zurück 15.10.1893, Sonntag ID: 189310155

Generalprobe der 3. Symphonie unter Hermann Levi in Berlin (*).

[Vermutlich nach der (öffentlichen?) Generalprobe] Telegramm Levis an Bruckner [Vorgedrucktes in Spitzklammern]:
»<TELEGRAMM No> 8672
<an>
doctor bruckner heszgasze 7 . wien =
[Stempel links:] Berlin-42 [/] 15[?]/10 1893
Nemetschek
<Text:> w de berlin 8735 33 1 10= 
sinfonie -- vorzueglich -- gegangen . publikum tiefer eindruck . 
hatte grosze freude . bedaure sehr , dasz nicht anwesend sein konnten ! von ganzem herzen gute beszerung [sic] . verehrungsvoll
und getreu ergeben = hermann levi +« (**).

Die Aufführung der 2. Symphonie in den Philharmonischen Konzerten [14.1.1894 oder 15.4.1894?] wird in der »Lyra« auf S. 3 angekündigt (***).

Die Deutsche Kunst- und Musik-Zeitung Nr. 20 berichtet auf S.263f vom Festkonzert am 8.10.1893 (mit »Helgoland«), signiert "-d-r." [die anderen Beiträge von O.Keller]:
"Das goldene Jubiläum des Wiener Männergesangvereines.
[...]
            Der dritte Tag: Concert und Fest-Commers.
     Um das Concert zu einer mehr als ephemeren Kundgebung zu machen, hatte die Leitung des Vereines von langer Hand Vorbereitungen getroffen, für diese Aufführung neue Compositionen hervorragender zeitgenössicher Tonsetzer zu erwerben. Brahms, Goldmark, Bruckner, Max Bruch, Gernsheim u. a. waren aufgefordert worden, aber nur die drei letztgenannten entschlossen sich, eigens für den Anlaß neue Werke zu schaffen.
     Das "Gelegenheits=Componiren" ist aber eine fatale Sache und die größten Meister haben in solchen Fällen erfahren müssen, daß der "göttliche Funke" was anderes ist, als der Funke, den man auf Eisen und Feuerstein jede Minute erzeugen kann. "Gelegenheit macht Diebe", sagt man. In Rücksicht auf die Gelegenheitscompositionen ist das ebenfalls wahr, denn die bedeutendsten Männer waren bei Gelegenheitscompositionen gezwungen, bei sich selber – Anleihen zu machen. Auch die drei, gewiß mit Recht geachteten Componisten Bruckner, Bruch und Gernsheim haben nicht viel Anderes vermocht, als wieder einen Abzug von ihren Lieblingsmatrizzen zu fertigen. Das festliche Prangen Bruckner's, das etwas professorliche, vornehme Dociren Gernsheim's, das wohllautende Musiciren M. Bruch's haben wir so und ähnlich, meist mit mehr innerer Wärme, gesehen und gehört. Trotzdem ist es hochehrend für den Verein, daß er die drei Meister bewog, überhaupt zur Bereicherung der Männerchorliteratur etwas beizutragen und so nicht blos das Fest des Vereines zu zieren, sondern einem ganzen Zweige der musikalischen Literatur neue Nahrung zuzuführen.
     Für die neuen Werke und wohl auch für das Concert selbst war es nicht günstig, daß die drei gewaltig umfangreichen Novitäten innerhalb ein paar Stunden abgesungen werden und ihnen noch eine Anzahl älterer Stücke als Rahmen dienen mußten. Zu viel Neues und zu viel Altes wurde auf einmal geboten und das Neue litt noch unter dem Uebelstande der Gleichförmigkeit. Jeder der drei Componisten hatte einen antiken Stoff gewählt – Max Bruch "Leonidas", Gernsheim "Phöbos Apollon" und Bruckner "Helgoland", ein altrömisches Schiffsunglück vor diesem Felseneilande, also zwei Untergänge und einen Aufgang – jeder hatte seinen Vorwurf tüchtig pathetisch behandelt und jeder in zeitlicher Ausdehnung mehr gethan, als man im Zeitalter der Tragödien à la minute, in der Epoche der "Cavalleria" gut vertragen kann. Das berühmte Beispiel des Philadelphia=Marsches hat nicht genug warnende Wirkung geübt.
     Am meisten musikalischen Gehalt dürfte Bruch's "Leonidas" aufweisen. [... über dieses Werk und Gernsheims Komposition...].
     Bei Bruckner braucht man nur den Namen zu nennen, um Alles zu wissen. Dieselbe Sprunghaftigkeit der Conception wie immer, gewaltsame Stimmbehandlung wie immer, aber auch – wie immer – großartige Klangwirkung und virtuoses Hervorheben des Festlichen. Bruckner war ja der prädestinirte Festcomponist. Aeußerlicher Pomp, strahlende Pracht sind ja in jedem seiner Werke die obersten und jedermann aufallenden Eigenschaften. Wie gut mußten diese einer Gelegenheitscomposition zu statten kommen! – So nmußte das Bruckner'sche Stück auch die meiste Wirkung auf das Publicum machen, das den greisen Componsiten jubelnd begrüßte und ihn zwang aufs Podium zu steigen und sich zu zeigen. – Wie immer!
     Nebst diesen drei unfangreichen Werken hatte – als vierte Novität – Herr Chormeister Kremser ein "Nachtlied" für Cor und Orchester mit Tenorsolo geliefert, [... kurz über die anderen, älteren Werke ...] in musterhafter Ausführung. Chormeister Kremser dirigirte, mit Ausnahme der Bruch'schen und Gernsheim'schen Werke, das ganze Programm mit unermüdlicher Sorgfalt , mit beneidenswerthem Schwung und Feuer.      –d–r.
     Der dritte Festtag [... über den Ablauf, die Anwesenden, den abendlichen Commers ... Nachklänge ...]  O. Keller."
[Auf Seite 261 Abbildung der Chormeister Storch, Stegmayer, Schläger und Gustav Barth] (°).

Dieses Konzert wird auch in der Musikalischen Rundschau Nr. 20 auf S. 161f von Ernst Pick besprochen:
"Das Jubiläum des Wiener Männergesangs-Vereins.
 
    [...] Daran schlossen sich [...] die drei, für dieses Festconcert componirten Chöre, Bruckner's "Helgoland", [...]. Dass Gelegenheitscompositionen nur selten die ganze Kraft des Genies zeigen, bewiesen neuerdings die erwähnten Novitäten. Den tiefsten Eindruck machte Bruckner's kräftiger Chor "Helgoland", eine Composition, die oft gehört werden müsste, um ganz verstanden zu werden. Sie gehört nicht zu dem Allerbesten, was Meister Bruckner schuf, aber zu dem weitaus Besten, was in letzter Zeit für Männerchor und Orchester geschrieben wurde. [...]" (°°).

Auf S. 167 stellt die Musikalische Rundschau das Programm der Musikabende des Wiener Akademischen Wagner-Vereins vor: Quintett Ende Dezember 1893 [28.12.1893] und Mittelsätze der 5. Symphonie Ende März 1894:
"           Opern- und Concertnachrichten.
Wiener akademischer Wagner-Verein.
    (Vier interne Musikabende [...])
[...] Als Programme sind in Aussicht genommen: [...] Zweiter Abend, Ende December 1893 [...] 4. Bruckner, Quintett. [...] Vierter Abend, Ende März 1894 [...] 5. Bruckner, Adagio und Scherzo der V. Symphonie (B-dur) für 2 Claviere. [...]" (°°°).

Die Wiener Zeitung Nr. 237 macht auf S. 4 auf die heutige Kirchenmusik aufmerksam:
      "(Kirchenmusik.) Der Kirchenmusikverein "St.=Elisabeth" bringt zu seinem dritten Gründungsamte am Sonntag, den 15. d. M., zur Aufführung: Krönungsmesse von W. A. Mozart, Graduale: "Locus iste" von Bruckner, Offertorium: "Filiae regum" von Laudorn." (#).

Aufführung des "Locus iste" als Graduale in der Pfarrkirche St. Elisabeth in Wien (##).

Der Pester Lloyd Nr. 247 kündigt auf S. 7 eine Aufführung der 4. Symphonie für den 14.2.1894 an:
"     * Die "Philharmonische Gesellschaft" eröffne[t] den Cyklus ihrer diesjährigen Konzerte unter Leitung des Dirigenten Arthur Nikisch mit einem Jubiläums=Konzerte, welches aus Anlaß der 40. Jahreswende des ersten philharmonischen Konzertes am 8. November stattfindet. [... sieben Konzerte incl. eines außerordentlichen Konzertes ...] Die philharmonischen Konzerte, welche wie bisher im großen Saale der hauptstädtischen Redoute stets Mittwoch abgehalten werden, fallen auf folgende Tage: [8./11.11., 6./20.12.1893 ...], 10. Jänner (1894), 14. und 28. Feber. Das Generalprogramm für diese 7 Konzerte wurde wie folgt festgesetzt: [... 1. bis 5. Konzert ...]. – VI. Konzert. 1. Wagner: "Eine Faust-Ouverure". 2. J. J. Major: "Suite romantique". (Erste Aufführung.) 3. Bruckner: IV. Symphonie (Es-dur). (Zum ersten Mal.) 4. Liszt: "Ungarische Phantasie" (E-dur) für Klavier mit Orchester. Vorgetragen von Herrn Elemér Polonyi. – VII. Konzert. [... Vorverkauf etc. ...]" (###).

Der Buffalo Courier Nr. 288 erwähnt Bruckner auf S. 13 in der 5. Spalte:
"     EMIL PAUR, CONDUCTOR.
Career of the New Leader of the Boston Orchestra.

     [...] the father placed his son in the Vienna Conservatoire. There he gave himself up to study. You can see that he had the best masters, for he learned the violin of Hellmersberger [sic], theory and composition of Bruckner and Dessof, and the piano of Epstein. He was four years at the conservatoire, and he took the first prize there. [... weitere Stationen ...]
     [... Frau Paur ...]. They were married in 1881, and have two children.–(Providence Journal." (a).

Ähnlich schreibt das Indianapolis Journal auf S. 3, auf einen älteren Artikel zurückgreifend:
"                HERR EMIL PAUR.
The New Musical Prodigy to Lead Boston's Symphony Orchestra.

New York Herald.
     Herr Emil Paur, the Boston Symphony Orchestra's new conductor, arrived yesterday morning from Germany in the steamship Aller. [... Familie, Personen- und Charakterbeschreibung ...]
     [... Biographie ...]. The family went to Vienna to live, where Paur learned the violin of Hellmesberger, composition of Bruckner and Dessof and the piano of Epstein. He was four years at the Vienna Conservatory, and took the first prize. [... weitere Stationen ... 1. Konzert 14.10.1893 in Boston ...] in this city, at Music Hall, on Nov. 8." (b).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189310155, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189310155
letzte Änderung: Dez 13, 2023, 8:08