zurück 27.3.1896, Freitag ID: 189603275

Brief Bruckners an Otto Kitzler in Brünn:
     Er sei immer noch krank. Dankt für die Aufführung [der 2. Symphonie] und gratuliert. Wäre gerne gesund dabei gewesen (*).

Dvorak und Josef Suk besuchen Bruckner und laden ihn (erfolglos) zum Konzertbesuch ein - er müsse am Adagio [recte: Finale] der 9. Symphonie arbeiten (**).

Am Abend Konzert des Tschechischen Streichquartetts mit Sextetten von Brahms und Dvorak und Bruckners Quintett (***), das [vermutlich] auch von Brahms besucht wird (°). Als zweiter Bratscher wirkt Herr Rychlick [Rychlik] mit (°a).

Das Konzert war nochmals angekündigt worden in den heutigen Ausgaben

der Neuen Freien Presse Nr. 11348 auf S. 7:
"    – Das "Böhmische Streichquartett" hat für seine morgen, Freitag, Abends halb 8 Uhr, im großen Musikvereinssaale stattfindende letzte (außerordentliche) Soirée folgendes Programm festgestellt: Dvorak, Streichsextett; Brahms, Clavierquartett G-moll (Piano: Herr Richard Epstein); Bruckner, Streichquintett F-dur." (°b),

der »Presse« Nr. 86 auf S. 6 (°c)

und der Reichspost Nr. 86 auf S. 5:
"    – Das "Böhmische Streichquartett" ist an Triumphen reich aus Frankreich und Italien zurückgekehrt und hat in Paris, Nizza, Mailand und Rom außerordentliche Erfolge erzielt. Für seine am kommenden Freitag stattfindende letzte Soiree wurde folgendes Programm festgestellt: Dvorak, Streich=Sextett, Brahms, Clavierquartett G-moll; Bruckner, Streichquintett F-dur. Billets zu volksthümlichen Preisen in Gutmann's Hofmusikalienhandlung." (°d).

    Es wird u.a. von den Kritikern »C. J. F.«, »T. K.« und Theodor Helm besucht (°e).
[Für dieses Konzert?] Ursprünglich war geplant gewesen, die Proben in Bruckners Wohnung im Belvedere abzuhalten (°f).

Die "Abend-Presse" Nr. 86 (°c) [siehe die Anmerkung] hatte auf Seite 3 dem Ensemble einen separaten Artikel gewidmet:
Das böhmische Streichquartett und Leo Tolstoi.
          (Original=Mittheilung der "Abend=Presse".)
     Heute nehmen die Genossen des "böhmischen Streichquartetts" von den Wienern Abschied. Sie genießen die angenehme Genugthuung, daß die von ihnen diesmal zur Aufführung gebrachten Componisten Johannes Brahms, Anton Dvorak und Anton Bruckner (Letzterer nur mit Bewilligung des Arztes) ihren Productionen beiwohnen werden. [... der seit 2 Jahren erkrankte Cellist Berger durch Hans Wihan ersetzt ... Hofmann, Nedbal und Suck [sic] 22 bis 24 Jahre alt ... über die erfolgreichen Tourneen (Silvester bei Tolstoi zu Gast, der sich zu Musik äußert) ...]. " (°g).


Im Linzer Volksblatt Nr. 72 wird auf S. 4 das Konzert vom 25.3.1896 (mit der 4. Symphonie) besprochen und die Aufführung der "Missa solemnis" [recte: e-Moll-Messe am 4.10.1885] erwähnt (die Rubrik "Tagesneuigkeiten ..." ist datiert "26.März"):
"                         Concerte.
    – Abschieds=Benefice=Concert Schreyer.
Linz hatte gestern Gelegenheit, Herrn Schreyer nochmals seine Sympathien bezeugen zu können. [... dessen Verdienste ... Beethoven-Konzert wurde von Floderer dirigiert ...]. – Dagegen brachte uns der Genius Bruckners in wilde, romantische Lande. Seine Symphonie Nr. 3 [sic] in Es-dur ist derart fascinierend, daß der Märchenzauber, der von diesen Harmonien ausgeht, den Hörer förmlich bannt und fesselt. Besonders das Andante war reich an solchen Eindrücken; das erste Leitmotiv wurde vom Cello aufgenommen und der Clarinette überlassen, das zweite war von der Viola an die Violinen [!] übergegangen. Eine Eigenart Bruckners ist einmal sein Hang zu chromatischer Figurierung, und ferners seine Vorliebe für das plötzliche Hineinfallen in die Unterterz. Beides diente dem Charakter dieser seiner Symphonie als einer romantischen. Daß das Allegro moderato etwas langathmig wurde, darf nicht wundernehmen, wenn man sich an "quod rarum, carum" erinnert. Daß aber Bruckners Ruhm als Symphoniker feststeht, ist klar. Davon beißt auch ein Hanslik [sic] nichts ab. Herrn Schreyer sei noch besonderer Dank gewusst, daß er es sich recht angelegen sein ließ, die Werke heimischer Künstler vorzuführen; wie erinnern an Bruckners missa solemnis [sic] anlässlich des Diöcesan=Jubiläums. [... enthusiastischer Applaus, Schreyers Dank ...]." [keine Signatur] (°°).

Zur Brünner Aufführung der 2. Symphonie am 25.3.1896 erscheint eine Kritik, signiert »C. W.«, im Tagesboten aus Mähren und Schlesien Nr. 72 auf S. 4:
     "C. W. (Concert.) Der Brünner Musikverein hat seinem ersten diesjährigen Concerte, vorgestern rasch das zweite folgen lassen. Die Production wurde nachmittags um halb 5 Uhr, wie gewöhnlich im großen Festsaale des Deutschen Hauses abgehalten. Die erste und vornehmste Nummer der Vortragsordnung war die Symphonie in C-moll (Nr. 2) von Anton Bruckner. Es ist das hervorragende Tonwerk eines genialen Orgelvirtuosen, Kirchencomponisten und Symphonikers, welcher Jahre lang, auch in Wien, um seine Anerkennung kämpfen mußte. Bruckner’s Werke sind nicht für leichtes, rasches Erfassen, für den gewöhnlichen Effect componi[e]rt, es bedarf großer Aufmerksamkeit, um der ungewöhnlichen Stimmführung im polyphonen Satze, den überraschenden und bisweilen hart klingenden Harmonien folgen zu können. Der Componist verlangt auch ein vortreffliches Orchester; denn die Zumuthungen an die Geiger, mehr aber noch [an] die Bläser, sind ganz außerordentliche. Der Eindruck, welchen wir vorgestern von der Symphonie empfiengen, war nicht in allen Sätzen ein gleichmäßiger. Der erste, Moderato, läßt die verschieden[st]en Instrumente solo anklingen, aber die plastische Durchführung der Motive vermissen. Der Einfluß Richard Wagner’s, welchen Bruckner hoch verehrte, ist besonders in der Behandlung der Geigen zu erkennen. In schönem, breitem Flusse ergießt sich die Melodie des zweiten Satzes, worauf sich das rhythmisch stark bewegte, frische Scherzo anschließt. Die Aufführung des Tonwerkes war eine vorzügliche. Für den lebhaften, anhaltenden Beifall hatte Musikdirector Kitzler, welcher dem Werke eine liebevolle Aufmerksamkeit gewidmet hatte, wiederholt zu danken. Auch die Herren des Orchesters erhoben sich von ihren Sitzen. […]" (°°°).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189603275, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189603275
letzte Änderung: Aug 23, 2023, 13:13