zurück 30.10.1896, Freitag ID: 189610305

Aufführung der 4. Symphonie im 2. Freitagskonzert der Museums-Gesellschaft in Frankfurt (*a) unter Kogel (*b).
Solistin in der Schlußszene der »Götterdämmerung« ist Marie Brema (*c).

Ausführlicher Bericht der Ostdeutschen Rundschau Nr. 299 über den Trauercommers [vom 28.10.1896] auf S. 5 (signiert "Hagen"):
"          Tagesbericht.
                 Wien, 29. Oktober 1896.
[...]
     Trauerkommers des Akademischen Gesangvereines für Anton Bruckner. Der gestrige [sic] Trauerkommers zu Ehren des dahingeschiedenen Meisters rief schmerzliche Erinnerungen an den unvergeßlichen 11. Dezember 1891 wach, [... Feier des Ehrendoktorats am 11.12.1891 (Exner etc.) ...]. Vorgestern bot ein Abguß der Tilgner'schen Bronzebüste Bruckner's nur mehr das Erinnerungsbild eines Todten, und der kleine Ronachersaal war zur Hälfte leer. Hatte die akademische Jugend schon so bald den großen Meister vergessen? Das gottlob wohl nicht, aber die leidige Politik hatte die geplante Todtenfeier geschädigt: Der Vorstand des Akademischen Gesangvereines hatte das Gemeinderathspräsidium geladen, und dadurch sahen sich die Burschenschaften * [Fußnote: * Siehe die gestern unter "Hochschulen" in unserem Blatte enthaltene Erklärung.] und nahezu alle Verbindungen und Vereine gezwungen, ferne zu bleiben. So übertraf der reiche Damenflor, welcher die Galerie füllte, an Zahl fast die männlichen Theilnehmer des Kommerses. Im Uebrigen verlief die Trauerfeier in durchaus würdiger Weise. [... Festrede Schaumanns (Bruckners Förderer Hans Richter, Josef Schalk, Ferdinand Löwe und Theodor Helm, Zitate aus Schalks Werkbesprechungen und von Jean Paul) ... Trauersalamander ... Grußwort von Reinisch ... Chöre und "Vorträge der Kapelle Drescher." ... ärgerlich, dass kein Werk Bruckners, stattdessen Quintett "Ich sterbe fast vor Lachen" aus "Cosi fan tutte" und] sogar das Intermezzo aus der "Cavalleria rusticana") gespielt wurde, welches in der Trauerfeier um den deutschen Meister sich wie ein Harlekin in der Kirche ausnahm. – Unter den erschienenen Festgästen sah man außer dem Rector magnificus Professor Reinisch [... Penck, Toula, Bernatzik, Steinwender, Neumayer, Fochler, Pommer, Reisch, Josef Schalk, Theodor Helm], den Komponisten Max Josef Beer, Bildhauer Schröer, Frau Rosa Papier und – die getreue Kathi, Bruckner's Pflegerin. Ferner [... Mitglieder vom Wagner-Verein, Schubertbund und Wiedener Sängerbund ...]. Wir wollen hoffen, daß es mit dieser studentischen Trauerfeier nicht sein Bewenden haben wird, sondern daß der Akademische Gesangverein und der Wagnerverein, die beiden Vereinigungen, welche des Meisters Sache von jeher hoch gehalten und welche deshalb auch am berufensten dazu sind, sich recht bald zu einer gemeinsamen großen Musikaufführung Bruckner'scher Werke zusammenschließen werden.          Hagen." (**).

Artikel im Neuen Wiener Tagblatt Nr. 299 auf S. 6:
»     * (Aus Bruckner's Testament.) Aus St. Florian wird uns geschrieben: Vielleicht dürfte es Ihre Leser interessiren, noch einige bisher nicht allgemein bekanne Details aus Bruckner's Testament zu erfahren. In der eigenhändig geschriebenen letztwilligen Verfügung vom 10. November 1893 bezifferte Bruckner sein Vermögen außer dem Recht auf Tantièmen auf zusammen kaum 17,000 fl., und erfügt ausdrücklich hinzu, daß er aus den Tantièmen "bei seinen Lebzeiten kaum irgend einen materiellen Nutzen gezogen habe". Unter den Originalmanuscripten, die er der Hofbibliothek vermacht, erwähnt er des Chorwerkes "Helgoland". Ausdrücklich verfügt er, daß die Manuscripte "zu Studienzwecken offen zu halten seien". Volle drei Seiten des Testaments widmete er den Verfügungen, welche die Bestattung seines Leichnams im Stifte St. Florian in der Gruft unter der großen Orgel möglich machen sollten. Sehr im Detail trifft er da Anordnungen über die Särge, welche seinen Leichnam bergen sollen: "Der innere – so verfügt er – soll eine Glaseinsicht auf mein Angesicht haben." Er bestimmt den Betrag von 4000 fl. für die nöthigen Kosten und zum größten Theile für Messen und Requienstiftungen [sic] ; wäre die Bestattung in St. Florian trotz aller Vorsorge nicht möglich gewesen, so sollte sie nach seinem Wunsche dann im Arkadengange des Friedhofes in Steyr stattfinden, wozu er für Kosten, Messen und Requienstiftungen gleichfalls eine namhafte Summe, und zwar 5000 fl. ausgesetzt hat.« (***).

Der Bayerische Kurier & Münchner Fremdenblatt Nr. 299 weist auf das Konzert am 1.11.1896 mit der 7. Symphonie hin:
„     * Musikalische Akademie. Sonntag, den 1. November findet im kgl. Odeon das erste Konzert (außer Abonnement) der musikalischen Akademie statt. Zur Aufführung gelangt die siebente Sinfonie (Es-dur) [sic] des jüngst verstorbenen Prof. Anton Bruckner in Wien, und das Vorspiel, die Verwandlungsszene und die Schlußszene des 1. Aktes aus „Parsifal“ von Richard Wagner. Eintrittskarten sind in der kgl. Hofmusikalienhandlung Otto  Halbreiter, Promenadeplatz 16, sowie am Konzerttage Vormittags von 11–1 Ihr und Abends von 6½ Uhr ab an der Kasse im kgl. Odeon zu haben.“ (°a).

Hierüber informiert auch ein Inserat in der Allgemeinen Zeitung München Nr. 300 auf S. 4:
"       München. – Kgl. Odeon.
Sonntag, den 1. November 1896 | CONCERT | der | Musikalischen Akademie | ausser Abonnement. | Direction: Herr Hofcapellmeister Franz Fischer. | PROGRAMM. | I. Abtheilung. | 1. Siebente Sinfonei (E-dur)  . . . . . . . .  Anton Bruckner. | II. Abtheilung. | 2. Vorspiel, Verwandlungsmusik und Schluss-Scene des I. Actes aus "Parsifal" für Orchester und Chor  . . . . . . . . Richard Wagner.
       
Anfang 7 Uhr. – Ende 9 Uhr." (°b).

Das Fremdenblatt Nr. 299 kündigt auf S. 10 die Aufführung des Requiems [WAB 39] am 2.11.1896 an:
„      – Auf Anregung der „Leo=Gesellschaft“ gelangt am Allerseelentage um 10 Uhr Vormittags in der Stadtpfarrkirche Am Hof das Requiem in D-moll von Dr. Anton Bruckner zur Aufführung.“ (°°).

Die Innviertler Volkszeitung Nr. 44 teilt mit, daß Bruckner in Attersee auf der Orgel des verstorbenen Orgelbauers Karl Reppe gespielt habe:
„     Todesfall. Samstag den 24. d. M. starb hier der bekannte Orgelbauer Herr Karl Reppe im 60. Lebensjahre. Der Verstorbene war ein tüchtiger Meister seines Faches und übte sein Geschäft bereits 29 Jahre am hiesigen Platze aus. Herr Karl Reppe baute mehrere neue Orgeln und führte unzählige Reparaturen an schon bestehenden Werken durch. Die in Attersee stehende, von ihm gebaute Orgel wurde seinerzeit zweimal von dem jüngst verstorbenen Componisten Dr. Anton Bruckner gespielt und auch sehr gelobt. [...] [Signatur:]                     Fr. C. P."  (°°°).

Dies ist auch in der Salzburger Chronik Nr. 248 auf S. 3 zu lesen (signiert "Ar."):
"     Ar. Ried, Innkreis, 27. Oktober. (Gewerbliches. Todesfall.) [... über eine Lücke im Gewerbegesetz ...]. Am 24. d. M. starb hier der weitum bekannte Orgelbauer Karl Reppe im 60. Lebensjahre. Die von ihm erbaute Orgel in Attersee wurde vom jüngst verstorbenen Dr. Anton Bruckner zweimal gespielt und sehr gelobt. In seinem Hause ist eine von ihm erbaute Orgel aufgestellt mit 9 Register und 2 Oktaven, welche zu kaufen wäre." (°°°a).

Das Neuigkeitsweltblatt Nr. 250 berichtet auf S. 5 vom Trauercommers [irrig: "gestern", recte: 28.10.1896]:
"     Trauerkommers für Anton Bruckner. Gestern Abends fand im Ronacher=Saale der Trauerkommers statt, den der akademische Gesangverein dem Gedächtnisse seines verstorbenen Ehrenmitgliedes Professor Doctor Anton Bruckner veranstaltet hatte. [... Büste ... unter den Anwesenden: Rector Reinisch, die Professoren Bernath, Gruber, Toldt, Penk und Tula, Vice-Bgm. Dr. Neumayer, GR Dr. Pommer, GR Fochler, Reinisch [recte: Dr. Reisch], Frau Papier-Paumgartner, Theodor Helm, Kirchl etc., Nachruf Schaumanns ...]. Ein Trauersalamander schloß die erhebende Feier." (#).

Bericht hierzu auch im Linzer Volksblatt Nr. 251 auf S. 6:
"      Wien, 29. October. Der Wiener akad. Gesangverein veranstaltete gestern abends im Concertsaale des Etablissements Ronacher einen Trauercommers für Professor Dr. Anton Bruckner, welcher sehr gut besucht war und einen erhebenden Verlauf nahm. Die deutschnationalen Burschenschaften hatten sich absentiert, weil, wie sie erklären ließen, der akad. Gesangverein den Wiener Gemeinderath und das Präsidium desselben eingeladen hatte. Unter den Anwesenden befand sich der Rector der Universität Professor Reinisch, die Decane der juridischen und medicinischen Facultät, viele Hochschulprofessoren, Abgeordnete, Gemeinderäthe, Vertreter der hervorragendsten Gesangvereine u. s. w." (#a).

Die Reichspost Nr. 265 schreibt auf S. 7 zum Verbleib der Manuskripte:
"    – Dr. Anton Bruckner's Nachlaß. Mit der Sammlung und Sichtung des musikalischen Nachlasses des verewigten Meisterswurden die Herren Professoren Ferdinand Löwe und Josef Schalk betraut. Nachdem sich herausgestellt hat, daß sich in dem Nachlasse nicht sämmtliche Originalmannuscripte vorfinden, ergeht an alle jene Personen, welche Originalmanuscripte oder Copien nicht edirter Werke des verewigten Dr. Anton Bruckner in Händen haben, das freundliche Ersuchen, dieselben behufs Ermöglichung einer vollständigen Zusammenstellung der Werke Bruckner's an den Testaments=Executor Doctor Theodor Reisch, Wien, Gatterburggasse Nr. 19, gelangen zu lassen." (##).

Die Linzer Tages-Post Nr. 251 teilt auf S. 2 mit:
"     St. Florian, 28. October. (Bolzschützengesellschaft. – Bruckners Grabstätte. – Personalnachrichten.) [... über die Schützengesellschaft ...] Falls am kommenden Allerheiligentage [1.11.1896] günstige Witterung beschert sein sollte, dürfte ein zahlreicher Fremdenbesuch in Sanct Florian zu gewärtigen sein, weil wie alljährlich die Gruft in der hiesigen Stiftskirche für Fremdenbesuch geöffnet sein wird, und daher den Besuchern Gelegenheit geboten ist, die Grabstätte des Musikheroen Dr. Anton Bruckner in Augenschein zu nehmen und die vielen prachtvollen Kranzspenden bewundern zu können. [...]." (###).

Brief von Gustav Ritter von Weiß (Wien) an Propst Ferdinand Moser (St. Floria
      Dankt für die Beantwortung seines Briefes [vom 17.10.1896] und die Zusage, dass der vorgestern abgesandte Kranz am Allerseelentage [2.11.1896] auf das geöffnete Grab Bruckners gelegt werde (a).

Hinweis auf die Aufführung des Requiems am 2.11.1896 im "Vaterland" Nr. 299 auf S. 7: "     * [Bruckner's Requiem.] Ueber Anregung der Leo=Gesellschaft gelangt am Allerseelentage um 10 Uhr Vormittags in der Stadtpfarrkirche Am Hof das Requiem in D-moll von Dr. Anton Bruckner zur Aufführung." (b).

Besprechung des Konzerts vom 28.10.1896 (mit dem Adagio der 7. Symphonie) in den Dresdner Nachrichten Nr. 301 auf S. 3:
"                        Kunst und Wissenschaft.
     Nicodé=Orchester=Abend. Das erste dieser Concerte hat im Gegensatze zu den bisherigen Aufführungen im kleineren Rahmen leider den eclatanten Beweis geliefert, daß der Saal des Vereinshauses für Aufführungen großen Stils, für große Orchester=Concerte sich nicht eignet. [... zur Akustik, Besetzung 60 Musiker ... unbekannte Werke können nicht beurteilt werden ...], nicht weniger gefährlich ist es, in unmittelbarer Nähe des Orchesters sich den Wirkungen höchster orchestraler Steigerungen auszusetzen, wie vorgestern z. B. bei den Höhepunkten des Meistersinger=Vorspiels und des Bruckner'schen Adagio. Die Gefährdung des Trommelfells gilt hier nicht nur als landläufige Redensart, sondern es ist damit bitterer Ernst. [... weiter zur Akustik ... Enttäuschungen hätte es aber auch bei guter Akustik gegeben ... abfällig über Ottokar Novaceks "Concerto eroico" (Solist Ferruccio Busoni - einige Saiten rissen) und die Programmerläuterungen dazu ...]. – Zum ersten Male [sic] hörte man ferner ein Adagio aus der 7. Sinfonie von Anton Bruckner. Auch bei diesem Stück ging es ohne Programmnotiz nicht ab, es war gesagt: "Im Hinblick auf die den Manen des verewigten Tondichters geweihte Erinnerung werden die verehrlichen Zuhörer höflich gebeten, von jeder Beifallsbezeugung abzusehen." Wozu das? Der Künstler, der schaffende wie der reproduzirende, lebt von der Anerkennung und hiervon macht, um paradox zu sprechen, auch der Verstorbene keine Ausnahme. Eine Beifallsssalve über das Grab hinaus, ist jedenfalls ehrenvoller, als ein unheimliches Schweigen, aus dem man nicht herausnehmen kann, ob die Todtenstille eine Ehrung, oder eine Ablehnung bedeutet. Der Totaleindruck des "Trauergesangs" war aber, um gewissenhaft zu registriren, leider eher einer Ablehnung als einer Anerkennung ähnlich. Das Adagio dehnt sich, als eine lange Reihe von kleinen Motiven, über die Zeitdauer einer halben Stunde hinaus und ist und bleibt im Allgemeinen und insbesondere doch nichts Anderes, als ein in's Sinfonische übertragener Richard Wagner. Daß hierbei eine Meisterhand die Kontrapunktik geschrieben, daß ein erlesener Geist das Ganze beherrscht, ändert nichts an dieser Thatsache. Man ist dem Satze mit Hochachtung gefolgt, aber daraus mitgenommen hat man nichts Anderes als frühere Erinnerungen an Beethoven und den Bayreuther Titanen. Von ungleich bedeutender Wirkung wurde dagegen das Vorspiel zu den "Meistersingern", [... 2. Sinfonie Brahms ...]. Herr Nicodé bewährte sich auch diesmal wieder als ausgezeichneter Dirigent [... Kritik aber an seiner "Pantomimik" ...]. – Das Concert wurde diesmal nicht von der Chemnitzer Stadtkapelle, sondern von dem erst seit Kurzem in's Leben gerufenen Winderstein'schen Orchester aus Leipzig ausgeführt. Die Kapelle hat den Erwartungen in Manchem entsprochen und mit Ausnahme einiger Blechbläser, namentlich der Trompeter, so ziemlich Alles geleistet, was man von einem neu zusammengestellten Civilorchester verlangen kann. [... Gründe für das Auftreten auswärtiger Kapellen (Zwistigkeiten) ...] die mit dem Dresdner Musikleben und seiner Bedeutung nichts zu schaffen haben.
                                                         Herrmann Starcke." (c).

Das "Rotterdamsch nieuwsblad" Nr. 5715 (Rotterdam) bringt auf Seite 6
"     *** Nog een Bruckner-anecdote. – Toen Bruckner door de Universiteit te Weenen tot doctor honoris causa was bevorderd, moest hij een toespraak tot den Senaat richten. Na eenige inleidende woorden verloor hij den draad en bleef hij een paar maal steken.Ten slotte zeide hij: „Zooals ik wil, kan ik u niet danken. Als er hier een orgel was, zou ik dat wel kunnen.” (d).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189610305, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189610305
letzte Änderung: Mai 14, 2024, 8:08