zurück 21.11.1896, Samstag ID: 189611215

Artikel von Robert Hirschfeld (Nachruf, auch über die 7. Symphonie am 8.11.1896) in der Wiener Abendpost Nr. 270 (Wiener Zeitung) auf S. 5f:
»             Feuilleton.
                  Musik.
                      
I.
(Anton Bruckner. – Philharmoniker. – Erstes Gesellschaftsconcert.)
    Häßliche Dinge standen am Anfange der Musiksaison. Noch deckte die Erde die sterblichen Reste Anton Bruckners nicht, da wurde unter der Maske der "Ehrlichkeit" schon peinlicher Zank begonnen. Man glaubte der ungeduldigen Weltgeschichte gleich fertige Urtheile über den todten Meister eingeben zu müssen; man legte mit bedauerlicher Anmaßung dem gewaltigen Symphoniker Vermahnungen und Rathschläge, wie er es hätte machen sollen, auf die Bahre. [... über die Geschmacklosigkeit des "feuilletonistischen Zierwesens" ... über die (vergleichsweise unberechtigten) Festhymnen über den fünfzigjährigen Ignaz Brüll ... die alljährlichen »Opernunfälle der componirenden Bezirksgröße« ...]. De vivis nil nisi bene!

     Es hat wohlgethan, daß die tonangebenden Bruckner=Gegner bei dem Tode des Meisters sich still verhielten. Damit haben sie auch den Tact angegeben. Eine Aburtheilung alla breve hätte also leicht vernieden können. [... über das Nachbeten der Kretzschmarschen Fehlurteile durch die Wiener Kritiker ...]
    Bruckners kunstgeschichtliche Stellung kann heute durch die geistreichsten Feuilletons nicht mehr erschüttert oder verschoben werden. [... Bruckners Stellung in den Entwicklungsströmungen der Musik ... Beispiele: alte Niederländer, Mozart ...].
    Einen ähnlichen Proceß der Ausgleichung werden die Bruckner=Werke durchzumachen haben. Wir stehen heute noch mitten im Kampfe, [... Bruckners Bedeutung werde erst später erkannt werden ... hält Kürzungen für denkbar, wenn sie keine Verkürzungen sind ... die Charakteristik des Brucknerschen Komponierens, seine Eigenart ...]. Darum ist er eben Bruckner, ein eigenköpfiger Ober=Oesterreicher der großen Kunst und kein Anderer geworden. Und darum lieben wir ihn. Der gegen Bruckner=Aufführungen gewendete Eifer eines Kritikers, der doch auch gern als Künstler gelten möchte, ist mir daher nicht begreiflich. Wir haben keine Rechte, ehe die Pflicht gegen Bruckner nicht erfüllt ist, die Pflicht regelmäßiger, sorgsamer Aufführungen. [...]. Wie anspruchslos sind aber die vielverlästerten Bruckner=Anhänger! Sie haben von den Philharmonikern nicht einmal eine Aenderung des ersten Concertprogrammes erbeten [... Beethoven, Volkmann ... Lob für die Aufführung der 7. Symphonie [am 8.11.1896] und Hans Richters Dirigat ...] Viele stahlen sich vor dem letzten Satze aus dem Hause, damit natürlich Bruckner vor Brahms, bei welchem regelmäßig dasselbe Manöver wieder von Anderen ausgeführt wird, nichts voraus habe. . . .  Entzückend wurde die Serenade gespielt. [... über Hummer ... über das Gesellschaftskonzert mit Mendelssohns »Elias« ...]. Die Chöre unter Richard von Pergers Leitung waren tadellos. Möge der Geist der "Elias"=Aufführung auch die kräftigeren Chorwerke der Saison nicht verlassen!

                                 Dr. Robert Hirschfeld.« (*).

Aufführung der 7. Symphonie (ohne Adagio) unter Peter Fassbaender in Luzern (**).

Kritik Wallascheks zur 7. Symphonie [8.11.1896] in ”Die Zeit” Nr. 112 auf S. 128 (***).

Aufführung des Chores »Sängerbund« durch die Steyrer Liedertafel unter Josef Tobisch (°a). Weitere Mitwirkende: der Vereins-Damenchor unter Karl Weberndorfer, die Musikkapelle des Bürgercorps unter Ludwig Großauer, Amalie Buberl (Klavier), der Tenor Donaubauer (°b) und als weitere Mitglieder des Vereinsquartetts Bargfrieder, Markut und Ebmer (°c).

Die Linzer Zeitung teilt auf S. 1280 mit, daß in der Steyrer Stadtpfarrkirche ein Glasgemäldefenster errichtet werden solle, was von Pfarrer Joh. Ev. Strobl und Bürgermeister Redl unterstützt werde, und daß in Wien die Leo-Gesellschaft am 9.11.1896 die Errichtung eines Bruckner-Denkmals beschlossen habe:
„       Tagesneuigkeiten.
                    
Linz, 20. November.
[...]
    * (Denkmäker für Dr. Anton Bruckner) Verehrer Bruckners in Steyr haben beschlossen, die Errichtung eines großen Glasgemäldefensters in der dortigen Pfarrkirche mit einer Widmung für den verblichenen Meister anzustreben, und es werden zu den auf einige Tausend Gulden angeschlagenen Kosten derzeit schon Sammlungen eingeleitet. Herr Stadtpfarrer Johann Ev. Strobl hat sich bereit erklärt, die Sache zu unterstützen und Herr Bürgermeister Johann Redl bildet ein eigenes Comite zur Förderung der Errichtung dieses Bruckner=Denkmales. – Wie aus Wien gemeldet wird, hat auch die Section für Kunst und Literatur der Leo=Gesellschaft hat in der Sitzung vom 9. d. beschlossen, das Andenken des großen Tondichters durch ein des Meisters und der Stadt Wien würdiges Denkmal zu ehren. Das Comite derselben hat die Vertretung dieser Angelegenheit sowohl beim Directorium der Leo=Gesellschaft, als auch nach außen hin übernommen.“ (°°)

Vom Steyrer Vorhaben berichten auch das Linzer Volksblatt Nr. 270 auf S. 4:
"    – Zur Erinnerung an Meister Bruckner. Aus Steyr wird uns mitgetheilt: "Für unsere Stadtpfarrkirche ist wieder ein schöner neuer Schmuck in Aussicht genommen. Um das Andenken an den jüngst verstorbenen heimischen Meister Dr. Anton Bruckner zu ehren und nächst der Stelle, wo er Jahre hindurch geweilt und Großartiges gewirkt, eine dauernde pietätvolle Erinerung an den berühmten Componisten zu schaffen, ist die Errichtung eines Bruckner=Glasgemäldefensters an der Südseite der Kirche bei der Orgel (gegenüber dem Stadtpfarrhofe) geplant. Nach Einvernehmen mit dem hochw. Herrn Stadtpfarrer besprachen sich die Herren GR. Tomitz und Chorregens Bayer hierüber mit dem Herrn Bürgermeister, welcher freundlichst zusagte, zur Erörterung dieser Angelegenheit ehestens ein eigenes Comité einzuberufen. Inzwischen haben in einzelnen hiesigen Privatkreisen auch bereits kleinere Sammlungen für diesen pietätvollen Zweck begonnen." " (°°a)

und "Das Vaterland" Nr. 321 auf S. 2 des Abendblatts:
"    * [Zur Erinnerung an Meister Bruckner.] Aus Steyr wird dem "Linzer Volksblatt mitgetheilt: Für unsere Stadtpfarrkirche ist wieder ein schöner neuer Schmuck in Aussicht genommen. Um das Andenken an den jüngst verstorbenen heimischen Meister Dr. Anton Bruckner zu ehren und nächst der Stelle, wo er Jahre hindurch geweilt und Großartiges gewirkt, eine dauernde pietätvolle Erinerung an den berühmten Componisten zu schaffen, ist die Errichtung eines Bruckner=Glasgemäldefensters an der Südseite der Kirche bei der Orgel geplant. Nach Einvernehmen mit dem hochw. Herrn Stadtpfarrer besprachen sich die Herren Gemeinderath Tomitz und Chorregens Bayer hierüber mit dem Herrn Bürgermeister, welcher zusagte, zur Erörterung dieser Angelegenheit ehestens ein eigenes Comité einzuberufen. Inzwischen haben in einzelnen hiesigen Privatkreisen auch bereits kleinere Sammlungen für diesen pietätvollen Zweck begonnen." (°°b).

Das Steyrer Projekt wird auch in der »Reichswehr« Nr. 1001 auf S. 2 erwähnt (°°°).

Der III. (I.) Interne Musikabend des Wiener Akademischen Wagner-Vereins wird mit einer Bruckner-Gedächtnisfeier verbunden. Cyrill Hynais spielt ein »Orgelpräludium über Motive des Meisters« (aus der 4. und 5. Symphonie und dem »Te Deum« [#b]), und mit dem Vereinschor unter Josef Schalks Leitung erklingen Kyrie und Agnus Dei der e-Moll-Messe, wobei ein Harmonium die Rolle der Bläser übernimmt (#a); [?] auch die 7. Symphonie wird vorgetragen [?]. Außerdem erklingen Werke von Richard Wagner, T. Vitali, Joseph Haydn und Franz Liszt. Gesangssolistin in der 2. Abteilung ist Ellen Gulbranson (#b), Violinsolist M. Herold (#c), Klavierbegleiter Ferdinand Foll. Als Gast ist der Norweger Ole Olsen anwesend (#).

Der Tagesbote aus Mähren und Schlesien Nr. 270 berichtet auf S. 13, signiert "J. Str.", von der Aufführung der 7. Symphonie [am 8.11.1896]:
"Aus den Wiener Concertsälen.
    J. Str.
...] Eine würdige Gedächtnisfeier für den am 11. October d. J. verstorbenen Componisten Anton Bruckner bildete das Programm des ersten Abonnement-Concertes. Die illustre Künstlerschar spielte unter Hans Richter's Leitung des heimgegangenen Künstlers siebente Symphonie in E-dur und erzielte mit der meisterhaften Wiedergabe des imposanten und genialen Tonwerkes rauschenden Beifall, den Dank der begeisterten Anhänger und Verehrer der Brucknerschen Muse. In jüngster Zeit wurde über die Bedeutung und Erscheinung des Künstlers und seine Schöpfungen viel debattiert, ohne einer positiven Entscheigung damit nähergerückt zu sein. Meines Erachtens stehen wir den Kunstwerken Bruckner's viel zu nahe, um ein entscheidendes Urteil kunstwertlicher Art abgeben zu können. Die Kritik bemerkt Heine treffend, welche aus den Ansichten der Zeit hervorgeht, hat nur für diese ihren Wert und geht mit ihr zu Grabe. [...]" (##).

Der Welser Anzeiger Nr. 47 bringt auf S. 3 Anekdoten aus Bruckners Leben:
"     Aus dem Leben Anton Bruckners. Bekanntlich war es Johann Herbeck, der den Stiftsorganisten von St. Florian, den Liedertafeldirigenten von Linz so eigentlich entdeckte und nach Wien zog. Er lenkte die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf dessen erste Symphonie, bereitete dessen Anstellung zum Hoforganisten vor, kurz er that alles, was nur je ein kunstentflammter Lord=Protector für einen Schützling gethan hat. Man legte es nun dem weltfremden Manne Bruckner nahe, doch seiner Dankbarkeit durch irgend ein sichtbares Zeichen Ausdruck zu geben. Und Bruckner drückte auch richtig der Frau Hofcapellmeisterin das nächstemal beim Fortgehen eine – eine Zehngulden=Note verstohlen und verschämt in die Hand. Einem Schüler, der zum Sommeraufenthalte nach Salzburg ging, trug er ernstlich auf: "Sagens denen Salzburgern nur ordentlich die Meinung. Was is denn das, daß's mein Tedeum gar nicht aufführen wollen?" (###).

Geplantes Treffen von Theodor Reisch, Ignaz Bruckner und Rosalia Hueber in Wien, bei dem über die Verteilung der Wohnungs- und Haushaltsgegenstände entschieden werden soll (a).

Der Lavantthaler Bote Nr. 47 kündigt auf S. 3 die Kirchenmusik vom 22.11.1896 an:
"                   Vermischte-Nachrichten.
     St. Paul. Kirchenmusik, Kapselschießen, reife Erdbeeren.
Sonntag 22. d., dem letzten Sonntag nach Pfingsten, zugleich Cäcilienfeier, kommen hier zur Aufführung: "Asperges me", 4stimmig mit Orgel von R. Führer op. 156, "Tantum ergo", 4stimmig von A. Bruckner [prov. WAB 48], Missa in hon. st. Francisci Xaverii, 4stimmig mit Orgel von Dr. Franz Witt, Offertorium [... Witt, Introitus und Communio ...] Choral.
     Das diesjährige Kapselschießen beginnt Donnerstag den 26. d. 8 Uhr abends und wird jeden Donnerstag fortgesetzt werden. Eine regere Betheiligung als im Vorjahre wäre sehr zu wünschen.
     Herr Ferd. Tangl fand Donnerstag den 19. d. in der "Stadlinger Gemein" reife Erdbeeren." (b).

Der Nachruf in der Zeitung Alameda Daily Argus (California) auf S. 1 in der 6. Spalte ist überwiegend identisch mit dem Hauptteil des Textes im Los Angeles Herald vom 8.11.1896:
"              ANDANTE AND ALLEGRO
[...]
     There was a time when the Viennese honored composers neither in life nor in death. When Mozart died three friends accompanied him to the grave, and they turned back because it began to rain. Schubert was buried at his brother's expense. But the world moves. The funeral of Anton Bruckner last month was at the city's expense. The Emperor sent flowers from the private imperial garden. Thousands of people stood in the streets to see the cortege pass. Hans Richter conducted the services, and dozens of famous musicians were present." (c).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189611215, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189611215
letzte Änderung: Mai 16, 2024, 7:07