zurück 24.10.1896, Samstag ID: 189610245

A. Ereignisse

Ignaz Bruckner dankt in einer Dankanzeige [datiert 22.10.1896] im Linzer Volksblatt Nr. 246 auf S. 8 für die große Anteilnahme [identisch mit (d)] (*).

P. Heribert Witsch liest in der Schloßkapelle des Belvedere eine Seelenmesse für Bruckner (**).

B. Artikel

Artikel von Friedrich Adolf Geißler »Anton Bruckner †.« in »Die redenden Künste« 3 (1896/97), S. 102f (***).

Nekrolog in der Illustrierten Zeitung (Leipzig) 107 (1896) Nr. 2782, S. 495f, signiert »B. V.« [= Bernhard Vogel?]:
„                   Anton Bruckner.
     Im Alter von 72 Jahren ist am 11. October Anton Bruckner, der Schöpfer mehrerer Symphonien, Messen, gehaltvoller Kammermusik, eines Te Deum u. s. w., in Wien gestorben, tiefbetrauert von allen, die von ihm und der Kühnheit seiner Gestaltungskraft sich noch manche bedeutende Emanation auf dem einen oder dem andern Feld versprachen. Nichts weniger als ein Günstling des Glücks, sollte er die Schwelle des Greisenalters betreten, ehe die größere Oeffentlichkeit von der Tragweite seiner Compositionen etwas erfuhr. Und wenn ihm auch von einer begeisterungsfrohen jüngern Künstlerschar der Lorber [sic] freudig zuerkannt wurde, so erhob dagegen die ruhig abwägende Fachbeurtheilung oft genug Einspruch mit dem allerdings nicht unbegründeten Hinweis darauf, daß der rechte Einklang zwischen Form und Inhalt ebenso in den meisten seiner Werke vermißt werde wie eine strengere Einhaltung der Gesetze der musikalischen Logik. So ist er bisjetzt zu einer ungetheilten Anerkennung nicht gelangt, und es wird wol noch einige Zeit vergehen, bevor der kritische Streit über seine Bedeutung für die neuste Symphonik sich schlichtet. Was groß und inhaltsschwer in seinen Symphonien ist, hat kein geringerer als Richard Wagner, der an Bruckner’s Person und künstlerischer Individualität stets freundschaftlichen Antheil genommen, warm gewürdigt, und zweifellos lassen sich manche Berührungspunkte in den Inspirationen beider Tondichter nachweisen; auch im orchestralen Colorit begegnen sie sich bisweilen, und das Princip von der unendlichen Melodie hat Bruckner in der Praxis nach seiner Weise durchgeführt, ohne vielleicht in der Theorie sich zu ihm bekannt zu haben. Es ist sehr zu beklagen, daß er die Erfüllung eines Lebenswunsches: seine Symphonien durch den Druck weitern Kreisen zugänglich gemacht zu sehen, nicht mehr erleben sollte. Kaum hatte der Zweigverein des Allgemeinen Richard=Wagner=Vereins in seiner letzten Generalversammlung beschlossen, auf seine Kosten eine handliche zweihändige Klavierausgabe von Bruckner’s sämmtlichen Symphonien zu veranstalten, da durchschnitt dem Meister die Parze den Lebensfaden.
     Am 14. September [sic] 1824 zu Ansfelden in Oberösterreich geboren, ist Bruckner den bäuerlichen Sitten seines heißgeliebten Heimatdorfes allezeit treu geblieben, und diese Schlichtheit gab seiner Erscheinung einen überraschenden, eigenthümlichen Stempel. In der Schule Sechter’s hatte er sich von 1855 bis 1861 in Wien zu einem der profundesten Contrapunktikerr ausgebildet und war nach dem Tode seines berühmten Lehrers 1868 dessen Nachfolger geworden als k. k. Hoforganist, Lector an der k. k. Universität und Professor am Conservatorium. Seine außerordentliche Orgelmeisterschaft verschaffte ihm 1869 bei einem Wettstreit in Nancy einen glänzenden Sieg und einen Ruf nach Paris, wo er in gleichem Grade lebhafte Bewunderung erweckte wie 1871 in den von ihm in der Albert Hall zu London veranstalteten sechs Orgelconcerten, in denen die Gewalt seiner Pedal= und Manualtechnik, die Schlagfertigkeit und Ideenfülle seiner Improvisationen sich rauschende Triumphe errang. Von seinen zahlreichen Schülern, die sämmtlich mit hoher Verehrung zu ihm aufblickten, haben sich mehrere, z. B. Felix Mottl, Generalmusikdirector in Karlsruhe, Arthur Nikisch, Generalmusikdirector in Leipzig, zu glänzenden Stellungen im Kunstleben emporgeschwungen. Das österreichische Kaiserhaus war ihm seit langer Zeit sehr huldvoll gesinnt, und daß die Stadt Wien ihm ein feierliches Begräbniß auf ihre Kosten bewilligte, ist für die Stärke der Sympathien, die der Verewigte genoß, ebenso beweiskräftig wie für die Bedeutung, die man seinem Wirken an hoher Stelle zuerkannte.     B. V.“ (°),
mit einem Portrait Bruckners [IKO 92] auf S.495: „Anton Bruckner, † am 11. October.“     (°a).

Die Katholischen Blätter Nr. 22 melden auf S. 4 Bruckners Tod und erwähnen die Trauerfeierlichkeiten in St. Florian am 15.10.1896 und den Besuch Bischof Doppelbauers am 18.10.1896:
"Professor Dr. Anton Bruckner, einer der edelsten Söhne unseres Heimatlandes, ebenso groß als Künstler wie als überzeugungstreuer Katholik, ist am 12. [sic] d. M. in Wien im Belvedere, wo er durch die Gnade des Kaisers, auf Fürsprache der Frau Erzherzogin Valerie, eine freie Wohnung innehatte, gestorben. Die Kosten des großartigen Leichenbegängnisses übernahm die Stadt Wien. Die Leiche wurde nach St. Florian überführt, wo sie nach Wunsch des Verblichenen in der Gruft der Stiftskirche unterhalb der großen Orgel, die der Selige so oftmals spielte, zur ewigen Ruhe beigesetzt wurde. An den Trauerfeierlichkeiten in St. Florian, am 15. d. betheiligten sich die hervorragendsten Persönlichkeiten unseres Landes, zahlreiche Vereine und 60 Priester. Der hochwürdihe Herr Bishof reiste am 18. .d. nach St. Florian und betete dort am Sarge des großen und frommen Tonkünstlers." (°°°).

Mehrere Zeitungen kündigen die morgige Aufführung des »Locus iste« an:

Das Deutsche Volksblatt Nr. 2805 auf S. 3 des Abendblatts:
"     [Kirchenmusik für Sonntag, 25. October.] [...] – In der Votivkirche bringt der Kirchenmusikverein um 10 Uhr zur Aufführung: Messe in C op. 86 von G. Preyer, Graduale (Locus iste) von A. Bruckner und Offertorium (Domine Deus) von J. G. E. Stehle. – [...]" (#a),

die Neue Freie Presse Nr. 11555 auf S. 5:
"     [Kirchenmusik am Sonntag den 25. October.] [...] – In der Votivkirche um 10 Uhr: Messe in C, op. 86 von Gottfried Preyer, Graduale ("Locus iste") von A. Bruckner und Offertorium ("Domine Deus") von J. G. E. Stehle. – [...]" (#b),

»Die Presse« Nr. 293 (Abendblatt) auf S. 2:
"     (Kirchenmusik.) Morgen (Sonntag) den 25. d. finden in folgenden Kirchen musikalische Aufführungen statt: [...] – In der Votivkirche um 10 Uhr: Messe in C op. 86 von G. Preyer, Graduale (Locus iste) von A. Bruckner und Offertorium (Domine Deus) von J. G. E. Stehle. – [...]" (#c),

die Wiener Zeitung Nr. 247 auf S. 5:
"     (Kirchenmusik.) [...]
    Der Kirchenmusik=Verein an der Votivkirche wird Sonntag, den 25. d. M., um 10 Uhr Vormittags aufführen: G. Preyer: Missa in C, op. 86; A. Bruckner: Graduale: "Locus iste"; J. G. E. Stehle: Offertorium: "Domine Deus"." (#d)

und "Das Vaterland" Nr. 293 auf S. 4 des Abendblatts:
"     (Kirchenmusik.) Am morgigen Sonntag kommt zur Aufführung: [...] – In der Votivkirche um 10 Uhr: G. Preyer: Missa in C op. 86; A. Bruckner: Graduale Locus iste, J. G. E. Stehle: Offertorium Domine Deus." (#e).
 

Die Neue Warte am Inn XVI, Nr. 43, bringt auf S. 1f einen Nachruf auf Bruckner und berichtet von den Begräbnisfeierlichkeiten:
"                      Dr. Anton Bruckner.
                                       St. Florian, 18. Okt.
     Donnerstag Früh langte die Leiche Dr. Bruckner's am Bahnhof Asten=Florian an, wo die Einsegnung der Leiche durch die Pfarrgeistlichkeit erfolgte. Hierauf [... zum Originaltext siehe den Link ... Überführung nach St. Florian, Öffnen des äußeren Sarges, um 2 ¾ Uhr Prälat Ferdinand Moser zum Leichenhaus, Auflistung einiger Anwesender, Leichenzug zur Kirche, J. Gruber spielt an der Orgel über Themen aus "Parsifal", Aufführung von Bruckners "Libera" [WAB 22] unter Deubler, Aufstellung des Sarges in der Gruft, am 16.10.1896 Aufführung des "Requiems" [WAB 39] ...] Wunderbar und tiefergreifend war das »Dies irae«, so recht ein Beweis dafür, daß Dr. Anton Bruckner ein Meister der Tonkunst so voll und ganz gewesen ist." [keine Signatur] (##).

Das Neue Wiener Tagblatt Nr. 293 meldet auf S. 5, daß am 16.11.1896 in Berlin eine Bruckner-Feier und am Montag [26.10.1896] eine Aufführung der 7. Symphonie geplant sind:
"     * (Bruckner=Feier in Berlin.) Wie uns aus Berlin telegraphirt wird, wird der dortige philharmonische Chor am 16. November eine große Bruckner=Feier unter Mitwirkung hervorragender Kräfte veranstalten. Das philharmonische Orchester spielt Montag unter Nikisch's Leitung als Gedenkfeier Bruckner's siebente Symphonie." (###).

Der Welser Anzeiger Nr. 43 teilt mit, daß bei der Jahresversammlung des Männergesangsvereins »Harmonie« in Kremsmünster der Vorstand Bruckners mit einem Nachruf gedacht habe:
"            Kronlandsnachrichten.
     Männer=Gesangverein "Harmonie" in Kremsmünster.
Von dort wird uns geschrieben: Am 14. October l. J. fand die Jahresversammlung des hiesigen Männer=Gesangvereines "Harmonie" statt. Vorstand Prix widmete dem verstorbenen Professor Anton Bruckner einen warmen Nachruf. Bei der hierauf vorgenommenen Neuwahl des Ausschusses wurden gewählt: Hans Prix, Lehrer, Vorstand; Josef Dümler, Turnlehrer, Chormeister; Victor Hubinger, Schulleiter, Chormeister=Stellvertreter; Anton Ott, Bahnvorstand, Cassier; Georg Benda, Kaufmann, Schriftführer; Anton Holinetz, Steueramtsdiener, Archivar; Franz Hönig, Kupferschmied, Fahnenjunker; Anton Lachner, Weißgärber, Hornjunker; Karl Meinschad, Theodor Schmidt, Hermann Herwerthner und Michael Grötzl. Stimmführer." (a).

Das Deutsche Blatt Brünn Nr. 84 gibt auf S. 6 das Programm des morgigen Konzerts (mit dem Quintett) bekannt:
"     Brünner Musik=Verein. Das erste Vereins=Concert findet Sonntag, den 25. October, um 5 Uhr nachmittags, im großen Festsaale des Deutschen Hauses statt. 1. Anton Bruckner: Quintett in F-dur. – Moderato. – Scherzo, Schnell. – Adagio. – Finale. (Die Herren: Carl Koretz, 1. Violine, – Franz Zdara, 2. Violine. – Franz Juda, 1. Viola, – Josef Mraczek, 2. Viola. – Franz Mraczek. Violoncello). [... Brahms, Mozart ...] – Ende gegen 7 Uhr." (b).

Das Wiener Abendblatt Nr. 293 weist auf S. 3 auf Theodor Helms Artikel in der Neuen Musikalischen Presse Nr. 42 [18.10.1896] hin:
„      * Inhalt der „Neuen musikalischen Presse“ Nr. 42: Anton Bruckner †. Von Theodor Helm. (Mit Porträt und Todtenmaske.) – […]“ (c).

Ein umfangreicheres Dankinserat, von Ignaz am 22.10.1896 unterzeichnet, erscheint im Linzer Volksblatt Nr. 246 auf S. 8:
"                           DANK.
     Der ergebenst Gefertigte fühlt sich verpflichtet, seinen innigsten Dank auszusprechen für all' die ausserordentlichen Theilnahmsbezeugungen aus Anlass des so tiefbetrübenden Hinscheidens des geliebten Bruders
         Professors Dr. Anton Bruckner.
      Insbesonders herzlichen Dank dem hochwst. Herrn Prälaten von St. Florian für die Genehmigung der Beisetzung in der Gruft und die Führung des Conductes, Sr. Excellenz dem Herrn k. k. Statthalter, dem hochwst. Herrn Landeshauptmann Abt Achleuthner und allen anderen hohen Persönlichkeiten, den k. k. Behörden und Vertretern der verschiedenen Vereine und Corporationen für die persönliche Theilnahme am Leichenbegängnisse und für die Spende so vieler Kränze.
     St. Florian, am 22. October 1896.
                                              Ignaz Bruckner."
[Nummer des Inserats: "(2527)"] (d).

Das Neuigkeits-Weltblatt Nr. 245 schreibt auf S. 10 (= 2. Seite des 3. Bogens) über eine Buch-Neuerscheinung [mit der Bruckner-Büste IKO 55], signiert "X. v. G-g.":
"    Ein Tilgner=Werk. Dem so früh dahingeschiedenen Wiener Künstler ein würdiges Denkmal zu setzen, hat die Kunstanstalt des Hof=Photographen J. Löwy unternommen, indem sie eine sorgsame Auswahl Tilgner'scher, für dessen künstlerische Individualität typischer Werke in Lichtdruck auszuführen beschlossen hat und mit begleitendem Texte aus der berufenen Feder Dr. Albert Ilg's als Prachtwerk in die Hände der zahlreichen Verehrer des verstorbenen Künstlers legen will. Die erste Lieferung dieses Werkes ist eben erschienen und umfaßt zwölf Lichtdrucktafeln [...]. Unter den Darstellungen Tilgner'scher Werke fallen in vorliegender Lieferung besonders auf: Die Porträtbüste des jüngst verstorbenen Tonmeisters Dr. Anton Bruckner, die Porträtstatue der Frau Brody, [... Dr. Ilg war ein Freund Tilgners ...]. Der sehr niedrige Subskriptionspreis von nur 5 fl. per Lieferung läßt erwarten, daß das schöne Werk zahlreiche Liebhaber finden wird.
                                             X. v. G–g." [siehe die Anmerkung] (e).

Auf Seite 15 ein Bericht von der Versammlung in Enns am 16.10.1896:
"     Ennser Männer-Gesang-Verein "Concordia". In einer  am 16. d. M. stattgehabten Zusammenkunft des Männer-Gesang-Vereines "Concordia" in Enns widmete der Vorstand, Herr Notar Straberger, dem verstorbenen Tondichter Bruckner einen ehrenden Nachruf und forderte die Versammelten auf, sich zum Zeichen der Trauer von den Sitzen zu erheben. Die "Concordia" war auch bei der Leichenfeier Bruckner's in St. Florian durch eine ziemklich starke Deputation vertreten." (e1).

Die Linzer Tages-Post Nr. 245 berichtet auf S. 5 von der Probe eines Männergesangvereins am 19.10.1896:
"     (Männergesangverein Grünburg=Steinbach.) Man schreibt uns aus Grünburg=Steinbach, 20. d. M.: In der am Montag den 19. d. M. stattgefundenen Gesangprobe des Vereines ergriff Gerichtsadjunct Dr. Hueber das Wort zu einem warmen Nachrufe für Professor Dr. Anton Bruckner. Herr Dr. Hueber führte in seiner bekannten schwungvollen Weise in längerer Rede aus, wie der Verstorbene, an dessen Wiege ohne Zweifel die Muse gestanden, kämpfen und ringen musste, bis sich endlich sein wahrhaft künstlerisches Genie gewaltig Bahn gebrochen und Missgunst und Neid ihn unmöglich mehr herabzerren konnten von der Höhe der Bedeutung, zu welcher er sich emporgeschwungen. Freilich musste bereits der Lebensabend des Componisten anbrechen, bevor seinen großen Leistungen gebürende Anerkennung gezollt wurde. Der Redner gedachte weiter des echten deutschen Charakters, der den Verblichenen sowohl wie auch seine großartigen Schöpfungen so sehr auszeichne, und betonte die Vorliebe, mit welcher sich Bruckner im Kreise sangesfroher Menschen bewegte, weshalb jeder deutsche Gesangverein nur eine Ehrenpflicht erfülle, wenn er das Andenken an den großen Meister gebürend feiere. Alle Anwesenden waren tief ergriffen, als Herr Dr. Hueber zum Schlusse seiner ausgezeichneten Rede die Sänger aufforderte, dem verblichenen heimatlichen Tondichter als letzten Gruß das Vereinsmotto zu bringen. Fiducit!" (f).

Das Grazer Tagblatt Nr. 294 bringt auf S. 4 die mindestens seit dem 18.10.1896 kursierende Anekdote:
"    – Einen hübschen Zug weiß Dr. Arthur Seidl in der "D. W." von dem dahingeschiedenen Componisten Anton Bruckner zu erzählen. Einmal trat Bruckner, zu einer Abendgesellschaft bei Richard Wagner in Bayreuth geladen, unmittelbar hinter der Erbprinzessin von Meiningen in den Vorsaal ein; die Prinzessin stellte sich ihm leutselig gleich selber vor. Freundschaftlich drückt der Componist ihre "Patschhand" sofort mit seinen beiden Händen: "Freut mich ungemein, gnädige Frau, werte Bekanntschaft zu machen. Hab' schon so viel Schön's von Ihnen gehört – ist aber auch sehr lieb von Ihnen, dass Sie zu unserem Meister Wagner so gut sind!" " (g).

Die Kärntner Zeitung Nr. 245 berichtet auf S. 7 von der Sitzung am 22.10.1896, dieselbe Textquelle wie das Linzer Volksblatt vom 23.10.1896 benutzend:
"     Wien, 22. October. In der heutigen Sitzung beschäftigte sich der Stadtrath u. a. auch mit dem Leichenbegängnisse des Dr. Bruckner. Gemeinderath Dr. Reisch hatte nämlich gleich nach dem Ableben Bruckners als Testamentsvollstrecker das Leichenbegängnis bei der "Entreprise" bestellt, während der Bürgermeister die christliche Bestattungsgesellschaft "Concordia" mit dem Leichenbegängnisse beauftragen wollte, da Bruckner auf Kosten der Stadt Wien begraben wurde. Der Stadtrath machte daher in der vorigen Sitzung [20.10.1896] dem Dr. Reisch den Vorwurf, dass er sich in voreiliger Weise ein Recht angemaßt habe, das ihm nicht zustehe und er der Gemeinde das Verfügungsrecht vorweggenommen habe. Dagegen remonstrierte nun Dr. Reisch in einem Schreiben an den Bürgermeister, das heute im Stadtrathe zur Verlesung gebracht wurde. Der Stadtrath beschloss indes, eine Aenderung seines früheren Beschlusses nicht vorzunehmen und weist den Vorwurf, als ob der Bürgermeister die "Concordia" begünstige, als unbegründet zurück." (h).

Die Reichspost Nr. 260 weist auf S. 4 auf den heutigen Gottesdienst hin (die Rubrik ist datiert "23. October"):
"    * Für den † Dr. Anton Bruckner wird morgen Samstag in der Schloßcapelle des k. u. k. Belvedere Früh 8 Uhr eine Seelenmesse vom k.u.  k. Schloßcaplan Heribert Witsch gelesen werden." (i).

Nachruf in der in London erscheinenden Zeitung The Era Nr. 3031 auf S. 9 in der 3. Spalte:
"            MUSICAL NOTES.
[...]
     ANTON BRUCKNER, whose death was announced a few days ago in Vienna, was a personal friend and great admirer of Richard Wagner. He was ambitious to become known as a composer of symphonies, and wrote nine works of the kind, following in the footsteps of Beethoven. He also composed many other works, some of them possessing great merits of a somewhat laboured kind, for it could not be said that he had much inspiration. Bruckner was the son of a village schoolmaster, and was originally a choir boy. He came to London in 1871, and gave six organ recitals at the Albert Hall. His seventh symphony–the slow movement of which was intended as an elegy on the death of Wagner–was performed at a Richter Concert in 1887 at St. James's Hall." (j)

Die Anekdote von der Audienz bei Kaiser Franz Josef erscheint auch im "Leeuwarder courant Nr. 252 (Leeuwarden) auf S. 2
"     De onlangs overleden componist Anton Bruckner had indertijd audientie gevraagd by keizer Franz Jozef, om dezen te danken voor de ridderorde , die hij ontvangen had.
     „Hebt u mjj nog iets te vragen?" vroeg de keizer en toen Bruckner scheen te aarzelen, moe  digde de vorst hem aan met do woorden: „Spreek maar op, wees maar niet bang!"
     En toen sprak de componist in zijn mooiste Weener patois: „Uwe Majesteit zou mjj een groot genoegen doen, wanneer zij Hanslick, den criticus van de Neue Freie Presse, wou verbieden, mij steeds zoo heftig aan te vallen"." (k).

Das "Algemeen Handelsblad" Nr. 21333 (Amsterdam) informiert auf S. 5 über Bruckners Testament:
"            KUNST EN WETENSCHAPPEN.
[...]
               Het testament van Anton Bruckner.
     Het testament van Anton Bruckner is thans te Weenen bekend geworden. Tot universeele erfgenamen heeft de overleden componist zijn broers en zusters gemaakt. In het testament staat o. a.: „Deze hebben vooral aanspraak op de den erfgenamen wettig toekomende tantièmes, die in de contracten met mijne uitgevers mijn erfgenamen zijn verzekerd en die in de toekomst, naar ik hoop, grooter zullen worden, wijl ik zelf, bij mijn leven, nagenoeg niet van mijn werken getrokken heb." Verder luidt het: „Ik vermaak de origineele handschriften van mijn hier volgende werken: de symphonieën, tot nu toe acht in getal, do negende zal, zoo God wil, spoedig voleindigd worden — de drie groote missen, het quintet, het Te Deum, Psalm 150 en het koorwerk Helgoland — aan de keizerlijke hofbibliotheek to Weenen."
     De negende symphonie is intusschen niet voltooid geworden." (l).

Die Welser Zeitung Nr. 43 bringt auf S. 4 einen Nachruf auf Bruckner aus Ottensheimer Sicht und meldet den Besuch Bischof Doppelbauers in St. Florian am 18.10.1896:
"       Aus dem Mühlkreise.
     Linz.
Am Grabe Dr. Bruckner's in St. Florian erschien am Sonntag den 18. d. nachmittags der Hochwürdigste Herr Bischof Dr. Franz Maria Doppelbauer und verweilte daselbst längere Zeit im heil. Gebete. –
[...]
     Ottensheim, 18. October. (Spritzenprobe. – Einiges vom † Dr. Anton Bruckner. – Katholische Arbeiterbewegung.) [... über die Feuerwehrübung ...]. – Die Gruft hat sich nun über einem der größten Söhne des Landes, über dem großen Musikheroen Dr. Anton Bruckner in St. Florians geweihten Hallen geschlossen und nun ruht der treue Jünger St. Cäciliens unter der großen Orgel daselbst, die ihm, als Königin der Instrumente, in majestätischen Klängen den letzten Gruß nachsandte, ihm, der sie einst mit Liebe und in vollendeter Meisterschaft gespielt. Auch uns Ottensheimer [sic] ist die Person des Verblichenen und dessen kindlichreines Wesen keine fremde Erscheinung. Der allgemein geachtete Schulleiter und vorzügliche Organist Herr Alois Weißgerber, ein treuer Sohn der edlen Musika, erfreute sich Bruckners vollster Sympathie und pflegte ihn der große Meister gerne seinen liebsten Freund zu nennen. Zweimal besuchte Bruckner den Freund in der trauten Behausung, vergnügte Stunden in dessen liebenswürdigen [sic] Familienkreise verbringend. Beide Freunde begaben sich dann gern in Frau Leibetseders, damals "Rinners" Gastgarten an der Donau, gemüthlich plaudernd oder sich an dem herrlichen Landschaftsbilde, das sich ihnen von diesem Eldorado eröffnet, weidend. Als Freund der rührendsten Einfachheit, die ihn jedes Verfeinerte verschmähen hieß, soll er sich nie zu einer Stärkwäsche bequemt haben und sein einfacher bescheidener Anzug, war gewiß nichts weniger, als das Erzeugnis irgend eines Hofetablissements. Geradezu großartig war sein feines Pflichtgefühl und seine Genauigkeit in seiner Stellung als Hoforganist. Des Nachbarstiftes lieber Gast, wollte man ihn länger in den gastlichen Räumen wissen, doch Bruckner lehnte dies Anerbieten ab, da er zum Segen spielen  müße und fuhr nach Wien zu seiner geliebten Orgel. Der große Meister mag wohl gefürchtet haben, daß dieselbe, wenn nicht von seiner Hand bedient, nicht in so voller und weicher Harmonie den sacramentalen Gott begrüße. Interessant dürfte es sein zu wissen, daß Bruckners Bruder in St. Florian auch die Orgel bedient, da er die Bälge tritt; doch darf dies wohl nicht als Spott auf den braven Mann gemünzt sein, weil ihm der Schöpfer kein so reiches Talent verliehen, wie seinem nun in Gott ruhenden großen Bruder. Die Welt, besonders aber sein eigenes Heimatland, trage denn dem großen Meister seine Ehrenschuld ab und zolle ihm jene Anerkennung, die dem edlen Schöpfer so herrlicher musikalischer Werke bis zum Abend seines Lebens von seiner Zeit versagt, so daß er des Lebens tiefe Demüthigung und Verkennung in ihrer vollen Schwere an sich erfuhr. Bruckner war ein Genie, eine selbstlose reine Künstlerseele, die es edelsinnig verschmähte, aus dem ihm vom Schöpfer verliehenen hohen Talente materiellen Gewinn zu schlagen. Oberösterreich darf stolz sein, einen Mann wie Bruckner zu seinen größten Söhnen zu zählen. – " [keine Signatur] (m).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189610245, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189610245
letzte Änderung: Mär 23, 2024, 13:13