zurück 12.10.1896, Montag ID: 189610125

Übersicht:
A. Geschehenes (Ereignisse)
B. Geschriebenes (Briefe, Dokumente)
C. Gedrucktes (Zeitungsartikel in alphabetischer Reihung)
 
A. Geschehenes (Ereignisse)

Dr. Heller beobachtete, dass sich » Befugte und Unbefugte wie die Geier « auf Bruckners Nachlaß stürzen. Dr. Reisch als Testamentsvollstrecker ordnet die Sicherstellung der nachgelassenen Manuskripte an.
Bis zum Eintreffen von Ignaz Bruckner [*a, Anm.] nimmt Meißner die Kondolenzen (u. a. kommt Dr. Weißmayr) entgegen (*).

(**) Bruckners Geschwister veranlassen den Druck einer Todesanzeige.
   » + 
   Vom tiefsten Schmerz gebeugt, geben die Unterzeichneten Nachricht von dem Hinscheiden ihres innigstgeliebten, unvergeßlichen Bruders, der Herrn 
    Prof. Anton Bruckner 
    Ehren=Doktor der Philosophie der k.k. Universität in Wien, Ritter des Franz Josef=Ordens, k.k. Hoforganist, Mitglied der kuk Hofmusik=Capelle, Lektor für Harmonielehre und Kontrapunkt an der Universität Wien, Ehrenbürger von Ansfelden und Linz etc.
   welcher Sonntag den 11. Oktober 1896, um 1/2 4 Uhr Nachmittags, nach langem schmerzvollen Leiden und Empfang der heiligen Sterbe=Sacramente im 73 . Lebensjahre selig in dem Herrn entschlafen ist.
   Die irdische Hülle des uns theueren Verblichenen wird Mittwoch den 14. d. M., um 3 Uhr Nachmittags, vom Trauerhause: III. Bezirk, Heugasse Nr. 3, oberes Belvedere, in die Pfarrkirche zu St. Carl Borromäus überführt, daselbst feierlich eingesegnet, woraufhin die Beisetzung in der Stiftskirche zu St. Florian in Oberösterreich nach nochmaliger feierlicher Einsetzung und Requiem erfolgt.
   Die heiligen Seelenmessen werden Donnerstag den 15. d. M., um 10 Uhr Vormittags, in obgenannter Pfarrkirche sowie in mehreren anderen Kirchen gelesen.
Wien, den 12. Oktober 1896.
Rosalie Huber, geb. Bruckner
als Schwester.
Ignatz Bruckner
als Bruder.
Entreprise des pompes funèbres, Wien.
CH. Reisser & M. Werthner.
« (**).

Der Partezettel wird u. a. an die Stadt Wien und in St. Florian an Dechant Breselmayr, Bernhard Deubler und Ferdinand Moser (**a) verschickt.

Bei der Direktionssitzung der Gesellschaft der Musikfreunde spricht Baron Bezecny einige Gedenkworte (***).

B. Geschriebenes

Schreiben der Schloßinspektion Belvedere an das Obersthofmeisteramt:
      Meldet den Tod Bruckners gestern um 1/2 4 Uhr. Unterschrift Eduard Henrichs. Rückseitiger Sichtvermerk des Beamten Carl Bayer (br1).

Ähnliches Schreiben an das Obersthofmarschallamt (br2).

Brief Hugo Wolfs an Dr. Potpeschnigg:
      Die Leute hatten heute noch keine Ahnung von Bruckners Bedeutung (br3).

Brief von Hanslick an Heuberger (Korrespondenzkarte):
      Er solle seinen Bruckner-Aufsatz unabhängig vom Begräbnis und ohne Rückfrage bei Hanslick veröffentlichen (br4).

[ca. 12.10.] Eingabe von Dr. Reisch an die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land wegen der »Überführung der Leiche Bruckners nach St. Florian« (br5).

Telegramm von Dr. Theodor Reisch an Propst Ferdinand Moser in St. Florian:
     Nachricht vom Tod Bruckners. Laut letztem Willen Beisetzung in der Stiftskirche. Bitte um telegraphische Antwort, ob am Mittwoch [14.10.1896] die Überführung stattfinden kann (br6).

Brief von Theodor Reisch an Propst Ferdinand Moser:
     Ausführlicher zum Inhalt des Telegramms vom Vormittag. Heute nachmittag werde Prof. Paltauf den Leichnam injizieren (br7).

Dokument des Schubertbundes (Vordruck mit - kursiv -handschriftlichen Einträgen):
"Todes-Anzeige. | Der M.-G.-V. "Schubertbund" hat durch das Ableben seines Ehren- Mitgliedes, des Herrn Dr. Anton Bruckner, Tonkünstlers in Wien einen schmerzlichen Verlust erlitten . _ _ _ _ ?), am Unterrand nachgetragen] dem Dahingeschiedenen mit einem Liedergrusse die letzten Sangestreue erweisen wollen. Schwarze Kleidung Zylinder| Eine Probe des zu singenden Trauerchores findet nicht statt. | WIEN, am 10.12.96. Der Sangrath des Schubertbundes.“ (br8).

 

C. Gedrucktes
Todesmeldungen, Nachrufe etc. in:

Arbeiter-Zeitung Nr. 281 auf S. 2 [Josef Scheu?]:
„ * Anton Bruckner gestorben.Gestern Nachmittags um halb 4 Uhr ist nach langem und schwerem Leiden der große Musiker und Komponist Anton Bruckner in seinem Heim im Belvedere gestorben. Brucknerkrieg wurde am 4. September 1824 in Ansfelden in Oberösterreich geboren. Im Stift St. Florian erhielt er seinen ersten Unterricht im Klavier-, Violin- und Orgelspiel; Als Schulgehilfe bildete er sich im Orgelspiel zur Meisterschaft aus und errang hierin als bald seinen Ruf als größten Meister der Gegenwart. Seine Bedeutung als Komponist wurde erst in neuester Zeit erkannt; Lange Zeit waren seine sieben großartigen Symphonien und sonstigen Werke so gut wie unbekannt. Erst das immer mehr um sich greifende Verständnis für die Kunstrichtung Richard Wagners bahnte auch Bruckner und seine Musik die Wege.“ [keine Signatur] (za1).

Einen ausführlichen Nachruf bringt die Allgemeine Zeitung München Nr. 282 auf S. 2:
"      * Wien, 12. Oct. Tel. Der Componist Anton Bruckner ist gestorben. (Bruckner war in letzter Zeit mehrmals schwer erkrankt. Seine gute Natur riß ihn aber immer wieder heraus. Er war geboren am 4. September 1824 zu Ansfelden (Oberösterreich) als Sohn eines Dorfschullehrers, von dem er den ersten Musikunterricht erhielt. Nach des Vaters frühem Tode wurde er als Sängerknabe in das Stift St. Florian aufgenommen. Unter außerordentlich dürftigen Verhältnissen als Schulgehilfe in Windhag bei Freistadt und später als Lehrer und provisorischer Stiftsorganist in St. Florian bildete sich Bruckner zu einem ausgezeichneten Contrapunktiker und vorzüglichen Organisten aus, so daß er 1855 bei der Concurrenz um die Domorganistenstelle in Linz glänzend siegte. Wie schon von St. Florian aus, reiste Bruckner von Linz aus wiederholt nach Wien, um bei Sechter weitere Ausbildung im Contrapunkt zu suchen; von 1861 bis 1863 studirte er sodann noch Composition bei Otto Kitzler. Auf Herbecks Veranlassung wurde Bruckner nach Sechters Tod an dessen Stelle als Hofcapellorganist und zugleich als Professor für Orgelspiel, Contrapunkt und Composition am Conservatorium nach Wien berufen, mit welchen Functionen er 1875 noch die eines Lectors für Musik an der Universität verband. 1891 ernannte ihn die Wiener Universität zum Dr. phil. hon. c. Bruckner schrieb sieben Symphonien, von denen die 2. (C-moll) 1876 und die 3. (D-moll) 1877 in Wien aufgeführt wurden, doch ohne besonderen Erfolg zu machen. Die dritte erschien im Druck. Erst durch die 7. (E-dur), die mit großem Reclame=Aufwand in die Welt eingeführt wurde, kam der Name Bruckners in Aller Mund (1885; gedruckt), wenn auch seine Musik nirgends ungetheilte Anerkennung gefunden hat. Bruckners Eigenart war eine frappante, oft genug sprunghafte harmonische Vielgestaltigkeit, welche sich aus seiner Tendenz, Wagners Bühnenstil auf die absolute Musik zu übertragen, erklärt; derselben Quelle entspringt seine glänzende Instrumentirung. Dabei war aber Bruckner ein Meister des Contrapunktes, der Hochachtung abnöthigt, so daß man nur bedauern muß, daß seine Entwicklungen nicht einheitlicher, stetiger, logischer sind. – Den obengenannten Werken haben wir noch vervollständigend hinzuzufügen ein großes Tedeum, ein Streichquintett, ein Männerchorwerk „Germanenzug“, einige Gradualien und Offertorien, sowie im Manuscript außer den Symphonien drei große Messen und größere und kleiner Männerchorwerke.)“ (za2).

Eine Kurzmeldung erscheint in der Alexandria Gazette Nr. 244 (Virginia/USA) auf S. 2 in der 6. Spalte:
„                 Foreign News.
     WIEN, 12. Okt. – Herr Bruckner, der gefeierte Musikkomponist, ist tot.“ (za3).

Datierung einer Todesmeldung » Wien , 12. Oktober, 10 Uhr Vorm. ( Telegr . unsere s na. = Correspondente n.)« in einer Berliner Zeitung [vom 13.10.1896?] (zb1).

Kurze Meldung zu Bruckners Tod im Boston Globe Nr. 104 auf S. 1 in der 2. Spalte:
„          Komponist Bruckner tot.
     WIEN, 12. Okt. – Herr Bruckner, der gefeierte Musikkomponist, ist tot.“ (zb2),

in The Brooklyn Citizen Nr. 103 (4-Uhr-Ausgabe) auf S. 2 in der 3. Spalte:
„          Herr Bruckner tot.
     WIEN, 12. Okt. – Herr Bruckner, der berühmte Musikkomponist, ist tot.“ (zb3)

und in The Buffalo Enquirer Nr. 141 auf S. 1 in der 6. Spalte:
„           GEFEIERTER KOMPONIST TOT.
     Wien, 12. Okt. – Herr Bruckner, der gefeierte Komponist der Musik, ist tot.“ (zb4).

Deutsches Volksblatt Nr. 2793 (Abendausgabe) auf S. 1 - 4 Feuilleton von Camillo Horn:
»          Anton Bruckner †.
     „Stumm schläft der Sänger, dessen Ohr Gelauschet hat an and'rer Welten Thor. Ein naher Waldstrom brauste seinen Gesang Und säuselt auch, wie ferne Quellen Klang.“ Dieses bekannte schöne Lied, seit Jahren meiner Erinnerung völlig entschwunden, taucht plötzlich vor mir auf, als die tieferschütternde Kunde von dem Hinscheiden Bruckner's erscholl. [... Bruckners Bedeutung, Stilistik, Werke, Orgelspiel (Horn war Ohrenzeuge), Orgel- und Theorielehrer, Religiosität, Bescheidenheit, Kathi Kachelmayr, Originalität, Biographie und Werkgeschichte (ausführlich) ...]. Unerbitterlich raffte der Tod ein Menschenleben dahin, das sich ganz aus sich selbst durch Nacht zum Licht, aus den ärmlichsten Verhältnissen, aus bitterster Noth zu höchstem Rang, zu den Gipfeln der Kunst emporzuringen musstete, gehoben durch das Festhalten an seiner idealen Anschauung, geführt durch die dem Genius innewohnende sieghafte Kraft, gestärkt durch des Glaubens heilige Weihe. Camillo Horn.« (zd1),
auf Seite 5 ein Bericht über Bruckners Tod:
„                     Anton Bruckner †.
     In derselben Zeit, als sich in der inneren Stadt in und um die Stadtpfarrkirche von St. Peter Tausende versammelt hatten, um dem Leichenbegängnisse Dr. Albert Wiesingers beizuwohnen, verlor Wien und die gesammte Kunstwelt eine Zierde allerersten Ranges, den großen Tondichter Professor Doktor Anton Bruckner. [... Ereignisse 11.10.1896, Kathi Kachelmayr, Ludowika Kutschera, Heribert Witsch, Anton Meißner ...]
     [... Herzleiden, Asthma, 9. Symphonie, Dr. Sorger (recte Sorgo)...]. Meister Bruckners Bruder und Schwester, die in Oberösterreich leben, und der von dem Todten bestimmte Testamentsvollstrecker Gemeinderath und Hof- und Gerichtsanwalt Dr. Reisch wurden sofort in Kenntnis gesetzt. Alsbald fand sich die ersten Leidtragenden ein: Schloß-Inspektor Heinrich [Henrich], der Obmann des Richard Wagner-Vereines, Dr. Schaumann, der Testamentsvollstrecker Dr. Reisch, der Pianist August Stradal. Anton Meißner und Frau Kachelin [sic] empfingen die Trauergäste. Das Leichenbegängnis dürfte am Mittwoch stattfinden. Die Leiche wird hier eingesegnet und in das Stift St. Florian in Oberösterreich gebracht, wo sie in der Stiftskirche beigesetzt wird. Die Leichenfeier wird sich ungemein imposant gestalten.
     Sein letztes großes Werk, an dem Bruckner bis zum Tode arbeitete, die neunte Symphonie, ist bis zum letzten Satz gediehen. In Vorahnung dessen, dass der Tod ihm möglicherweise die Feder aus der Feder nehmen könnte, hatte der Altmeister bestimmt, dass für den Fall, als der letzte Satz unvollendet bleiben sollte, sein Te Deum den Schluss des großen Werkes bilden möge.“ [ keine Unterschrift ] (zd1a).

Deutsche Zeitung Nr. 8903, Abendausgabe S. 1f:
„           Dr. Anton Bruckner †.
     Gestern hat Deutschland einen seiner größten Musiker verloren.
[ab hier ist der Text größtenteils identisch mit dem vom Deutschen Volksblatt ]
     Wiewohl Bruckner in den letzten Monaten oft und viel zu leiden, ist sein Tod sanft und schmerzlos eingetreten, er kam plötzlich über ihn, bald, nachdem er noch an seinem letzten großen Werke, der neunten Symphonie, gearbeitet hatte. [... zur Krankengeschichte, über die letzten Stunden und die Ereignisse nach dem Tod: um 12.30 Uhr Besuch von Dr. Sorger [recte: Sorgo] (rät vom Spaziergang ab), anwesend sind Kathi Kachelin [sic], deren Tochter und Anton Meißner ...].
     [... 15:15 Wunsch nach Tee, 15:30 getrunken und verstorben ...].
     [... Sofortige Verständigung von P. Heribert Witsch (betet mit Meißner ein "de profundis") ...]. Meister Bruckners Bruder und Schwester, die in Oberösterreich leben, und der von dem Todten bestimmte Testamentsvollstrecker, Gemeinderath und Hof- und Gerichtsanwalt Dr. Reisch wurden sofort in Kenntniß gesetzt.
     Alsbald fand sich die ersten Leidtragenden ein: Schloß-Inspektor Heinric h [Henrich], des [sic] Obmann des Richard Wagner = Vereines Dr. Schaumann , der Testamentsvollstrecker Dr. Reisch , der Pianist August Stradal. Anton Meißner und Frau Kachelin [sic] empfingen die Trauergäste. Das Leichenbegängniß dürfte Mittwoch stattfinden. Die Leiche wird hier eingesegnet und in das Stift St. Florian in Oberösterreich gebracht, wo sie in der Stiftskirche beigesetzt wird. Die Leichenfeier wird sich ungemein imposant gestalten.
     Sein letztes großes Werk, an dem Bruckner bis zum Tode arbeitete, die neunte Symphonie, ist bis zum letzten Satz gediehen. In Vorahnung dessen, dass der Tod ihm möglicherweise die Feder aus der Feder nehmen könnte, hatte der Altmeister bestimmt, dass für den Fall, als der letzte Satz unvollendet bleiben sollte, sein Te Deum den Schluss des großen Werkes bilden möge.
[Text ab hier nicht mehr identisch mit dem Deutschen Volksblatt]
     Bruckner stand im 73. Lebensjahr. Heute ist sein Name weltbekannt, aber lange Jahre hatte es gebraucht, bis der einstige Organist an eine Stelle gerufen wurde, die seinem Geist entsprach. [... seit 1867 [sic] an Konservatorium und Universität, Symphonien, Te deum, Messe in F und A [sic], Chorwerke, Quintett, viele Verehrer, aber auch viele Gegner, Protektion Hans Richters, 1890 [sic] Ehrendoktor, Unterstützung durch WAWV, Josef Schalk und Ferdinand Löwe ...].“ (zd2).
[Der Text, der über große Strecken mit dem des Deutschen Volksblatts wörtlich übereinstimmt, stammt vermutlich von einem externen Autor und nicht von Theodor Helm, dem die zahlreichen Ungenauigkeiten und Fehler nicht unterlaufen wären.]

Kurzmeldung im Dayton Herald Nr. 141 auf S. 1:
„HERR BRÜCKNER, der berühmte Musikkomponist, ist tot.“ (zd3).

Die Elmira Gazette Nr. 143 ( Star-Gazette ) auf S. 1:
„          HERR BRUCKNER TOT.
     Wien, 12. Okt. – Herr Bruckner, der berühmte Komponist der Musik, ist tot.“ (ze1).

Fremdenblatt Nr. 281 auf S. 5f:
„        Dr. Anton Bruckner †.
 
    Die Tonkunst hat einen schweren Verlust zu beklagen. Dr. Anton Bruckner, der geniale Komponist und Meister des Orgelspieles, ist gestern Nachmittags hier gestorben. Im 73. Jahre seines erst spät von den Strahlen einer warmen Sonne beschienenen, an Arbeit und Sorgen so reichen Lebens wurde er uns entrissen.
     Anton Bruckner wurde am 4. September 1824 in dem Flecken Ansfelden in Oberösterreich als Sohn armer Eltern geboren. In frühester Kindheit als Sängerknabe in das Stift St. Florian aufgenommen, erhielt er dort den ersten musikalischen Unterricht, der sich auf die Pflege des Klavier=, Violin= und Orgelspiels ersteckte [sic]. Zum Jüngling herangewachsen, wurde er Schulgehilfe in einer Landschule; er bezog als solcher einen monatlichen Gehalt von 2 fl. Um sich vor Hunger zu schützen, spielte er auf Bauernhochzeiten und Kirchtagen um einen Zwanziger eine ganze Nacht zum Tanze auf. Diese harte Zeit fand ihr Ende, als Bruckner als Domorganist nach Linz berufen wurde. Wie glücklich fühlte er sich, nunmehr wenigstens vor Nahrungssorgen geschützt zu sein; nun konnte er sich wenigstens mit Muße seinen kontrapunktischen Studien hingeben, denen er mit dem ganzen Eifer seines künstlerischen Strebens oblag. Um die Unterweisung Simon Sechters genießen zu können, dieses strengsten Theoretikers des Kontrapunkt, lebte Bruckner längere Zeit hindurch sozusagen zwischen Linz und Wien. Besonders zu Ostern und Weihnachten weilte er stets hier, um bei Sechter kompositorisch zu arbeiten. Nach einigen Jahren schweren Studiums, das ihm den Schlaf vieler Nächte geraubt hatte, machte sich Bruckner daran, am Wiener Konservatorium die Maturitätsprüfung im Kontrapunkt abzulegen. In der Biographie seines Vaters theilt Ludwig Herbeck die näheren Umstände dieser Prüfung folgendermaßen mit: „Die Prüfungskommission bestand aus seinem Lehrer Sechter, aus Hellmesberger, Otto Dessoff und Johann Herbeck. Man kam sofort davon ab, an Bruckner theoretische Fragen zu stellen; als Künstler sollte er beweisen, was er konnte. Sich für Klavier oder Orgel zu entscheiden, stellte man dem Kandidaten frei. Bruckner entschied sich für sein Lieblingsinstrument die Orgel. Man traf sich in der Piaristenkirche in der Josefstadt, wo eine gute Orgel steht. Sechter wurde aufgefordert, ein Fugenthema niederzuschreiben. Es waren vier Takte. Darauf ersuchte Herbeck seinen Kollegen Dessoff, das Thema zu verlängern; auf die Weigerung Dessoff’s  nahm Herbeck die Verlängerung auf acht Takte selbst vor. „Sie Grausamer!“ rief ihm Dessoff zu. Bruckner besah sich das Thema, zögerte eine Weile, fing aber dann zu präludiren an und ließ eine so genial durchgeführte Fuge folgen, daß die Herren der Prüfungskommission erstaunt und entzückt waren. „Er hätte uns prüfen sollen,“ hörten wir Herbeck sagen.“
     Herbeck ließ nun den begabten Landsmann nicht mehr aus den Augen. Seinen Bemühungen ist es zu danken, daß Bruckner für das Wiener Konservatorium und für die Wiener Hofkapelle gewonnen wurde. Anton Bruckner machte seinem Freunde Herbeck viel zu schaffen, bevor er endlich in Wien eintraf. „Meine Landsleute stoßen mich zurück, ich will aus der Welt hinaus,“ schrieb er ihm; nein, schrieb ihm Herbeck zurück, Sie müssen nicht aus der Welt hinaus, „Sie müssen erst in die Welt hinein!“ So lange Herbeck lebte, hat Bruckner einen starken Rückhalt an ihm gehabt, Herbeck hielt die größten Stücke auf Bruckner’s Kompositionstalent. Nach einer Probe von Bruckner’s C-moll-Symphonie sagte er zu dem Komponisten: "Noch habe ich Ihnen keine Komplimente gemacht, aber ich sage Ihnen, wenn Brahms im Stande wäre, eine solche Symphonie zu schreiben, dann würde der Saal demolirt vor Applaus". Von Bruckner’s vierter („romantischer“) Symphonie äußert Herbeck: „Die könnte Schubert geschrieben haben; wer so etwas schaffen kann, vor dem muß man Respekt haben.“
     Die Bedeutung Bruckner’s als Komponist errang sich im Laufe der Jahre immer mehr Geltung. Im Jahre 1891 ernannte ihn die Wiener Universität zum Ehrendoktor. Seit dem Jahre 1867 [sic] wirkte er als Hoforganist. Am Konservatorium lehrte er Orgel, Harmonielehre und Kontrapunkt. Im Jahre 1894 feierte Wiens musikalische Welt den siebzigsten Geburtstag Bruckner’s; die studirende Jugend der Universität schloß sich dieser Feier an und veranstaltete einen Kommers [recte 1891] zu Ehren des Meisters, der von dieser Ovation so gerührt war, daß er kaum danken konnte.
     Bruckner war Zeit seines Lebens von einer Bescheidenheit des Auftretens – wenn man von einem solchen überhaupt sprechen kann – die nur von seiner Anspruchslosigkeit, was die Annehmlichkeiten des Lebens anbelangt, übertroffen wurde. Erst in den letzten Jahren hatte der einsame alte Mann wenigstens ein behagliches Heim. Dieses hatte Bruckner seiner hohen Gönnerin, Ihrer k. und k. Hoheit der Frau Erzherzogin Marie Valerie, zu verdanken, welche – wie Dr. Bruckner mit Stolz und Dankbarkeit erzählte – seinerzeit aus Wels in einem Schreiben ihren kaiserlichen Vater bat, dem Meister Bruckner eine Wohnung zu gewähren. Diese Bitte der hochherzigen Frau war bald erfüllt.
     Einer der größten Genießer von Bruckner’s Orgelspiel war Bischof Rudigier von Linz. Gar oft mußte Bruckner plötzlich nach Linz fahren, weil der musikfreudige Kirchenfürst sich nach dieser klingenden Andachtsübung sehnte. Er ließ sich von Bruckner erheben und erschüttern, eas [sic] war für ihn eine Herzenskur. Und eines Tages – so erzählten damals die Musiker – als Bruckner ihn wieder „geheilt“ hatte, wie David’s Harfe den König Saul, und der Meister wieder nach Wien zurück mußte, da führte ihn der Bischof an eine Stelle der Domkirche und sagte: „Lieber Bruckner, Sie haben mir wieder, wie schon so oft, sehr wohl gethan, aber auch ich habe an Sie gedacht. Womit könnte ich Ihnen meinen Dank besser abtragen? Hier dieses Plätzchen in heiligem Boden gehört Ihnen; ich habe es Ihnen als Grabstätte gewidmet.“ In frommer Rührung dankte der Künstler, der die Meinung des Bischofs wohl verstand. Nun wird er wohl Gebrauch machen von der kühlen Gabe  .  .  .
               *       *       *
     Bruckner litt seit Langem an einem Herzleiden. Schon zur Zeit, als er noch seine frühere Wohnung in der Heßgasse Nr. 7 innehatte – vor eineinhalb Jahren – waren nach dem Ausspruch der Aerzte seine Tage gezählt. Wie erwähnt, erhielt Bruckner durch die Munifizenz des Kaisers eine Wohnung im sogenannten Custodentrakt im oberen Belvedere zugewiesen. Dorthin übersiedelte er mit seiner Wirthschafterin Katharina Kachelin, die seit 25 Jahren den bescheidenen Haushalt des alten Herrn leitete und ihm in den Tagen seiner Krankheit eine treue Pflegerin war. Bruckner fühlte sich in der neuen Wohnung ungemein wohl, sie lag abseits von dem Straßenlärm umgeben von dem Grün des Parkes. Oft äußerte Bruckner, die Wohnung gefalle ihm so gut, daß er in ihr seine Lebenstage zu beschließen wünsche. In den Morgenstunden, wenn die Alleen des Belvederes noch wenig belebt sind, unternahm er beinahe täglich bei schönem Wetter Spaziergänge. Dem Stammpublikum des Belvederes war Bruckner in seinem schwarzen, bis hinauf zugeknöpften Ueberrock, dem weichen schwarzen Hute und dem knotigen Stock, auf welchen er sich stützte, gar wohlbekannt.
     Der Tod Bruckner’s trat gestern Nachmittags um halb 4 Uhr ein. In den letzten Stunden hatte sich zu dem Herzleiden noch die Wassersucht gesellt. Die Krankheit Bruckner’s hatte einen wechselvollen Verlauf genommen. Oft mußte Bruckner wochenlang das Bett hüten, und mehrmals hatten die Aerzte jede Hoffnung aufgegeben. Bald besserte sich sein Zustand wieder, so daß er das Bett und sein Zimmer verlassen und sich ins freie begeben konnte, wo er oft mehrere Stunden, auf einer Bank sitzend, zubrachte. In der letzten Zeit  fühlte sich Bruckner bedeutend besser. Gestern Mittags unternahm er in Begleitung seiner Wirthschafterin einen längeren Spaziergang im Parke und kehrte dann wieder in seine Wohnung zurück. Dort empfing er den Besuch seines Arztes Dr. Sorger und hierauf den seines langjährigen Freundes und Schülers Anton Meißner. Im Gespräche mit seinem Freunde vergingen die ersten Stunden des Nachmittags. Gegen halb 4 Uhr verlangte Bruckner eine Tasse Thee. Die Haushälterin ging, diesen zu bereiten und Meißner blieb bei dem alten Herrn, der aufrecht im Lehnstuhle saß, zurück. Als die Wirthschafterin den Thee brachte, nahm Meißner die Tasse und überreichte dieselbe dem vor ihm Sitzenden, der schon die Hände zum Empfange vorgestreckt hatte. Plötzlich ließ Bruckner die Hände sinken, lehnte den Kopf an die Rückwand des Sessels und hauchte nach wenigen Sekunden seinen Geist aus. So ohne jeden Todeskampf starb Bruckner, daß die beiden Anwesenden zuerst meinen, der alte Herr sei nur von einer plötzlichen Schwäche befallen und vom Schlafe übermannt worden. Der im Belvedere wohnhafte Hofkaplan Herbert Witsch verrichtete bei dem Todten die Sterbegebete. Bruckner war bis zu seiner Todesstunde geistig frisch und regsam. An allen künstlerischen und Tagesfragen nahm er regsten Antheil. Bis in die letzte Zeit arbeitete er in jenen Stunden, wo ihm sein Leiden weniger Beschwerden verursachte, an der Vollendung des vierten Satzes der neunten Symphonie, der bereits weit gediehen war. Der Verstorbene hinterließ ein Testament, in welchem er über seinen künstlerischen Nachlaß verfügte. In demselben äußert er auch den Wunsch, in St. Florian bei Steyr begraben zu werden.. Bruckner hat zwei Geschwister, einen Bruder, welcher in St. Florian ansässig ist, und eine Schwester, die in Vöcklabruck in Oberösterreich lebt.
     Das Leichenbegängniß findet Mittwoch Nachmittags am halb 4 Uhr statt, die Einsegnung erfolgt in der Kirche zu St. Karl, worauf die Leiche nach Sanct Florian überführt wird.“ (zf1).

Kurzmeldung in den Fall River Daily Evening News auf S. 1 in der 1. Spalte:
„               Nachruf.
     WIEN, 12. Okt. – Herr Bruckner, der gefeierte Musikkomponist, ist tot.“ (zf2)

und im Fall River Daily Globe Nr. 142 auf S. 7 in der 2. Spalte:
„KOMPONIST TOT.
     WIEN, 12. Okt. – Herr Bruckner, der berühmte Musikkomponist, ist tot.“ (zf3).

Grazer Tagespost  Nr. 282:
"     -r. Wien, 12. Oktober. Gestern Nachmittags ist im Schlosse Belvedere der berühmte Tondichter Anton Bruckner im 72. Lebensjahre gestorben. Bruckner war schon längere Zeit leidend und über Wunsch der Erzherzogin Marie Valerie wurde dem greisen Tonkünstler eine Wohnung im Belvedere ein, damit er dort leichter genese. Sein Zustand verschlimmerte sich jedoch immer mehr und gestern erlag er seinem Leiden. (zg1).

Harrisburg Daily Independent auf S. 1 in der 5. Spalte:
„               Ein Musikkomponist tot.
Von United Associated Press.
     Wien, 12. Okt. – Herr Bruckner, der berühmte Musikkomponist, ist tot.“ (zh1)

und Harrisburg Telegraph Nr. 245 auf S. 1 in der 7, Spalte:
„          Musikkomponist tot.
     Wien, 12. Okt. – Herr Bruckner, der gefeierte Musikkomponist, ist tot.“ (zh2).

Illustriertes Wiener Extrablatt Nr. 281, S. 3 (Theodor Vogl[?]) [die sachlichen Fehler sind nicht im einzelnen angezeigt!]:
"        Was gibt’s denn Neues?
             Anton Bruckner †
.
     
Im „Custodenstöckl“ des Belvedereparkes liegt ein Todter, Anton Bruckner hat er geheißen und ein Fürst im Reiche der Tonkunst ist er gewesen. Schon seit zwei Jahren glomm seine Lebenslämpchen spärlich, gestern ist es verlöscht. Nicht im furchtbarem [sic] Ringen mit dem Tode ist der Meister gesunken, er ist hinübergeschlummert in jenes Land, durch dessen Gefilde die ewigen Harmonien rauschen.
     Dreiundsiebzig Jahre hat Bruckner gelebt, und wenn auch nicht sämmtliche Darbietungen seines Genius in der Erinnerung der Nachwelt bleiben werden, so wird doch Vieles, was er geschaffen, für alle Zeiten einen Ehrenplatz finden in der Geschichte der Musik.
     Bruckner gehörte zu den originellsten Straßenfiguren Wiens. Wenn er in den hochgeschürzten schwarzen Hosen, welche die matten Röhrenstiefel sehen ließen, daherschritt, den Leib mit dem Schmerbauche von einem langen schwarzen Rock umflattert, in der Hand den Calabreser schwingend, um den massigen, wie eine Billardkugel schimmernden Schädel von der frischen Luft umfächeln zu lassen – dann blieben die Leute stehen und blickten dem immer eiligen alten Herrn nach, der gut gelaunt die ihm gewidmeten Grüße erwiderte. Er liebte es, mit persönlichen Bekannten an einer stillen Straßenecke ein Gespräch über Kunstfragen anzuknüpfen, und immer hörte man den Pulsschlag eines guten Herzens in den Urtheilen. Er war von großer Milde und Duldsamkeit, er, der oft Gegeißelte, kannte die Sucht nach Vergeltung nicht. Während ein Theil des Publicums den Meister übermäßig pries und fast Abgötterei mit ihm trieb, wurde er von anderer Seite auf das Heftigste angegriffen und seine Bedeutung arg herabgesetzt. Bruckner war eine geniale Natur, dem leider oft die Selbstkritik und die Kraft fehlte, die Eingebungen seiner überschwänglichen Phantasie zu controliren. Richard Wagner hatte es ihm angethan und dem Banne dieses Giganten vermochte er sich nicht immer zu entziehen. Wenn er aber frei die Schwingen entfaltete, wenn er sich löste vom Vorbildlichen, Bizarrerien abwies und dem reinen Schönen nachsttrebte in gewaltigem Fluge seiner Erfindungsgabe, dann gelang ihm Großartiges und er bereicherte die Musikliteratur mit unvergänglichen Werken. Zu diesen rechnen wir sein Streichquintett und seine siebente Symphonie. Diese imposante Dichtung enthält einen Trauermarsch. Die Philharmoniker haben auf ihrem kürzlich veröffentlichten Programme für diese Saison die Composition angesetzt und Bruckner freute sich dessen herzlich . . . er dachte wol nicht, daß dieser Trauermarsch einige Tage später über seiner Bahre erklingen werde.
     Der Schreiber dieser Zeilen genoß die Ehre der persönlichen Bekanntschaft mit dem Meister. Wiederholt erzählte Bruckner von seiner traurigen Jugendzeit in Ansfelden, wo sein Vater Schullehrer war. Dann kam er nach dem altberühmten Stifte St. Florian als Sängerknabe und erhielt später als 20jähriger Mann eine Stelle als Lehrergehilfe ebenfalls in einem Dorfe Oberösterreichs. Drei Gulden monatlich war das Salair. Doch Bruckner verbauerte [sic] nicht und verkümmerte nicht. Aus der Schule flüchtet er zu seinen Musikinstrumenten und aus dem Studium der alten Componisten sog er Lebenskraft, aus der Zwiesprache mit den Heroen der Musik schöpfte er mächtige Anregungen. So lernte er das Singen und Sagen, wurde ein tüchtiger Orgel=, Clavier= und Violinspieler, und als er mit Simon Sechter in Berührung kam, unterwies ihn dieser in der Compositonslehre.
     Die Dorfschule war längst verlassen, durch die Welt wanderte der Musiker, die Brust geschwellt von Entwürfen. Bruckner producirte sehr rasch und war nicht immer wählerisch, weßhalb seine Hervorbringungen nur getheiltem Interesse begegneten. Da wurde Herbeck auf ihn aufmerksam und – es ist dies nicht allgemein bekannt – Herbeck war es, der die erste Symphonie Bruckner’s aus dem Manuscripte dirigirte, dem musikalischen Wien zuerst die Bekanntschaft mit diesem Werke vermittelte. Nach Herbeck wurde der baierische Hofkapellmeister Lewi auf Bruckner aufmerksam. Es war nach einer Aufführung von Wagner’s „Die Meistersinger von Nürnberg“. Die Vorstellung im Münchener Hoftheater hatte bis halb 12 Uhr Nachts gedauert und das Publicum verließ das Haus. Lewi versuchte [sic] das Orchester, zurückzubleiben, und stellte Bruckner vor.
     „Meine Herren“ – sagte Lewi – „in diesem Hause haben wir schon oft vor dem Könige allein Meisterwerke gespielt. Gestatten Sie mir, Ihnen einen Fürsten im Reiche der Kunst vorzustellen, und ich bitte Sie, eine seiner Schöpfungen zu spielen.“
     Das Orchester erklärte sich sofort hiezu bereit und aus der mitternächtlichen Production drang die Botschaft der machtvollen Dichtung in alle Welt hinaus.
     Richard Wagner hielt große Stücke auf Bruckner und nahm die Widmung seiner dritten Symphonie an, während die vierte Symphonie, („Die Romantische“,) dem König Ludwig II. von Baiern zugeeignet ist.
     Nach einigen Concertreisen durch die ersten Städte des Continents erhielt Bruckner eine Berufung als Organist an die Wiener Hofkapelle. Herbeck verschaffte ihm diesen Posten und setzte dann durch, daß Bruckner auch eine Professur für Harmonielehre und Contrapunkt erhielt. Nun war der Meister an Wien gefesselt, seine Anstellungen gewährten ihm guten Lebensunterhalt und wenn bei Sanct Stephan sein unvergleichliches Orgelspiel erscholl, dann drängte sich das Publicum zu den Productionen, die köstliches Vergnügen, seltenen Genuß garantirten. Bei allen Hochzeiten im Hause Habsburg spielte Bruckner die Orgel – zuletzt in der Kirche zu Ischl bei der Vermälung [sic] der Frau Erzherzogin Marie Valerie.
     Und immer reichere Blüten trieb seine wunderbare Begabung, es entstanden zwei Messen und acht Symphonien, um deren Popularisirung Hof=Musikalienverleger Gutmann sich große Verdienste erworben hat. Die neunte Symphonie zu vollenden war Bruckner nicht mehr beschieden, es sind blos drei Sätze vorhanden – der letzte, vierte Satz sollte nach den Worten des Componisten „dem lieben Gott gewidmet“ sein.
      Im Jahre 1891 erfolgte die Ernennung Bruckner’s zum Ehrendoctor der Wiener Universität und der damalige Rector Hofrath Exner sprach folgende Worte bei Ueberreichung des Diploms: „Ich, der Rector magnificus der Wiener Universität, beuge mich vor dem ehemaligen Unterlehrer von Windhag.“
     Se. Majestär der Kaiser zeichnete den Tondichter durch Verleihung des Franz Joseph=Ordens aus und im vorigen Jahre überließ der Monarch dem Musiker das Custodenstöckl im Belvedere zum Aufenthalte.
     Dort ist Anton Bruckner gestern um halb 4 Uhr Nachmittags gestorben.
                       Die letzten Momente.
     
Noch am verflossenen Samstag spazierte der Meister ohne Stock im Belvedereparke in der Allee nächst dem „Stöckl“. Er ging zwar langsam, weil das Herzleiden und Asthma rasche Promenade verbot, doch trug er sich ziemlich aufrecht. Er kam bis zur dritten Bank in der Allee, seinem Lieblingsplätzchen, umrauscht von Bäumen, von welchen jetzt die Blätter niederrieseln. Das war sein Lieblingsplätzchen und heißt auch im Publicum das „Bruckner=Bankl“. Am Samstag Abends und gestern Früh spielte Bruckner Clavier – er benützte einen alten Bösendorfer – dann verlangte er von seiner treuen Pflegerin Frau Katharina Kachelmayer Thee und war guter Dinge. Um 3 Uhr Nachmittags äußerte Bruckner Kältegefühl, wurde zu Bett gebracht, wandte den Kopf zur Wand und entschlief.
     Dr. Weißmayer constatirte den Tod.
     Bruckner ist an einem Herzleiden gestorben, das Professor v. Schrötter, der zu den Verehrern des Meisters zählte, schon vor Jahren erkannte. Dieser Gelehrte widmete ihm auch sorgsame Pflege.
     Bruckner hat noch bis zuletzt componirt und immer beklagt, dass die Gicht in den Fingern ihn hindere, Orgel zu spielen. Wenn er nicht componirte, dann betete er.
                     Der letzte Wille.
     
Ein Testament befindet sich in den Händen des GR. Dr. Reisch. Bruckner hat zu Erben seines geringen Nachlasses die zwei Kinder seines Bruders eingesetzt und die Manuscripte seiner Compositionen der Hofbibliothek vermacht. Er verlangte, in der Stiftskirche zu St. Florian unter der großen Orgel begraben zu werden. Diesem Wunsche entsprechend, wird die Leiche am Mittwoch Nachmittags 3 Uhr in der Carlskirche eingesegnet und nach Oberösterreich überführt. Wahrscheinlich wird die Stadt Wien die Kosten tragen.
     Ehre dem Angedenken des genialen Meisters!“ [keine Signatur] 
(zi1).

Las Vegas Daily Optic Nr. 295 auf S. 1 in der 1. Spalte:
„          Komponist tot.
     WIEN, Österreich, 12. Oktober – Herr Bruckner, der gefeierte Musikkomponist, ist tot.“(zl1).

Leipziger Tageblatt Nr. 521 (Abendausgabe) auf S. 7485 (= 5):
„                    Musik.
[... 4 ausführliche Konzertbesprechungen ...].
     * Wien, 12. Oktober. Der Komponist Bruckner ist gestern Nachmittag gestorben.“ (zl2).

Montags-Revue Nr. 41 auf S. 6:
    Wien, 11. October,
[…]
      (Anton Bruckner †.) Heute Nachmittags ist hier hochbetagt der Componist Anton Bruckner, der schon seit Jahren schwer leidend war, gestorben. Bruckner war einer der bedeutendsten Componisten Oesterreichs und ein ausgezeichneter Orgelspieler; seine Symphonien und Messen, seine großen Chöre, seine berühmte Messe haben den Namen Bruckner weit über die Grenzen seines Vaterlandes bekanntgemacht. Bruckner war lange Jahre hiedurch an der Wiener Universität Lector für Harmonielehre und Contrapunkt und Professor am Conservatorium.“ (zm1).

Montags-Revue aus Böhmen Nr. 41 auf S. 3:
„     Komponist Anton Bruckner †. Wien, 11. Oktober. (Priv.=Tel.) Der Komponist Anton Bruckner ist heute Nachmittag gestorben.“ (zm2).

Neues Wiener Tagblatt Nr. 281 auf S. 1f (Kalbeck??):
„                Dr. Anton Bruckner †.
     Anton Bruckner ist gestern Nachmittags gestorben. Der Tod war für den schwerkranken Mann in des Wortes wahrster Bedeutung eine Erlösung. [... Religiosität, späte Erfolge, Parteienstreit , Biographie, letzte Lebensphase ...].
     Bruckner, dieser oberösterreichische Rusticus, galt als Sonderling, wozu sein ungebundenes, schlichtes Wesen den Anlaß geben wollte. Nie war es verletzt. Er war eine wohlwollende Natur und wie wohl ein tief religiöser Katholik, doch tolerant gegen Andersgläubige und ganz unschuldig daran, dass er gerade von strukturellen Elementen auf dem Schild erhoben wurde, welche auch in der Kunst unduldsam sind und seine integre Persönlichkeit zum Mittelpunkte häßlichster Parteileidenschaft machten. " [keine Signatur] (zn1).

Neues Wiener Journal Nr. 1066 auf S. 2f (Albert Kauders):
„                  Anton Bruckner †.
     In seinem stillen Heim, das ihm die Munificenz des Kaisers im Belvedere eingeräumt hat, ist gestern Nachmittags um halb 4 Uhr Dr. Anton Bruckner nach langem schwerem Leiden im 73. Lebensjahre an Herzlähmung gestorben. Der Tod erlöste den greisen Componisten von den Qualen eines asthmatischen Leidens, das ihn seit Jahren peinigte. * * *
            Wovor
     seit Monaten den ehrlich empfindenden Kunstfreunden bangte, nun ist es bittere Thatsache geworden: Anton Bruckner ist nicht mehr. [. .. einsam, kleine Gemeinde gegen die Kritiker-Pharisäer, Parteienstreit, späte Erfolge, Sonderstellung (Schaffen, Lebenslauf, Charakter) ...]
     Und so erscheint Bruckner als einer der merkwürdigsten musikalischen Charakterköpfe aller Zeiten! Diese Kunst in diesem Menschen ist und bleibt ein Wunder, dem Mann mit dem Rüstzeug der Logik und Psychologie nicht beizukommen vermag. Man muss an etwas Göttliches glauben, das in dieser unscheinbaren Menschenhülle wirkte und glorreich sich manifestierte. Eine künstlerische Würdigung der Werke Bruckners musste fachlichen Monographien vorbehalten werden. Hier nur so viel, dass ich die Symphonien Nr. 3, 4, 7 und 8, das „Tedeum“, das Quintett und die F-Dur -Messe (in dieser zumal das „ Resurrexit “) als die Krone seines Schaffens erchte und die überzeugte Ansicht ausspreche, dass sich Anton Bruckner in Notenwerken ein Kolossaldenkmal für die Ewigkeit gesetzt hat.
                                    Albert Kauders
            * * *   
     Anton Bruckner wurde am 4. September 1824 zu Ansfelden in Oberösterreich geboren; [... Biographisches, Werkgeschichte ...].
            * * *
             Die letzten Stunden Bruckner's.
     Über die letzten Stunden Bruckner's wird uns mitgetheilt: [... erwähnt: Dr. Sorda [recte Sorgo], Kathi Klacheling [sic], Anton Meißner ... Beisetzung, Dr. Reisch ...].
     Wie wir erfahren haben, hat Bruckner seine neunte Symphonie bis zum letzten Satz vollendet. Er hatte verfügt, wenn die Symphonie bei seinem Ableben unvollendet bleibe, sein Tedeum als Abschluß anzufügen.“ [keine Signatur] (zn2),

Neue Freie Presse Nr. 11543 , Abendblatt, S. 2f:
»             † Anton Bruckner.
                                    
Wien, 12.Oktober.
    Eine der originellsten und eigenartigsten Erscheinungen im Musikleben Wiens, Professor Dr. Anton Bruckner, ist gestern Nachmittags im 72. [sic] Lebensjahre einem langen Leiden erlegen. [... über die Bedeutung, den Lebenslauf, die Werke ...]. Anton Bruckner hatte Gegener seiner musikalischen Richtung, aber keine Feinde. Sein Tod wird eine schmerzliche, nicht leicht auszufüllende Lücke in der Wiener Musikwelt zurücklassen, welche ihn zu ihren charakteristischsten Vertretern zählte.
        * * * 
     Bruckner war schon seit mehreren Jahren herzleidend, [... die letzten Wochen (erwähnt: Schrötter, Anton Meißner, Kathi Kachelmayr, Heribert Witsch), Todestag, die testamentarischen Bestimmungen, Eberle, 9. Symphonie Finale-Skizzen, Dr. Reisch .. .].
     Das letzte Werk, an dem Bruckner bis zum Tode arbeitete, die neunte Symphonie, ist, wie schon erwähnt, bis zum letzten Satz gediehen. Der Verblichene hat bestimmt, dass für den Fall, als der letzte Satz unvollendet bleiben sollte, sein Tedeum den Schluss des großen Werkes bilden möge.« [keine Signatur] (zn3).

Ostdeutsche Rundschau Nr. 281 auf S. 2:
„     Meister Bruckner †. In seinem stillen Heim im Belvedere ist gestern Nachmittags um halb 4 Uhr der Komponist Dr. Anton Bruckner nach langem schweren Leiden im 73. Lebensjahr gestorben.“ (zo1).

Artikel, signiert B. Bt. [Balduin Bricht], in der Österreichischen Volks-Zeitung Nr. 281 auf S. 1f:
"                  † Anton Bruckner.
     Nicht ganz 72 Jahre alt, ist gestern Nachmittags Anton Bruckner auf dem Hochsitze im Wiener Belvedere, der ihm durch die Freundlichkeit des Erzherzogin Marie Valerie eingeräumt worden war, von hinnen gegangen. Von dem schönen Schlosse aus glitt der müde, nur manchmal aufblitzende Blick des greisen, kranken Meisters über die Stadt hin und haftete lange an dem herrlichsten Bauwerke der Stadt, an dem Stefansthurm. Die himmelaufstrebenden Spitzbögen, Säulen und Krabben des Wahrzeichens von Wien begeisterten den Meister zu seiner neunten Symphonie. So lange ihn die Füße noch tragen mochten, hielt er sich gerne ganz in der Nähe des Thurmes auf, der ihm die stets sich erneuernde Anregung geben sollte für seine "gothische" Symphonie. Warum er seine Neunte die gothische nennen wollte, mochte ihm kaum ganz klar gewesen sein. Wenn wirklich eine innere Gleichartigkeit zwischen Musik und Architektur besteht und man, das bekannte Wort umkehrend, sagen dürfte, die Musik sei flüssig gewordene Architektur, dann könnte man in Bruckner's Kompositionsweise gewiß nur den romanischen Baustyl wiedererkennen. Seine Neunte aber wollte er um jeden Preis fertig machen, weil er so viele Symphonien geschrieben haben wollte wie Beethoven. Das war nichts weniger als Selbstüberhebung, das war vielmehr die schlichte Art und Weise, wie Bruckner dem größten Musikgenie aller Zeiten seine Verehrung bezeugen mochte. Lange schon quälte ihn die Furcht, daß seine Krankheit ihn hindern werde, den vollendeten drei Sätzen der Symphonie den vierten anzufügen. Er arbeitete mit Hast und Eifer, so oft die lähmende Krankheit dies zuließ. Aber er hatte sich, gemüthlich und naiv wie immer, den Rücken gedeckt. Sollte er unverrichteter Dinge sterben, so hatte sein "Tedeum" als vierter Satz zu gelten. Es war ihm nicht gegönnt, die Skizzen zu diesem vierten Satze aufzuarbeiten. In der himmelstürmenden, jubelseligen Begeisterung des Tedeums hat man des Meisters Testament zu erkennen
     So offenbart sich noch an Lebens= und Schaffensende des Meisters der merkwürdige Kontrast zwischen seiner persönlichen und seiner künstlerischen Erscheinung. Gelegentlich der siebzigsten Geburtstagsfeier Bruckner's, am 4. September 1894, ist es in diesem Blatte ausgesprochen worden [5.9.1894], daß der Meister, bereits weit berühmt, Professor und Ehrendoktor der Wiener Universität, in seinem ganzen Gehaben stets der weltfremde kleine Schulmeiser von Windhag mit den zwei Gulden Monatsgehalt geblieben war. Seine Musik hingegen verleugnet nirgends ein gewaltiges Pathos, eine fortreißende Kraft, eine revolutionäre Rücksichtslosigkeit. Der anerkannt größte Kontrapunktist unserer Tage, dem schon vor vierzig Jahren die ganze Wissenschaft der Musik in den Fingerspitzen saß, hat kein einziges schulgerechtes, geschweige denn vergrübeltes, pedantisches Musikstück geschrieben. Die kalte Lexikonweisheit unterschiebt ihm die Absicht, er habe Wagner's dramatische Prinzipien auf die absolute Musik anwenden wollen. Das ist Bruckner in Wirklichkeit aber niemals in den Sinn gekommen. Beweis dafür, daß man unter den modernen Komponisten nicht leicht einen wird nennen können, in dessen Werken so wenig Anklänge an Wagner's Melodik zu finden sind, als in denen Bruckner's. Bruckner ist niemals Nachahmer gewesen, er geht schon in seiner ersten Symphonie seinen eigenen, freilich nichts weniger als ebenen Weg, er ist sein eigenes Vorbild. Weil sein merkwürdiges Temperament oft über seinen unzweifelhaft vorhandenen großen Kunstverstand den Sieg davontrug, wollten ihm seine zahlreichen Gegner diesen Kunstverstand absprechen, und weil eine große Wiener Gemeinde ihn als ihren eingebornen Wagner auf den Schild hob, mußte Bruckner sich die herbsten Urtheile der Konservativen gefallen lassen. Bis auf seine Physiognomie erstreckte sich der hüben und drüben mit Uebertreibung geführte Streit. "Ein Cäsarenschädel!" riefen die Jünger, "ein Bauernschädel", entgegneten die verbissenen Anti=Brucknerianer. Der Alte vertrug eine gehörige Dosis Lob, denn er war zu klug, als daß er für seinen eigenen Kunstwerth kein Verständniß hätte haben sollen. Er war vollkommen überzeugt, seinen lange ersehnten "Ehrendoktor" ehrlich verdient zu haben. Aber das Uebermaß des Preises ärgerte und beängstigte ihn, er fürchtete, sich zu versündigen, wenn er sich von Jung=Wien auf den Schultern umhertragen lassen mußte. Die Feinde und Nergler aber konnten ihm die Galle recht erregen, und wenn er dann zu erzählen begann, wie der und jener einflußreiche Mann aus seinem Anhänger sein unerbittlicher Gegner geworden war, dann konnte man erstaunen über die Folgen mancher dem großen Publikum verborgen gebliebenen Begebenheit und zugleich über die Energie, mit welcher der Meister seine eigene Sache führte. Er glaubte an die Gerechtigkeit der Nachwelt. Und wenn auch seine Demuth und sein leicht entzündlicher Enthusiasmus ihn bewog, gelegentlich einmal einem jungen Musiker die Hand zu küssen, so hatte er Stunden der Einkehr doch das Bewußtsein, einer derjenigen zu sein, welche sich als Geweihte reinen Herzens dem Kreise der unsterblichen großen Meister nahen dürfen.
     Ein naiver Mensch und Musiker, der Haydn unserer geistesregen, ahnungsvollen, umstürzlerischen Zeitläufte, so hat Bruckner gelebt und gewirkt, so ist er von uns gegangen. Sein schwankendes Bild wird in der Nachwelt sich festigen, höher emporsteigen, und wenn erst der Fetischismus einer Bekennerschaft, welcher die Musik zum staubigen Kampffelde geworden, hinter ihm liegt "im wesenlosen Scheine", dann wird seinem Genius auch die allgemeine, dankbare und dauernde Bewunderung zu Theil werden.                    B. B–t.
                  
      *     *    *
     Anton Bruckner ist in Ansfelden (Oberösterreich) am 4. September 1824 als Sohn eines Dorfschullehrers geboren, von dem er den ersten Musikunterricht erhielt. [... Biographisches (irrig: 1867 nach Wien, Druckfehler "1871 ... Ehrendoktor") ...].
     Professor Bruckner litt schon seit vielen Jahren an einem Herzübel. Schon im vergangenen Jahre hielt man die Tage des greisen Komponisten für gezählt und man war auf den Eintritt einer Katastrophe gefaßt. Im August vorigen Jahres bezog Bruckner eine bequeme Wohnung im sogenannten Kustodentrakt des Belvedere. Er gefiel ihm hier so gut, daß er wiederholt den Wunsch aussprach, auch in diesem seine letzten Lebenstage beschließen zu können. In der verflossenen Woche fühlte sich Bruckner wohler als sonst und am Samstag noch machte er, begleitet von seiner Wirthschafterin Frau Katharina Kachelmayer, die ihn seit nahezu 25 Jahren betreute, einen Spaziergang in den Belvedere=Anlagen. Er beschäftigte sich auch bis in die jüngste Zeit mit Kompositionen und bei der Arbeit ereilte ihn der Tod. Er schuf eben an der Komposition des vierten Satzes der Neunten Symphonie. Den gestrigen Vormittag brachte Professor Bruckner noch außer Bette zu. Nachmittags begab er sich wieder zu Bette, um nach dem Mittagessen der Ruhe zu pflegen. Um halb 4 Uhr bat Professor Bruckner den behandelnden Arzt Dr. R. v. Weißmayer, der eben im Krankenzimmer weilte, um eine Tasse Thee. Im Augenblick, als ihm die Wirthschafterin den Thee verabreichen wollte, schloß der greise Kompositeur seine Augen, ohne vorangegangenen Todeskampf. Von dem Ableben Bruckner's wurde zunächst das Obersthofmeisteramt verständigt. Der Verblichene hinterläßt einen in St. Florian bei Steyr lebenden Bruder und eine Schwester in Vöcklabruck. Professor Bruckner's Testament ist bei dem Gemeinderathe und Advokaten Dr. Reisch deponirt. In seinen letzwilligen [sic] Verfügungen bestimmt Bruckner, daß seine Leiche nach St. Florian überführt werde. Die Einsegnung in Wien wird voraussichtlich Mittwoch Nachmittags in der St. Karlskirche erfolgen." (zo2).

» Presse « Nr. 281 (Abendausgabe) auf S. 3:
»                         Dr. Anton Bruckner †.
    Anton Bruckner ist am 4. September 1824 als der Sohn eines armenischen Dorfschullehrers zu Amsfeld [sic] in Oberösterreich geboren. [... über die Biographie und die wichtigsten Kompositionen ...].
                        * 
     die ihn in den schwersten Tagen mit Aufopferung pflegten und sein langjähriger Schüler und Freund Anton Meißner. Um ¼4 Uhr ließ sich Bruckner einen Thee bereiten. Unterdessen begab er sich zu Bette und trank den Thee gegen halb 4 Uhr mit großem Behagen. Nichts deutete auf das Nahen der Katastrophe. Als Dr. Bruckner den Thee getrunken hatte, legte er sich mit Hilfe der Wirthschafterin auf die linke Seite. Kaum hatte diese Position eingenommen, als er plötzlich zwei tiefe Athemzüge und sanft verschiedene war. Ohne Schmerz kam der Tod über den greisen Tondichter. Außer Frau Kachelin und der Tochter war nur Herr Meißner zugegen. Sofort wurde der Caplan des Schlosses Belvedere verständigt. Unterdessen begab er sich zu Bette und trank den Thee gegen halb 4 Uhr mit großem Behagen. Nichts deutete auf das Nahen der Katastrophe. Als Dr. Bruckner den Thee getrunken hatte, legte er sich mit Hilfe der Wirthschafterin auf die linke Seite. Kaum hatte diese Position eingenommen, als er plötzlich zwei tiefe Athemzüge und sanft verschiedene war. Ohne Schmerz kam der Tod über den greisen Tondichter. Außer Frau Kachelin und der Tochter war nur Herr Meißner zugegen. Sofort wurde der Caplan des Schlosses Belvedere verständigt. Unterdessen begab er sich zu Bette und trank den Thee gegen halb 4 Uhr mit großem Behagen. Nichts deutete auf das Nahen der Katastrophe. Als Dr. Bruckner den Thee getrunken hatte, legte er sich mit Hilfe der Wirthschafterin auf die linke Seite. Kaum hatte diese Position eingenommen, als er plötzlich zwei tiefe Athemzüge und sanft verschiedene war. Ohne Schmerz kam der Tod über den greisen Tondichter. Außer Frau Kachelin und der Tochter war nur Herr Meißner zugegen. Sofort wurde der Caplan des Schlosses Belvedere verständigt. Ohne Schmerz kam der Tod über den greisen Tondichter. Außer Frau Kachelin und der Tochter war nur Herr Meißner zugegen. Sofort wurde der Caplan des Schlosses Belvedere verständigt. Ohne Schmerz kam der Tod über den greisen Tondichter. Außer Frau Kachelin und der Tochter war nur Herr Meißner zugegen. Sofort wurde der Caplan des Schlosses Belvedere verständigt.P. _ Heribert Wilsch [sic] kam eilends und betete mit Meißner am Sterbebette ein De profundis . Meister Bruckners Bruder und Schwester, die in Oberösterreich leben, und der von dem Todten bestimmte Testamentsvollstrecker Gemeinderath und Hof- und Gerichtsadvocat Dr. Reisch wurden sofort in Kenntniß gesetzt.
     Alsbald fand sich die ersten Leidtragenden ein: Schloß-Inspektor Heinrich [Henrich], der Obmann des Richard-Wagner-Vereins Dr. Schaumann, der Testamentsvollstrecker Dr. Reisch, der Pianist August Stradal. Anton Meißner und Frau Kachelin empfingen die Trauergäste. Das Leichenbegängniß dürfte Mittwoch stattfinden. Die Leiche wird hier eingesegnet und in das Stift St. Florian in Oberösterreich gebracht, wo sie in der Stiftskirche beigesetzt wird.« [keine Signatur] (zp1).

Pester Lloyd Nr. 234 (      Abendblatt) aufS.3:
„                Tagesneuigkeiten Schon dem Greisenalter nahe, bis es ihm vergönnt war, in weiteren Kreisen ernste Beachtung und kaum theilweise Wertschätzung zu finden. In Wien, wo er, der geborene Oberösterreicher, seit 1868 seinen letzten Aufenthalt nahm und als Hoforganist, sowie als Lehrer für Kontrapunkt und Generalbaß „Am Konservatorium wirkte, wird eine zahlreiche Gemeinde von Bruckner-Verehren sein Hinscheiden betrauern.“ (zp2).
 

Prager Tagblatt Nr. 281 auf S. 5, signiert "M":
"                  Anton Bruckner †.
     M Wien, 12. October. (Priv.) Der bekannte Componist Prof. Anton Bruckner ist gestern Nachmittag hier gestorben. Bruckner ist geboren im Jahre 1824, wurde 1867 [sic] Organist an der Wiener Hofcapelle und Professor am Conservatorium. Seine Orchesterwerke gelangten trotz ihrer zahlreichen Gegner in den ersten Concertinstituten Deutschlands zur Aufführung, und auch er selbst trat zu wiederholten Malen als Concertorganist in die Oeffentlichkeit)." (zp3).

The Pittsburgh Presse Nr. 283 auf S. 3 in der 3. Spalte:
"          Herr Bruckner Dead.
     Vienna, Oct. 12.–Herr Bruckner, the celebrated musical composer, is dead." (zp4).

Salzburger Volksblatt Nr. 232 auf S. 4:
"     Wien, 12. Oktober. Der bekannte Komponist Anton Bruckner ist gestorben. (Bruckner war einer der bedeutendsten Komponisten Oesterreichs und ein ausgezeichneter Orgelspieler; seine Symphonien und Messen, seine großen Chöre, seine berühmte Messe haben den Namen Bruckner weit über die Grenzen seines Vaterlandes bekannt gemacht. Bruckner war lange Jahre hindurch an der Wiener Universität Lector für Harmonielehre und Contrapunkt und Professor am Konservatorium)" (zs1).

Standard Union Nr. 88 (Brooklyn) auf S. 1 in der 8. Spalte: "          HERR BRUCKNER DEAD.
     Vienna, Oct. 12.–Herr Bruckner, the celebrated musical composer, is dead." (zs2).

Tagesbote aus Mähren und Schlesien (Brünn) Nr. 235, Morgenblatt, S. 3:
     "Wien, 12. Oktober. Der bekannte Componist Anton Bruckner ist gestern nachmittags im 72. Lebensjahre gestorben. Er war Hofkapellen-Organist in Wien, Lehrer für Orgelspiel und Composition am Wiener Conservatorium und auch Lector für Musik an der Wiener Universität. Unter seinen Compositionen sind die geistlichen Chorwerke hervorzuheben. Seine Instrumentalmusik zeichnet sich durch ungewöhnliche harmonische Mannigfaltigkeit und instrumentales Raffinement aus."
und Abendblatt, S. 5:
"Wien, 12. October, 2 Uhr nachmittags.<
     Der verstorbene Componist Bruckner litt an einem Herzfehler. In der letzten Zeit hatte er durch eine Munificenz des Kaisers eine Wohnung im Belvedere inne. Der Tod erfolgte gestern um 4 Uhr nachmittags. In den ersten Nachmittagsstunden hatte er noch einen Spaziergang im Belvederepark unternommen. Vor 4 Uhr verlangte er noch eine Tasse Thee. Als die Bedienerin damit ins Zimmer kam, hauchte er ohne jeden Todeskampf den Geist aus. Das Leich[en]begängnis findet Mittwoch nachmittags statt. Die Leiche wird nach Oberösterreich überführt." (zt1).

Das Vaterland Nr. 281 auf S. 3:
»     * [Professor Bruckner †.] Der Hoforganist und Lector für Harmonielehre und Contrapunct an der Wiener Universität, Dr. Anton Bruckner, ist gestern, halb 4 Uhr Nachmittags, [...] verstorben. [... über Biographie und Werke ... ], besonders aber seine sieben Symphonien, deren einige in den Achtziger=Jahren solchen Erfolg hatten, daß sein Name nun endlich in den weitesten Kreisen bekannt wurde.« (zv1).

Vossische Zeitung Nr. 480, Abendausgabe (Berlin) (zv2).

Wiener Tagblatt Nr. 281 auf S. 6:„Wiener Tagesbericht.     Anton Bruckner gestorben.     Gestern, Sonntag um ¼ Uhr Nachmittags, ist Anton Bruckner in seinem Asyle im Belvedere gestorben. Bereits seit Jahresfrist gab der Zustand des greisen Tondichters zu den ernsthaftesten Besorgnissen Anlaß, und in fast regelmäßigen, immer kürzer werdenden Zwischenräumen verbreitete sich das Gerücht, daß der Eintritt der Katastrophe unmittelbar bevorstehe. Gerade in der allerletzten Zeit aber waren diese Gerüchte nicht aufgetreten, und so kam es, daß der Tod Bruckner’s, des Dreiundsiebzigjährigen, den man schon so oft als unmittelbar bevorstehend gefürchtet hat, als er gestern plötzlich – ohne sich von Neuem anzukündigen – eintrat, uns dennoch unvorbereitet traf. Der Arzt hatte den Patienten erst kurz vor Eintritt der Katastrophe verlassen, ohne eine besorgnißerregende Verschlimmerung zu bemerken. Bruckner selbst schien sich leichter zu fühlen und äußerte sogar das Verlangen nach einer Tasse Thee. Ehe jedoch die Wärterin den Wunsch des Kranken erfüllen konnte, hatte eine plötzliche Herzlähmung dem Leben Bruckner’s ein Ende bereitet. Kraftlos war er in die Kissen zurückgesunken und ohne Todeskampf verschieden. Die entsetzte Wärterin brachte den Labtrunk bereits an das Bett eines Todten. Der rasch herbeigerufene Arzt konnte nur mehr konstatiren, daß Bruckner hinübergegangen sei in das Reich der unendlichen Harmonie.       *        *        *     Bruckner hat keine Reichthümer gesammelt. Er ist eigentlich arm gestorben und sein letztes Heim verdankt er der Gnade des Kaisers. Aber auch mit dem Wenigen, was er hinterließ, hat Bruckner gewissenhaft Ordnung gemacht. Die Originalfassungen seiner Manuskripte sind für die Hofbibliothek bestimmt. Bruckner will in der Kirche des Stiftes St. Florian in Oberösterreich, wo er viele Jahre hindurch Organist mit fünf Gulden Monatsgehalt war, begraben werden. Ueber den Tag des Leichenbegängnisses ist noch keine endgiltige Verfügung getroffen. Gemeinderath Dr. Reisch wurde mit dem Vollzuge der letzten Anordnungen des Verstorbenen betraut.     Anton Bruckner, geboren 4. September 1824 zu Ansfelden (in Oberösterrerich), war zuerst Schulgehilfe, später Organist im Stifte St. Florian in Oberösterreich. Nach dem Tode seines Lehrers Sechter, des berühmten Kontrapunktisten, brachte ihn Herbeck als Lehrer desselben Faches an das Konservatorium zu Wien (1868) und erwirkte auch dessen Anstellung als Hoforganist. Später wurde er Lektor, 1892 Ehrendoktor der Wiener Universität. Bruckner schrieb acht Symphonien (und arbeitet [sic] an der neunten), drei große Messen, ein Tedeum, ein Streichquintett und mehrere Gelegenheits=Kompositionen. In Wien wurden seit Jahren Bruckner’s Werke gepflegt. Auswärts begann des Meisters Ruhmeskarrière mit der von A. Nikisch geleiteten Erstaufführung seiner E-dur-Symphonie (30. Dezember 1884), die bald von den meisten größeren Konzertinstituten gebracht wurde. Die anderen Symphonien und die Messen verbreiteten sich verhältnißmäßig langsam, dagegen wurde das Tedeum rasch in zahlreichen Konzertsälen vernommen. Bruckner’s Stärke ist ein farbenglühendes Kolorit. Kühnheit, ja Ungeheuerlichkeit de Konzeption ist auch seinen schwächeren Werken eigen, Mangel an strenger Logik, an Ebenmaß der Form, leiden auch seine besten. Eine Zeitlang entbrannte ein förmlicher Streit um die Werke Bruckner’s, ein Kampf, den der Komponist vielleicht selbst nicht guthieß. Seit einiger Zeit ist aber auch da einige Beruhigung zu merken.       *         *         *     Anton Bruckner war selbst eine merkwürdige, sphinxartige, nicht leicht zu deutende Erscheinung. Während Leib und Gliedmaßen unverkennbar die Struktur des oberösterreichischen Bauers [sic] zeigten, kreuzten sich auf seinem frappanten Haupte die charakteristischen Züge des vornehmen Römers aus der Imperatorenzeit mit den typischen Linien des katholischen Klerikers. Der  Totaleindruck seiner physischen Persönlichkeit war der einer seltenen Weltfremdheit. Es wird sich nicht leicht eine zweite, in gewisser Richtung hochveranlagte Individualität finden, der die realen Verhältnisse des Weltgetriebes so wenig zum Bewußtsein gekommen wären, wie Anton Bruckner. Sein Pendel schwang zwischen Kaspar Hauser und Beethoven. Durch den schweren Weihrauchdunst, der sich von frühester Jugend an über sein Gehirn gelagert hatte, erblickte er von Zeit zu Zeit göttliche Gesichte und drangen himmlische Melodien an sein inneres Ohr. Aber frei konnte er sich nimmermehr davon machen.  So schuf er, wie Wieland der Schmied, den eine durchschnittene Sehne am Gebrauche seiner übermenschlichen Kraft hinderte. Als der vierundvierzigjährige Mann, der bis dahin ein Schulmeister= und Klosterleben von schier unfaßbarer Dürftigkeit geführt hatte, durch Herbeck’s Vermittlung nach Wien und in eine menschenwürdige Lage versetzt wurde, vermochte er die Luft in den Regionen der Geistesfreiheit nicht mehr zu athmen. Er mußte vollenden nach dem Gesetz, wonach er angetreten.“ [keine Signatur] (zw1).

Wiener Abendpost Nr. 235 (Beilage zur Wiener Zeitung) auf S. 5f (signiert "r. h.", Robert Hirschfeld) [der Artikel ist bei ANNO nur unvollständig erhalten, Teile des Textes werden aber im Alpen-Boten vom 15.10.1896 und in der Grazer Morgenpost vom 14.10.1896 zitiert]:
"[...] Anton Bruckner zählt zu den schlichten deutschen Männern, welche als Schulmeister begannen und als Meister endeten. Es sind, wenn wir nur an Schubert und Bruckner denken, Schollenmenschen, deren Geist hoch fliegt, deren Leben aber im engen heimatlichen Kreise sich ruhig abspielt. Was sie wirken, wird jedesmal ein Kunstereignis; doch an äußeren Ereignissen, also Geschehnissen, ist ihr Lebensweg nicht reich. Anton Bruckner ist am 4. September 1824 als der Sohn eines Dorfschulmeisters in Ansfelden (Oberösterreich) geboren. Er war der Erstgeborene, zu dem sich später noch eilf Geschwister gesellten. Den Vater, welchem er die ersten musikalischen Unterweisungen dankte, verlor der junge Bruckner schon im Jahre 1836 [sic]. Im Stifte St. Florian wurde der verwaiste Lehrerssohn mit zwölf Jahren als Sängerknabe aufgenommen.
     Nach absolviertem Präparanden=Curse erhielt der siebzehnjährige Bruckner eine Anstellung als Schulgehilfe in Windhag an der Maltsch in Oberösterreich. Hier lernte er die ganze Tonleiter von Freuden und Leiden des in einer Person vereinigten Lehrers, Musikers und Meßners der vormärzlichen Zeit kennen. Sein Gehalt von zwei Gulden monatlich schnitt die Scala der Freuden früh genug ab. Der junge Musikus mußte bei Bauernhochzeiten und Kirchweihfesten aufspielen, um den Lebensunterhalt zu finden.
     Von Windhag wanderte der Schulgehilfe Bruckner nach Kronsdorf [sic] bei Enns, von da zurück zum Ausgangspunkte nach St. Florian, wo er Lehrer und supplierender Stiftsorganist wurde. Im Orgelspiele, in der Composition leistete Bruckner damals schon große Stücke.
     Bruckners äußere Entwicklung war trotz der genialischen Veranlagung eine stetige, ruhige. Mit dem Jahre 1851 wurde er schon erster Stiftsorganist in St. Florian. Ein Jahresgehalt von 80 fl., zu welchem sich der Lehrersold von 36 fl. jährlich schob, gestattete dem jungen Bruckner schon manche Reise nach Wien, wo er den gelahrten Hofkapellmeistern Aßmayer, Preyer, dem Hoforganisten und Theoretiker Sechter sich nähern durfte. Proben seiner Orgelkunst brachten ihm damals schon reiche Ehren. Am 25. Jänner 1856 gieng Bruckner aber als Sieger in einer Concurrenz zur Besetzung der Dom=Organistenstelle in Linz hervor. Durch die „Königin der Instrumente“ wurde Bruckner aus den Banden der Schule gelöst. Vier Jahre hindurch, stets gegen Ostern und Weihnachten, war Bruckner regelmäßig in Wien zu finden, wo er bei Sechter strenge Studien machte. Sechters „Fundamente“ wurden das Fundament Bruckners. „Bei aller Wertschätzung seines Schülers“, sagt der Biograph Bruckners, „den er die schwierigsten Formen des Contrapunktes spielend beherrschen gelehrt hatte, schlug Sechter dennoch ein Kreuz über den kühnen Revolutionär Bruckner. Sechter mußte sich vorkommen wie ein Huhn, das aus einem unterlegten Ei einen Adler ausgebrütet hat.“
     Bruckner legte alsbald vor Dessoff, Herbeck, Hellmesberger, den Schulgrößen des Conservatoriums, eine Reifeprüfung ab. Professor Sechter zeichnete vier Takte eines Themas auf, das Bruckner auf der Orgel durchführen sollte, Dessoff verlängerte das Thema um vier Takte, Herbeck verlängerte es abermals. Das grausame Thema wurde zu einer genial durchgeführten Fuge gestaltet. Die Commission konnte die Kunst Bruckners nicht genug preisen. Herbeck veranlaßte die Berufung Bruckners nach Wien. So wurde Bruckner exspectierender Organist in der Hofkapelle, später Professor des Orgelspieles und des Contrapunktes am Conservatorium. Der Lehrerberuf zog Bruckner wieder in seine stillen Kreise, aber in ungleich höherer Geltung als dereinst. Wer das Glück hatte, unter Bruckners Leitung in die Geheimnisse des Contrapunktes eingeweiht zu werden, wurde dessen froh fürs ganze Leben.
     Bruckners erste schöpferische That war die Messe in D, welche im Jahre 1864 entstand. Erst in allerletzter Zeit fand sich für diese Messe, welche freilich genug Bewunderer gefunden hatte, auch ein Verleger. Im Jahre 1865 vollendete Bruckner seine erste Symphonie. Damals führten ihn die „Tristan“=Vorstellungen nach München, wo Bruckner mit Glück um die Freundschaft Wagners warb. Zwei Jahre später brachte Herbeck in der Augustiner=Kirche die Bruckner’sche D-Messe zur Aufführung. Von Bedeutung und bezeichnend für die Hochachtung, welche Wagner dem aufstrebenden Meister zollte, ist ein Concert, welches Bruckner im Jahre 1868 in Linz dirigierte. Er führte dem Linzer Publicum den Schlußchor des zweiten Actes aus den „Meistersingern“ vor, dessen bis dahin unveröffentlichte Partitur Richard Wagner an Bruckner gesendet hatte. Mit seiner ersten Symphonie holte sich Bruckner aber im Jahre 1868 bei den Linzern, zumal die Orchestermittel unzureichend waren, keinen Erfolg. Trost suchte Bruckner im Schaffen. Zu Weihnachten des Jahres 1868 war die herrliche F-moll-Messe vollendet. „Es bezeichnet so recht unseres Meisters naiv=frommen Sinn“, sagt sein Biograph, der Lehrer Brunner in Linz treffend, „daß er im Dankgefühle für die ihm von oben gewordene geistige Wiedergeburt eine der schönsten Stellen des Benedictus aus dieser Messe später in das Adagio der zweiten Symphonie aufnahm.“     Noch in demselben Jahre war zur Einweihung der Votivkapelle des Maria Empfängnis=Domes zu Linz die zweite große Messe in E-moll mit Begleitung von Blas=Instrumenten entstanden. Als Organist trat der Meister bald darauf siegreich in einem Wettspiele in der Kathedrale von Nancy hervor. Er schlug alle seine bedeutenden Nebenbuhler. Einen noch größeren Triumph feierte Bruckner in London bei einem neuerlichen Wettstreite. Er gab nach seinem Siege acht Concerte in der Albert=Hall, [... ab hier nach dem Original bei ANNO ...] fünf im Krystallpalaste. London wollte den unvergleichlichen Meister an England fesseln. Bruckner aber blieb seinem Vaterlande treu. Die Lebensgeschichte Bruckners ist fortan nur die Geschichte seines Schaffens, seiner Werke.
     Die zweite Symphonie war im Anfange der Siebziger Jahre componirt worden. Ihr folgte unmittelbar noch vor dem Weltausstellungs=Concerte, in welchem die zweite zur Aufführung gelangte, die dritte, Richard Wagner gewidmete Symphonie in D-moll. Dieses grandiose Werk wanderte bis zu den Lamoureux=Concerten. Die Gesellschaft der Musikfreunde machte im Jahre 1877 zum ersten Male die Wiener mit dieser monumentalen Schöpfung bekannt. Herbeck hatte sie aufs Programm gesetzt, erlebte aber diese Aufführung nicht mehr. Der Streit um Bruckner war damals schon hell entbrannt. Der kritischen Verdienste des Dr. Helm, welcher ein begeisterter Lobsprecher Bruckners wurde, muß hier dankbar gedacht werden. Als im Jahre 1877 die dritte Symphonie zur Aufführung kam, war die vierte in Es-dur, die „Romantische“, bereits vollendet, und eine fünfte in B-dur harrte schon der Vollendung. Die romantische Symphonie wurde von den Philharmonikern unter Hans Richters Leitung im Jahre 1881 in einem Concerte zum Besten des deutschen Schulvereines zum ersten Male gespielt.
     Im großen Publicum fand Bruckner nur langsam Anerkennung. Jeden neuen Schritt zu allgemeinerer Würdigung suchten die gegnerischen „Merker“ immer wieder zu vereiteln. Mit der siebenten Symphonie – ihr war im Jahre 1883 die sechste vorangegangen – errang aber Bruckner vom Jahre 1884 ab auch die nöthigen äußeren Erfolge. Leipzig und München giengen mit dem Werke voran. Den Ruhm Bruckners – natürlich immer nur in den Grenzen vorurtheilsfreier Kreise – befestigte das F-dur=Quintett, welches von Hellmesberger 1885 ans Licht gebracht wurde. Im folgenden Jahre gelangte das Te=Deum in einem Gesellschafts=Concerte zur Aufführung. Das Werk begeisterte die Anwesenden. Die Philharmoniker, lange zurückhaltend, führten Bruckner mit der Siebenten im Jahre 1889 [sic] in ihre Concerte ein. Einige Jahre später füllten sie allein mit der Achten zum Mißvergnügen der Gegner das Programm eines ganzen Concertes. Nur die sechste Symphonie ist, wie uns die Aufzeichnungen Helms belehren, vollständig bisher nicht aufgeführt worden. Die Fünfte hat Capellmeister Franz Schalk bereits in Graz mit außerordentlichem Erfolge zur Aufführung gebracht. Bruckners Schöpfungen gewinnen nun stätig an Boden.    Im hohen Alter fehlte es dem Meister auch an bedeutenden Ehrungen nicht. Se. Majestät der Kaiser verlieh ihm im Jahre 1886 das Ritterkreuz des Franz Joseph=Ordens; der akademische Senat ernannte ihn zum Ehrendoctor der Universität Wien. Hofrath Exner, damals Rector der Universität, schloß seine Ansprache mit den Worten: „Ich, der Rector=Magnificus der Wiener Universität, beuge mich vor dem ehemaligen Unterlehrer von Windhag.“
     Ein jährlicher Ehrensold, welchen die Landesvertretung Ober=Oesterreichs Bruckner bewilligte, ein Ehrensold, welchen Se. Majestät und angesehene Kunstfreunde dem greisen Meister aussetzten, und schließlich die Begünstigung, im Belvedere eine behagliche, herrlich gelegene freie Wohnung zu beziehen, scheuchten von dem Meister die Sorgen des Tages. Er konnte, von Aemtern frei, ganz seinem Schaffen leben. Das Schicksal hat ihm die Vollendung der Chor=Symphonie, der Neunten, nicht gegönnt. Die Kunstwelt hat einen der bedeutendsten Symphoniker, einen erhabenen Kirchen=Componisten, einen unübertrefflichen Orgelkünstler, das Vaterland hat einen seiner treuesten Söhne verloren. [Wir] trauern um den Meister. Wir gaben im Augen[blick] des Verlustes ein Bild seines hohen Strebens. [Wir] zeigten, was er geschaffen hat. Wie er aber [zu] schaffen verstand, diese Darlegung möge einem [spät]eren Zeitpunkte, in welchem das Fühlen hinter [das] Urtheil gedrängt wird, vorbehalten bleiben.   r. h." (zw2).

Wiener Allgemeine Zeitung (zw3).

In der Wiener Sonn- und Montags-Zeitung Nr. 41 wird Bruckner – unabhängig von der Todesnachricht – im Feuilleton erwähnt:
"                    Burgtheater.
                 [Inhaltsübersicht]
     Sudermann ist eine vielspältige Natur, also keine Natur. Man kann seiner nie recht froh werden. [... drei Einakter mit dem Übertitel "Morituri" ...]. Der Collectivtitel Sudermann's erinnert mich lebhaft an Meister Bruckner, welcher seine Hörer, unbekümmert um ihren individuellen Seelenzustand immer nur "Meine lieben Gaudeamus" nennt. Wie wär's, wenn Einer nächstens zwei Lustspiele und ein Trauerstück unter dem Titel "Gaudeamus" ins Burgtheater brächte. [... oder umgekehrt "Requiem" ... über die einzelnen Stücke ...] LA Terne. " (zw4).

Wilkes-Barré Times (Wilkes-Barre, Pennsylvania) Nr. 2277 auf S. 1:
„Wien, 12. Okt. – Bruckner, der berühmte Musikkomponist, ist tot.“ (zw5).

Anonymer Artikel „ Anton Bruckner gestorben “ in der Rubrik „ Wiener Tagesbericht “ (zx1).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189610125, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189610125
letzte Änderung: Mai 03, 2024, 9:09