zurück 9.10.1893, Montag ID: 189310095

Bruckner läßt Dr. Silberstein eine Dose mit fünf Dukaten überbringen [?] (*)
 
Brief von Ignaz Bruckner an Anton Bruckner:
     Seiten des Prälaten [Moser] gebe es gegen ein Begräbnis in St. Florian (trotz Bedenken des Bischofs [Doppelbauer?]) kein Hindernis. Bruckner solle den Wunsch im Testament ausdrücken. Schonung wegen der lebensgefährlichen Erkrankung (so die Äußerung des Arztes zum Steyrer Bezirkshauptmann Zimmerauer und zum Stadtpfarrer [Aichinger]) sei wichtig! Grüße von allen Florianern und an Frau Kathi (**).

[alphabetisch nach Zeitungstiteln]
Berichte über das gestrige Festkonzert mit der Uraufführung von »Helgoland«

im Brünner Tagesboten Nr. 230 auf S. 3:
„[…] Das Hauptinteresse nahmen die drei großen Chorwerke »Phöbus Apollon« von Friedrich Gernsheim, »Leonidas« von Max Bruch und »Helgoland« von Anton Bruckner als Jubiläumsgaben dieser Tondichter in Anspruch. […] Die bedeutendste Novität des Concertes, welche geniale Conception und großartigste Wirkung vereinte, war aber Bruckner’s »Helgoland«. Am Schlusse des mehr als zweistündigen Concertes gab es natürlich noch mannigfache Ovationen für den Verein, Kremser und die anwesenden Tondichter Bruckner, Bruch und Gernsheim. […]“ (b),

im Deutschen Volksblatt Nr. 1714 auf S. 3f :
"Zum Jubiläum des Wiener Männergesangvereines.
          Das Concert in der Winterreitschule.

     Die drei Tage, an denen der Wiener Männergesangverein sein fünzigjähriges Jubiläum unter Theilnahme aller Sangesfreunde feierte, sind nun vorüber. [... Ablauf, Anwesende (wie NFP, siehe (**f)) ...] Hofcapellmeister Richter, Professor Dr. Bruckner, Friedrich Gernsheim [... der Kaiser und sein Gefolge ... Prolog Lewinskys ... der Jubilar] brachte unter Kremser's ausgezeichneter Leitung die dem Vereine eigens gewidmeten Chorwerke von Dr. Bruckner, Bruch, Gernsheim und Kremser zur Geltung.
     Wir behalten uns vor, den Werth dieser Werke bei anderer Gelegenheit zu besprechen und beschränken uns darauf zu bemerken, daß die Bruckner'sche Tondichtung "Helgoland" alle anderen Compositionen weitaus übertraf.
     Jede einzelne Pièce wurde mit jubelndem Beifalle aufgenommen, der nicht zum geringsten Theile dem Dirigenten galt. Kremser schwang seinen Meisterstab. [... der weitere Verlauf, abends Festcommers ...]                 c. h." [vermutlich Camillo Horn] (d),

in der Extrapost Nr. 612 (Montags-Zeitung der Extrapost) auf S. 3:
"Das Jubiläum des Wiener Männergesangvereines.
    Die Sympathien, welche unser trefflicher Männergesangverein während seiner langjährigen künstlerisch=patriotischen Wirksamkeit sich errungen hat, [... Kaiser und Hofstaat, weitere Prominenz ... man sah ...], Hofoperndirektor Jahn, den Tondichter Brahms und andere hervorragende Musiker u. s. w. [...]
     [...] Die folgenden musikalischen Vorträge fanden ein beifallslustiges Publikum, das [...] auch den Novitäten eine günstige Stimmung entgegenbrachte. Den meisten Eindruck machte Bruckner's "Helgoland", ein Chor von markiger und kräftiger Erfindung, der in jedem Takte die bekannten Züge des Meisters trägt, der auch stürmische Huldigung fand. [... Gernsheim und Bruch schwächer ... Konzertverlauf, ausführlich zum Festcommers ...]" [keine Signatur] (e),

im Fremdenblatt Nr. 279 auf S. 3f, signiert "T.":
Die Jubiläumsfeier des Wiener Männergesangvereines.
         Das Festkonzert in der Winter=Reitschule.

     Im Hause des Kaisers erschien gestern Mittags der Wiener Männergesangverein; es war ihm eröffnet worden für jene künstlerische Veranstaltung, welche die Jubiläumsfeier krönen sollte. Der Schauplatz allein zeigte [sic] von der Bedeutung des Jubilars. [… Bedeutung des WMGV, Ausgestaltung des Saales, Publikum …]. Das musikalische Wien war fast vollzählig da, das literarische und theatralische in imposanter Stärke. Man bemerkte die Charakterköpfe Bruckner’s, Brahms’ und Bruch’s, Wilhelm Jahn’s und Hans Richter’s, da war Johann Strauß, dessen Name so innig mit der Geschichte des Männergesangvereines verknüpft ist; [… weitere Anwesende, darunter Erzbischof Dr. Angerer, Graf Trauttmansdorff, Graf Szecsen, Minister Dr. Gautsch, Generalintendant Bezecny, Bürgermeister Dr. Prix, Kammersänger Walter, Columban Walleba, Stadtpfarrer Dr. Dörfler, Vizebürgermeister Dr. Grübl, Hofrath Exner, Bösendorfer, Kremser, Olschbaur, Kaiser Franz Joseph, Erzherzogin Stephanie, König Albert von Sachsen etc. etc. …].
     Mit den weihevollen Klängen der Volkshymne begrüßte das hinter dem Vereine placirte Orchester des Hof=Operntheaters den Eintritt des Kaisers [… Lewinsky spricht Prolog von Saar … Schuberts „Gesang der Geister über den Wassern … 244 Sänger … die ersten Chöre … Riesenkraft des Chores ...]. Nun aber konnte sich sich emporschwingen zu voller, wuchtiger Wirkung. Der Widmungschor Anton Bruckner’s, die Komposition eines altsächsichen Kriegsliedes auf Helgoland von August Silberstein, ist ja so ganz reckenhaft gedacht. Da werden die Sänger zu hünenhaften Kriegern; Donner und Blitz, Sturm und Wetter, Schwerter= und Schilderklang tobt in der Musik, Wagner’s „Nibelungen“ sind harmlose Zwerge neben diesen Recken. Ob wohl ein zweiter Männerchor das Wunder zu vollbringen, diesen Chor zu bewältigen vermag? Anton Bruckner erschien mit tiefen Verbeugungen auf dem Podium nach dem Beifallssturme, der diesem musikalischen Orkane folgte; wer traute diesem ehrwürdigen Greise mit dem Senekakopfe [sic] diese Wildheit zu! Und wieder ging es sehr kriegerisch zu in dem folgenden Chore „Leonidas“ von Max Bruch, Aber die Spartaner Bruch’s sind die friedlichsten Zinnsoldaten neben den Bruckner’schen Germanen. [über dieses und die übrigen Werke …]. | T.
   
        *       *       *
     Se. Majestät der Kaiser, der König von Sachsen und Erzherzog Albrecht verließen nach Kremser’s „Nachtlied“ den Konzertsaal. Vor dem Scheiden bemerkte der Kaiser zu Ritter v. Olschbaur, er habe sich sehr gefreut, dem interessanten Konzerte beiwohnen zu können und beglückwünschte den Verein zu seinem fünfzigjährigen Jubiläum. Kronprinzessin=Witwe Stefanie sagte, daß sie nicht verabsäumen wollte, der Festproduktion beizuwohnen, jede einzelne der Nummern habe sie sehr interessirt. [… abends Festcommers im Sofiensaal, fast 2000 Gäste …].“ (f)

in der Montags-Revue Nr. 41 auf S. 6:
„    Das Jubiläum des Männergesangs=Vereines.
             
Das Concert in der Winterreitschule.
     Unsere Wiener Meistersänger haben heute den wichtigsten Theil ihrer Jubiläumsfeier in glänzender Weise absolvirt und dabei einen neuen Beweis kaiserlicher Huld empfangen. [… Winterreitschule, anwesende Prominenz, Prolog von Lewinsky gesprochen …]. Die einzelnen Nummern des Programmes wurden mit vollendeter Meisterschaft und unübertrefflicher Nuancirung zum Vortrage gebracht. Das Hauptinteresse nahmen die drei großen Chorwerke „Phöbus Apollon“ von Friedrich Gernsheim, „Leonidas“ von Max Bruch und „Helgoland“ von Anton Bruckner als Jubiläumsgaben dieser Tondichter in Anspruch. Gernsheim und Bruch dirigirten ihre Werke persönlich; wenn dieselben nicht tieferen Eindruck erzielten, so mag wohl der Mangel an großen, originellen Zügen die Hauptschuld tragen, für welchen auch die glänzendsten äußeren Effecte nicht zu entschädigen vermögen. Das Baritonsolo in „Leonidas“ sang Hofopernsänger Ritter mit prachtvoller Stimmentfaltung. Die bedeutendste Novität des Concertes, welche geniale Conception und großartigste Wirkung vereinte, war aber Bruckner’s „Helgoland“. – Nach der vierten Nummer zog sich der Kaiser mit dem König von Sachsen zurück. Am Schlusse des mehr als zweistündigen Concertes gab es natürlich noch mannigfache Ovationen für den Verein, Kremser und die anwesenden Tondichter Bruckner, Bruch und Gernsheim.“
(m)

der Neuen Freien Presse Nr. 10464 auf S. 3f:
"   Jubiläum des Wiener Männergesang-Vereins.
                                                              Wien, 9. October. 
    Das gestrige Festconcert in der Winter=Reitschule der Hofburg bildete einen Glanzpunkt der Jubeltage des Wiener Männergesang=Vereines. [... Schilderung des Konzertsaals ... anwesend: Kaiser Franz Joseph, der König von Sachsen (König Albert), Erzbischof Dr. Angerer, Graf Trauttmansdorff, Graf Szecsen, Minister v. Gautsch, Marquis Bacquehem, R. v. Zaleski, Graf Richard Belcredi, Graf Hohenwart, Baron Bezecny, FZM Baron Merkl, Baron Chlumecky, Baron Chertek, v. Jansekowitsch, Bgm. Dr. Prix, Gerichtspräsident Stremayr, v. Gagern, Baron Handel-Mazzetti, FML Ludwig, Ritter v. Röckenzaun, Ritter v. Arbter, Bischof Belopotoczky, Pfr. Dr. Dörfler, Baron Banhans, Graf Lamezan, der Brünner Bgm. Winterholler, Stadtbaudirektor Berger, Concordia-Präsident Warhanek, Wilhelm Frey, Hofrat Exner, Prof. Schröer, Bösendorfer, Wilhelm Jahn, Brahms, Hans Richter, Friedrich Gernsheim, Alfred Grünfeld, Oberbaurat Kaiser, Vize-Bgm. Dr. Grübl etc. ... um halb 1 Uhr Eintreffen des Hofes ... die Erzherzoge Albrecht, Karl Ludwig, Wilhelm, Rainer und Ludwig Victor, Kronprinzessin Stephanie, Prinz Reuß ... Begrüßung durch Olschbaur ... Wahlspruch von Lewinsky gesprochen ... Gustav Walter als Tenorsolist bei Kremsers "Nachtlied" ...]
   Nach dieser Programmnummer, gegen halb 2 Uhr, verließ der Kaiser mit dem König von Sachsen und dem Erzherzog Albrecht die Reitschule. [... Dank der Majestäten ...] Die übrigen Mitglieder der kaiserlichen Familie harrten bis zum Schlusse aus. Die Kronprinzessin erwähnte, daß ihr der Verein und dessen Serenade zu Laëken im Jahre 1880 noch in sympathischer Erinnerung sei. 
   Es folgten von Schumann's „Ritornell” und „Helgoland”, Chor mit Orchester=Begleitung von Bruckner, dirigirt vom Compositeur [sic!]. Professor Bruckner wurde mehrmals hervorgerufen. [... Werk von Max Bruch, Baritonsolo Herr Ritter ...] Mit der Mendelssohn'schen „Wasserfahrt” und dem Pilgerchor aus „Tannhäuser” schloß das Concert, dessen musikalische Würdigung wir uns vorbehalten, um halb 3 Uhr. [... abends Festcommers im Sophiensaal ... Ansprache von Dr. Beckh aus Nürnberg ... Vorträge des Udel-Quartetts ...]" [keine Signatur] (n1),

im Neuen Wiener Tagblatt Nr. 279 auf S. 2 (mit detaillierterem Eingehen auf Bruckners Werk):
"Das Jubiläum des Wr. Männergesangvereins.
          Festkonzert in der Winterreitschule.

     Die Winterreitschule in der Hofburg, welche nur in ganz ungewöhnlichen Fällen für höchste oder künstlerische Feste geöffnet wird, [... anwesende Prominente ...] Die allerersten Cerclereihen waren für die Ehrenmitglieder des Vereines und die musikalischen Koryphäen der Residenz bestimmt. Man sah hier in erster Reihe [...], ferner die Komponisten Brahms, Max Bruch, Friedrich Gernsheim, Anton Bruckner, dann Hans Richter, Direktor Jahn, [... Ablauf des Konzerts ...] Nun folgte die groß angelegte Komposition des Silberstein'schen Gedichtes "Helgoland". Die Dichtung schildert, wie die Römer dereinst Helgoland erobern wollten, wie die Bewohner der Rothen Insel sich zum Gebet zusammenschaarten, um die Gefahr abzuwenden, und wie dann ein brausender Sturm die feindlichen Schiffe verschlang. Die Komposition hebt in großen Zügen an, der kräftig aufgebaute Kantus entspricht vollkommen den Intentionen des Dichters. Im Mittelsatze verliert sich der Komponist einigermaßen in modulatorische Spitzfindigkeiten und zum Schlusse spielt er sogar mit einem kleinen fugirten Satze. Dadurch wird die künstlerische Architektonik des Ganzen ein wenig beeinträchtigt; nichtsdestoweniger wurde auch in diesem seinem neuesten Opus Anton Bruckner als der Kontrapunktist geehrt und gefeiert. [... Max Bruch u. a. ...] Die Kompositionen dieses Festkonzertes rührten größtentheils von Ehrenmitgliedern des Vereines her, denn sowohl Gernsheim als Herbeck, sowohl Bruckner als Bruch, Mendelssohn und Wagner zählen und zählten zu den Ehrenmitgliedern des Vereines. Das Konzert dauerte bis halb 3 Uhr und wird trotz des theilweise schwerfälligen Inhaltes des Programmes schon durch dessen Ausführung gewiß bei allen Anwesenden einen tiefen und festen Eindruck hinterlassen haben.
     Der Kaiser und sein Gast hatten das Konzert schon nach der fünften Nummer verlassen. [... der weitere Verlauf, Festcommers ...]" (n2),

in der Ostdeutschen Rundschau Nr. 8 auf S. 2:
"     Das Jubiläum des Wiener Männergesangvereines. [... samstags Empfang im Rathaus ... Verwunderung über anwesende Antisemiten, obwohl der Vorstand [Olschbaur] ein Anti-Antisemit sei ...] – Sonntag um halb 1 Uhr Mittags fand in der hübsch ausgeschmückten Winterreitschule unter Anwesenheit des Königs von Sachsen das Festkonzert statt, welches durch einen von Saar verfaßten und von Lewinsky vorgetragenen Prolog eingeleitet wurde. Von der Vorträgen des Männergesangvereines sind besonders hervorzuheben: Bruckner's neues Chorwerk "Helgoland" und Wagner's Pilgerchor". Alles Andere war mehr oder minder gute Liedertafelmusik. Das Konzert, welchem die Mitwirkung der Philharmoniker sehr zustatten kam, dauerte fast zwei Stunden. – [... kurz über den Festcommers ...]" [keine Signatur] (o),

von Theodor Helm im Pester Lloyd, Abendblatt Nr. 231, auf S. 2:
"    Das Festkonzert des Wiener Männergesangvereins,
welches am Sonntag 8. d., Mittags, in der Winter-Reitschule der k. u. k. Hofburg stattfand, bildete den Höhepunkt der verschiedenen Festlichkeiten, welche in diesen Tagen anläßlich des fünfzigjährigen Jubiläums des allbeliebten Vereins "ganz Wien" beschäftigten. [... kompletter Text bei www.anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=pel&datum=18931009&seite=2 ... prominenteBesucher: Kaiser Franz Joseph, Kronprinzessin-Witwe Stefanie, die Erzherzoge Karl Ludwig, Ludwig Viktor, Albrecht, Rainer und Wilhelm, die Minister Gautsch, Schönborn und Bacquehem, Fürst Trauttmansdorff, Erzbischof Angerer, Baron Chlumecky, Bürgermeister Dr. Prix etc. ... über den Ablauf des Festkonzertes und die einzelnen Musikstücke, darunter auch "Auftragskompositionen" ...]
     [...] Unter diesen künstlerischen Festgaben erschien uns als die beiweitem werthvollste unseres greisen Dr. Anton Bruckner machtvoll kühne Vertonung eines Gedichtes von Dr. August Silberstein "Helgoland" für Chor und Orchester. Ein Stück von großartiger Ausdruckskraft, auch ein paar wundervolle neue harmonische Wendungen enthaltend (z. B. an einer unbegleiteten Chorstelle die merkwürdige und sich doch wie von selbst ergebende Modulation G-moll-Fis-dur im Pianissimo), für die Sänger sehr schwer geschrieben, vielleicht mitunter zu schwer, daher nicht überall nach den Intentionen des Komponisten klar herauszubringen, aber doch sozusagen in jedem Takte den Stempel des Genius aufgeprägt tragend.
     Der Unterschied ursprünglicher Erfindung und glatter technischer Mache offenbarte sich so recht an der Bruckner'schen Novität verglichen mit der unmittelbar nach dieser aufgeführten großen dramatischen Szene "Leonidas" für Barytonsolo, Männerchor und Orchester, von Max Bruch. Unzweifelhaft klingt die Bruch'sche Komposition besser, d. h. weniger spießig, weniger grell als an einigen Stellen die Bruckner'sche, aber es fehlt ihr durchaus der geniale Funke.
     Daher brachte es auch "Leonidas" [...] nicht zu diesem unmittelbar packenden, sich in stürmischem Beifall kundgebenden Erfolg wie Bruckner's "Helgoland". Bruckner wurde nicht nur lebhaft gerufen, sondern auch nach dem Konzert noch auf offener Straße von vielen Musikern und Privatpersonen persönlich beglückwünscht. Und da waren nicht einmal seine feurigsten, ergebensten Wiener Verehrer darunter, denn die waren ja, als dem Männergesangverein mehr oder minder fernstehend, zu dem Konzert gar nicht geladen worden. [... über die weiteren Programmpunkte ...] Se. Majestät der Kaiser wohnte dem Konzerte bis in die Mitte desselben bei, Kronprinzessin Stefanie und die Mehrzahl der Erzherzoge blieben bis zum Schlusse. Wie wir hören, soll Bruckner's "Helgoland", in welcher Festkomposition heute auch die allgemeine Feststimmung kulminirte, demnächst in einem der vor zahlendem Publikum veranstalteten systemisirten Konzerte des Männergesang-Vereins wiederholt werden.
          Dr. Theodor Helm." (p1),

in der »Presse« Nr. 279 auf S. 2f:
"Das Jubiläum des Wiener Männergesang-Vereins.
                                        Wien, 9. October.
                      Das Festconcert.
     Mit dem gestrigen Festconcerte in der Winter=Reitschule der Hofburg erreichten die Jubeltage des Wiener Männergesang=Vereins ihren Höhepunkt. [... über die Halle, Prominenz (u.a. Dr. Angerer, Trauttmansdorff, Graf Szecsen, v. Gautsch, Bezecny, Bgm. Dr. Prix ... Olschbaur empfängt die hohen Gäste: Kaiser, Kronprinzessin Stephanie, König Albert von Sachsen, mehrere Erzherzoge ... in Publikum: u. a. Handel=Mazetti, Belopotoczky, Dr. Winterholler, Warhanek ("Concordia"), Wilhelm Frey, Exner. Bösendorfer, Wilhelm Jahn, Brahms, Hans Richter, Max Bruch, Bruckner, Friedrich Gernsheim, Alfred Grünfeld etc. ... einzelne Chöre ...]
     Das Festprogramm, welches auch einen mächtigen, mit Jubel aufgenommenen neuen Chor von Anton Bruckner und Werke von Schubert, Mendelssohn, Herbeck und Richard Wagner enthielt, soll noch ausführliche kritische Würdigung erfahren.
     [... der Kaiser u. a. gingen nach einer Stunde (nach Kremsers "Nachtlied" ... Äußerungen des Kaisers u. a. ... Festcommers (mit Nennung einiger Namen, darunter Bruch und Gernsheim, aber Bruckner nicht dabei)...]." (p2),

im »Vaterland« Nr. 279 auf S. 3f, signiert »-n.«:
"  Das Jubiläum des Wiener Männergesangvereines.
             Das Festconcert in der Winterreitschule.

     In Anwesenheit Sr. Majestät des Kaisers, des Königs von Sachsen und vieler Mitglieder des allerhöchsten Kaiserhauses hat gestern das Festconcert des Wiener Männergesangvereines vor einem riesigen Auditorium stattgefunden. [... Akustik: für den Chor sehr gut, die 20 Primgeigen hätten verdoppelt werden können, Bläser dominant ...]
     Das Programm umfaßte [...] neun Chorwerke, darunter drei größere Stücke von Gernsheim, Bruch und Bruckner, welche eigens zum Jubiläum des Vereines componirt wurden. [... Gernsheim und Bruch: kein tieferer Eindruck, Achtungserfolg für die dirigierenden Komponisten] – aber auch nicht mehr. Wesentlich anders gestaltete sich die Aufnahme des Bruckner'schen Chores "Helgoland". Obwohl das Werk nicht sehr geschickt als sechste Nummer eingereiht war und mit der verminderten Aufnahmsfähigkeit des stark ermüdeten Publicums zu rechnen hatte, brach am Schlusse des Chores ein Sturm von Beifall los und Bruckner mußte zum Danke inmitten der Sänger auf dem Podium erscheinen. Das Werk ist ein echtes Stück Bruckner'scher Kunst, genial und großartig in der Anlage, unerschöpflich in seinem Ideengehalte, überwältigend in der Verwendung der Kunstmittel. Das ungemein schwierige Werk wurde mit sichtlicher Begeisterung und bewundernswerther Sicherheit gesungen. Auch das Orchester löste seine nicht minder schwierige Aufgabe glänzend. – [... die anderen Programmnummern ...] Von den neueren Wiener Componisten war außer Bruckner nur noch Kremser vertreten, [... andere Chöre erklangen am Begrüßungsabend und beim Commers ... bedauerlicherweise keine Volkslieder, Programmfolge ermüdend ...] Ein paar frische, feurige Chöre hätten auf die Zuhörer erlösend gewirkt und einen Enthusiasmus entzündet, wie ihn die bewundernswerthen Leistungen des Wiener Männergesangvereines in vollem Maße verdienen.     -n.
     [... Festcommers ... Kleidung beim Konzert: "Frack und weiße Binde für Herren" ...] In den ersten Reihen an der Sängertribüne hatten Platz genommen: [...], Hofoperndirector Jahn, Professor Dr. Bruckner, zahlreiche bekannte Schriftsteller und Musiker etc. [... anwesende Prominenz ...]." (v)

und in der Wiener Abendpost Nr. 231 (Beilage zur Wiener Zeitung) auf S. 3f, signiert "dr. h. p." [Hans Paumgartner]:
"          Wiener Männergesangverein.
                        [... Untertitel ...]
     Den Gipfelpunkt der Festlichkeiten, welche in diesen Tagen zur Feier des fünfzigjährigen Jubiläums des Wiener Männergesangvereines stattfanden, bildete das gestrige Mittagsconcert desselben. [... Würdigung der Verdienste des WMGV ...]
     Das Programm des gestrigen Concertes war reich, ja beinahe überreich. [... Prolog, Schubert und Wagner als Eckpunkte ...] Außerdem gelangten von Chorwerken größeren Styles (mit Orchester) noch "Phöbos Apollon" von Friedrich Gernsheim, "Helgoland" von Anton Bruckner und "Leonidas" von Max Bruch zur Aufführung. Aus diesen drei Werken ragt hoch der Bruckner'sche Chor heraus. Es ist eine mächtige dramatische Gestaltungskraft, eine große Kunst, zu stimmen und zu steigern in diesem Werke, so daß der überwältigende Eindruck desselben auf das Publicum – dasselbe rief mit stürmischem Beifalle wiederholt den Componisten hervor – wohl zu begreifen ist. Gernsheim und Bruch bewegen sich in ausgetretenen Bahnen. Sie machen beide reinliche und sorgfältige Musik [...] und bewegen dabei mit ihrer conventionellen Kunst keines Menschen Herz. [... Gedanken hierzu ... über die übrigen Nummern ...] Ueber den Vortrag und die Ausführung sämmtlicher Chöre zu sprechen, hieße Eulen nach Athen tragen. [... der Verein hat sich selbst übertroffen ...]
                                                     dr. h. p." (w).

 

 

 


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189310095, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189310095
letzte Änderung: Mai 14, 2024, 8:08