zurück 21.4.1893, Freitag ID: 189304215

Aufführung der 4. Symphonie unter Otto Kitzler um 7 Uhr abends im 3. Konzert des Brünner Musikvereins im Großen Festsaal des Deutschen Hauses in Brünn.
Weitere Mitwirkende: Irene v. Brennerberg (Violine) mit Spohrs 8. Violinkonzert, Helene Kuhn v. Kuhnenfeld (Sopran) und August Petyrek (Orgel) mit Mendelssohns Hymne "Oh hör' mein Bitten", außerdem spielte die Geigerin das Präludium in g-Moll von J. S. Bach und Anton Rubinsteins Melodie (*).

Brief von Franz Bayer an Bruckner:
     Wie von Bruckner gewünscht, habe er wegen des Orgelumbaus mit Mauracher verhandelt. Obwohl man Mauracher nicht mehr so wie früher vertraue, werde wohl auch Pfarrer Aichinger für ihn eintreten. Mauracher wolle morgen Bruckner in Wien wegen der Disposition aufsuchen. Da weder das Linzer Volksblatt noch Theodor Helm in der Deutschen Zeitung etwas über die Aufführung der d-Moll-Messe [am 2.4.1893] berichtet hätten, entstehe in Steyr der Eindruck, Bruckner sei nicht zufrieden gewesen. Ob er Bayer eine Anerkennung und Bestätigung über die Leistung des Chores geben könne? (**).

Die Neue Freie Presse Nr. 10294 meldet auf S. 6, daß Bruckner am 18.4.1893 zum Ehrenmitglied der Gesellschaft der Musikfreunde in Steyr ernannt worden ist:
"    – In der am 18. d., Abends, abgehaltenen General=Versammlung der Gesellschaft der Musikfreunde in Steyr wurde Professor Anton Bruckner zum Ehrenmitgliede des Vereines ernannt." (***).

Ausführlicher berichtet die Linzer Tages-Post Nr. 91 auf S. 4:
"     (Gesellschaft der Musikfreunde in Steyr.) Von dort wird uns unterm 19. .d. M. geschrieben: Diese Gesellschaft hielt gestern im "Hotel Schiff" ihre diesjährige Generalversammlung ab, bei welcher zu Functionären gewählt wurden die Herren: Eduard Werndl, Vorstand, [... Josef Hoschek, Johann Haidl, Franz Prammer, Victor Stiegler, Johann Reichl ...]; Ludwig Großauer, Kapellmeister; Franz Bayer, dessen Stellvertreter. Herr Victor Stiegler stellte vor Schluss der Generalversammlung, nachdem er die Verdienste und die Compositionen des gefeierten Tonkünstlers Professor Dr. Anton Bruckner besprochen und in begeisterten Worten der zu Ostern in der hiesigen Stadtpfarrkirche stattgefundenen Aufführung der D-dur-Messe Bruckners gedacht hatte, bei welcher der hiesige Musikverein vorherrschend mitgewirkt hatte, den Antrag, der Ausschuss der Gesellschaft der Musikfreunde möge an Herrn Professor Dr. Anton Bruckner das Anerbieten richten, derselbe möge dem Vereine die Ehre erweisen, die Ehrenmitgliedschaft dieses Vereins annehmen zu wollen. Der Antrag wurde mit begeistertem und rauschendem Beifalle angenommen." (°).

Die Allgemeine Zeitung München Nr. 110 bringt auf S. 1f einen Wiener Musikbrief von Richard Heuberger, in dem auch die Aufführung der f-Moll-Messe [am 23.3.1893] erwähnt wird:
"                        Wiener Musikbrief.
               
Von Richard Heuberger.
     * Rechthaberei und Consequenz sind, Gott sei Dank, so verschiedene Dinge, daß man hie und da schon zugestehen darf, sich getäuscht zu haben, ohne deßhalb in der Geruch der Inconsequenz zu kommen. – [... über "Die verkaufte Braut" und ein Ballett ...].
     Abseits von dem musikalischen Modestrome, der ebenso gleichgültig, ebenso zufällig die Goldkörner Smetana'scher Musik, wie den Katzensilbersand des Berté'schen Ballets an die Oberfläche trägt, schafft der nunmehr unter mancherlei körperlicher Mühsal leidende alte Anton Bruckner seine selten voll ausgereiften, immer aber kühn intentionirten Werke. Kürzlich hat uns der akademische Wagner=Verein eine neue, noch ungedruckte Messe in F-moll vorgeführt. Wir haben kaum einen uns bisher unbekannten Zug im Charakterbilde des Meisters entdeckt, aber von seinen besten Eigenschaften manche in sinnfälligerer Ausprägung wiedergefunden als sonst. Einen Satz von der tiefen Empfindung und musikalischen Geschlossenheit des Benedictus findet man nicht so leicht in den gesammten Werken des oft so eigenwillig den Faden natürlichen Fortgangs zerreißenden Componisten. Da decken sich Form und Inhalt vollständig, eine echt religiöse Gemüthswärme durchdringt den wundervoll klingenden Satz, der in ungebrochener Schönheit austönt, wie er begonnen. Die übrigen Stücke der Messe vermögen den Vergleich mit diesem einen nicht auszuhalten. Einzelnes muß sogar zum Trockensten, Formalistischstem gerechnet werden, was wir von Bruckner kennen. Aber an manchen Stellen zeigt sich doch eine elementare Schöpferkraft, vor allem aber eine hoch ausgebildete Fähigkeit, das Aueßerliche des prunkenden Cultus durch die Musik zu veranschaulichen. Die neue Bruckner'sche Messe ist nicht für eine stille Dorfkirche zu brauchen, wo ein alter Pfarrherr seine zahme Heerde mit einem Palmzweig leitet. Sie verlangt, um in ihrer ganzen Anlage und Ausführung gewürdigt zu werden, daß sich eine Schaar von Priestern in golddurchwirkten Gewändern um einen Bischof, einen Prälaten bemühe, daß der Weihrauch nicht gespart werde und eine staunende Menge, halb Schaulust, halb Gott im Herzen, die weiten Hallen eines Domes fülle. . . .
      In ihrer Art ist die Bruckner'sche Kirchenmusik als ein Ableger der dramatiscehn Musik zu betrachten, bei der auch Wort, Ton und Scene in ihrer Gesammtheit erst die beabsichtigte Wirkung hervorbringen. – Darin mag es auch zum Theile begründet sein, daß gerade ein Theil der Anhänger des großen Bayreuther Meisters sich in den Bruckner=Orden aufnehmen ließ. . . .
     Klang die eben besprochene Messe in einem sanften dona nobis pacem aus, so war das Ende unsrer Musiksaison eine schrille Dissonanz. [... Hans Richter (Ovationen für  Beethovens Neunte), aber: Richters USA-Pläne (Boston) ...]. Möge dem genialen Künstler sein Fortgang von Wien so viel nützen, als er uns und unserm Musikleben schadet." (°°).

Bruckner nimmt um 15 Uhr am Leichenbegängnis von Andreas Schubert in der Votivkirche teil. Anwesend sind u. a. Olschbauer, Hofmann und Kremser vom Wiener Männergesangverein, Dumba, OLG-Rat Lorenz, Krankenhagen, Dr. Hinterstoißer, Leopold Eder, Dr. Clemens Rickh und die Geistlichen P. Roß, P. Heimer und Prof. Borschke. Der WMGV unter Kremser singt "Wanderers Nachtlied von Reißiger (°°°).

Die in London erscheinenden Daily News Nr. 14681 berichten auf S. 2 vom Jubiläum des Wiener Männergesangvereins [mit "Helgoland" am 8.10.1893]:
"              MUSIC AND MUSICIANS.
[...].
     The Männergesangvereins of Vienna will celebrate their fiftieth annniversary next month [sic], and they have succeeded in securing the consent of Brahms to compose an Ode specially for the occasion. Other works–of course, for male voices only–will be expressly composed by Rubinstein, Bruckner, and Goldmark." (#)

Hinweis auf das Düsseldorfer Musikfest mit dem "Te deum" [am 21.5.1893] im "Haagsche courant" Nr. 3104 ('s-Gravenhage) auf S. 5 (##).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189304215, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189304215
letzte Änderung: Jul 20, 2023, 7:07