zurück 1.11.1896, Sonntag (Allerheiligen) ID: 189611015

A. Geschehenes (Ereignisse)

Aufführung der 7. Symphonie durch das Hoforchester unter Franz Fischer im Odeonssaal in München (*).

Aufführung des Tantum ergo in C-Dur [WAB 41/4] durch den Kirchenmusikverein in St. Thomas in Nußdorf (*a).

B. Gedrucktes (Zeitungsartikel)

Artikel von Bernhard Ziehn "Dem Andenken Anton Bruckners" im Sonntagsblatt der New Yorker Staatszeitung (**).

In der Deutschen Kunst- und Musik-Zeitung 21 (1896) erscheint auf S. 267 ein Gedicht von Albert Josef Weltner:
"             Anton Bruckner †.
Bei der Kunde seines Ablebens.
Spätsommersonnenleuchten spielt zu Thal
Und Abendfriede ruht auf Stadt und Land;
Ein sanfter Wind kos't mit dem Laub, das fahl
Am Baume hängt und kaum noch Widerstand
Dem Kusse bietend, rasch zur Erde fällt —
Es rüstet rings zum Sterben sich die Welt.

Schwül geht die Luft — am Himmel sturmgetrieben
Jagt das Gewölk in flüchtiger Eile hin,
Um zu verhängen dicht sich über Wien,
Wo eben Er gestorben, den zu lieben
Und hochzuhaiten sich begeistert einten,
Die lang der Künste Niedergang beweinten.

Der Töne Meister, der in seinem Wesen
Unsagbar schlicht, dem Kind an Einfalt gleich.
Doch in der Sterne ewiger Schrift gelesen.
Daß in des Klanges unermeß'nem Reich
Ein Fürst zu sein, ihn Gottes Huld berufen,
Und daß Beethoven's langverwaisten Thron,
Die mit an seinen Werken segnend schufen,
Die Musen boten ihm als Siegeslohn —.
Der Hohepriester der Musik entschlief
Und in die Sphären schwang sich seine Seele.
Und an die Herzen greift das Weh uns tief.
Daß, wenn wir künftig seinen Werken lauschen,
An ihrer Schönheit seelig uns berauschen,
Der milde Greis in uns'rer Mitte fehle.
Der zaghaft schüchtern ab den Jubel wehrte.
Der huldigend sich über ihn ergoß.
Wenngleich sein Auge leuchtend sich verklärte,
Bis glückbewältigt er es sinnend schloß.

Es brauchte lang, bis ihn, den Gottgesandten
Der Tonkunst Freunde als Titan erkannten
Der für die Erde mit dem Himmel ringt.
Daß voll das Schönste er ihr wiederbringt;
Der mit den altgewohnten Normen brach
Und kühn das Werde seines Wollens sprach. —
Beachtet kaum von seiner Kunst Genossen,
Und von der Menge gänzlich unverstanden,
Ward er das Ziel von feindlichen Geschossen
Und wenn sich ab und zu auch Freunde fanden,
Die seines Können» stolze Kraft begeistert
Und die für ihn gekämpft in Wort und Schrift,
Bald von der Zunftgelehrten Macht bemeistert
Verstummten sie und nur das herbe Gift
Des Neides ward im gleißenden Pokale
Der Heuchelei und Lüge ihm credenzt,
Den längst bei seines Schaffens kargem Mahle
Die Muse selber der Musik bekränzt.

So ward er alt— es bleichten seine Haare
Und um ihn wob des Silbers matter Glanz,
Doch nimmer fühlte er die Last der Jahre,
Denn um sein Haupt schlang nun sich ja der Kranz,
Den er begehrt in frohen Jugendtagen
Und der geblieben seines Strebens Ziel
Und den er nun wird unbestritten tragen,
Bis jäh verklingt de» Lebens Wechselspiel.

Daß unentwegt die Ideale siegen,
Das wahrhaft Große nimmerdar vergeht,
Und mag der kühne Kämpfer unterliegen,
Sein Lichtgedanke dennoch weitersät,
Um schließlich als Goldfrucht zu erscheinen,
Die unaufhörlich neuen Segen bringt,
Obschon die Menschheit niemals dem Gemeinen
Und seiner Uebermacht sich ganz entringt —
Die trauernd wir an Anton Bruckner's Bahre
In dieser Stunde stehen, fühlen tief,
Daß für die Kunst, die ewige und wahre,
Gott immer wieder einen Streiter rief
Und daß die Zeiten, wo in tiefste Nacht
Versunken schien das Gute wie das Schöne,
Den Helden immer auf den Plan gebracht,
Bestimmt, daß Leben er und Kunst versöhne.
Wien, 11. October 1896.
                       Albert Josef Weltner. (***).

Auf Seite 270 ein Hinweis auf ein im Verlag E. Ullmayer erschienenes lithographisches Porträt Bruckners mit Faksimile [IKO 89]:
"      Vermischtes.     – Im Verlage von E. Ullmayer, XVIII., Theresiengasse 8, ist.ein vortrefflich gelungenes lithographisches Porträt Anton Bruckner's mit Facsimile erschienen. Dasselbe kostet auf fünffachem Elfenbeincarton 62 Centimeter hoch und
49 Centimeter breit 4 fl., 50 Centimeter hoch und 33 Centimeter breit 2 fl. 80 kr. und für Verpackung 90 kr. ö. W." (°).

Erster Teil eines Aufsatzes von Theodor Helm (»Anton Bruckner als Tondichter«) in der Österreichischen Musik- und Theaterzeitung Nr. 5 auf S. 4 - 6:
"              Anton Bruckner als Tondichter.
                      Von Dr. Theodor Helm.
                                        I.
    Noch waren die sterblichen Ueberreste Bruckner's nicht der Erde übergeben, als schon in dem ersten Blatte der Residenz aus der Feder eines namhaften Kritikers ein grosses Feuilleton erschien mit der unverkennbaren Absicht, den auf der Bahre liegenden Meister nun auch geistig in den Augen der Welt völlig todt zu machen. Es wurde ihm zunächst Originalität der melodischen Erfindung abgesprochen [...]. Wir wissen nicht, was in dem unleugbar mit grossem Geschick verfassten Artikel lediglich auf Ordre des Mufti geschrieben, was eigener Ueberzeugung des Autors seine Entstehung verdankt. [... über Heubergers Kompetenz und Urteilsvermögen ... über Hirschfelds Artikel über die 3. Symphonie in der Neuen Wiener Musikzeitung 1891 ... über Helms eigenes Verhältnis zu Bruckner ... über den ungewöhnlichen Umfang und die formale Ausweitung der Symphonien ... "ungewohnt" bedeute nicht "unlogisch" ... über das Auftreten eines zweiten Hauptgedankens, auch wieder in den Finale ...]. Wahrhaft zerschmetternd tritt ein solcher zweiter Hauptgedanke in dem ersten Satz der dritten Symphonie und dem je letzten der zweiten und vierten Symphonie auf. Armuth der Erfindung verräth eine solche überreiche gewaltige Thematik gerade nicht.
                                                 (Schluss folgt.)

     Facsimile Dr. Anton Bruckner's. *) 
5. Sinf.
Allegro
[4 Takte aus der 5. Symphonie: Hauptthema der Violoncelli, Klavierauszug] etc 
Anton Brucknermp.
[Fußnote:] *) Im Besitze Dr. Theodor Helm's, Wien." (°°a).

Auf Seite 8 ein Artikel zur Photographie auf S. 5:
"                  Zu unserem Bruckner-Bilde.
   
Unser interessantes Bild auf S. 5 verdanken wir der Freundlichkeit des Herrn Friedrich Ehrbar jun., welchem es durch Vermittlung Professor Schrötter's gelang, diese Aufnahme ungefähr einen Monat vor Bruckner's Tode, ohne Wissen des Meisters, vorzunehmen. Bruckner war in seinen letzten Lebensjahren photographischen Aufnahmen höchst abhold, und gelang es nur mit Mühe und öfters unter Anwendung einer Kriegslist, die Aufnahme zu erzielen. Das Bild zeigt Bruckner, wie er unter Assistenz seiner getreuen Haushälterin Kathi trotz seines Leidens es sich nicht nehmen lässt, den ihn behandelnden Professor Schrötter zum Wagen zu begleiten. Die anderen Personen sind Bruckner's Bruder und der Assistenzarzt." (°°b)

und auf Seite 9 der Beilage ein Bericht über die Trauerfeierlichkeiten (»Des Meisters letzte Fahrt«):
"                 Des Meisters letzte Fahrt.
    
Ein imposanter Zug war es, der dem todten Meister, Dr. Anton Bruckner, das letzte Geleite gab. - Vor dem Künstlerheim im oberen Belvedere versammelten sich die zahllosen Trauergäste, die Abordnungen der Gemeinde Wien, der Wiener Universität, der Gesellschaft der Musikfreunde, der Künstler-Genossenschaft, des Wiener Männergesangvereines, des Schubertbundes und der Wiener Singakademie. Nachdem um 3 Uhr die Einsegnung der Leiche erfolgt war, trug der Wiener akademische Gesangverein unter Leitung seines Chormeisters Dr. Neubauer Bruckner's „Germanenzug” vor, worauf sich der Trauerzug zur Carlskirche in Bewegung setzte. Viele Tausende standen in den Strassen, die der Conduct passirte, und vom Belvedere bis zur Carlskirche bildete eine dichtgedrängte Menschenmenge das Ehrenspalier für den todten Meister. Während der Einsegnung in der Kirche trug der Wiener Männergesangverein unter Eduard Kremser's Leitung das „Libera” von Herbeck vor, eine sinnige Huldigung für die Manen Herbeck's, der als Erster das Talent Bruckner's entdeckt und den Meister nach Wien gebracht hat. Nachdem hierauf der Singverein die „Litanei” von Schubert vorgetragen, wurde der Sarg auf den sechsspännigen Leichenwagen gehoben, die zahllosen Trauergäste strömten aus der Kirche und schlossen einen Kreis um den Wagen, als ein junger Mediciner der Wiener Facultät vortrat und im Namen der Wiener Studentenschaft dem todten „Heros deutscher Tonkunst” einen warmen Abschiedsgruss widmete. Unter grosser Betheiligung der Wiener Bevölkerung fuhr sodann der Leichenwagen zum Westbahnhofe, von wo aus die Ueberführung und Beisetzung der Leiche im Stifte St. Florian erfolgte." (°°c).

Ein Artikel der Münchner Musikalischen Nachrichten berichtet von Bruckners Testament, von einer Audienz beim Kaiser Franz Joseph [am 23.9.1886] und von seinem Aufenthalt in Berlin [31.5.1891], wo er einem Bericht des Berliner Tagblattes zufolge Heiratsabsichten gehabt habe. Bei Bruckners zweitem Berlin-Besuch [Januar 1894] habe Weingartner [recte: Muck] die 7. Symphonie und Joseph Joachim [recte: Waldemar Meyer] das Quintett aufgeführt. In München [30.12.1896] und Berlin [16.11.1896] seien Aufführungen des »Te deum« geplant (°°°).

Die Münchner Neuesten Nachrichten erwähnen im »Berliner Musikbericht« die Aufführung des Adagios der 7. Symphonie [am 26.10.1896] (#).

Artikel (Nachruf) in »The Musical Times« 37/645, S. 742 (##).

Die Neue Musikalische Presse Nr. 44 bringt auf S. 5 eine Kritik zur Brünner Aufführung des Quintetts am 25.10.1896:
"                   Concerte.
[...]
     * Der Brünner Kammermusik-Verein brachte am 25. d. M. in seinem ersten Vereins-Concerte Bruckner's Quintett in F-dur zur Aufführung. Das Publikum verhielt sich anfangs kühl, um nach dem Finale in anhaltenden Beifall auszubrechen, für welchen die Ausführenden, die Herren Koretz, Zdara, Juda, dann Josef und Franz Mraczek zu danken hatten." (###a)

und teilt auf S. 7 mit, daß am 28.10.1896 ein Trauercommers abgehalten wurde:
"     Wien. Der Academische Gesangverein veranstaltete im Concertsaale des Etablissement Ronacher am 28. v. M. einen Trauer-Commers für Anton Bruckner. Der Feier wohnte ein zahlreiches Publicum bei." (###b)

und daß Bruckners Originalmanuskripte der Hofbibliothek vermacht worden sind:
"           Vermischtes.
     * 
 Die Originalmanuscripte der Compositionen Anton Bruckner's, welche derselbe testamentarisch der Hofbibliothek vermacht hat, wurden dem genannten Institute bereits übergeben. Bei der Uebergabe intervenirten der Director der Hofbibliothek, Hofrath Professor Dr. Heinrich Ritter von Zeissberg, in Begleitung des Custos des Musikaliendepartements der Hofsammlung, Dr. Franz Xaver Wöber, eines persönlichen Freundes des verblichenen Componisten." (###c).

Über den Trauercommers schreibt auch der Alpen-Bote Nr. 88 auf S. 3:
"(Trauer-Commers für Anton Bruckner.)     Ein vom Wiener akademischen Gesangverein am Mittwoch abends im Concertsaale des Etablissements Ronacher veranstaltete Trauer-Commers für Anton Bruckner war sehr gut besucht und nahm einen erhebenden Verlauf. Unter den Anwesenden bemerkte man den Rector der Wiener Universität, Professor Dr. Leo Reinisch, die Decane der juristischen und medicinischen Facultät, Obersanitätsrath Professor Dr. Max Gruber, viele Professoren aller Hochschulen, Abgeordnete, Gemeinderäthe, Vertreter der hervorragenden Gesangvereine, akademischer Corps- und Landsmannschaften etc. etc. Die Gedächtnisrede hielt Ehrenmitglied Schaumann. Vor Schluß der Trauerfeier widmete der Rector, der seinerzeit die Promovierung Bruckners zum Ehrendoctor in Antrag gebracht hatte, den Manen desselben ein Fiducit." (a).
 

Ankündigung der morgigen Aufführung des Requiems [WAB 39]

im Deutschen Volksblatt Nr. 2813 auf S. 9:
"    – Auf Anregung der Leo=Gesellschaft, die sich um die Aufführung religiöser Tonwerke schon zu wiederholtenmalen verdient gemacht hat, gelangt am Allerseelentage, um 10 Uhr Vormittags in der Stadtpfarrkirche am Hof das Requiem in D-moll von Dr. Anton Bruckner zur Wiedergebe." (b1),

in der Neuen Freien Presse Nr. 11563 auf S. 7: "[Kirchenmusik am Montag den 2. November.] [...] – In der Stadtpfarrkirche Am Hof um 10 Uhr: Requiem in D-moll von Dr. Anton Bruckner und "Libera" von P. Singer. – [...]" (b2),

in der Wiener Zeitung Nr. 254 auf S. 16:
"     (Kirchenmusik.) [...]
     In der Stadtpfarrkirche Am Hof [...] Montag, den 2 (Allerseelen), um 10 Uhr: Requíem in D-moll von Dr. Anton Bruckner und "Libera" von P. Singer." (b3)

und im Neuen Wiener Tagblatt Nr. 301 auf S. 35: "     * (Kirchenmusik.) [...] – In der Stadtpfarrkirche Am Hof Sonntag um 10 Uhr: [...]. Montag um 10 Uhr: Requiem in D-moll von Dr. Anton Bruckner, Libera von P. Singer. – [...]" (b4).
 

Das Programm des Philharmonischen Konzerts (mit der 7. Symphonie am 8.11.1896) wird bekannt gegeben

im Fremdenblatt Nr. 301 auf S. 1 der 1. Beilage:
„        Theater und Kunst.
[...]
     – Die Philharmoniker bringen in ihrem ersten Abonnementkonzerte Sonntag den 8. November, Mittags halb 1 Uhr, im großen Musikvereinssaale folgende Werke zur Aufführung: [.... Beethoven, Volkmann (mit Reinhold Hummer) ...]; A. Bruckner: Symphonie in E-dur, Nr. 7." (c1),

im Illustrierten Wiener Extrablatt Nr. 301 auf S. 5:
„                  Theaterzeitung.
[...]
     * Die Philharmoniker bringen in ihrem 1. Abonnement=Concerte Sonntag, den 8. November, Mittags halb 1 Uhr im Großen Musikvereinssaale folgende Werke zur Aufführung: [… Beethoven, Volkmann …], Violoncello
=Solo: Herr Reinhold Hummer; A. Bruckner: Symphonie in E-dur Nr. 7.“ (c2),

in der Österreichischen Volkszeitung Nr. 301 auf S. 7:
"Theater- und Kunstnachrichten.
[...]
     "    – Die Philharmoniker bringen in ihrem ersten Abonnement=Konzerte, Sonntag den 8. November, Mittags halb 1 Uhr, im großen Musikvereinssaale folgende Werke zur Aufführung: [.... Beethoven, Volkmann (mit Reinhold Hummer) ...]; A. Bruckner: Symphonie in E-dur, Nr. 7." (c3),

im  "Vaterland" Nr. 301  auf S. 6:
"    – Die Philharmoniker bringen in ihrem ersten Abonnementconcerte, Sonntag 8. November, Mittags halb 1 Uhr, im großen Musikvereinssaale folgende Werke zur Aufführung: [.... Beethoven, Volkmann (mit Reinhold Hummer) ...]; A. Bruckner: Symphonie in E-dur, Nr. 7." (c4)

und in der Wiener Zeitung (b3) auf S. 17:
"     (Philharmonisches Concert.) Die Philharmoniker bringen in ihrem ersten Abonnement=Concerte Sonntag, den 8. November, Mittags 12½ Uhr im großen Musikvereinssaale folgende Werke zur Aufführung: [.... Beethoven, Volkmann (mit Reinhold Hummer) ...]; A. Bruckner: Symphonie in E-dur, Nr. 7." (c5).


Im Linzer Volksblatt Nr. 253 wird auf S. 4 der Text des Kodizills zu Bruckners Testament veröffentlicht:
"    – Ein Codicill zum Testamente Bruckners. Nachdem das Testament des dahingeschiedenen Meisters durch die Blätter publiciert worden, ist die Wiener "Neue Musikalische Presse" nun auch in der Lage, ein Codicill zum Testamente Anton Bruckners, welches derselbe in Steyr hinterlegt hatte, zu veröffentlichen. Dasselbe ist vom 25. September 1894 datiert und hat folgenden Wortlaut:
          Codicill zum Testamente Anton Bruckners.
     Ueber die Bestimmung meiner seligen Ueberreste ordne ich folgendes an: [... "mein Leib nach seinem Tode" [sic] in der Gruft in St. Florian ... Präparation, Sarg mit Glasdeckel ... St. Florian 4000 fl. Stiftung, davon 3000 für Gottesdienste, Steyr 300 fl.  ... Alternative: Gruft in Steyr, Stiftung 5000, davon 3000 für Gottesdienste ...]
     25. September 1894.
                                         Dr. Anton Bruckner.
Ludwig J. Bermanschläger, Domprediger in Linz, als Zeuge. Theodor Gutschick, Stadtpfarr-Cooperator in Steyr, als Zeuge. Franz Bayer, Regenschori in Steyr, als Zeuge." (d).

Bericht über die Trauerfeier, Text der Todesanzeige, Artikel über Bruckners Testament und Schattenbilder von Hans Schließmann in der »Lyra« XX, Nr. 3 (518) auf S. 6 [= S. 34]:
"               Aus der musikalischen Welt.
               Anton Bruckner's Todtenfeier.
    
Als die erste Kunde vom Ableben Bruckner's in Wien sich verbreitete, war die vorige Nummer unserer Zeitschrift schon unter der Presse, und die „Lyra", die deshalb neulich nur kurz den Tod des großen Musikers melden konnte, vervollständigt nunmehr den Bericht durch die Darstellung seiner Todtenfeier.
     [... Anwesende: u.a. die Bürgermeister Strobach, Dr. C. Lueger und Dr. Neumayer, der Wiener Akademische Gesangverein unter Dr. Neubauer, der Schubertbund mit Obmann Fetzmann, aus Linz Göllerich, Milbeck und Floderer, Ignaz Bruckner, Rosalia Hueber, Pfarrer Dobner (Einsegnung), Födisch (Abschiedsrede) ... Beisetzung in St. Florian ...] Mit Anton Bruckner ist ein Künstlergeist erloschen, der noch mit voller genialer Ursprünglichkeit und Größe zu schaffen im Stande war, weil er, dem kraftvollen, kernhaften deutschen Bauernstamme Oberösterreichs entsprossen, von Jugend auf an die großen Ideale des Glaubens und der Edelkunst sich hielt und sich nicht von dem Tausend=Klein=Kram unserer großstädtischen Modekünstelei beirren ließ. Die „Lyra" hat Anton Bruckner's Leben und Werke bereits seit langem und oft, unter Anderem auch schon zu einer Zeit durch Bild und Biographie zu würdigen sich bestrebt, als es noch recht wenige Anhänger und Verkünder seiner Musik gab! Die „Lyra" wartet eben nicht, bis verdiente Männer in's Grab sinken, sondern sucht für sie und ihre Werke zu wirken, so lange es noch Tag ist, es ruhig manchen anderen überlassend, am Sarge der Todten ihre Reclamefackeln anzuzünden.
    A. Bruckner's Todesanzeige. Die Gemeinde Wien hat folgende gedruckte Todesanzeige ausgegeben: Der Gemeinderath der k. k. Reichshaupt= und Residenzstadt Wien gibt, von tiefer Trauer erfüllt, hiemit Nachricht von dem Ableben des Herrn Prof. Anton Bruckner, Ehrendoctor der Philosophie der k. k. Universität in Wien, Ritter des Franz Josef=Ordens, k. k. Hoforganist, Mitglied der k. u. k. Hofmusikcapelle, Lector für Harmonielehre und Contrapunkt an der k. k. Universität Wien, Ehrenbürger von Ansfelden und Linz, Ehrenmitglied des Wiener Männergesangvereines u. s. w., welcher Sonntag den 11. October 1896, um halb 4 Uhr Nachmittags, nach langem schmerzvollen Leiden und Empfang der heiligen Sterbesacremente [sic] im 73. Lebensjahre selig in dem Herrn entschlafen ist. Die irdische Hülle des Verblichenen wird Mittwoch den 14. d. um 3 Uhr Nachmittags vom Trauerhause, III. Heugasse 3, Oberes Belvedere, in die Pfarrkirche zu St. Carl Borromäus überführt, daselbst feierlichst eingesegnet, worauf die Beisetzung in der Stiftskirche zu St. Florian in Oberösterreich nach nochmaliger kirchlicher Feierlichkeit erfolgt. Die heiligen Seelenmessen werden Donnerstag den 15. d., um 10 Uhr Vormittags, in obgenannter Pfarrkirche, sowie in mehreren anderen Kirchen gelesen. Wien, den 13. October 1896.
                    Bruckner's letzter Wille.
    Für den Fall meines Ablebens treffe ich nach reiflicher Erwägung folgende letztwillige Verfügungen: [... es folgt der Wortlaut von Bruckners Testament ...]
                                     Als ersuchte Testamentszeugen:
Ferdinand Löwe m. p., Cyrill Hynais m. p., Dr. Theodor Reisch m. p.
    Bruckner=Schattenbilder. Ein gut gelungenes und charakteristisches Schattenbild Meister Bruckner's (wie er eifrig spielend an der Orgel sitzt) von Hans Schließmann ist im Verlage Rob. Mahr's in Wien erschienen." (e).

Ebenfalls auf Seite 6 ein Bericht von der Aufführung der 4. Symphonie am 18.10.1896 in Laibach:
"     Laibach. Die philharmonische Gesellschaft, die im Jahre 1702 gegründet, als einer der ältesten Musikvereine gelten kann, eröffnete am 18./10. die neue Spielzeit mit einem Concerte, in welchem die romantische Symphonie Ant. Bruckner's und das Vorspiel zu den Meistersingern Wagner's von einem 60 Mann starken Orchester sehr anerkennenswerth aufgeführt wurden. Seit langem wirkt diese deutsche Musikgesellschaft still und erfolgreich in windischem Gebiete. [... Kritik an der mangelnden Zusammenarbeit mit dem slowenischen Verein "Glasbena matica" ...]" [keine Signatur] (e1).

Das Feuilleton der Brünner Sonntagszeitung Nr. 3 auf S. 5, signiert »Dr. J. K.«, befaßt sich auch mit der Aufführung des Quintetts [25.10.1896 oder 4.11.1896 gemeint?].
"              Feuilleton. 
                  Musik.

von Dr. J. K. [...] Bruckner's F-dur Quintett.)
[... über Patti als Carmen ...].
     "Carmen" ist jene Oper, von deren Musik Nietzsche meinte, dass "sie nicht schwitze". Er sagte dies, als er Bayreuth abschwur und Bizet gegen Wagner ausspielte. Wie wenn sich nun der überhitzten Tonsprache Wagners der Schweiß des Contrapunktes zugesellt? Eine Frage – sie trifft die Kunst des in diesen Tagen dahingeschiedenen greisen Tonmeisters – die erfreulicher Weise angesichts des Streichquintetts in F zurücktreten kann, dessen Aufführung der Brünner Kammermusikverein dem Andenken Bruckners gewidmet hat. Es ist unserer Empfindung nach seine besonnenste, reinste Schöpfung, die stärker bleiben dürfte als seine acht Symphonien. Die strenge Form des Streichquintetts hat alle guten Geister dieser reichen Begabung herbeigerufen; sie zwang eine ausschweifende Fantasie zur Beschränkung, verbannte coloristische Excesse zu Gunsten der Zeichnung. Gerade darum ist auch das Werk nur in zweiter Linie – brucknerisch. Schreiber dieses durfte als Zeuge der Entstehung des Werkes bewundern, mit welch' außerordentlicher Sorgfalt, Hingebung und – Selbstbeherrschung Bruckner gerade an diesem Werke arbeitete, das nicht, wie so vieles Andere von ihm, Musik auf dem Papier bleiben, sondern durch das Quartett Hellmesberger klangliches Leben erhalten sollte. In Sätzen wie das [sic] klare, anmutige Scherzo, strömen die alten reinen Quellen der Musik. Und auch in den Außensätzen ist weniger die Erfindung brucknerisch, als ein paar wilde Modulationen, hartnäckig festgehaltene Gangsätzchen, kleine contrapunktische Schrullen, darunter die unvermeidliche Umkehrung der Themen, und die kleinen sich über den Schlußdreiklang festlich wölbenden Apotheosen. Alle diese kleinen Abirrungen vergessen wir aber gerne angesichts des freudigen Genusses, mit dem wir uns einem Satze, wie dem schönen Adagio hingeben. Ein wahrer Zaubergarten blühenden Gesanges, durch den uns die Geister Beethovens und Schuberts still geleiten. Hie und da machen uns allerdings nach Art mittelalterlicher Gärten einige Vexierkünste stutzig – aber das Stück verklingt wie eine wehmüthige Mahnung daran, was sein Schöpfer der Musik hätte werden können und nicht geworden ist. Mit Begeisterung und schönem Gelingen erledigte das Quartett Koretz seine schwierige Aufgabe. In guter Nachbarscgaft folgte auf Bruckner Brahms. Seine schlichte, spielselige Violinsonate in A dur ist ein Blumenstrauß von Lyrik, den Schubert binden geholfen hat. Einen wirklichen, lebenden verdiente sich Frl. Schäfer dazu, welche am Clavier redlich, gewissenhafte Arbeit verrichtete. Den Schluß machte Mozarts Es dur=Qartett [sic]; es bedeutet immer in genußreiches Ausruhen in Schönheit, wenn der heilige Name Mozart's erklingt." (f).

In der Linzer Tages-Post Nr. 253 wird auf S. 7 gemeldet, daß sich ein Tiroler Leser über die erbärmliche Spende des oberösterreichischen Landesausschusses (statt Kranz eine Spende von 25 fl für den Dombauverein) empört und daß ein Hinweis aus Enns vom 30.10.1896 sich mit Bruckners Beziehung zu Zenetti befaßt:
"    (Noch einmal Dr. Bruckner und der Landesausschuss.) Ein Tiroler, der derzeit in Linz ansässig ist, schreibt uns: "Von einer Reise zurückgekehrt, erhalte ich erst Kenntnis davon, in welch munificenter Weise der oberösterreichische Landesausschuss den todten Meister und großen Oberösterreicher Anton Bruckner ehrte, wie er mit schmerzerfüllter Hand in den Sack griff und zur Ehrung Bruckners 25 fl., schreibe ganze fünfundzwanzig Gulden, dem Dombauvereine widmete! Mir fiel dabei ein, wie sich seinerzeit der Tiroler Landesausschuss den Manen des Dichters Hermann von Gilm gegenüber benahm. [... vorbildliches Beispiel ...]. Und unsere clericalen Landesväter haben für einen Bruckner, den sie ja stets für einen ihrer Gesinnungsgenpossen ausgaben, nichts als erbärmliche fünfundzwanzig Gulden! Wahrlich hätten die Herren den Bettel lieber behalten und gar nichts hergegeben, es wäre würdiger gewesen. Man hätte dann nicht sehr gemerkt, wie wenig Verständnis für einen großen Mann, aber auch wie wenig Verständnis für die Würde des Landes diejenigen besitzen, die sie zu wahren berufen sind.
     (Aus dem Leben Dr. Anton Bruckners.) Man schreibt uns aus Enns, 30. October: Wie bekannt, war der große Meister im Reiche der Töne im Jahre 1843 als Schulgehilfe nach Kronstorf gekommen. Von Kronstorf ging er nun trotz der weiten Entfernung wöchentlich dreimal nach Enns, um bei dem im Alter von 87 Jahren am 12. October 1892 verstorbenen, tüchtigen Organisten Leopold Edlen v. Zenetti im Clavier= und Orgelspiel, insbesondere im Generalpass [sic] Unterricht zu nehmen. Leopold v. Zenetti animierte auch den verstorbenen Meister, welcher in seiner großen Bescheidenheit seine damals schon sehr hervorragenden Leistungen unter ihrem wahren Werte anschlug, zur Bewerbung um die Domorganistenstelle in Linz, wo er wie immer glänzend siegte. Eine innige Zuneigung und Freundschaft verband ihn daher auch mit dem verstorbenen Ennser Organisten Edlen v. Zenetti, und wie sich die älteren Leute gut erinnern, versäumte Bruckner nie, bei einem Besuche im Heimatlande zu seinem alten Freund nach Enns zu kommen und ihn seiner Dankbarkeit zu versichern." (g).

Auf Seite 3 ein Bericht über eine Vereinssitzung am 28.10.1896:
"     Eferding, 30. October. (Liedertafel. – Abschiedsfeier.) Mittwoch den 28. d. M. hielt die hiesige Liedertafel die 11. Generalversammlung seit ihrer zweiten Gründung ab. [... erwähnt: Archivar Kneißl, Vorstand Reisser, Nadler, Chormeister Karl David, Pianistin Mizzi Loitzenbauer ...]. Herr Reisser widmete auch einen warmen Nachruf dem jüngst verstorbenen heimatlichen Tondichter Dr. Anton Bruckner und schilderte in schwungvollen Worten die Bedeutung dieses Mannes in der Geschichte der Musik. [... Jahresbericht, Vorstandswahl ...]." (g1).

Hinweis auf die heutige Kirchenmusik im Deutschen Volksblatt Nr. 2813 auf S. 8: "     * [Kirchenmusik für Sonntag, 1. November.] [...]. – Der Kirchenmusikverein zum heiligen Thomas in Nußdorf bringt zur Aufführung: Tantum ergo von A. Bruckner [prov. WAB 48], Messe für vier Singstimmen mit Orgelbegleitung von G. Preyer, Offertorium von F. Schöpf." (h)

und in der Reichspost Nr. 267 auf S. 4: "[...] – St.Thomas in Nußdorf, Sonntag: Tantum ergo in C von A. Bruckner, Messe vierstimmig mit Orgelbegleitung von G. Preyer, Offertorium von F. Schöpf. – [...]." (h1).

Ein Inserat in der Neuen Freien Presse (b2) auf S. 16 macht auf Verlagserzeugnisse Rättigs aufmerksam:
Anton Bruckner. †
"Te Deum" für Chor, Soli u. Orchester, Partitur, fl. 6, Cl.=Auszug fl. 2.40
Symphonie Nr. 3, D-moll, für gr. Orchester, Cl.=Auszug 4/ms. fl 6. Scherzo 2/ms.  . . . . . .  fl. 1.20
Träumen und Wachen, für Männerchor und Tenor-Solo, Part. 48 kr., Stimmen  . . . . .  72 kr.
Verlag von Th. Rättig in Wien, I., Wallnerstrasse 1." (i).

Ankündigung des Konzerts vom 7.11.1896 im Prager Tagblatt Nr. 301 auf S. 10:
"    *** Das diesjährige I. Winterconcert des Universitätsgesangvereins Liedertafel der deutschen Studenten in Prag findet, wie bereits gemeldet, Samstag den 7. Nov. l. J. im Wintergarten des Grand Hotel statt. Dasselbe soll zugleich den Charakter einer Gedächtnißfeier für den jüngst verstorbenen Componisten Anton Bruckner tragen und wird deshalb mit dessen Chor "Germanenzug" eröffnet werden. Das Orchester stellt die Musikcapelle der k. u. k. 91. Inf.=Reg. Ritter von Fröhlich." (j).

Den bisher ausführlichsten amerikanischen Nachruf bringt der in St. Louis (Missouri) erscheinende Anzeiger des Westens Nr. 44 auf S. 3 in der 5. und 6. Spalte (unter Verwendung des größten Teils des Artikels in den Münchner Neuesten Nachrichten vom 14.10.1896, mit minimalen Ergänzungen und dem Fehler "1876" statt "1867"):
"    Der große Musikmeister Anton Bruckner ist, wie uns bereits ein Telegramm gemeldet hat, zwei und siebzig Jahre alt in Wien gestorben, ein Tonschöpfer, dessen Bedeutung erst nach seinem Tode ganz erkannt werden wird. An ihm ist wieder das alte Wort wahr geworden, daß der große Künstler erst sterben muß, um anerkannt zu werden und in seinen Werken zu leben. Ein Menschenalter lang blieb Bruckner fast ganz unbeachtet, begegneten seine Compositionen keinem Verständniß, und als ihm spät erst Anerkennung zu theil wurde, da war er zu alt und zu kränklich, als daß er noch für den Ruhm empfänglich gewesen wäre. Bruckner ist in dem von Kaiser Franz Joseph ihm bereiteten Heim im Belvedere=Schloß an einem Herzleiden verschieden, das schon schon [die nächsten sieben Wörter kaum lesbar] seit zwei Jahren ihn peinigte und keine Hoffnung auf Heilung mehr zuließ. Seit 1876 [sic] wirkte Bruckner in Wien als Hof=Organist und lehrte am Conservatorium für Musik Orgel, Harmonielehrer und Contrapunkt. Der bescheidene Mann mit dem glattrasierten Gesicht und dem ganz kurzgeschnittenen Haupthaare war von äußerster Anspruchslosigkeit. Er wohnte früher im vierten Stocke einer Miethskaserne, und erst in den letzten Jahren hatte er durch die Fürsprache der Erzherzogin Marie Valerie ein behagliches Heim im Belvedere, wo er mit seiner treuen Wirthschafterin Kathi Kachelin [sic], die seit 25 Jahren seinen Haushalt führte, wohnte. In der neuen Wohnung fühlte sich Bruckner sehr wohl. Er unternahm in den Morgenstunden häufig Spaziergänge im Belvedere=Garten. Bruckner starb am 11. October Nachmittags gegen halb 4 Uhr. Er hatte in der letzten Zeit oft wochenlang das Bett hüten müssen. Manchmal besserte sich sein Zustand und er konnte mehrere Stunden lang auf einer Bank im Freien sitzen. Ueber Bruckners letzte Augenblicke wird den M. N. N. unterm 12. ds. aus Wien geschrieben: Gestern Mittag ging er mit seiner Wirthschafterin im Park spazieren. Nachmittags gegen halb 4 Uhr verlangte er eine Tasse Thee, plötzlich aber sank er in den Lehnstuhl zurück und war todt. In einem Testament, das auch Bestimmungen über den künstlerischen Nachlaß enthält, äußert Bruckner den Wunsch, in St. Florian bei Steyr begraben zu werden; dorthin wird die Leiche am Mittwoch überführt werden. Bruckner war unvermählt, nur zwei Geschwister bildeten seine Familie. Lange hat es gedauert, bis er sich zur Geltung durchrang; eine kleine treue Gemeinde hatte sich freilich längst um ihn geschart. Seine acht Symphonien – von der neunten hatte er nur die ersten drei Sätze vollendet – sowie sein "Tedeum" und seine Messe in F sind gewaltige Tonwerke. Die zweite Symphonie (in C=moll) wurde im Jahre 1876, die dritte (D=moll) 1877 von den Wiener Philharmonikern aufgeführt. Richard Wagner hatte die Widmung der dritten Symphonie entgegengenommen. Die siebente Symphonie (E) fand bei ihrer Aufführung in München stürmische Aufnahme. Das herrliche Adagio, eine Trauermusik auf Richard Wagners Tod, erregte Bewunderung. Von jener Aufführung datiert eigentlich der Ruhm Bruckners. Die achte Symphonie wurde in Wien im Jahre 1892 vorgeführt. Bruckner hat in seinen Compositionen eine Fülle von musikalischer Kraft entfaltet. Welch ein Gegensatz zwischen Künstler und Mensch! Jener titanenhaft, gewaltig,– dieser einfach, bescheiden, ja fast furchtsam und ängstlich. Wenn die Mitwelt auch erst spät seine Bedeutung erkannt hat, die Nachwelt wird ihn als einen gottbegnadeten Künstler ehren." [keine Signatur]. (k).

Einen ebenfalls ausführlichen Nachruf bringt die ebenfalls in St. Louis erscheinende Westliche Post Nr. 306 (Mississippi-Blätter) auf S. 14 in der 3. Spalte:
"     Einer der bedeutendsten Tondichter für Kirchenmusik, Anton Bruckner, liegt aufgebahrt im kaiserlichen Schlosse Belvedere, wo ihm der Monarch auf Fürbitte der Erzherzogin Marie Valerie eine freundliche Gartenwohnung eingeräumt hat. Sein Lebenslauf war ein seltsamer. Als Dorfschulmeister und später als Stiftsorganist im Kloster zu St. Florian trieb er regellos seine Kunst, bis der Wiener Kapellmeister Herbeck auf ihn aufmerksam wurde und die Berufung des mehr als vierzigjährigen Mannes zum Organisten an die Wiener Hofkapelle durchsetzte. Bei Leid und Freud im Kaiserhause hat Bruckner der Orgel schwellende Töne entlockt, auch bei der Hochzeit der Erzherzogin Marie Valerie, die es ihm mit inniger Verehrung lohnte. Später wurde er zum Professor des Contrapunktes und der Harmonielehre am Conservatorium ernannt, doch mußte er sich früher einer Prüfung unterziehen; die theoretischen Fragen erließ man taktvoll dem gereiften Künstler, die Commission begnügte sich, ihm ein Thema zu geben, das er in so genialer Weise fugirte, daß sich alle vor dem Prüfling neigten. Die Universität Wien hat ihn zum Ehrendoktor ernannt, wobei der Rektor bei Ueberreichung des Diploms sagte: "Ich, der Rektor der Wiener Universität, beuge mich vor dem ehemaligen Unterlehrer von Windhag."
     Der Einfluß Richard Wagner's war mächtig über Bruckner, und die Wagnerianer haben viel zur Popularisirung seiner Tonwerke beigetragen. Man hat ihn stets mit Beethoven verglichen; gleich ihm hat er neun Symphonien geschrieben, von denen die dritte Richard Wagner, die vierte "Die Romantische", dem unglücklichen Baiernkönig Ludwig dem Zweiten [sic] gewidmet ist. Die neunte ist unvollendet, es sind nur drei Sätze vorhanden, der vierte sollte, nach des Componisten eigenen Worten, "dem lieben Gott gewidmet sein." In seinem Testament fand sich die Verfügung, wenn er diesen vierten Satz nicht beenden würde, sein Tedeum als Schluß anzufügen. Der letzte Wille enthält auch die Bestimmung, daß er in der Stiftskirche zu St. Florian unter der großen Orgel begraben werden möge, obgleich der verstorbene Bischof von Linz, der starre Verfechter der Kirchenrechte, Rudigier, der in trübsten Stunden von Bruckne's Orgelspiel Beruhigung erfahren hatte, längst eine Grabstätte in der dortigen Domkirche für ihn gesichert hatte. Der dreiundsiebzigjährige Mann starb ohne Todeskampf; mehr als je gleicht sein edles Antlitz dem römischen Imperator Claudius. Weltliche Musik hat er nie geschrieben; er war der Tondichter der Kirche, der katholischen Kirche, der Messen, des Tedeums, der Symphonien und der virtuoseste Orgelspieler unserer Tage. Ein tüchtiger hiesiger Musikkritiker sagt heute von ihm: "Hat Bach die Gebote Gottes komponirt, so hat Bruckner die richtigen Töne für die Gebote der Kirche gefunden, für den brennenden Eifer zürnender Glaubensfanatiker." Im Leben aber war er mild, freundlich und bescheiden wie Wenige, und er wird betrauert, wie es nur Wenigen zu Theil wird. Die Ueberführung und Beerdigung findet auf Kosten der Stadt Wien statt." [keine Signatur] (l).

Artikel über die Aufführung der 4. Symphonie in Frankfurt [30.10.1896] "Anton Bruckners Symphonie in E. [recte: Es] in Frankfurt A. M.", signiert "r.", in den Neuesten Nachrichten München (m).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189611015, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189611015
letzte Änderung: Jan 26, 2024, 16:16