zurück 28.3.1896, Samstag ID: 189603285

Brief von Edvard Grieg an Iver Holter:
    »... Dann besuchte ich den alten Bruckner, einen zitternden, aber rührend kindischen Greis. ...« (*).

Besprechungen der 4. Symphonie [am 25.3.1896]

in der Linzer Zeitung auf S. 345, signert „K.“ [vermutlich Victor Kerbler]:
„         Musikvereinsconcert.
    Mit dem vorgestrigen Abschiedsconcerte beschloß Herr Musikdirector Schreyer seine künstlerische Thätigkeit in unserer Stadt. [… bedauerlich … wird insofern nachwirken ...], als Herr Schreyer das künstlerische Niveau des Musikvereins, seinen musikalischen standard of live so wesentlich gehoben hat, daß ein Zurückgehen nicht leicht möglich sein wird.
      Herr Schreyer hat als Dirigent, Pianist und Lehrer so verdienstlich gewirkt, daß es allerdings schwer halten wird, ihm einen Nachfolger zu geben, der in der Lage wäre, ihn in jedem Zweige seiner hiesigen Berufsthätigkeit voll und ganz zu ersetzen. Als Dirigent bekundete Herr Schreyer stets ein hochentwickeltes musikalisches Feingefühl, und wir könnten uns nicht entsinnen, daß derselbe je irgend eine Aufgabe salopp oder auch nur gleichgiltig angefaßt hätte. [… über die Persönlichkeit, den Pianisten … Solist bei Beethoven, Floderer dirigierte …].
      Dem Clavierconcerte folgte eine Wiederholung der unlängst aufgeführten Es-dur-Symphonie von Bruckner, die in ihrem Reichthum hervorragender Gedanken und ihrer Farbenpracht wieder jene großartige Wirkung übte, welcher sich auch derjenige nicht entziehen kann, der dem Componisten auf allen seinen Wegen zu folgen nicht vermag. Herr Schreyer stand wie immer auf der Höhe seiner Aufgabe und beherrschte mit starker Hand die gewaltigen Tonmassen.
      Das Publicum wurde auch nicht müde, den hochgeachteten Dirigenten, welcher mehrere Kranzspenden empfieng, durch stürmischen Beifall auszuzeichnen. Herr Schreyer darf versichert sein, daß das hiesige Publicum ihm stets das freundlichste Andenken bewahren wird.        K.“ (**a)

und (signiert »P.«) ausführlich in der Linzer Tages-Post Nr. 73 auf S. 5:
"               Abschiedsconcert Schreyer.
      Beethovens drittes Clavierconcert (C-moll, op. 37), das Eröffnungsstück für das gestern im Redoutensaale vom Musikvereines zu Gunsten seines Directors Herrn Adalbert Schreyer gegebene Concert, wurde im Jahre 1800 componirt und ist eine Schöpfung von großer Eigenthümlichkeit, [... ausführlich über das Werk ...].
      Herr Musikdirector Schreyer spielte den Clavierpart auf einem prächtig klingenden "Ehrbar". [... über die Interpretation ... Floderer dirigierte ... drei Lorbeerkränze ...].
      Die erste Aufführung der IV. Symphonie von Anton Bruckner, welche am 27. October v. J. stattfand, wurde in diesem Blatte als ein "Freudentag" für die Zuhörer bezeichnet. Ihre gestrige Wiederholung war es nicht minder. Herr Schreyer führte seine Musikgemeinde mit einer musterhaften Klarheit und Genauigkeit. Seine Kunst als Dirigent führte den Musikverein stets zu tüchtigen Leistungen. In seinem Drängen nach ernster Weiterentwicklung, insbesondere aber mit seinen musikalischen Großthaten, nämlich der Aufführung der zwei Symphonien Nr. 3 und 4 von Bruckner und der Matthäus=Passion von J. S. Bach, hat er sich ein ehrendes Gedenken gesichert, das ihm als Künstler, als Lehrer und nicht zuletzt auch als Mensch erhalten bleibt.
      Der Enthusiasmus über die treffliche Leistung erreichte nach dem dritten Satze der Symphonie ihren Gipfelpunkt. Herr Schreyer stattete mit schlichten Worten den Bewohnern des schönen Linz, dann dem Publicum, das ihm so viel Ehre zutheil werden ließ, seinen Dank ab und stellte die Bitte, sich seiner stets freundlich zu erinnern. Nach dem vierten Symphoniesatze ehrte das Orchester sein langjähriges Oberhaupt, das mit dieser letzten bedeutenden Aeußerung sein erfolg= und segensreiches Wirken in unserer Stadt abschloss, mit einem Tusche.              P." (**b).

Eine Kurzkritik Camillo Horns zu den Aufführungen des »Te Deum« [am 23.3.1896] und des Chores »Träumen und Wachen« [am 25.3.1896] erscheint im Deutschen Volksblatt Nr. 2599, Morgenausgabe, auf S. 2f:
"                          Aus dem Concertsaal.
            "Heil dir, o Seele, daß du's vernommen!
            Botin des Frühlings, o Lerche willkommen!"
     So heißt es in einem Liede, das der "Wiener Akademiche Gesangverein" neulich in seinem Concerte erschallen ließ. [... über Konzerte von Gesangvereinen (WAGV unter Dr. J. Neubauer, GV der österreichischen Eisenbahnbeamten unter Weinzierl, WMGV (Franz Schneiderhan als Baritonsolist), Schubertbund) ...], Chormeister Kirchl dirigirte mit Schwung. Sein Feuer riß ihn in der Eröffnungsnummer des Concertes, in Schubert's "Alfonso"-Ouverture selbst mit, was wohl die Ueberhastung des den Holzbläsern zugetheilten Seitensatzes erklärt. Der "Gesang der Geister über den Wassern" (Schubert) zeichnete sich durch feinste Schattirung aus, desgleichen Bruckner's "Träumen und Wachen" mit dem von Herrn Söser edel gesungenen Tenorsolo. [... MGV "Arion" ...].
     Unseren einheimischen Vereinen haben wir noch eine auf Gastrollen erschienene Sängergemeinschaft gegenüberzustellen. Die krainische "Glasbena Matica" kam nach Wien gezogen, um hier für die Unterstützung Laibachs nach dem Erdbeben Dank abzustatten. [... fragliche Berechtigung, für ganz Laibach aufzutreten ... Deutsche pflegen für Unterstützung sonst nur Undank zu ernten ... daher der Verdacht, nicht Dank, sondern Eitelkeit sei der Grund für den Auftritt ... "tüchtiger, wenn auch nicht hervorragender Gesang" ...]. Der erste Abend war slovenischen Volksliedern, einer hübschen Frühlingsromanze von Fibich und dem gewaltigen Te Deum von Bruckner bestimmt; der zweite brachte unter Dworschak's eigener, nicht sehr sicherer Führung dessen "Geisterbraut", [...]. Daß die Solisten nicht auf der Höhe ihrer Aufgaben standen, und manche Entgleisung vorkam, hatte bei dem fast nur aus Slaven bestehenden Publikum wenig zu sagen. Zum Ende wurde selbstversträndlich viel Beifallslärm geschlagen.
                                                 Camillo Horn." (***).

Das Konzert vom 23.3.1896 (mit dem "Te deum") wird besprochen in der in Marburg erscheinenden Südsteirischen Post Nr. 26 auf S. 4f:
"     (Die "Glasbena Matica" in Wien.) Alle maßgebenden Wiener Blätter sind einig im begeisterten Lobe über die ausgezeichneten Leistungen des Chores der »Glasbena Matica« und die hervorragende Begabung des Concertdirigenten Herrn Mathias Hubad und bestätigen den großen Erfolg des Concertes. [... Zitate aus: Wiener Abendpost, Fremdenblatt (ausführlich), Die Presse, Neue Freie Presse, Neues Wiener Tagblatt, Neues Journal, Extrablatt, Volkszeitung, Tagblatt, Wiener Allgemeine Zeitung ...]. Die Sänger sangen "thaufrisch, ursprünglich, hell wie Sonnenschein, rein wie Glockengeläute." Zum Schlusse heißt es: "Als krönendes Finale schloß Anton Bruckners »Te Deum« den Abend in großartiger Weise ab. Das gewaltige Werk wirkte in seiner aufjauchzenden Jubelstimmung wie eine befreiende Offenbarung. Ein Verein, der Bruckner so singt, wie es die »Glasbena Matica« thut, verdient den Lorbeerkranz, der ihm gereicht wurde."  " [keine Signatur] (°).
 

Richard Wickenhaußer berichtet im Deutschen Blatt Brünn Nr. 26 auf S. 2f vom Konzert mit der 2. Symphonie [am 25.3.1896].
"     Concert des Brünner Musikvereines.
     Anton Bruckner hat die schönsten Jahre seines Lebens fast unbeachtet in der Kaiserstadt zugebracht. Dieselbe Wiener Presse, die jedesmal voll innigen Behagens über irgend eine Operetten=Neuheit des Langen und Breiten berichtet, sobald dieselbe einen Gesinnungsgenossen von ihr zum Vater hatte, dieselbe "große" Presse, ließ einen Mann, der für die Kunst Unsterbliches gethan, alt und siech werden, ohne nur das geringste Verständnis für sein Schaffen zu zeigen. Dieser wahrhaftige "Schandfleck" wird an der Residenzstadt und ihrer Presse für immer haften bleiben. Die Deutschnationalen Wien's und ihre Zeitungen, an der Spitze der wackere Dr. Helm, waren es, die mit schier unermüdlichem Eifer immer und immer wieder auf die Bedeutung Bruckner's hinwiesen, und mit ihrem steigenden Einflusse auch alle anderen Kreise zwangen, diese Bedeutung nach ihrem wahren Werte schätzen zu lernen. Seitdem wird Bruckner in Wien häufiger gespielt, wenn auch nicht so oft, als er es verdient, und auch in Deutschland beginnt man ihn ernstlich zu pflegen. [... späte Anerkennung, oft noch Verkennung ...]. Man hört oft Ansichten, die einem die Haut schauern machen. Namentlich wer Wagner und Bruckner in einem Athem nennt, wer gar von "Wagner'schen Principien, ins Symphonische übertragen", spricht, beweist, dass er von Wagner ebensowenig versteht, als von Bruckner. Von Wagner hat Bruckner höchstens die glühende Tonsprache, den Grundsatz, seinem Schaffen nicht die diatonische, sondern die chromatische Tonleiter zu grunde zu legen, die Farbenpracht des Orchesters. Was das Melos anbelangt, so ist Bruckner eher genialer Nachfolger Schubert's, an dessen Wohllaut manche Stellen in Bruckner's Werken erinnern. Namentlich in den Gesangsthemen seiner Ecksätze breitet die von Schubert ins Edle überpflanzte österreichische Volksmelodie ihre duftenden Blüten aus. Alles in allem kann aber Bruckner nur mit Bruckner verglichen werden, er ist ein Original durch und durch. Die von Laien und Musikern oft getadelte "Formlosigkeit" in Bruckners Symphonien besteht gar nicht; die einzelnen Theile der Sonatenform sind höchstens in ungewöhnlicher Weise ausgedehnt, dem verständnisvollen Musiker bietet aber ein Bruckner'scher Symphoniesatz gar kein formloses Bild. Sogar die Modulationsordnung des Sonatensatzes gewahren wir hier un der von den großen Classikern herstammenden Art und Weise. Durch die erwähnte Ausdehnung seiner Symphoiniesätze macht er manchem Concertbesucher das Hören und Verstehen nicht leicht; bedenkt man aber, dass der Zeitgeist auch über die absprechenden Urtheile von Zeitgenossen Beethoven's über dessen fünfte und neunte Symphonie ruhig hinweggeschritten ist, so darf einem das Kopfschütteln dieser Sorte von Leuten ruhig lassen und in der festen Meinung nicht beirren, dass Bruckner der größte Symphonie=Dichter seit Beethoven ist und bleibt.    Die Mittwoch, den 25. März, vom Musikvereine aufgeführte Symphonie in C-moll, der Zahl nach die zweite, entstand im Jahre 1871/72 und wurde in Wien im Jahre 1873 zum erstenmale aufgeführt. [... kürzer als die c-Moll-Schwestern [1. Symphonie und 8. Symphonie] ...] wahrhaft überquellender Reichthum an Ideen [... über Einzelheiten der einzelnen Sätze ... das Trio-Thema erinnert an die "Eroica" ... über die motivische Verwandtschaft der Finale-Themen ...].
    Was die Wiedergabe der Symphonie anbelangt, so [sei] mit Freuden festgestellt, dass sie eine sehr gelungene [war].Herr Director Kitzler hatte dieselbe mit großem [Eif]er vorbereitet nnd [sic] leitete die Aufführung mit begeisterter Hingebung. Das Orchester löste seine Aufgabe ganz trefflich. Stürmischer Beifall, namentlich von Seite der fast vollzählig erschienenen Wagner=Gemeinde Brünns, lohnte denn auch die Großthat des Musikvereines, und der verdienstvolle Musikdirector Kitzler, dem Brünn schon einige schöne Aufführungen Bruckner'scher Tonwerke verdankt, sowie der Orchesterkörper mussten wiederholt danken. [... kurz über die weiteren Programmnummern ...].
     Zum Schlusse sei an die Direction des Musikvereines, besonders an Director Kitzler, im Namen einer großen Zahl von Concertbesuchern das Ersuchen gestellt, im ersten Herbstconcerte womöglich die Brucknerische Symphonie zu wiederholen. Vielleicht geht dann so Manchem der Knopf auf und sie findet noch allgemeinere Anerkennung. Es wäre dies eine neuerliche Ehrung des so lange verkannt gewesenen deutschen Meisters!
                                             Richard Wickenhaußer." (°°).

Der Tagesbote aus Mähren und Schlesien Nr. 73 meldet auf S. 5, daß Bruckner anläßlich der Aufführung der 2. Symphonie in Brünn an Otto Kitzler geschrieben hat:
"Vom Componisten Anton Bruckner, dessen Symphonie letzthin im Musikvereins-Concerte überaus beifällige Aufnahme gefunden hat, hat Musikdirector Kitzler folgenden Brief erhalten Hochwohlgeborener, innigst geliebter Herr Professor! Leider wirst Du nicht wissen, daß ich noch immer krank bin. Gott wolle mir helfen. Für Deine Liebe danke ich Dir und allen Musikern recht herzlich! Ich gratuliere zur Aufführung. O wie gerne wäre ich dabei gesund bei Dir gewesen. Dich umarme ich dankend. Bruckner." (°°°).

Eine mit »C. J. F.« signierte Kritik zum Quintett [am 27.3.1896] erscheint in der Reichspost Nr. 87 auf S. 3 des Abendblatts:
"    – Das zweite und letzte Concert des böhmischen Streichquartettes, das gestern im großen Musikvereinssaale stattfand, war leider nicht besonders gut besucht, obwohl das Programm, sowie dessen Durchführung allseitige Anerkennung und Freude fanden. [... Dvoraks Sextett (mit Carl Hofmann. Josef Suk, Oscar Nedbal und Hans Wihau [sic], Carl Rychlik (2. Viola) und Johannes Burian (2. Violoncello)  und Brahms (mit Richard Epstein) ...]. Thematisch am werthvollsten war freilich das Bruckner'sche Streich=Quintett (1. [sic] Viola Herr Rychlik) welches das Programm des Abends auch unter großem Beifall schloß. Obwohl uns die Duesberger ihrer unerreichten Leistungen wegen mehr Achtung abgewannen, müssen wir immerhin das exakte Zusammenspiel des böhmischen Streichquartettes lobend anerkennen.                        C. J. F." (#).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189603285, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189603285
letzte Änderung: Nov 23, 2023, 15:15