zurück 18.4.1893, Dienstag ID: 189304185

Im "Hotel Schiff" in Steyr Generalversammlung der Gesellschaft der Musikfreunde. Wahl des Vorstandes: Eduard Werndl, Vorstand, Josef Hoschek, Johann Haidl, Franz Prammer, Victor Stiegler, Johann Reichl, Ludwig Großauer (Kapellmeister) und Franz Bayer (dessen Stellvertreter). Stiegler beantragt (unter Hinweis auf die d-Moll-Messe am 2.4.1893), Bruckner zum Ehrenmitglied zu ernennen  (*).
Datierung der Ehrenmitgliedsurkunde der Gesellschaft der Musikfreunde in Steyr (*a).

Beim Mitgliederabend des Wagner-Vereins in Brünn erklingt u. a. 1 Satz aus der 7. Symphonie. Solisten des Abends sind Dr. Flögl, Frau Dr. Licht und Herr Eder [Am 15.4.1893 waren der 3. und 4. Satz der 4. Symphonie mit Eder und Wickenhaußer angekündigt worden.] (**).

Ein Artikel des Brünner Tagesboten Nr. 88 auf S. 4 informiert über die für den 21.4.1893 angesetzte 4. Symphonie, den Lebenslauf des Komponisten und seine Beziehung zu Otto Kitzler, dessen Einladung er nicht folgen konnte:
      "Der Brünner Musikverein erfüllt eine Pflicht, wenn er bei seinem am Freitag 21. d. M. stattfindenden Concerte eine Symphonie von Bruckner zur Aufführung bringt. Der Name Bruckner erschien bis jetzt in Brünn nur mit seinem Te Deum und dem Chor »Germanenzug« auf dem Concertprogramme des Musik- und Männergesang-Vereines. Von den acht Symphonien des Componisten wurde die vierte (romantische) zur Aufführung gewählt, welche als die zugänglichste, verhältnismäßig die meisten Aufführungen in den großen Musikstädten erlebte. Der Einfluß Richard Wagner’s zeigt sich in prägnantester Weise bei Bruckner, welcher die Prinzipien Wagner’s in die Symphonie verpflanzend, dadurch zu einer ganz eigenen Bedeutung gelangte. Jahrzehnte lang wenig bemerkt, haben seit einigen Jahren die Compositionen Bruckner’s die lebhafteste Beachtung der Musikwelt auf sich gezogen. Anton Bruckner geboren im Jahre 1824 in Ansfelden in Ober-Oesterreich amtirte als Organist im Kloster St. Florian und später als Domorganist in Linz. Im Jahre 1868 wurde er nach dem Tode Sechter’s durch Herbeck als k. k. Hoforganist nach Wien berufen und als Professor für Musik am Conservatorium angestellt, in welchen Stellungen er bis zum Herbste vorigen Jahres wirkte. Im December 1891 wurde er zum Ehrendoctor der Wiener Universität ernannt. Seine theoretischen Studien machte er bei Sechter in Wien und bei unserem artistischen Director Kitzler in Linz, welcher in den Jahren 1861 bis 1863 dort als Opernkapellmeister fungirte. Innige Freundschaft verbinden Director Kitzler und Bruckner. Dieser wäre gerne der Einladung gefolgt, die Leitung der Aufführung seiner Symphonie zu übernehmen, wenn er, wie er in einem vor Kurzem eingelangten Briefe an Kitzler schreibt, nicht von einem schweren Leiden befallen worden wäre." (***).

Der Pester Lloyd Nr. 92 bringt auf S. 5 (= 1. Beilage) einen Artikel Theodor Helms, in dem auch die f-Moll-Messe [am 23.3.1893] besprochen wird:
"                    Feuilleton.
              Wiener Musikbrief.

[...] - Erste Konzertaufführung von A. Bruckner's großer Messe in F-moll.
     Eine kleine Osterreise hat Ihren Wiener musikalischen Berichterstatter nach dem schönen Süden entführt, und zwar bis dorthin, wo einst die Wiege der Oper stand: Florenz! [... kompletter Text bei www.anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=pel&datum=18930418&seite=5 ... über Smetanas "Verkaufte Braut", Hans Richters Abschiedskonzert ...]
     Noch haben wir zweier großartiger kirchlicher Konzertaufführungen von Ende März zu gedenken. Am Chardienstag führte Herr W. Gericke im zweiten außerordentlichen Gesellschaftskonzert J. S. Bach's "Hohe Messe" in H-moll, den Donnerstag zuvor Professor J. Schalk in einem Konzerte des Wagner=Vereins Anton Bruckner's "Große Messe" in F-moll auf. [... über die Bach-Messe ...]
     Ein künstlerisches Ereigniß für Wien bildete die erste Aufführung einer Bruckner'schen Messe und noch dazu der großartigsten von allen, der aus F-moll gehenden, im Konzertsaal. War dieselbe doch schon vor mehr denn zwanzig Jahren von einer Seite empfohlen worden, welche heute der titanischen Größe Bruckner's wenig freundlich, oder richtiger gesagt: geradezu ablehnend gegenübersteht. Unter dem 29. Juni 1872 schrieb nämlich die "Neue Freie Presse" wörtlich Folgendes: "Am verflossenen Sonntag kam in der Augustinerkirche eine hier noch nicht gehörte neue Messe in F von dem als Orgelvirtuosen rühmlichst bekannten k. k. Hoforganisten und Professor am Konservatorium Anton Bruckner zur Aufführung. Die Komposition erregte unter den Musikfreunden Aufsehen durch ihre kunstvolle Kontrapunktik und Fugenarbeit, wie durch einzelne ergreifende eigenthümliche Schönheiten. Nicht nur durch ihre großen Dimensionen und schwierige Ausführbarkeit, auch durch Styl und Auffassung verräth sie als ihr Vorbild die Beethoven'sche "Missa solemnis", nebenbei auch starke Einflüsse R. Wagner's. Es wäre interessant, wenn Bruckner's neue Messe ganz oder doch theilweise in einer guten Konzertaufführung zu Gehör gebracht und dadurch einem größeren Publikum bekannt würde." Diese Zeilen wurde, wie bemerkt, 1872 geschrieben und volle 21 Jahre sollten vergehen, bis der darin geäußerte Wunsch erfüllt würde. [... der Chor des Wiener akademischen Wagner-Vereins war durch Mitglieder des Akademischen Gesangvereins verstärkt ...  Mitwirkende: Kapelle Strauß, G. Walter (Tenor), Labor (Orgel) ... Triumph für Bruckner, der bei Textvertonungen die "wohlthätigen Schranken" für seinen "oft gar zu ungestüm durch die Wolken jagenden Pegasus" finde ...d-Moll-Messe bei J. Groß in Innsbruck verlegt, unlängst in Hamburg aufgeführt ... beide Messen für Budapest empfehlenswert ... kurz zu den einzelnen Sätzen ... Hans Richter habe Josef Schalk gratuliert ... Kandidat für die Leitung der Philharmonischen und Gesellschaftskonzerte? ...]           Dr. Theodor Helm." (°).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189304185, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189304185
letzte Änderung: Jun 22, 2023, 7:07