zurück 24.12.1896, Donnerstag ID: 189612245

Besprechung der d-moll-Messe durch Petrich in der Grazer Tagespost Nr. 355:
"    * (Grazer Wagner=Verein.) "Daß ein Mensch, welcher auf Schritt und Tritt mit Niedertracht und Gehässigkeit zu kämpfen hat, ungeachtet jahrelanger Enttäuschungen muthig ausharrt und in rastloser Arbeit und Pflichterfüllung Trost sucht und Ruhe findet, darf als eine seltene Ausnahme gelten; daß aber vollends ein Mann an der Schwelle des Greisenalters, wenn er auf die langen, in Kummer und Bitterniß verbrachten Jahre zurückschaut, keinen Seufzer des Grames zu den Sternen emporsendet, sondern ein frohes Dankgebet dafür, daß er leben dürfe, leben und schaffen: das ist etwas Einziges." Diese treffenden Worte Paul Marsop's kommen uns in den Sinn, wenn wir des Künstler's Anton Bruckner's Erdenwallen betrachten. Der große, kühne Symphoniker und Kirchencomponist, welcher Jahre hindurch von einem einflußreichen Theile der musikalischen Wiener Presse ignorirt und, als es mit dem Todtschweigen nicht mehr ging, bis über das Grab hinaus mir wahrer Berserkerwuth angefeindet und verketzert wurde, bietet wieder einen unwiderleglichen Beweis für die Richtigkeit des Ausspruches: "Jedes Genie ist zugleich ein Gradmesser des Unverstandes und der Gehässigkeit seiner Zeitgenossen!" Mit Hohn und Spott wurde jener Mann von einer mächtigen Clique überschüttet, welcher sich erkühnte, ohne ihre Erlaubniß und Protection sein Genie, seine künstlerische Selbstständigkeit zur Geltung bringen zu wollen. Die unverzeihlichen Verbrechen des, dieses Unterfangens halber zu verfehmenden Künstlers bestanden in seiner enthusiastischen Verehrung und Parteinahme für den bestgehaßten Bayreuther Meister, in der Anerkennung, welche der Letztere wiederum Bruckner's genialen Schöpfungen zollte, und – nicht zum Geringsten – in der Erkenntniß, der gefährlichen Concurrenz, welche der unbequeme oberösterreichische Schulmeister dem auf den Schild erhobenen Götzen dieser Partei, welchem unter allen Umständen die Alleinherrrschaft zu sichern sei, zu bieten drohte. Mit bewunderungswürdigem Heldenmuthe und rührender Opferwilligkeit trat ein kleines Häuflein begeisterter Schüler und Bewunderer des greisen Tondichters für die Sache desselben ein und bald schaarte sich um denselben die gesammte, für alles Edle und Erhabene sich begeisternde deutsche akademische Jugend der Hauptstadt. Zahlreiche, mit glänzendem Erfolge stattgefundene Aufführungen der symphonischen Werke Bruckner's befestigten den Ruf des großen Tondichters und vermehrten die rasch wachsende Zahl seinber Anhänger. Um die Veröffentlichung, Erstaufführung und um die eingehende kritische Würdigung der Bruckner'schen Tonwerke haben sich vornehmlich Herbeck, Richter, Franz und Josef Schalk, Professor Löwe, Dr. Theod. Helm, Göllerich, Cam. Horn, Stradal u. A. verdient gemacht. – Der Grazer Wagner=Verein veranstaltete am vorgestrigen Abend eine würdige Gedenkfeier aus Anlaß des kürzlich erfolgten Ablebens des großen Tondichters Anton Bruckner mit der Aufführung der ersten großen Messe in D-moll dieses Meisters. Diese Messe wurde 1864 in Linz zum erstenmal aufgeführt und der Componist stellte sich mit diesem Werke in die vorderste Reihe der hervorragendsten kirchlichen Tonsetzer. Um das Studium und um die erfolgreiche Aufführung des ebenso bedeutenden als schwierigen Tonwerkes haben sich in erster Linie Herr Siegmund von Hausegger, welcher die Clavierbegleitung in trefflicher Weise durchführte und der Dirigent der Messe, Herr Oskar Noë, verdient gemacht. Ein zahlreicher, aus Mitgliedern der Kraemer=Widl'schen Gesangsschule und aus geladenen Gästen bestehender Chor betheiligte sich mit entsprechender Wirkung an der Aufführung der Messe. Die Soli wurden von den Damen Gerbitz und Pollegeg Herrn Copony und einem Vertreter der Baßpartie mit günstigstem Erfolge gesungen. Die einzelnen Theile der Messe übten einen erhebenden, mächtigen und tiefgehenden Eindruck aus, welcher sich bei Besetzung mit vollem Orchester in einem größeren Raume voraussichtlich in erheblicher Weise steigern dürfte. Der Chor erhebt sich stellenweise zu wahrhaft packender dramatischer Wirkung. Die Factur des Werkes zeigt durchgehends den bedeutenden Meister.             F. P." (*).

Der Alpen-Bote Nr. 103/104 bringt auf S. 6 den Aufruf zu Spenden für das Bruckner-Denkmal [identisch mit 29.11.1896] und veröffentlicht die zweite Liste der bisherigen Spender.
"                              Aufruf
zur Ehrung des Andenkens an Dr. Anton Bruckner in Stadt Steyr.

     Das Hinscheiden des großen Symphonikers Dr. Anton Bruckner hat in der ganzen musikalischen Welt die innigste Theilnahme hervorgerufen, denn mit ihm ist ein Tondichter dahingegangen, der zu den bedeutenden Componisten der Gegenwart zählt. – Bruckner war bekanntlich ein geborner Oberösterreicher und der große Meister weilte mit besonderer Vorliebe in der Stadt Steyr, wo er im Stadtpfarrhofe alljährlich Sommeraufenthalt nahm und dortselbst viele seiner unsterblichen Werke schuf.
     Geleitet von dem Bestreben nun, das Andenken an Dr. Bruckner und an seinen Aufenthalt in Steyr dauernd und würdig zu ehren, hegt man die Absicht, dem großen Todten ein Denkmal in dieser Stadt zu errichten, und man glaubt dies am besten zu erreichen durch Schaffung eines Votivfensters in der Stadtpfarrkirche in der Nähe des Chores, woselbst der Verewigte durch sein meisterhaftes Spiel so oft die Andächtigen erhob.
     Sollte die zur Herstellung eines solchen Votivfensters nöthige Summe, welche sich auf circa 6000 fl. stellen dürfte, nicht aufgebracht werden können, so würde eine andere Form des Denkmals gewählt werden.
     Zur Durchführung dieser Idee ist das unterzeichnete Comité zusammengetreten und erlaubt sich, zur Aufbringung der Kosten eine Sammlung einzuleiten und alle Verehrer des verblichenen Meisters, insbesondere die musikalischen Vereine zu bitten, sich mit einem entsprechenden Beitrage gütigst betheiligen zu wollen.
     Spenden nimmt Herr Franz Bayer, Regenschori und Chormeister des Männergesangvereines "Kränzchen", sowie die Administrationen der hiesigen Localblätter entgegen, welche die Namen der Spender veröffentlichen werden.
              Steyr, im November 1896.
     Johann Redl | Bürgermeister | Obmann.
     Joh. Ev. Strobl | geistlicher Rath und Stadtpfarrer | Obmann=Stellvertreter.  ||   Franz Tomitz |  Gemeinderath.
      Dr. Franz Angermann | Vorstand der "Steyrer Liedertafel".  ||   Dr. Hermann Spaengler | Vorstand des Männer=Gesang=Vereines "Kränzchen".
     Josef Tobisch | Chormeister der "Steyrer Liedertafel".  ||   Franz Bayer | Chorregent und Chormeister des Männer=Gesang=Vereines "Kränzchen" | Cassier.
     Eduard Werndl | Vorstand der "Gesellschaft d. Musikfreunde"   ||   Hermann Bachtrog | Secretär der "Gesellschaft der Musikfreunde" | Schriftführer."
    ___________________

                  II. Ausweis
über die für das Bruckner=Denkmal in Steyr subscribierten Beträge, und zwar von P.T.:
     P. T. Jesuiten=Collegium in Linz 3 fl.   Ignaz Bauer, Probst in Mattighofen 3 fl.   Liedertafel St. Florian 5 fl.   Männergesangverein Schwertberg 6 fl.   Ludwig Pauli, k. k. Bezirksrichter in Gmunden 1 fl.   Franz Oberleitner, Pfarrer in Ort 3 fl.   Eustachius Blümelhuber, Cooperator in Taufkirchen 3 fl.   M. Gusenleitner, Pfarrer in Ohlstorf 1 fl.    P. Anselm Schmid, Kreisdechant in Admont 1 fl.   Sparcasse Grünburg 5 fl.   Stift Wilhering 10 fl.   Männer=Gesangverein Gmunden 15 fl.   Josef Duffek, Oberwerkmeister, Steyr 5 fl.   Ernest Klinger, Pfarrer in Taufkirchen a. d. Trattnach 3 fl.   Karl Waldek [sic], Domkapellmeister in Linz 3 fl.   Josef Wintersberger, Pfarrer in Neustift 5 fl.   Eduard Schließleder, Cooperator in Neustift 2 fl.   Franz Reiter, Schulleiter in Neustift 1 fl.   Josef Kaiserlehner, Unterlehrer in Neustift 50 kr.   Johann Strobl, Stadtpfarrer in Steyr 25 fl.   Durch denselben: J. H. in Steyr 2 fl.   Otto Pettenkofer jun. 1 fl.   Männer=Gesangverein Goisern "als kleines Schärflein für den großen Meister" 15 fl.   Summe 118 fl. 50 kr.   Summe des I. Ausweises 162 fl. 80 kr.   Gesammtsumme 281 fl. 30 kr.
               Steyr,
am 18. December 1896.
                                 Für das Comité:
               
     Der Cassier: Franz Bayer, regens chori." (**).

Ankündigung eines »Tantum ergo« in D-Dur [WAB 42] für den 25.12.1896 im Deutschen Volksblatt Nr. 2866 auf S. 3 des Abendblatts:
"     In der Pfarrkirche zu St. Othmar Unter den Weißgärbern bringt der Kirchenmusikverein unter der Leitung des städtischen Chordirectors F. J. Bigler zur Aufführung: Um 6 Uhr Früh zur Mette: [...]. Um 10 Uhr zum feierlichen Hochamte: Tantum ergo in D von Anton Bruckner (comp. 1846), Mariazeller Messe in C von Josef Haydn [... Michael Haydn, A. Diabelli; Solisten: Anna Babka, Mizzi Kammler, Johann Pavlovsky, Anton Schreyer ...]." (***).

In der Salzburger Chronik für Stadt und Land Nr. 294 erscheint eine mit »H. S.« signierte Kritik des Konzerts [vom 16.12.1896] mit dem 2. Satz der 3. Symphonie:
"Drittes Abonnements-Konzert des " Mozarteums" im Kurhause.
     Wohl nicht schöner und in nicht kunstwürdigerer Weise konnte am Mittwoch den 16. d. M. das Konzert eröffnet werden, als durch [... Mozarts 25. Klavierkonzert mit Josef Pembaur jun. (ausführliche Besprechung) ...].
    [...] Als 2. Nummer folgte zur Erinnerung an den am 11. Oktober d. J. verstorbenen Wiener Meister Anton Bruckner dessen zweiter Satz (Adagio) aus der III. Symphonie mit Orchester. Der schlichte frommgläubige Katholik Bruckner machte eben mit Titeln nicht viel Federlesens. Hatte sich vorhin Mozart in seiner Sonnenhöhe gezeigt, so galt es jetzt des großen Organisten Bruckner überströmendes Herz, kühne Gedanken und rasche That vorzuführen. Wahrhaftig in jedem Takte konnte ein Wagnerianer schwelgen und saugen. Bruckner, der die Register des großmächtigsten Instrumentes, das man Orchester heißt, wohl in farbenreicher Weise zu behandeln weiß, hat auf Wagnerischem Wege rüstig fortgebaut, aber auch ein neues Terrain gesucht und gewonnen, welches uns die nächste Zukunft in hellerem, schöneren Lichte zeigen wird, denn dann erst kommt das Genie zur vollen Anerkennung, wenn über seinem Grabe zollhoch das Gras gewachsen ist. Das Orchester war hier mit seinem Dirigenten Herrn Mozarteumsdirektor Hummel in seinem eigentlich Element und brachte die Töne und Harmonien, welche dem Innern des gottbegnadeten Komponisten ausströmten, in würdigster Weise zu Gehör.
     Als 3. Konzertnummer folgte zuerst [... Pembaur sen. und Liszt ... Lob für Pembaur jun. ...].
     Leider war die Zeit schon zu sehr vorgerückt.
     Dennoch mußten wir ausharren, weil die "Eroica" von Beethoven kam. [... alle zu sehr ermüdet ... "ne quid nimis" ...]
     So wirkte die Symphonie nicht in dem Maße, als wir erwartet hätten, abgesehen davon, daß einzelne Musiker auch nicht bügelfest waren.      H. S." (°).

Schreiben (Postkarte) von C. Freyer (Berliner Literarisches Auskunfts-Bureau) an Ignaz Bruckner:
Sendet Zeitungsausschnitte über Anton Bruckner. Er habe noch eine größere Anzahl solcher Artikel, die er gegen 6 fl schicken würde.
In einem separaten Umschlag mit dem Poststempel 24.12.1896 befinden sich sieben Zeitungsausschnitte:
Breslauer Morgenzeitung vom 14.10.1896,
Berliner Tageblatt vom 15.10.1896 (Gustav Bock: "Erinnerungen an den ersten Aufenthalt Anton Bruckners in Berlin", dazu eine Kurznotiz über Bruckners Leichenbegängnis),
Neue Zürcher Zeitung vom 15. Oktober 1896 (Nachruf in den "Kleinen Mitteilungen"),
Münchner Post vom 16.10.1896 (mit "L-e." signierter Nachruf in der "Kleinen Chronik"),
Berliner Börsen-Courier vom 22.10.1896 ("Aus Anton Bruckner's Testament"),
Die Gegenwart vom 31.10.1896 (Hedwig Abel "Anton Bruckner") und
Sonntagsblatt der New-Yorker Staats-Zeitung vom 1.11.1896 (Bernhard Ziehn "Dem Andenken Anton Bruckners") (°°).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189612245, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189612245
letzte Änderung: Feb 25, 2024, 16:16