zurück 15.4.1886, Donnerstag ID: 188604155

Übersicht: (*) bis (°) Konzert in Linz, (°°) Kritik Utrecht, (°°°) Kritik Helms "Trösterin", (#) Kritik Kalbecks, (##) Alpenbote über "Te Deum" in München, (###) Kastner über 7. Symphonie, (a) Notiz über Kalbecks Artikel, (b) Musikalisches Wochenblatt, (c) Konzert am Konservatorium.

Generalprobe in Linz um halb 12 Uhr (*).
Abends 41. Gründungsfest des »Frohsinn« im Volksgarten-Salon. Floderer dirigiert den »Germanenzug«, »Um Mitternacht« [WAB 90], das Adagio der 3. Symphonie und das »Te deum« (Solisten: Maria Kerschbaum, Frau Anna Schmidt-Allizar, Scheidtweiler - für Gustav Meder eingesprungen - und Karl Ganzemüller). Statthalter Freiherr von Weber-Ebenhof ist im Publikum (*a). Der neunjährige Franz Gräflinger soll beim Te Deum im Chor mitgewirkt haben (*b).
Milbeck überreicht Bruckner einen Lorbeerkranz mit rot-weißen Schleifen mit dem Text »Dem großen Meister, Ihrem Ehrenmitgliede 15. April 1886 | Die Liedertafel »Frohsinn« Linz« (*c).

Beim anschließenden Festkommers spricht Milbeck (**), Prof. Commenda leitet das »Salamander-Reiben«, Absingen einiger Studentenlieder, Emil Haas überbringt die Grüße der Steyrer Liedertafel (*a), Floderer dirigiert seinen Chor »An Meister Bruckner« (Solist Hans Holzner, Text Kerschbaum) (***), Bruckner erwähnt in seiner Rede Wagner, Nikisch (Leipzig), Levi (München), Richter und Mottl (Karlsruhe).

Abfahrt 2 Uhr 40 [recte 2:44 (siehe Anmerkung)] (°).

(°°) Kritik zur 3. Symphonie in Utrecht [am 20.3.1886] in der »Caecilia« 43, Nr. 10, S. 99, signiert [in griechischen Buchstaben] »Eyn-ergos« [mit großem "Epsilon", recte vermutlich "Syn-ergos"]:
»                           UTRECHT.
           5de Heeren- en laatste Stads-concert.
    
Op muzikaal gebied was in deze maand zonder twijfel het laatste Stads-concert (20 Maart) met het daaraan voorafgaande Heeren-concert het belangrijkste. [...]
     Op het Stads-concert (zoogenaamd Dames-concert) had ik het genoegen voor de eerste maal mej. Marie Soldat (violiste uit Berlijn), te hooren. [... über die von ihr gespielten Werke: Mendelssohn-Konzert, Einzelsätze von Spohr, Wieniawski, J. S. Bach ...] Een „tot wederzien” was op aller lippen.
     Voor de eerste maal werd eene Symphonie (no 3) van A. Brückner ten gehoore gebracht; een werk van grooten omvang, dat naast vele voorstanders ook niet weinig tegenstanders verworven heeft. Ik heb er veel schoons in gevonden, veel oorspronkelijks; maar ook herinneringen werden opgewekt, b. v. aan Beethoven's IXde Symphonie (1ste deel), Schubert (2de deel), Léo Délibes (3de deel), Wagner (4de deel), enz. Het is te bejammeren, dat in het heroïsche gedeelte van het finale, een ongelukkig ingelascht, triviaal, verfranscht motief, de algemeen gunstigen indruk benadeelt. Gaarne zoude ik zijne latere symphonieën hooren (de 7de b. v.); de edele richting, in het nu gehoorde werk doorgaans heerschende, zal ongetwijfeld meer op den voorgrund treden nu de componist door ondervindung gelouterd is.
     De orkest-nommers waren verder „Erklärung”, Concertstück van Hol en de uitmuntend uitgevoerde ouverture „Euryanthe” van Weber. In het werk van Hol vindt men eene getrouwe muzikale wedergave van Heine's gedicht (dat op het programma was afgedrukt), zoals men dit in waarheid in alle soortgelijke werken van Hol kan bewonderen. Dit zou alleen voldoende zijn om hulde te brengen aan den wakkeren directeur van het „Collegium Musicum Ultrajectinum!”
   [Signatur, in griechischen Buchstaben:] Eyn-ergós.« (°°).

(°°°) Kritik zu ”Trösterin Musik” durch Th. Helm [vgl. Anmerkung] in den Wiener Signalen Nr. 8 auf S. 66, signiert »x + y«:
   »[...] Das Concert des academischen Gesangvereines begann mit einem neuen Chor mit Orgelbegleitung von Anton Bruckner "Trösterin Musik", dessen gar zu absichtsvolle Pointirung der Textworte, nicht der Componist, sondern Herr A. Seuffert zu verantworten hat, welcher dem fertig vorliegenden Tonsatze einen neuen, minutiös der Musik anpassenden Text unterlegte. Bruckner's Chor ist übrigens kunstvoll gesetzt, von edler Stimmung und verklingt sehr schön. [... über die weiteren Programmnummern ... Intonationsschwankungen bei Webers "Schlummerlied" ...] Derlei heiklich harmonisirte Pianos und Pianissimos muß man vom Männergesangverein hören, die Domäne des "Academischen" ist mehr das Helle, Kräftige, wie es ja schon im Charakter der frischen Jünglingsstimmen liegt. [Signatur:] x + y.« (°°°).

(#) Kritik Kalbecks in der Presse” Nr. 105 auf S. 1f:
           »Feuilleton.
                Concerte.

    Auch uns sollte es einmal vergönnt sein, berühmten Bühnensängern erfolgreiche Concurrenz zu machen. [...über seine Erkältung und Heiserkeit, die »für zwanzig erste Tenoristen auf Lebenszeit hingereicht hätte«, und das 4. Gesellschaftskonzert ...]
     Ein ähnliches abwechslungsreiches Programm wie das Gesellschaftsconcert wies die Production des Wiener akademischen Gesangvereins auf, welche ein zahlreiches und dankbares Auditorium in den großen Musikvereinssaal gelockt hatte. Den Anfang machte ein Männerchor mit Orgelbegleitung, "Trösterin Musik" von Anton Bruckner. Für ein excentrisches und unberechenbares Talent Bruckner'scher Complexion ist dieser Chor eine erstaunlich zahme und hausbackene Leistung. Zweimal drei Strophen, die beidemale genau dasselbe mit anderen Worten sagen, sind schlecht und recht in Töne gesetzt; meistens klingt es, als sei irgend ein bezifferter Baß harmonisirt worden, der dann seine nothgedrungene Melodie in der Oberstimme von selber mit sich brachte. Wir können den Verdacht nicht unterdrücken, daß das Lied ursprünglich mit der dritten Strophe beendet worden ist, daß es jedoch in der Praxis als zu kurz befunden und deßhalb wiederholt wurde, wozu der Textverfasser August Seuffert eine gute Miene und ein paar gute Worte machen mußte. "Wenn man das Lied nicht weiter kann, so fängt man's wieder von vorne an." Die ersten beiden Strophen werden ohne Begleitung gesungen, mit der dritten fällt im Text das Stichwort für den Organisten, der bis auf die letzten drei Worte mitthut, diese aber, des äußern Effects wegen, dem Chor allein überläßt. Von einer inneren Nothwendigkeit, die Orgel zur Mitwirkung heranzuziehen und sie dann wieder von derselben auszuschließen, ist nichts zu spüren. Warum auch? Die Trösterin Harmonie hat mit einigen frappanten Ausweichungen ihre Schuldigkeit gethan, möge man sie also als "Trösterin Musik" mit Orgel und Chor feiern und preisen! - [... über die anderen Nummern und mit Erwähnung der vielen von ihm nicht besuchten Konzerte ...]
               Max Kalbeck.« (#).

Gustav Dömpke erwähnt in seinem Feuilleton-Artikel in der Wiener Allgemeinen Zeitung Nr. 2202 auf S. 2f Bruckner nur kurz:
               "Concerte.
     Welche Zukunft steht der heiteren und beschaulichen Symphonie Joseph Haydn's bevor? [... über das Gesellschaftskonzert ... über die außergewöhnliche Instrumentierung eines Schumann-Chors ...] Denn unbeschadet aller Unterschiede der Ausführung, fordert es doch die Gerechtigkeit, daß wir Schumann eine Stylwidrigkeit nicht ohne Weiteres zugestehen, die wir bei Liszt, Bruckner und Genossen unbedingt verwerfen. Mindestens ist es von Interesse, die dramatisirenden Neigungen Schumann's [...] zu verfolgen.
     [... Brahms' "Harzreise" ... Konzert des Akademischen Gesangvereins, u. a. mit Brahms' Tafellied ...] Sehr dankenswerth war ferner ein in erfrischenden Dreiklangsharmonien schwelgender Chor von Orlandus Lassus (Landsknechtsständchen) und ein immer gern gehörter von Weber (Schlummerlied), während die "Trösterin Musik" von Anton Bruckner und "Es hat nicht sollen sein", eine Trivialität von Engelsberg, dem Tagesinteresse Rechnung trugen. Letzters Lied sollte den Textdichter, den verstorbenen Victor Scheffel feiern [... über die mitwirkenden Solisten und andere Konzerte ...]
               G. Dömpke. (#a).

(##) Der Alpen-Bote Nr. 30 berichtet auf S. 5 von der Aufführung des »Te deum« in München [am 7.4.1886]:
»(Anton Bruckner's Te Deum in München.) Mittwoch den 7. d. M. wurde im dritten Abonnements=Concert der musikalischen Akademie zu München Bruckner's Te Deum aufgeführt und errang einen großartigen Erfolg. Unter der bewährten Leitung des Hofcapellmeisters Hermann Levy, - welcher stets mit seltener Hingebung an die Einstudirung Bruckner'scher Werke geht, - sowie unter Mitwirkung erster Solokräfte der königlichen Oper, des königlichen Opern=Orchesters und Opern=Chores gelangte das Werk zur vollkommensten Interpretation. Der Erfolg gestaltete sich aber auch zu einem ganz sensationellen. Das sonst ziemlich kühle Münchner Concert=Publicum ließ sich zu minutenlangen Beifalls=Salven hinreißen und Bruckner mußte unzählige Male erscheinen, denn immer wieder verlangte man den genialen Schöpfer des gewaltigen Werkes zu sehen. Prinzessin Amalia, Tochter des Herzogs Dr. Carl Theodor, Prinzessin [sic] Adalbert mit Prinzessin Elvira beehrte [sic] das Concert durch ihre Anwesenheit. Prinzessin Amalia hatte schon die General=Probe des "Te Deums" besucht und wurde Bruckner durch die Ansprache der Prinzessin ausgezeichnet, welche dem Meister die volle Bewunderung über das mächtig ergreifende Werk ausdrückte.« [keine Signatur; der nahezu identische Text vom 17.4.1886 aber signiert »C. A.« (Carl Almeroth?)] (##).

(###) Besprechung der 7. Symphonie [am 21.3.1886] durch E. Kastner mit Zitaten aus anderen Blättern (Helm in der Deutschen Zeitung [25.3.1886 und 23.3.1886], Anonymus [= Paumgartner] in der Wiener Abendpost [27.3.1886], Königstein im Wiener Illustrierten Extrablatt [26.3.1886], Wilhelm Frey im Neuen Wiener Tagblatt [30.3.1886], Kalbeck in der »Presse« [3.4.1886], Wörz [29.3.1886] und Hanslick) in Kastner's Wiener Musikalischer Zeitung, Jg. 1885/86, Nr. 27 auf S. 17-22:
   »Bruckner's neueste Symphonie. 
Motto: "Ich hab' hier blos ein Amt und keine Meinung."
Wallenstein's Tod I., 5.
   "Audiatur et altera pars", sagt ein altes Sprichwort. [... wie bei der 4. Sinfonie von Brahms würden nun unterschiedliche Besprechungen vorgestellt ...] Dr. Helm [...] sagt in einem ausführlichen Feuilleton u. a.: Spät kommt ihr, doch ihr kommt, möchte man den Herren Philharmonikern zurufen. [... fast vollständige Wiedergabe der Texte vom 25.3. und anschließend vom 23.3. ...] Auch erhielt Bruckner einen prächtigen Lorbeerkranz, auf dessen Schleife zu lesen war: "Dem deutschen Symphoniker, Meister Anton Bruckner, in Treue und Verehrung der Wiener akademische Wagner=Verein.".
   Ein Anonymus in der "Wiener Abendpost" (Beilage zur Kais. Wiener Zeitung) lässt sich vernehmen: "Leider verhält sich unsere Tageskritik zumeist gegen Bruckner absolut ablehnend, ja gänzlich verurtheilend. [... Auszüge aus Paumgartners Artikel vom 27.3.1886 ...] Ein günstiges Geschick lasse den Meister der Symphonie unserer Zeit seinen Ruhm noch voll und ganz erleben und geniessen.
   Herr Dr. Königstein widmet im "Wiener Illustrirten Extrablatt" der Symphonie ebenfalls u. a. folgende Worte: Wir halten Bruckner für einen genialen Menschen, dem zur Errichtung des Höchsten in der Kunst Nichts fehlt als der geläuterte Geschmack; jenes artistische Gefühl, welches für den gedanklichen Inhalt die congruente Form empfindet. Das technische Können ist dabei über jeden Zweifel erhaben. Wir besitzen in der Literatur analoge Erscheinungen: Grabbe, Hebbel. An gedanklichem Inhalt, an genialer Erfindungskraft, an Beherrschung der Sprache thun sie es den Grössten gleich. Wenn Beide trotzdem nichts Grösstes geleistet haben, Nichts, was die Züge der ewigen Jugend an sich trägt, so ist daran ihr Mangel an ästhetischem Formgefühl schuld.
   Anton Bruckner ist eine ganz eigenthümliche Erscheinung. [...] ist ein Wunderkind mit greisen Haaren ... Eines ist sicher: Die siebente Symphonie zeigt gegen seine früheren Schöpfungen abermals einen erheblichen Fortschritt im Sinne des Formschönen. [... Adagio an Schönheiten reich ... Scherzo aus einem Guss ... 1. Satz hat verblüffende Wendungen, einheitlicher als in früheren Symphonien ... das Finale] ist allerdings wieder voll Unbegreiflichkeiten und - Ungereimtheiten echt Bruckner'scher Facon. Im Ganzen repräsentirt die siebente Symphonie eine interessante, in den zwei Mittelsätzen sogar sehr hervorragende und von der formalen Entwicklungs-Fähigkeit ihres genial veranlagten Urhebers auf das erfreulichste zeugende Schöpfung.
   In der "Wiener Sonn- und Montags-Zeitung" schreibt Dr. Wörz wie folgt: Anton Bruckner gehört zu den erfindenden Geistern [... Auszüge aus der Besprechung vom 29.3.1886 ...] Die Symphonie dauert aber beinahe fünf Viertelstunden. Auch der genialste Haushalt braucht Ordnung und Concentration, um Gäste, die nicht blos Zerstreuung verlangen, ans Haus zu fesseln, und es ist durchaus nicht nothwendig, zu diesem Zwecke die "Hausordnung" an die Thüre zu nageln. Wo sie herrscht, wird sie empfunden, und wo man sie nicht empfindet, wird sie vermisst.
   Das "Neue Wiener Tagblatt", resp.Herr W. Frey, spricht sich ebenfalls sehr lobend über das neue Werk aus. Es heisst u. A. darin: Die neueste Symphonie - E-dur - ist nun, in relativem und auch absolutem Sinne gesprochen, von einem klaren Aufbau, von einer glücklichen Anordnung und Gliederung der Gedanken und von einer Macht der Empfindung, wie sie nur den grössten unserer deutschen Tondichter nachgerühmt werden kann. [... Auszüge aus der Kritik vom 30.3.1886 ... über die Reminiszenzenjäger und Wagner] vor dessen Fragmenten sie vor 20 Jahren geradeso die Flucht ergriffen, wie diesmal vor Bruckner.
   Weniger günstig lauten die Urtheile der Herren Eduard Hanslick und Max Kalbeck, von welchen sich der letztgenannte eingehend mit dem neuen Werke in dem Journale "Die Presse" beschäftigt. Herr Kalbeck sagt: Wir glauben so wenig an die Zukunft der Bruckner'schen Symphonie, wie wir an den Sieg des Chaos über den Kosmos glauben [... Auszüge aus der Kritik vom 3.4.1886 ...] Aber auch dieses von übereifrigen Bewunderern in die Wolken gehobene Adagio leidet an dem Grundübel sämmtlicher Brucknerschen Compositionen, das in dem absoluten Unvermögen ihres Autors besteht, nach den Gesetzen musikalischer Logik zu denken und zu handeln.
   Besonders kurz fasste sich der Referent der "Neuen Freien Presse", welche den Eindruck, welchen er empfing, in nachstehende Worte zusammendrängte: Ich bekenne unumwunden, dass ich über Bruckner's Symphonie kaum ganz gerecht urtheilen könnte, so antipathisch berührt mich diese Musik, so unnatürlich aufgeblasen, krankhaft und verderblich erscheint sie mir. [... Auszüge aus der Kritik vom 30.3.1886 ...] Einige eingehendere Bemerkungen über das neue Stylprincip Bruckner's - die Uebertragung von Wagner's Nibelungen-Styl und Instrumentirung auf die Symphonie - erlaube ich mir für eine gelegenere Zeit zu vertagen.
   Man kann aus dieser Zusammenstellung ersehen, dass das allgemeine Urtheil über Bruckner's E-dur Symphonie vorwiegend sehr günstig lautete und die kleinen Bemängelungen dabei kaum ins Gewicht fallen
E. Kastner.« (###).
Auf S. 31 wird in der »Zeitschriften-Revue« Kalbecks Artikel vom 3.4.1886 erwähnt:
»Die Presse 3. April
Dichter und Symphoniker
(Ueber Bruckner's VII. Symphonie) Von Max Kalbeck« (a).

Das Musikalische Wochenblatt Nr. 16 verzeichnet auf S. 207 in der Rubrik »Aufgeführte Novitäten.« die 7. Symphonie in Wien [21.3.1886]:
»Bruckner (A.), 7. Symph. (Wien, 7. Philharm. Conc.)« (b).

Bei der Vortragsübung am Wiener Konservatorium spielt Bruckners Schüler Carl Weber eine Orgelfuge von J. S. Bach (c).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 188604155, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-188604155
letzte Änderung: Mai 13, 2024, 13:13