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Der Erstdruck der 5. Symphonie (in Franz Schalks Bearbeitung) erscheint bei Doblinger (Partitur D.2080, Stimmen D.2081, vierhändiger Klavierauszug von Josef Schalk D.2062) [siehe April 1896] (*).
Der Erstdruck der e-moll-Messe erscheint bei Doblinger (Partitur D.2087, Chorstimmen D.2086) (**).
Von der 7. Symphonie erscheinen bei Gutmann der vierhändige Klavierauszug von Josef Schalk (Nr. A. J. G. 575) und der für zwei Klaviere von Hermann Behn (A. J. G. 964) (***).

C. Oehn beantragt bei der Generalversammlung des Wiener Akademischen Wagner-Vereins [30.1.1896], von Ferdinand Löwe und Josef Schalk bearbeitete zweihändige Klavierauszüge herauszugeben. Durch die Ausgabe von Subskriptionsscheinen wird das Erscheinen des Klavierauszugs der 4. Symphonie (Josef Schalk) bereits Ende 1896 ermöglicht [vgl. (°1)] (°).
Der [vermutlich 1897 erschienene] Jahresbericht des Wiener Akademischen Wagner-Vereins, 24. Jahrgang 1896, bringt auf S. 14 - 19 einen Nachruf »Anton Bruckner« von Josef Schalk (°1). Bei den »Kassen-Ausweisen« auf S. 20f ist bei den Einnahmen verzeichnet: »Sammelergebniss für Herausgabe eines Clavier-Auszuges zu 2 Händen von Bruckner's IV. (romantischer) Symphonie .... 500 fl.« und »Kostenvergütung der Gemeinde Wien anlässlich des Leichenbegängnisses Anton Bruckner's .... 102 fl. 80 kr.«, und bei den Ausgaben: »Auslagen anlässlich des Leichenbegängnisses Anton Bruckner's .... 131 fl. 80 kr.« und »Beitrag zur Herausgabe des Clavierauszuges zu 2 Händen von Bruckner's IV. (romantischer) Symphonie .... 500 fl.« (Revisoren: Friedrich Beck und Karl Bernhard Oehn, Kassier: Dr. Wolfgang Rigler) (°1). Im Verzeichnis der Ehrenmitglieder auf S. 22 ist bei Bruckner sein Todestag angegeben (°2) und auf S. 33 im Archiv-Verzeichnis bei »Musikalien«: »Dr. Anton Bruckner - Messe in E-Moll. Zwei Clavierauszüge und Chorstimmen.« und bei »Bildnissen« »Lithographien - Dr. Anton Bruckner.« (°3).

Fromme's Musikalische Welt, Jahrgang 1896, enthält auf S. 48f einen Bruckner-Artikel:
„Kleines vaterländisches Componisten-Lexikon.
[…]
     Bruckner Anton, geb.  4. September 1824 zu Ansfelden in Oberösterreich, k. k. Hoforganist, Prof. des Orgelspieles, der Harmonielehre und des Contrapunktes am Conservatorium, Ehren-Doctor der Philosophie der Universität Wien, Lector an derselben Hochschule. Von Erstaufführungen Bruckner’scher Werke aus der Saison 1894/95 sind besonders zu vermerken: F-moll-Messe (erste Aufführung in den Wiener Gesellschaftsconcerten), 2. Symphonie (2. philharmonisches Concert in Wien Erstaufführung in diesen Abonnementsconcerten), 4. Symphonie in Berlin, Mannheim und Hamburg. Tonarten, Entstehungs- und Aufführungs-Daten der Bruckner’schen Hauptwerke, besonders der Symphonien siehe im 18. Jahrgang (1893) unserer „Musikalischen Welt“ S. 59-60. Neu im Druck erschienen: Grosse Messe in F-moll, Clavierauszug und Partitur bei L. Doblinger, Wien I. Dorotheergasse 10. Von Bruckner’s grösseren Werken nur noch die 5. und 6. Symphonie, sowie die E-moll-Messe ungedruckt. Gegenwärtig arbeitet der Meister, der sich nach schwerer Erkrankung im Laufe des Jahres 1895 allmählich wieder erholte, und durch Vermittlung der Frau Erzherzogin Marie Valerie eine Parterrewohnung im kaiserlichen Lustschlosse Belvedere zu Wien erhielt, am Finale seiner neunten Symphonie (D-moll). Bruckner’s 70. Geburtstag (4. September 1894) von ihm in aller Stille zu Steyr (Oberösterreich) begangen, gab doch zu zahllosen festlichen Begrüssungen aus der Ferne Anlass und wurde auch von den bedeutenderen Zeitungen nicht unbeachtet gelassen. Ueber die musikalische Bruckner-Feier in Wien siehe unsere „Rückblicke“. Eine kurze Biographie des Meisters erschien im Sommer 1895 aus der Feder des k. und k. Uebungsschullehrers Franz Brunner in Linz.“ (°°1).
S. 65 bringt einen Hinweis auf ein Bruckner-Broschüre:
»Neueste Werke über Musik zwischen August 1984 – Juli 1895 |  2. Biographien, ästhetische Abhandlungen oder andere Bücher über einzelne Tonkünstler oder sonst auf die Musik bezügliche Personen.| […] Bruckner Anton Dr.: Ein Lebensbild von Franz Brunner « (°°2).
Auf S. 78f werden Aufführungen Brucknerscher Werke erwähnt:
„Rückblicke auf das Musikjahr 1894/95. […] Mit Beginn der Herbstsaison 1894 waren zunächst drei Künstlerfeste zu feiern, von denen zwei: der 70. Geburtstag unseres vaterländischen Tondichters Dr. Anton Bruckner und das 50jährige Dirigentenjubiläum Johann Strauss, schon im vorigen Jahrgang unserer „Musikalischen Welt“ erwähnt wurden. Dazu kam noch die 400jährige Wiederkehr des Geburtstages des grossen Meistersingers Hans Sachs, […].
     Das auf den 4. September 1894 gefallene 70. Geburtsfest Meister Bruckner’s wurde nachträglich von der „Gesellschaft der Musikfreunde“ durch Erstaufführung der grossen F-moll-Messe des Tondichters, von den Philharmonikern durch Aufführung seiner zweiten Symphonie (C-moll) – gleichfalls Erstaufführung in diesen Concerten – und vom „Quartett Hellmesberger“ durch eine Reprise des herrlichen F-dur-Quintetts gefeiert. Zu der vom Wiener Akademischen Wagner-Verein unter Mitwirkung der Philharmoniker Ende December 1894 geplanten grossartigen Bruckner-Feier kam es leider nicht, da eben um diese Zeit der Meister schwer erkrankte und, als er sich nach und nach wieder erholte, auf Gebot des Arztes jede, auch die freudigste Aufregung von ihm ferne zu halten war. Im Augenblick, als wir dies schreiben – Ende Juli 1895 – scheint Dr. Bruckner soweit hergestellt, dass er sogar an die Wiederaufnahme einer bereits vollständig aufgegebenen Arbeit – die Vollendung seiner neunten Symphonie – denken konnte. Möge die Besserung im Gesundheitszustande des allverehrten Meisters anhalten und sich alsbald in gänzliche Genesung verwandeln! […].“ (°°3).
Auf S. 100f sind die Hamburger Aufführung der 4. Symphonie unter Mahler (»Mitte Februar 1895« [18.2.1895]), die Aufführung unter Weingartner in Berlin (»4.3.1895«, recte: 9.3.1895) und die Gedenktafelenthüllung in Ansfelden (12.5.1895) verzeichnet:
„Sonstige bemerkenswerthe musikalische (oder mittelbar auf die Kunst Bezug nehmende) Ereignisse des In- und Auslandes 1894/95. [...]
Mitte Februar 1895: Erste Aufführung von Bruckner’s „Romantischer Symphonie“ (Nr. 4 Es-dur) durch Kapellmeister G. Mahler in Hamburg.
[S. 101:]
4. März 1895: Erste Aufführung von Bruckner’s „Romantischer Symphonie“ (Nr. 4 Es-dur) durch die königliche Capelle unter Capellmeister Weingartner’s Leitung in Berlin. |  12. Mai 1895: Enthüllung einer Gedenktafel am Geburtshause Anton Bruckner’s zu Ansfelden in Oberösterreich." (°°4).
Auf S. 107 (»Wiener Concert-Programme aus der Saison 1894/95«) wird das Konzert vom 25.11.1894 mit der 2. Symphonie erwähnt:
"Acht philharmonische Concerte – Dirigent Hans Richter | II  25. November 1894 | A. Bruckner: Symphoinie in C-moll, Nr. 2 (1. Aufführung in den philharmonischen Concerten.)",
auf S. 110 die Aufführung der f-Moll-Messe am 4.11.1894:
"Vier (ordentliche) Gesellschafts-Concerte | veranstaltet von der Gesellschaft der Musikfreunde. Dirigent W. Gericke | I   4. November 1894 | A. Bruckner: Grosse Messe in F-moll, Chor und Orchester (1. Aufführung in den Gesellschafts-Concerten). Soli: Frl. Sofie Chotek, Mitglied des Singvereines, Frl. Lotte Kusmitsch, Opernsängerin, Herr Richard Erxleben, Mitglied des Singvereines, Herr Franz v. Reichenberg, k. k. Hofopernsänger.",
auf S. 114 die Klavier-Teilaufführung der 6. Symphonie am 29.11.1894:
"„Interne Musikabende“ des Wiener Akademischen Wagner-Vereines. | I (III.) 29. November 1894. | […] Dr. A. Bruckner: I. Satz aus der VI. Symphonie, übertragen für Clavier: Herr Ferd. Löwe"
auf S. 117 der Chor »Träumen und Wachen« (am 23.3.1895 unter Jos. Neubauer):
"Jahres-Concert des Wiener Akademischen Gesangvereines. (III. Satzungsmäßige Aufführung.) | Unter Leitung des Chormeisters Dr. Jos. Neubauer. | 23. März 1895. […] Dr. A. Bruckner: „Träumen und Wachen“ (mit Tenorsolo)."
und auf S. 149 die Aufführung des Quintetts am 19.12.1894:
"Sechs Kammermusikabende des Quartettes Hellmesberger. | II. 19. December 1894 | Bruckner: Quintett F-dur […]" (°°5).
Bruckner wird außerdem noch erwähnt auf S. 169:
»K. k. Hof- und Kammermusik | Hofmusiker. Organisten: [...] Bruckner Ant.«,
auf S. 171:
»Kirchenmusik in Wien | VII  K. k. Hofmusikcapelle | Hoforganisten: [...] Bruckner Anton«
und auf S. 180:
»Wiener Musiker-Adressen | Bruckner Anton, Dr. phil. und Comp., Prof. (Org.), k.k. Hoforganist, Lector a. d. Universität, III., k.k. Lustschloß [recte: Lustschloss?] Belvedere« (°°6).

Der Jahresbericht des Wiener Akademischen Gesang-Vereins, 38. Vereinsjahr 1895/96 verzeichnet auf S. 54 (»Statistik [/] Ehrenmitglieder«) auch »... Prof. Dr. Anton Bruckner, Wien ...« (#).
Der Jahresbericht des 39. Vereinsjahres 1896/97 erwähnt auf S. 5-7 im Vorwort den Bruckner-Commers [11.12.1891] und beschreibt die Stimmung nach der Todesnachricht am 11.10.1896 - "[...] Bruckners Andenken werden wir treu bewahren, stets werden wir des großen deutschen Meisters gedenken. Fiducit!".
Auf S. 10f Würdigung des Verstorbenen, Bericht über die Teilnahme am Leichenbegängnis am 13.10.1896 (mit dem Text von Födischs Abschiedsgruß),
auf S. 11-18 Bericht vom Trauercommers am 28.10.1896 (mit dem Text von Franz Schaumanns Ansprache),
auf S. 39f Bericht über die Aufführung des "Germanenzugs" am 29.5.1897 mit dem Text zweier Konzertbesprechungen,
auf S. 44 (»Uebersicht über die Thätigkeit des Vereines«) »1. Theilnahme beim Leichenbegängnisse unseres Ehrenmitgliedes Dr. Anton Bruckner . . . 13. October.« und »4. Trauercommers zu Ehren unseres verstorbenen Ehrenmitgliedes Dr. Anton Bruckner im Concertsaale Ronacher . . . 28. October«.
Auf S. 45 wird von Neuanschaffungen für das Archiv berichtet: »4. Bruckner A. »Germanenzug« 25 Stimmen [/] 5. Bruckner A. »Trösterin Musik« 1 Vocalpartitur.«.
Im Mitgliederverzeichnis auf S. 51 ist »Prof. Dr. Anton Bruckner.« bei den verstorbenen Ehrenmitgliedern geführt.
Auf S. 68f wird das Programm des Konzerts vom 29.5.1897 (mit dem "Germanenzug") mitgeteilt (#1).

Der Jahresbericht des Wiener Männergesangvereins, 53. Vereinsjahr 1895/96 verzeichnet auf S. 156 (Statistik / »Ehren-Mitglieder«) »Bruckner, Dr. Anton, Komponist in Wien.« (##).
Der Jahresbericht des 54. Vereinsjahres 1896/97 berichtet auf S. 3f von Bruckners Tod und Leichenbegängnis (##1), auf S. 62 (»Statistik«) von der Vereinstätigkeit: »1 Aufführung in der Karlskirche. (Leichenfeier des Komponisten u. Ehrenmitgliedes des Vereins Dr. Anton Bruckner):« (##2), meldet auf S. 64 (»Statistik«): »Unter den im 54. Vereinsjahr aufgeführten 58 Chorwerken waren 2 Kompositionen v. A. Bruckner [...]« (##3). Auf S. 70 heißt es: »Das Beileid wurde schriftlich ausgedrückt den Hinterbliebenen der verstorbenen Ehrenmitglieder [...] Dr. Anton Bruckner [...]« (##4), und auf S. 73: »Der Verein hatte im abgelaufenen Jahr den Verlust von 10 Ehrenmitgliedern zu beklagen, u. zw. die Herren [...] Dr. Anton Bruckner, Komponist in Wien [...]« (##5). Auf S. 83 sind verzeichnet »Widmungen u. Spenden, die dem Verein im abgelaufenen Jahr zugekommen sind: [/] ein poetisches Gedenkblatt an Anton Bruckner, Spende des Dichters Albert Josef Weltner; [/] Ein Portrait des Komponisten Anton Bruckner in Rahmen, Geschenk des ausübenden Mitgliedes Wilh. Becker, namens des Congo-Club.« (##6). Auf S. 101 werden nochmals »Verstorbene Ehrenmitglieder« erwähnt (»Bruckner, Dr. Anton, Komponist in Wien [...]«) (##7).

Aufführung der 2. Symphonie unter Josef Pembaur in Innsbruck (a).

Aufführung des 150. Psalms in Chemnitz unter Mayerhoff (b). Solistin [vermutlich] E. Mann (b1).

Aufführung der 8. Symphonie unter Theodor Thomas in Chicago [siehe auch die Anmerkung] (c).

Karl Seiberl besucht den schwerkranken Bruckner im Belvedere (d).

Bruckner verewigt sich (»nicht lange vor seinem Tod«) auf einem von Hildegard Stradal vorbereiteten Tuch mit seiner Unterschrift (e).

Aufführung der 7. Symphonie in Finnland [Helsinki 12.11.1896] (f).

Die Verschlechterung von Bruckners Befinden geht einher mit der Zunahme von Absonderlichkeiten in seinem Verhalten: Kaufzwang (Taschenuhren, Schuhe), Geldangebote an die ihn unentgeltlich behandelnden Ärzte Dr. Heller und Prof. Schrötter, Unsicherheit beim Notenschreiben etc. Er schenkt Prof. Schrötter sein Pedalharmonium [siehe dazu ”Mai 1895”]. Frau Henrich berichtet, daß ihr Bruckner vom Schicksal seiner Werke, der Verkennung durch die Kritiker und seiner Hoffnungslosigkeit erzählte (g).

Cyrill Hynais erhält den 1., 2. und 4. Satz der f-moll-Symphonie (h).

Visitenkarte für Haemmerli [recte »Hämmerle?]: »Hochgeboren! Ich erlaube mir den Überbringer als einen ganz ausgezeichneten Jungen und geschickten Mann zu empfehlen, Dr. A. Bruckner« (i).

Aufführung von »Helgoland« durch die Berliner Liedertafel (j) und des »Te deum« unter Siegfried Ochs in Berlin [nach dem 11.10.1896] (k).

Aufführung der 8. Symphonie in Dresden (l), [?] der 4. Symphonie in England (m).

[3.8.1896] Aufführung des ”Germanenzugs” beim 5. Deutschen Sängerbundesfest in Stuttgart (n).

[ca. im ersten Halbjahr] Aufführung des »Germanenzugs« im 5. Konzert des Musikvereins unter Damian in Kaiserslautern. Bei anderen Programmnummern wirken mit Frl. Dietz und Fr. Fleisch (Gesang) und Frl. Schelle (Klavier) (o).

Aufführung des 1. Satzes der 4. Symphonie durch den Breslauer Orchesterverein unter Rafal Maszkowski.
Dazu erscheint eine Besprechung in der Schlesischen Zeitung 1896 Nr. 835 (p).

[erstmalige Erwähnung am 8.11.1895]
Der von Heinrich Bohrmann und Jacques Jaeger herausgegebene "Wiener Almanach | Jahrbuch für Literatur, Kunst und öffentliches Leben" enthält als Innentitelblatt die Porträts von Brahms, Goldmark und Bruckner ("TABLEAU-ARRANGEMENT v. Ch. Scolik, k. u. k HOFPHOTOGRAPH. WIEN."), auf S. 305 das Faksimile eines Albumblatts (die vier ersten Takte der 1. Symphonie mit der Unterschrift "Dr ABrucknermp." und auf den Seiten 303 - 309 einen Beitrag zu den abgebildeten Komponisten:
"                           Unser Titelbild.
           Albumblatt Wiener Tonkünstler.                                                                                                 Von Ludwig Karpath.
     Inmitten der verschiedenen politischen Strömungen, welche nun schon seit Jahren auf das gesellschaftliche Leben Wiens eine verheerende Wirkung üben, gewährt es eine gewisse Beruhigung, daß die Sturmfluthen des leidenschaftlichen aufgepeitschten Meeres von Schmähungen und hohnvollen Verleumdungen auf die musikalischen Verhältnisse dieser Stadt keinen merklichen Rückschlag bewirkten. [... Musik als sicherer und stabiler Zufluchtsort, auch in der Gegenwart ...].
     Johannes Brahms, Carl Goldmark und Anton Bruckner, wohl unbestritten die gewaltigste Componisten=Trias der Jetztzeit, domiciliren ständig in Wien, das denn auch die Stätte bildet, wo ihre Meisterwerke die vollendetste Wiedergabe finden. Oder wo sonst existiren die Talente, die man diesen drei Tondichtern gegenüberstellen könnte? Von Symphonikern ist es nur ein spärlich vertretenes Epigonenthum, welches in gemessener Entfernung von den zwei Titanen Brahms und Bruckner genannt werden darf, und von den lebenden Operncomponisten gehört Verdi der Vergangenheit an, während die Jungitaliener im besten Falle bloß einige Zukunft verheißen. [... Goldmark der bedeutendste ...].
     [... Brahms und Goldmark, seit Jahrzehnten in Wien, zählen "zu den Unserigen" ...]. Und vollends Bruckner! Er ist schon vermöge seiner Geburt – seine Wiege stand in Ansfeld [sic] – ein Kernösterreicher und ebenfalls seit Jahrzehnten in Wien ansäßig.
     Drei ganze Männer, von denen jeder seine eigenen Wege wandelt!
     Während wir bei Brahms den strengen Kunstverstand, die vollendete Form, überhaupt die gediegene Arbeit und bald die gedämpfte Schwermuth, bald die aufjauchzende Lust seiner Themen bewundern, ist es bei Bruckner die Kühnheit der Modulation, das Rhapsodische im Aufbau seiner Werke und in erster Reihe die großartige Conception und contrapunctische Sicherheit, was uns in den [sic] Augen springt. Brahms besticht mit dem Weltbürgerthum, das sich in seinen Schöpfungen offenbart, Bruckner imponirt mit dem Festhalten seines religiösen Sinnes selbst in jenen Hervorbringungen, welche im Geiste Richard Wagner's angelegt, trotz ihrer kosmopolitischen Alluren, ungesachtet ihrer gigantischen Contouren, doch immer wieder die Keuschheit und den Adel seines echt katholischen Empfindens hervorkehrt [sic]. [... über Brahms und seine Hauptwerke ...]
     Als chef d'oeuvre Bruckner's dürfte wohl sein mächtiges »Te Deum« bezeichnet werden. Seine Symphonien wurden dem Publicum erst spät zugänglich gemacht, was lebhaft zu beklagen ist. Es ist immerhin erfreulich, daß es ihm, wenn auch erst an seinem Lebensabend, vergönnt war, anerkannt zu werden. Mögen alle Concertinstitute nachholen, was sie jahrelang versäumt haben.
     Neben Brahms gehört entschieden Carl Goldmark die führende Stellung in der musikalischen Welt. Er zeichnet sich von [sic] Brahms und Bruckner dadurch aus, daß ihm fast kein Gebiet der musikalischen Composition fremd geblieben. [... über die Opern und die Intrumentalmusik ...].
     So haben wir denn in Kürze die Künstlerschaft dreier in Wien lebender Meister beleuchtet, von denen es jeder einzeln verdient, zum Gegenstande eines Essays gemacht zu werden. Vielleicht ergibt sich eine Gelegenheit, daß mir die verehrlichen Leser dieses Almanach auch auf dieses Gebiet folgen. Ich hoffe und wünsche es!" (q).

Auch in der Konzertübersicht auf S. 310 - 317, signiert "J. P. G." (= Johann Peter Gotthardt [siehe die Anmerkung]) wird Bruckner erwähnt:
"              Musikalische Rundschau.
                          (1894 – 95.)
                           Von J. P. G.
     In den letzten Jahren bereitete der Bicyclesport dem auf dem ganzen Erdenrunde grassirenden Clavierspielsport so ersichtliche Concurrenz, daß sich gar die Möglichkeit ergeben hat, geplante Steuererhöhunen auf Claviere fallen zulassen [sic]. [... dennoch eine Fülle von Klavierabenden ... meist über d'Albert ...].
     Da sich noch später über clavieristische Leistungen zu berichten Gelegenheit bieten wird, mögen vorerst die großen Concerte der Reihe nach erledigt werden. Anläßlich des 70. Geburtstages unseres einheimischen großen Tonmeisters Anton Bruckner (4. September 1894) wurde nachträglich im Gesellschaftsconcerte dessen große F-moll-Messe, wohl das schönste, einheitlichste Tonwerk Bruckner's aufgeführt und fand seitens des zahlreich erschienenen Auditoriums von Satz zu Satz sich steigernden frenetischen Beifall.
     Die Philharmoniker brachten gleichfalls als Ovation für den alten Meister seine seit 1876 nicht wieder zur Aufführung gelangte zweite Symphonie in C-moll (am 25. November) und das Hellmesberger'sche Quartett wiederholte sein Streichquintett und ehrte durch ein exquisites Zusammenspiel diesen Tag der Erinnerung. Eine der großartigsten Geburtstagsfeier [sic] hatte der Wiener akademische Wagner=Verein geplant, indem er das grandiose Te Deum und die siebente Symphonie (in E-dur) unter Mitwirkung erster Solo=, Chor= und Orchesterkräfte zur Aufführung bringen wollte. Leider aber mußte dieser Plan fallen gelassen werden, da sich der Gesundheitszustand Bruckner's Mitte November erheblich verschlimmert und somit die Nothwendigkeit ergeben hatte, jede, auch die freudigste Aufregung des Patienten hintanzuhalten.
     In dem zweiten philharmonischen Concerte, dessen Hauptnummer vorerwähnte zweite Symphonie von A. Bruckner bildete, spielte Richard Epstein [... Liszt ... über weitere Konzerte ... zuletzt über den 12jährigen Bronislaw Hubermann ...]. Nach zehn Jahren wollen wir sehen, was aus dem sogenannten Wunderknaben geworden ist. Möge ihm ein guter Stern leichten!"
In Hans Grasbergers Beitrag "Kunstleben in Wien" (S. 351 - 360) wird auf S. 353 Tilgner nur kurz erwähnt, nach überschwänglichem Lob für das Goethe-Monument von E. Hellmer:
"[...] An diesem Olympier war zu Schanden geworden der gewaltsame Concurrenzsturm Tilgner's, Ilg's wüthige Parteinahme für diesen seinen "Freund" und der Handstreich im Goethe=Verein." (r).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189600005, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189600005
letzte Änderung: Dez 03, 2023, 13:13