderathe den wärmsten Dank für die auf Kosten der Gemeinde Wien veranstaltete würdige Leichenfeier nach Dr. Bruckner ab.
[... in der Folge ist die Wortmeldung von Dr. Reisch nicht angeführt ...] (zr1).

Nachruf in der St. Pöltner Zeitung Nr. 43 auf S. 9:
»     Wien, 12. October. Professor Bruckner †. Der Hoforganist und Lector für Harmonielehre und Contrapunkt an der Wiener Universität, Dr. Anton Bruckner, ist gestern um halb 4 Uhr nachmittags in seiner Wohnung im Belvedere, die ihm duch die Munificenz Sr. Majestät des Kaisers eingeräumt worden war, nach langem und schwerem Leiden im Alter von 72 Jahren verschieden. Anton Bruckner wurde am 4. September 1824 zu Ansfelden in Oberösterreich geboren, erhielt seinen ersten Musikunterricht in St. Florian, wurde, nachdem er sich als Schulgehilfe selbst durch eigene Kraft zum tüchtigen Componisten und Organisten ausgebildet hatte, Domorganist in Linz, bis er 1868 als Hofkapell=Organist nach Wien berufen wurde. Durch seine Compositionen hat sich Bruckner einen großen Ruf erworben.« (zs1).

Ähnlich wie das Linzer Volksblatt [zl1] berichtet auch die Steyrer Zeitung Nr. 85 auf S. 4:
"          Tagesneuigkeiten.
     Am Grabe Dr. Bruckner's in St. Florian
erschien am Sonntag dem 18. ds. Nachmittags der Hochwürdigste Herr Bischof Dr. Franz Maria Doppelbauer und verweilte daselbst längere Zeit im hl. Gebete." (zs2).

"Das Vaterland" Nr. 291 berichtet auf S. 5 von einer Versammlung am 20.10.1896 (die Rubrik ist datiert "21. October"):
"     * [Ehrung des verstorbenen Componisten Bruckner.] In einer Versammlung der österreichischen Orgelbauer, welche gestern in Wien wegen Gründung eines Fachverbandes der Orgelbaumeister stattfand und welcher Orgelbauer aus allen Kronländern anwohnten, hielt Meister Brauner dem verstorbenen Componisten Anton Bruckner einen tiefempfundenen Nachruf, in welchem er Bruckner als den größten Organisten feierte und dessen Verdienste um die Kirchenmusik hervorhob. Die Versammlung hörte den Nachruf stehend an." (zv1).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189610225, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189610225
letzte Änderung: Aug 31, 2023, 9:09