zurück 11.11.1896, Mittwoch ID: 189611115

Besprechungen der 4. Symphonie durch Bernhard Vogel in den Leipziger Neuesten Nachrichten (*)
 
und Gustav Schlemüller im Leipziger Tageblatt Nr. 574 (Morgenausgabe) auf S. 8263 (= 13):
"                                Musik.
                Drittes Liszt=Vereins=Concert.
     Leipzig,
10. November. Kein unbekannter oder auswärtiger Dirigent hatte die Leitung des gestrigen Concerts übernommen, sondern unser durch seine verdienstvolle Thätigkeit am königl. Conservatorium und als Dirigent verschiedener großer Vereine bekannter Herr Capellmeister Hans Sitt, dessen hervorragende Eigenschaften schon so oft gerühmt und gefeiert worden sind, daß hier nur zu bestätigen bleibt, daß auch gestern seine Leitung eine in jeder Beziehung unanfechtbare und die Vorbereitungen durchaus sorgfältige waren. Die mit der Capelle des 134. Regiments vereinigte Winderstein'sche Capelle spielte unter der sicheren und umsichtigen Leitung ganz ausgezeichnet und kaum ein Versehen ließen sich die trefflichen Musiker zu Schulden kommen. Der Abend wurde eröffnet mit der "Romantischen Symphonie" (Es dur, op. 4) von Bruckner, eine Wahl, die gewiß zu billigen ist, umsomehr als die Werke dieses Meisters noch fast alle unbekannt sind und trotz ihres Alters und ihres musikalsichen Werthes beinahe gänzlich vernachlässigt wurden. Zur leichteren Verständlichkeit der Symphonie war dem Programm eine kurze Analyse mit Notenbeispielen beigegeben, eine Einrichtung, die dankbar anzuerkennen ist, wennschon man wol behaupten kann, daß eine etwas vollständigere und eingehendere Analyse zu wünschen gewesen wäre; doch auch so bewährte sich dies Verfahren sowohl bei dem ersten Werke, wie auch bei den nachfolgenden recht gut; hoffentlich bleibt man bei dieser Neuerung. Bruckner's Symphonie hatte einen guten Erfolg; sie zeichnet sich zwar, gleich der früher gespielten in E dur, durch ihre bedeutende Länge aus, bleibt jedoch überall interessant und fesselnd nicht blos durch die Bedeutung der Themta [sic], sondern auch durch deren Verarbeitung, den Aufbau und die Durchführung derselben und durch eine überall ausgesucht wirksame Instrumentation. [...] Sämmtlichen Sätzen folgte lebhaftester Beifall und am Schluß Hervorruf des Dirigenten. [... die anderen Werke, die Solisten ...]. Herr Krasa erfreute sich seiner gediegenen Leistung halber reichen Beifalls und Hervorrufs. Die Alberthalle war wieder nahezu ausverkauft.
                                                       G. Schlemüller." (**).

Datierung von M. Preiner auf einer Photographie Bruckners [IKO 39] [siehe die Anmerkung] (***).

Im Deutschen Blatt Brünn Nr. 89 berichtet auf S. 4 Strauch vom Konzert am 4.11.1896 (mit dem Quintett):
"                 Vereinsnachrichten.
     Brünner Wagner=Verein.
Den am 4. l. M. abgehaltenen, ungemein stark besuchten Vereinsabend kann man mit Recht als eine Nachfeier für Dr. Anton Bruckner ansehen, da dessen Streichquintett in F-dur als Haupt=Vortragsnummer, selbstverständlich auch das größte Interesse für sich in Anspruch nahm. Wie überall, so begegnete das herrliche Werk auch hier der begeistertsten Aufnahme, umsomehr, als es, durch unsere trefflichen Kammermusiker, die Herren Koretz, Zdara, Juda und J. u. G. Mraczek, wieder mit Hingebung und Begeisterung gespielt, im kleineren Goethezimmer, wie vielfach behauptet wurde, noch besser klang, als anlässlich des Kammermusik=Concertes im großen Festsaale [25.10.1896]. Herr Dr. Flögl hielt einen Vortrag über den Werdegang des Parsifal, und Herr Organist Hofmeier spielte [...] drei eigene Compositionen [...]. Mir hat das Waldmärchen am besten gefallen; es ist ein prächtiges Werk, das Schalkhaftigkeit, Waldduft und Märchenzauber förmlich ausathmet.         Strauch." (°).

Die Aufführung des Quintetts durch Fitzner [am 2.12.1896] wird im Deutschen Volksblatt Nr. 2823 auf S. 9 angekündigt:
"    – Das Quartett Fitzner wird im Laufe dieser Saison fünf Kammermusikabende unter gefälliger Mitwirkung der Fräuleins Olga v. Hueber, Ella Kerndl und der Herren Professor Brüll, Professor Löwe und Guido Peters veranstalten. Zur Aufführung gelangen folgende Werke: [ ... Beethoven, Brahms ...]; Bruckner, Streich=Quintett; Dvorak [... bis Zemlinsky ... 20.1.1897 Schubert-Abend ...]." (°°).

Karl Aigner bestätigt, für die Trauermusik [am 15.10.1896] 28 fl 50 x (für 15 einheimische und 2 auswärtige Bläser) erhalten zu haben (°°°).

Johann B. Breselmayr bestätigt, für die Arbeit der Kirchendiener (Ministranten zum Glockenläuten, Mesner, Sacristan, Totengräber, Leichen-Ansager und Kreuzträger) 18 fl 80 xr erhalten und verteilt zu haben (#).

Karl Aigner bestätigt, für die Trauermusik beim Leichenbegängnis für 15 einheimische und 2 auswärtige Bläser 28 fl 50 xr erhalten zu haben (##).

Die Arbeiter-Zeitung Nr. 311 berichtet auf S. 7 von der Aufführung der 7. Symphonie am 8.11.1896:
"     Erstes philharmonisches Konzert. Die erste musikalische Körperschaft Wiens, die Philharmoniker, feierten letzten Sonntag das Andenken des jüngst verstorbenen Meisters Anton Bruckner mit einer wahrhaft großartigen Aufführung seiner Siebenten Symphonie. Es war wohl einer der tiefsten, erschütterndsten Eindrücke, die wir je von einer musikalischen Aufführung empfangen haben. Die Es-dur-Symphonie [sic] gehört zu den faßlichsten der Bruckner'schen Tondichtungen; sie ist in der Form am geschlossensten von allen, und die Themen wachsen organisch eines aus dem anderen heraus. Die Todtenklage des zweiten Satzes wirkte jetzt, wo der Meister, der sie geschaffen, nicht mehr unter den Lebenden weilt, doppelt ergreifend. Der Beifall war denn auch ein stürmischer, einmüthiger, an dem das ganze Publikum theilnahm. Einige wenige Konzertbesucher unter den Tausenden hielten es für nöthig, ihr musikalisches Unverständniß allen ad oculos zu demonstriren, indem sie nach dem Adagio das Weite suchten. Wer eine so erhabene Musik so theilnahmslos an sich vorübergehen lassen kann, der beweist, daß er überhaupt ein musikalischer Analphabet ist; der wage es auch nicht, Bach verstehen zu wollen oder Beethoven. Das Programm enthielt nebst der genannten Symphonie noch Beethoven's Ouverture "Weihe des Hauses" und die bekannte Serenade von Volkmann in D-moll mit dem Violoncellsolo, das von Professor Hummer mit vollendeter Meisterschaft gespielt wurde." [keine Signatur] (###).

Die Linzer Tages-Post Nr. 261 erwähnt Bruckner in einem Konzertbericht auf S. 5f, in dem Göllerichs Leistungen sehr gelobt werden, sein Sprachstil jedoch leise gerügt wird (signiert "D-zl." [vermutlich Dr. Kränzl]):
"                I. Musikvereins=Concert.
     Der neue Musikdirector, Herr August Göllerich, hat sich für sein erstes Auftreten als Orchester=Dirigent die Sache gar nicht so leicht gemacht. [... ausführlich zu Beethovens "Eroica" ... im Umfang (neben der Neunten) bis vor kurzem unübertroffen ...]. Wie die modernen Rathhäuser und Parlamentsgebäude unserer Großstädte auch die stolzesten Renaissance=Paläste an Umfang äußerlich übertreffen, so hat auch die neueste Zeit Monstre=Symphonien geschaffen, wie Bruckners achte, die einen ganzen Concertabend ausfüllt. Beethovens heroische Symphonie hat auf die spätere Kunst den mächtigsten Einfluss geübt, der ganze Bruckner wurzelt in ihr, und man darf wohl annehmen, dass erst unsere Zeit sie in ihrer Erhabenheit und Größe ganz zu ermessen und wahrhaft und voll zu würdigen weiß. [...].
     [... weiter über die Eroica und Göllerichs Interpretation ... Liszt-Klavierkonzert (Göllerich als Solist, Floderer als Dirigent) ...]
     [... Lob für Göllerichs thematischen Leitfaden ...]. Nur hüte man sich vor allzu freien dichterischen Auslegungsversuchen! Leicht kann, wo das Wort versagt, die Phrase einspringen.                D–zl." (a).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189611115, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189611115
letzte Änderung: Mai 03, 2024, 9:09