zurück 1.4.1893, Samstag (Karsamstag) ID: 189304015

[?] Bruckner improvisiert in St. Florian über ein gregorianisches Thema (*).
Aufgeführt werden vormittags Werke von Stehle (Preismesse) und Ett (*a).

Er fährt nachmittags nach Steyr (**).

Besprechung der f-moll-Messe, signiert "–d–r.", in der Deutschen Kunst- und Musik-Zeitung 20 (1893), Heft Nr. 7, auf S. 82:
"           Bruckner's F-moll-Messe.
     Ueber Bruckner und seine Werke ist in diesen Blättern schon oft die Rede gewesen und es ist kaum Eigensinn unsererseits, wenn wir nie in das freilich nur von einem kleinen, und wir geben zu, ehrlich fanatischen Häuflein erhobene Jubelgeschrei einstimmen konnten. Bruckner erscheint uns bis heute noch wie jener Arian, der das Glaubenbekenntnis beschwören mußte, dabei aber die Hand auf seine Brust legte, gerade an die Stelle, wo er – sein, auf ein Pergamentblatt geschriebenes Specialbekenntnis verborgen hatte. Auch Bruckner hat sein ganz persönliches Bekenntnis, namentlich in Sachen der Logik und das ist es, was, von seiner Seite aus gesehen, die gesammte übrige Musik, oder von dieser letzteren aus betrachtet, seine Musik als schismatisch erscheinen läßt. Diese Ueberzeugung hindert uns natürlich nicht, das Wahre, Echte und Schöne bei Bruckner anzuerkennen, ja, es mit besonderem Eifer aufzusuchen.
     Wie die meisten früheren Werke des Wiener Meisters enthält auch die neue Messe genug davon. Ganz zu oberst ist wohl das fast durchwegs überaus weihevolle, musikalisch gehaltreiche Benedictus zu nennen, das – bis auf einen kleinen Stillstand, zu welchem sich aber eventuell ein berühmtes Seitenstück aus dem Finale der neunten Symphonie anziehen ließe – weitaus zu dem Besten gehört, was Bruckner je geschrieben. Es ist von wärmster Melodik, klarem, durchsichtigem Aufbau und außerordentlicher Klangschönheit. Sehr ergreifend ist – bis auf den allerletzten Abschluß – die zweite Partie des Agnus Dei, wirksam gesteigert, nur gar zu lang, die kernige Schlußfuge im Gloria. Interessante Züge, geistreiche Einfälle enthält jeder Satz, was aber nicht verhindert, daß das Credo als Ganzes höchst unerquicklich, das Graduale (eine Einlage) recht unbedeutend, das Gloria vielfach sehr conventionell ist.
     Die Aufführung war eine mittelmäßige. Ueber alles Lob erhaben darf nur der Dirigent, Herr J. Schalk, erachtet werden, der das complicirte Werk fast ganz aus dem Gedächtnisse und mit gründlichster Kenntnis des großen Apparates leitete. Von den Solisten ist allen weit voran Herr G. Walter zu nennen, nach ihm Frl. Chotek und Frl. Widermann; der Baß, Herr Hugel, dürfte eigentlich nichts dagegen haben, wenn man seinen Namen verschwiege, denn er verschwieg fast seine ganze Partie. Bei nächstem Anlasse darf er mit seiner schönen Stimme nicht gar so egoistisch umgehen. Der Chor des Wiener Akademischen Wagnervereines und ein aus der Kapelle Strauß combinirtes und verstärktes Orchester thaten ihre Schuldigkeit.
     Der äußere Erfolg hielt sich auf derselben Höhe, wie bei anderen Brucknerfesten. Wie wir vernehmen, wird die neue Messe demnächst bei Doblinger in Wien im Drucke erscheinen.             –d–r." (***).

[Heubergers Kritik siehe 29.3.1893, siehe auch die Anmerkung].

Die Internationale Musik- und Instrumenten-Zeitung Nr. 4 erwähnt auf S. 6 die Aufführung des »Tafellieds« am 11.3.1893, signiert „F. W.“ [Felix von Wartenegg??]:
„     Wien. Der „Wr. Akadem. Gesangverein“ veranstaltete am 11. v. M. im gr. Musikvereinssale [sic] ein Concert, welches Compositionen von Brahms, Bruckner, Hegar, Herbeck, Liszt, Pfeffer, Schubert und Weber brachte, worunter am besten die Chöre: „Freiwillige her“ von Brahms, „Schlummerlied“ von Weber und „Tafellied“ von Bruckner (welcher selbst anwesend war) gefielen. Ebenso erzielten großen Beifall […]. Die Chöre wuren [sic] durchgehends sehr gut gebracht, nur machte sich ein Mangel an ersten Tenören merkbar (wie wir hörten, nur aus Zufall entstanden), und verdient außer dem Akademischen auch dessen Dirigent R. Mader vieles Lob um den Erfolg des Concertes, an dem sich auch noch mit Einzeln=Vorträgen die tüchtige Violinistin Frl. Mollner, der jugendliche Orgel=Virtuose C. Oßke und k. k. Kammersänger von Bignio mit großem Beifalle betheiligten.    |    F. W.“ (°).

In der Musikalischen Rundschau Nr. 7 wird auf S. 58f die Aufführung der f-Moll-Messe am 23.3.1893 besprochen:
"Eine Meisterschöpfung deutscher Kirchenmusik.
      
         (Bruckner's F-moll-Messe.)
     Jene Zeitung, welche jetzt ihr Möglichstes daran setzt, dem grössten österreichischen Componisten den beinahe durch drei Menschenalter mit härtester Arbeit und Mühe erkämpften Lorbeerkranz vom Greisenhaupte herunterzureissen, die "Neue Freie Presse", brachte in ihrer Nummer vom 28. Juni 1872 [recte 29.6.1872] folgende Nachricht, deren Auffindung wir dem ältesten Verfechter der Bruckner'schen Muse, Dr.Theodor Helm, verdanken:
             (Bruckner's neue Messe.)
     Am verflossenen Sonntag kam in der Augustinerkirche eine hier noch nicht gehörte neue Messe in F-dur (soll heissen F-moll) von dem als Orgelvirtuosen rühmlichst bekannten k. k. Hoforganisten und Professor am Conservatorium, Anton Bruckner, zur Aufführung. Die Composition erregte unter den Musikfreunden Aufsehen durch ihre kunstvolle Contrapunktik und Fugenarbeit, wie durch einzelne ergreifende, eigenthümliche Schönheiten. Nicht nur durch ihre grossen Dimensionen und schwierige Ausführbarkeit, auch durch Styl und Auffassung verräth sie als ihr Vorbild die Beethoven'sche Missa Solennis, nebenbei auch starke Einflüsse Richard Wagner's. Es wäre interessant, wenn Bruckner's neue Messe, ganz oder doch theilweise in einer guten Concertaufführung zu Gehör gebracht und dadurch einem grösseren Publicum bekannt würde."
     Diesem Wunsche hat der akademische Wagner-Verein in seiner grossen Musikaufführung am 23. März 1893 – unbewusst – entsprochen. Und seltsamerweise war bei jenem Concerte – dem bedeutendsten Musikereigniss der diesjährigen Concertzeit – der gewissenhafte Kritiker desselben Blattes, dessen gerechte und unparteiische Kritiken der Meisterwerke Bruckner's sich bereits einen gewissen Ruhm erworben, nicht zugegen. Dadurch, dass er sich der Pflicht entzog, die Aufführung des überwältigenden Werkes mit seiner Anwesenheit zu beehren, hat er seine Kritik schon gesprochen. Hätte er wohl auch diesmal angesichts einer in einmüthiger Begeisterung dem greisen Meister zujubelnden Menge den Muth gefunden, statt einer Kritik, wie gelegentlich der Aufführung der C-moll-Symphonie, ein Pamphlet über das Werk zu veröffentlichen? Es war besser, fernzubleiben, wenn er es nun einmal nicht über sich bringen kann, das Genie des greisen Meisters huldigend anzuerkennen, und dass die Feinde endlich verstummten, bedeutet den grössten Sieg Anton Bruckner's. Es war ein langer Kampf, der alte Kampf zwischen genialer, alltagsfremder Grösse und der Theilnahmslosigkeit und Ungerechtigkeit der stumpfen Masse und ihrer kritischen Führer. Dass aber dem Meister der Muth nicht versagte und seine Kraft nicht brach, dass er durch Menschenalter hindurch in harter, einsamer Arbeit, nicht aufgemuntert durch erfreuenden Beifallsjubel der Mende, eine Symphonie nach der anderen schrieb, lauter Riesenwerke, zu umfangreich für den Verleger, zu schwerfasslich für das grosse Publicum, zu genial für die Tageskritik, deren in die Partitur gebannte Töne ihm lange nicht erklingen sollten, bleibt eines der denkwürdigsten Capitel der Kustgeschichte. Nach Wagner's Worten muss das erste Kunstwerk im Zwange der Noth geboren werden, und sein Wort hat sich wohl an keinem zweiten Componisten so bewährt, wie an Bruckner. Wer würde wohl dem in bestrickendem Wohllaut uns lind umfangenden Benedictus anhören, dass es aus Bruckner's trostlosester Zeit stammt und in den Tagen der Verzweiflung geschrieben ist.
          "Die Hoffnung fehlt,
           Mir aber bleibt der Glaube"

klingt es aus demselben heraus, und aus dieser gewaltigen Empfindung des Glaubens ist das ganze überwältigende Werk entstanden. Nun hat sich auch die Hoffnung des Künstlers erfüllt, und die Beifallsstürme, mit welchen man jedem Werk des rührend-bescheidenen Meisters zujubelt, sind nur ein kleiner Ersatz für die vielen Jahre der Noth.
     Wir wissen es dem Akademischen Wagner-Vereine und seinem energischen Dirigenten Herrn Schalk Dank, dass er uns Bruckner's Messe in F-moll, eines der schönsten und erhabensten Werke unseres Altmeisters vorführte: Wenn sie auch im Concertsaale eine mächtige Wirkung erzielte, ist sie doch kein modernes Concertstück, sondern eine kindlich naive, tief religiöser Empfindung entsprungene kirchlische [sic] Tonschöpfung, die nur in weiten, dämmerigen von hoch aufragenden Säulen getragenen Bogenhallen des Hochstiftes von St. Stephan ihre würdigste Stätte fände.
     Ihr Styl hat bei Beethoven's Missa Solennis seinen Ausgangspunkt genommen, diesem ersten echtmodernen Chorwerke, das alle Mittel der modernen Orchestererrungenschaften zu dem ad maiorem dei gloriam aufgerichteten Tonbau nützt. Mit ihr hat sie auch die eigenartige Technik der Chor- und Solostimmen gemein, welche orchestral benützt werden, so dass man eigentlich, um die beabsichtigte Wirkung zu erzielen, die Solostimmen mit kleinen Chören besetzen müsste. Im Benedictus, in welchem die vom Cello zuerst getragene Melodie als cantus firmus benützt wird, welchen bald Orchester bald Chor harmonisch umflechten, hat die orchestrale Verwendung des Chors ein melodisches Wunderwerk geschaffen, das nur an Bach'schen Vorbildern (z. B. der Cantate "Wie schön leuchtet der Morgenstern") gemessen werden kann. Neben Beethoven und Bach weist die Messe noch ein drittes Element auf, das auch von Mozart im Requiem stellenweise ("te decet hymnus") benützt wurde, den gregorianischen Choral, in dessen schlichten Harmonien meist die Worte "Jesu Christe" intoniren. Beethoven, Bach und der gregorianische Gesang bilden die Grundelemente der Bruckner'schen Messe; Bach verdankt sie die innige Verflechtung von Chor und Orchester zu einem vollfluthenden Tonbau und Beethoven den modernen persönlichen Zug.
     Da eine Partiturausgabe der F-moll-Mese noch nicht erschienen ist, sei vorläufig in knapper Skizze das wiedergegeben, was sich uns beim Hören als überwältigender Eindruck kundgab.
     Das Kyrie beginnt im ruhigen Tone der Anbetung, welche im kryste eleison immer mehr einen drängenden, flehenden Charakter annimmt, um in einem lauten Aufschrei "Kryste" den Höhepunkt zu gewinnen. Sanft, wie es begonnen, tönt es dann aus. Das Gloria gipfelt in einer gewaltigen Fuge (cum sancto spiritu), in welcher der orchestrale Untergrund mit staunenderFreiheit behandelkt ist. Den Chormassen weisen Posaune und Trompete, welche abwechslnd das Thema bringen, den Weg. Den grössten Umfang nimmt das Credo – das bedeutendste Stück der Messe – ein, dessen Einzelschönheiten wir nicht alle hier würdigen können: das kernige Einleitungsthema, das melodiöse "Et incarnatus est" (Tenorsolo), bei welchem sich um die stockenden Holzbläseraccorde weitausgreifende Violin- und Oboecantilenen herumranken, das ergreifende Posaunennachspiel, das "Et sepultus est", die majestätische Pracht des "Et iterum venturus" und den ergreifenden Schluss. Das wundersam tönende Benedictus, das in seiner weichen vollen Tonfluth wie aus einer anderen Welt herüberklingt, ist schon früher erwähnt worden. Das "Agnus" – welches sich über einer Art basso continuo aufbaut – führt in einer überwältigenden Steigerung zum Dona, welches zuerst in der vollen Pracht des Bläserchors erschallt und mild in einen kurzen a capella-Chor austönt.
     Es war ein kühnes Unternehmen, Bruckner's F-moll-Messe mit den bescheidenen Mitteln, die dem Wagner-Vereine zu Gebote stehen, aufzuführen. Um so ehrender war der Erfolg für den Verein und in erster Linie für dessen Dirigenten. Die Aufführung bewies, dass die Begeisterung für die Sache einen kleinen Chor und ein minderwerthiges Orchester zu überwältigenden Leistungen hinzureissen im Stande ist.
     Die Aufführung von Bruckner's "F-moll-Messe" war ein grosser Triumph echter deutscher Kunst und es ist wohl kein Zufall, dass sich solche echte deutsche Musikfeste  in diesem Jahre so sehr gehäuft haben, in welchem, wie nie früher, italienische Musik und italienische Sänger sich in die Ohren des Publicums einschmeichelten. Der doppelte Zug: Aufführung nationaler Kunstwerke und Huldigung der wälschen Kunst geht durch unser ganzes modernes Musikleben. Die Deutschen sind eben ein sonderbares Völkchen: auf der einen Seite protzig national, auf der anderen Seite dem Ausländischen ohne Widerstand sich ganz ergebend. Auf der einen Seite jubeln sie dem "Lohengrin" zu, auf der anderen "Mala vita", heute entzückten sie Bruckner's Symphonien und morgen drängen sie sich in den Saal, um "echte" italienische Quetschtenore und tremolirende Primadonnen zu beklatschen. In unserem Kunstleben gibt es keinen festen Halt, zwischen reifen deutschen Meistern und brausköpfigen italienischen Talenten schwankt die Mehrzahl des Publicums kritiklos einher, hier entdeckt es sein deutsches Herz und schreit "Heil Bruckner" und dort umringt es den jungen Livornesen Mascagni und johlt "Eviva Maestro." Das ist weniger traurig als komisch: denn ein guter Kern steckt in Allen, und wenn sie der italienischen Kunst überdrüssig geworden, so wenden sie sich doch ihren deutschen Meistern zu und suchen zu sühnen, was sie durch die Nichtbeachtung verbrochen. Im Vorjahre der Mascagni-Taumel, heuer der Bruckner-Jubel – es musste so kommen. Nur Eines wird den wirklichen Musikfreund verdriessen, das Uebermass. Bruckner ist eben das Schlimmste widerfahren, was einem Künstler geschehen kann, er ist – modern. Ein grosser Theil der Hörer bewundert ihn kritiklos, weil es Mode ist, und dieser wird bei der ersten besten Gelegenheit von Bruckner wieder abfallen, wenn etwa die leichten Weisen der Italiener wieder in unsere Stadt einziehen. Dann wird man sich wieder Jenen zuwenden, die dann – modern sind. So ist es Richard Wagner ergangen, so wird es Bruckner ergehen. Wer jedoch den Werth der bewunderten Meister einmal voll erkannt hat, der wird die bald hier, bald dorthin planlos fluthende Masse des Publicums ruhig ihren Weg nehmen lassen, Meister wie Bruckner sind für alle Ewigkeit – modern.
                               Max Graf." (°°).

»Te deum« und d-Moll-Messe werden von J. Sittard im Hamburgischen Correspondenten besprochen (°°°).

Telegramm aus Hamburg an die Deutsche Zeitung [vermutlich direkt an Theodor Helm]: "Glänzende Aufführung, durchschlagender Erfolg, andauernder Beifall." (#).

Telegramm von Theodor Hämmerle an Bruckner [Vorgedrucktes in Spitzklammern, Text handschriftlich, keine geklebten Papierstreifen etc.]:
»<TELEGRAMM No> 10
<an>
Doctor Professor Anton Bruckner Stadt [daneben gestempelt »STEYR« [= dorthin weitergeleitet?]]

<Von> Wien <Nr.> 143 <Wörter> 31
[links:] <am> 1/4 [...] [rechts:] <Aufgegeben am> 1/4 [...] <um> 11 <Uhr> 7 <Min.>
<Text.>
Über ihre Meße in Hamburg [d-Moll-Messe 31.3.1893] erhalte ich soeben Telegram[m] glänzende Aufführung durchschlagender Erfolg andauernder Beifall wozu ich den Meister aus ganzem Herzen beglückwünsche
Theodor Häm[m]erle«.
[links unten gedruckt:] <(Auflage 1892.)> (#a).

In der "Lyra" XVI, Nr. 13 (432) wird auf S. 6 [= S. 114] die Aufführung der 4. Symphonie in Troppau [19.4.1893] angekündigt:
   "Von Nah und Fern. [...] 
    Troppau (Schlesien). Der Männer=Gesangverein bringt bei seinem nächsten satzungsgemäßen Concerte des herrliche Chorwerk von Richard Wagner „Das Liebesmahl der Apostel” [... Uraufführung in Dresden vor 50 Jahren ...], ferner die vierte Symphonie von Dr. Anton Bruckner zur Einführung der Tonschöpfungen dieses genialen Meisters in Troppau, zur Aufführung." (##).

"Die Presse" Nr. 90 berichtet auf S. 1f von der am 28.3.1893 eröffneten Kunstausstellung und erwähnt dabei ausführlich als das "Sehenswertheste" die Bruckner-Büste [IKO 55]:
"          Jahresausstellung im Künstlerhause.
                                  I.
     Keine Sensationen, aber eine gute Exposition; [...], die Plastik vorzüglich reich und werthvoll, [...]
     An unseren Plastikern haben wir ehrliche Freude gehabt. Ihre Ausstellung tritt großartig, reich und bedeutend entgegen, vielseitig zugleich und gediegen. [... einige Beispiele ...]
     Eine großartige Ueberraschung hat uns Tilgner mit seinen vier in Bronce, Marmor und Gyps ausgeführten Büsten der drei Musiker Dr. Bruckner, Domcapellmeister Preyer, Director Jahn und ferner Makart's bereitet. Besonders das Erstere ist eine Schöpfung von der höchsten Bedeutung, nicht blos das Sehenswertheste in dieser ganzen Ausstellung, sondern überhaupt das plastische Porträt ersten Ranges, das mir in der Kunst der Gegenwart vor Augen gekommen ist. Dieses Bildniß voll Wahrheit und Leben, voll Geist und Empfindung erscheint mir als ein solches, welches künftigen Zeiten als classisches Beispiel der Auffassung des Bildnisses aus unseren Tagen mustergiltig bestehen wird; hier waltet eine Sicherheit und Größe, eine Vollendung und genialste Ruhe des Künstlergeistes, zugleich aber auch eine elektrisch zündende, naturalistische Treffsicherheit, ein Ablauschen und zugleich auch ein Vergeistigen der Natur, Realistik und Idealistik in jener glücklichen Abgewogenheit, wie sie nur der gottbegnadete Meister sein nennt, so daß man behaupten kann, es ist seit Raphael Donner, jenem nie genug gewürdigten, erhabenen Genius, in Oesterreichs Kunst Größeres nicht geschaffen worden. Auch an der wunderbaren Büste Preyer's hat sich Tilgner herrlich bewiesen, auch an dem feinen, geistvollen Marmorbilde Makart's; diejenige Bruckner's ist jedoch sein Höchstes, das dieser große Künstler je geschaffen, nicht nur sein Bestes in dieser Zeit, sondern im gesammten Rahmen der Kunstgeschichte eine Leistung allerersten Ranges. Sie wird ein glänzender Typus unseres Jahrhunderts bleiben für alle Zeiten; man wird schier von Schauern vor der Kraft des Genies überfallen, aber freudig berührt, bei dem Anblick dieses wahren Meisterwerkes.
     [... über weitere Plastiken ... lehnt (auch als Mitglied des Denkmal-Komités) Vogls Projekt zum Raimund-Denkmal ab ...]        I."
[Dr. Albert Ilg (siehe Anmerkung)] (###).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189304015, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189304015
letzte Änderung: Apr 08, 2024, 12:12