zurück 18.10.1896, Sonntag ID: 189610185

Übersicht:
A. Geschehenes (Ereignisse)
B. Geschriebenes (Briefe, Dokumente)
C. Gedrucktes (Zeitungsartikel in alphabetischer Reihung)

A. Geschehenes (Ereignisse)

[Erst am 20.10.1896?] Auf Bitten von Dr. Reisch sichten Ferdinand Löwe und Josef Schalk den musikalischen Nachlaß Bruckners. Josef Schalk übernimmt die vorhandenen 75 Partiturbogen zum Finale der 9. Symphonie zur weiteren Erforschung (*).

Aufführung der 4. Symphonie unter Joseph Zöhrer im ersten Konzert der Philharmonischen Gesellschaft in Laibach (**).

Bischof Franz Maria Doppelbauer besucht Bruckners Grab in St. Florian (***).

Hinweis auf die heutige Kirchenmusik in der »Presse« Nr. 287 auf S. 6: "     (Kirchenmusik.) [...] In der Hofcapelle um 11 Uhr: Paukenmesse in C von J. Haydn, Graduale von A. Bruckner und Offertorium von Eybler. – [...]. – In der Votivkirche um 10 Uhr: Messe in D, op. 47 von Max Filke, Graduale (Locus iste) von A. Bruckner und Offertorium (Domine Deus) von F. X. Witt. – [...]." (°).

Aufführung eines Pange lingua [vermutlich WAB 33] durch den Salzburger Domchor im Kirchweih-Festgottesdient (°a).

Aufführung des ”Locus iste” in der Wiener Hofkapelle (°°), als »Neu.« angekündigt (°°a),
und in der Votivkirche (°°°).

B. Geschriebenes (Briefe, Dokumente)

Brief Hanslicks an Hedwig Abel:
     Findet die beiden Bruckner-Artikel vortrefflich. Bruckner habe aber ”nicht ein einziges Haar […], nicht einmal ein weißes besessen (#).

Brief von A. Schäfer [oder: W. Schäfer?], Buchhändler aus Schkeuditz (bei Leipzig), an das Stift St. Florian (?):
     Würde die Bibliothek Bruckners übernehmen, bittet um Zusendung eines Verzeichnisses und bietet günstige Zahlungsbedingungen an (##).

Lohnkutscher J. Ackerl bestätigt Johann B. Breselmayr, für die Leistungen am 15.10.1896 - Überführung der Leiche von Asten zum Krankenhaus in St. Florian, den Leichenwagen vom Krankenhaus in die Stiftskirche, die Überführung der Kränze von Asten nach St. Florian und für Personalkosten - zusammen 57 fl 50 xr erhalten zu haben (###).

Rechnung des Hofmeisters Johann Langthaler: Für Garten-, Keller-, Haus- und Küchenpersonal anlässlich des Leichenbegängnisses zusammen 27 fl. Empfang am 12.11.1896 quittiert (a).

C. Gedrucktes (Zeitungsartikel in alphabetischer Reihung nach dem Anfangsbuchstaben)

Der Alpen-Bote Nr. 84 berichtet auf S. 3f von den Trauerfeiern am 14.10.1896 und 15.10.1896:
"             Anton Bruckner †.
   
 Das am Mittwoch auf Kosten der Stadt Wien stattgehabte Leichenbegängnis Anton Bruckners gestaltete sich zu einer überaus imposanten Trauerfeier. [... Schilderung des Ablaufes (Belvedere, Trauerzug, Karlskirche, Herbecks "Libera", Schuberts "Ruhe sanft"), Erwähnung vieler Anwesender: Ignaz Bruckner ("frappant ähnlich"), Familie Hueber, Vertreter von Gemeinde Wien,Universität, Gesellschaft der Musikfreunde, Konservatorium, Künstlergesellschaft, Wiener Männergesangverein, Schubertbund, Wiener Singakademie, Wiener Akademischer Gesangverein, Wiener Burschenschaften, ferner: Graf Latour, von Hartl, Bezecny, Reinisch, Bürgermeister und Vizebürgermeister, Stadt- und Gemeinderäte, Magistratsbeamte, Jahn, Brahms, Goldschmidt, Fuchs, Eder, Hellmesberger, Kpm. Adolph Müller, Leo Held, C. M. Ziehrer, Gustav Walter, Regisseur Stoll, Grengg, mehrere Musikschriftsteller, Kremser, Perger, Fädisch [recte Födisch ...]. Dann wurde die Leiche, welcher zwei Blumenwagen mit einer Fülle prächtiger Kränze folgten, durch die Entreprise de pompes funèbres nach dem Westbahnhof gebracht, um von dort zur Beisetzung nach Sanct Florian überführt zu werden.
     In St. Florian wurden am Donnerstag nachmittags dem greisen vaterländischen Tonheroen Dr. Anton Bruckner die letzten Ehren erwiesen. [... Um 6 Uhr Überführung vom Bahnhof Asten zum Markt, Aufbahrung in der Totenkapelle am westlichen Ortseingang ...] Jene Trauergäste, welche vor 2 Uhr nachmittags in St. Florian anlangten, konnten durch den Glasdeckel des Metallsarges noch die infolge der langen Krankheit bis zur Unkenntlichkeit entstellten Züge des in seinem Leben aller Welt freundlich ins Antlitz blickenden, lieben, guten Bruckner beschauen. [... in der Kapelle Blumen und Kränze aus Linz und Wien, darunter der Stadt Linz ("Seinem berühmten Ehrenbürger") ...] am Hause Nr. 9 (Schulgebäude) war auf einer improvisierten Gedenktafel zu lesen: "Professor Anton Bruckners Wohnung als Schulgehilfe."
     Vor der Leichenkammer des Krankenhauses sammelten sich um ½ 3 Uhr bereits die Honoratioren [...]. – Um ¾ 3 Uhr kam die Geistlichkeit mit dem conductführenden Priester Abt Moser, welcher die Einsegnung vornahm, [... Zug vom Krankenhaus über die Hauptstraße zur Stiftskirche ...Schulkinder, Krankenhausverwalter Dechant Breselmayr, Lehrerschaft, katholischer Gesellenverein, Feuerwehr und Veteranenverein von St. Florian, ca. 100 Kränze, Gesangverein "Concordia" (Enns), Steyrer Liedertafel, Liedertafel "Frohsinn", Kirchenchor und Musiik von St. Florian, 60 Geistliche, Abt Grasböck, Domherr Dullinger, Canonicus Dürrnberger (Steyr), Domvicar Hiegelsperger (Linz), Bruckners  Verwandte, Kathi Kachelmayr, Abt Achleuthner, Behördenvertreter von St. Florian, von Füger, Linzer Bürgermeister, Vizebürgermeister Dr. Lampl, Karl Waldeck, Göllerich, Franz Bayer, "Sängerbund" (Linz), Musikverein Linz, Oberösterreichischer Lehrerverein, Museum "Francesco-Carolinum", Gutenbergbund Linz, "Meistersinger" (Linz), Kränzchen und Musikverein aus Steyr, Verein der Musikfreunde (Linz), Vertreter von oö. Gesang- und Musikvereinen ...].
     Als die Schulkinder die Kirche betraten, erbrausten die Klänge der großen Chrismann'schen Orgel, welche auch der todte Meister so oft und herrlich gespielt hatte. Der Stiftsorganist Herr Gruber intonierte Reminiscenzen aus "Parsifal". [... Sarg im Presbyterium aufgestellt ...].
     Der Florianer Kirchengesangchor sang mit weihevollem Vortrage zuerst unter der Leitung des Regenschori, Chorherrn Deubler, mit großer Wirkung das "Libera" aus dem Requiem von Bruckner mit Blechharmonie, worauf Abt Moser die abermalige Einsegnung vornahm; hienach sang am Chore die Liedertafel "Frohsinn" unter der Leitung des Chormeisters Herrn Prammer den Trauerchor "Beati mortui" von Mendelssohn, der in diesem hehren Raume wunderbar klang. Nachdem der letzte Ton dieses Chores verhallt war, wurden die sterblichen Ueberreste des verewigten Meisters in die Gruft getragen; voran schritt die Geistlichkeit mit dem Abte von St. Florian, dann folgte der Sarg und diesem die Verwandten und Honoratioren und zahlreiche Trauergäste; als der Sarg gehoben wurde, um in die Gruft getragen zu werden, senkten sich die Banner. In der Nähe der Schichten von Todtenschädeln aus den Kriegen der Avaren und Hunnen, gerade unter dem Orgeltische der großen Orgel wurde Dr. Anton Bruckner bei Kerzen= und flammendem Fackelscheine nach nochmaliger Einsegnung durch den Abt und unter Verrichtung von Gebeten beigesetzt. Um ¼ 5 Uhr war die Trauerfeier beendet.
     Während nachmittags über der von einem orkanähnlichen Winde aufgewirbelte Staub die Leichenfeierlichkeit einigermaßen beeinträchtigte, wölbte sich gerade vor dem Antritte des letzten Ganges unseres größten Tondichters ein mild schimmernder Regenbogen über den Westen, als wollte der Himmel, der mit Anton Bruckner eine tiefreligiöse, strenggläubige Seele aufzunehmen hatte, dem Abgeschiedenen eine Brücke wölben, auf der sein genialer Geist zu seinen Brüdern, einem Beethoven, Mozart, Schubert konnte emporschweben. Diese werden dort seine "lieben Gaudeamus" sein, wie der Docent Bruckner seine Hörer stets zu nennen pflegte.
     Heute früh halb 8 Uhr fand in der Stiftskirche zu St. Florian für Dr. Anton Bruckner ein Seelengottesdienst statt, den Abt Moser unter zahlreicher geislticher Assistenz celebrierte. Hiebei wurde Bruckners Requiem aufgeführt." (za1).

Die Brünner Sonntagszeitung Nr. 2 bringt auf S. 3 einen Nachruf auf Bruckner, signiert »Dr. J. K.«:
"                        Anton Bruckner. †
    
Dr. J. K. So ist er denn zum Frieden eingegangen der Vielumstrittene. Bruckner ist 72 Jahre alt geworden – und im Grunde jung gestorben. Denn, wenn für den Künstler "leben" wirken heißt, dann hat Bruckner kurz gelebt, er, der an der Pforte des Greisenalters anfing zu schaffen und die Gemüther zu bewegen. In jeder Künstlernatur liegt der Drang nach Geltung und Anerkennung; sie will erobern, den Dingen Gestalt geben. [... Opfer eines "wüstes Parteitreiben" ... verstärkt nach Liszts Tod ...]. Mit einer Spitze gegen Brahms hin – nur selten mag eine so anspruchsvolle Rolle einer so wenig dazu geeigneten, wunderlich zusammengesetzten Künstlerindividualität zugefallen sein. [... Herkunft von der Orgel ... erklärt manche Besonderheiten seiner Musiksprache ...]. Wer näher zusieht, mag in dem größten Meister, der von der Orgel ausgegangen ist, in Bach, eine ähnliche Vereinigung verstandesmäßiger Elemente mit phantastischen entdecken. Der Phantasie eines Bach gab aber der kunstbestimmende Ideenkreis seiner Zeit, der mächtige Halt religiöser Ueberzeugungen feste Richtung. Bruckners heiße Einbildungskraft lief sich an Wagner'scher Musik heiß. [...] . Eine Synthese aus Beethoven und Wagner zu werden – das muss Bruckner dunkel vorgeschwebt haben. In seinen acht Symphonien waltet eine üppige, wenn auch nur stoßweise und sprunghaft arbeitende Erfindungskraft, die an Beethoven glaubt, zu Wagner verzückt betet und nebenbei mit Schubert'scher Lyrik in Sechterscher Contrapunktik Händedrücke wechselt. Wie ein Jüngling in seiner ersten Liebe, schwelgte aber Bruckner selbstvergessen in der Tonwelt Wagners. Und wenn er den ausschweifenden Trieben seiner Phantasie seine contrapunktische Kunst mäßigend gegenüberzustellen versuchte, so gieng es ihm, wie es uns nach Börne ergeht, wenn wir unseren Verstand gegen die Liebe zu Hilfe rufen: der Verstand, der Contrapunkt, alliirte sich nur mit der Phantasie und verstärkte deren Uebergewicht. Doch es ist nicht Aufgabe und nicht Absicht dieser Zeilen, Bruckner'sches Kunstschaffen zu analysiren. Auch erinnern wir uns eines Wortes von Ehlert, der, wie zwischen Bild und Beschauer, auch eine Art Luftlinie zwischen Kunstobjekt und kritischem Betrachter wünscht. Diese Luftlinie schafft der Tod. In wenig Lustren werden wir wissen, in wie weit die merkwürdige Erscheinung Bruckners nachwirkt in der Musikentwicklung, was von ihr leben wird. Heute kann es vollends uns, die wir die besondere Verpflichtung des Schülers zum Meister haben, nur zukommen, Anton Bruckner, wie Jedem, der für seine Sache ehrlich gestritten und gelitten, den Kranz der Ehrfurcht und der Liebe auf das frische Grab zu legen." (zb1),

und auf S. 5 (»Kleines Feuilleton«) Bruckner-Anekdoten:
"     Bruckner-Anekdoten. Nach dem Tode des großen Tonkünstlers schwirrt ein Schwarm von Anekdoten auf. Bruckner war ein Original von wunderlichen Lebensgewohnheiten; seine drastischen Einfälle könnten ein Buch füllen. Schreiber dieses, Musikreferent dieses Blattes, seinerzeit ein Schüler Bruckners, könnte davon reichlich berichten. Einer der heitersten Vorfälle war folgender. Das Wiener Conservatorium, an dem Bruckner als Lehrer wirkte, hatte einen Schüler, der das Unglück hatte, einen schiefen Mund zu besitzen, der bei dem geringsten Mienenspiel seinem Gesichte den Anschein gab, als flöge ein Lächeln darüber. Bruckner kannte diesen seinen Schüler und diese Mißbildung seiner Gesichtsmuskeln. Gleichwohl konnte er sich consequent darüber ereifern, indem er in seiner nervösen Vergeßlichkeit aus dem verhaßten Antlitz ein Lächeln des Hohnes herauslas. Das ging einmal so weit, dass Bruckner ibn maßloser Wuth, durch das vermeintliche spöttische Lächeln des ihm aufmerksam zuhörenden armen Opfers gereizt, den Unterricht unterbrach, um den Direktor (Hellmesberger) zu holen! Darüber natürlich erst recht unauslöschliches Gelächter sämmtlicher Hörer! – Interessant ist eine Aeußerung über eine damals neu aufgeführte "Rhapsodie" Dworzak's. Bruckner kam entrüstet über dieses "Nichts" in die Vorlesung. "Aber das Ding ist doch glänzend instrumentirt" – meinte ein Schüler schüchtern. Da kam er gut an. "Du E . . ., fuhr Bruckner auf – er duzte mit Vorliebe seine ältesten Schüler – "bleiben nicht schön bemalte Bratwürstel immer nur Bratwürstel?" Bruckner empfand lange den Schmerz, nicht nach Gebühr anerkannt zu sein. "Ja, wenn ich solche Sachen schreiben wollte . . .", meinte er bitter, setzte sich zum Flügel und phantasirte eine Stunde lang täuschend ähnlich in der ohrenschmeichelnden Manier der damals in Wien so erfolgreichen Fuchs'schen Serenaden. Sehr ängstlich und wählerisch war Bruckner in Allem, was die Instrumentirung seiner Symphonien betraf. Wie oft ließ er sich zu einer Privataudienz einen Clarinettisten oder Trompeter kommen und eine Partiturstelle in unzähligen Ausdrucksvarianten vorblasen, bis er sich für die endgiltige Bezeichnung entschied. Ungemein ängstlich machte ihn jedes öffentliche Auftreten. Er, der berühmte Organist, pflegte sich vor einem öffentlichen Spiele künstlich Muth zu machen. "Na ich weiß ja, wißt Ihr, Michel, sagte er da, wenn ich daneben greife, so mache ich erst recht was Interessantes daraus." Die Hörer von der Universität nannte er "seine Gaudeamus." Sein Dankgefühl für Alle, die sich für seine Kunst einsetzten, war grenzenlos. Der gute greise Mann pflegte da so manche Hand eines jüngeren Mannes zu fassen und eh' sie ihm entzogen wurde, zu küssen. Aber da ließe sich noch gar viel erzählen." (zb2)

und kündigt auf derselben Seite die morgige Gedenkfeier an:
"     Brünner Wagner=Verein. Derselbe veranstaltet Montag den 19.  October, 8 Uhr abends im Vereinslocale (Goethe-Zimmer) eine Gedenkfeier anläßlich des Ablebens Anton Bruckners. Es wird vorausgesetzt, daß sich die Mitglieder vollzählig und pünktlich zu dieser bedeutungsvollen Veranstaltung einfinden werden." (zb3).

The Brooklyn Daily Eagle Nr. 290 zitiert in einer Konzertübersicht auf S. 9 in der 3. und 4. Spalte eine Äußerung von Emil Paur:
"THE SYMPHONY CONCERTS.
Announcement of the Coming Season's Special Programme.

     [... Konzerte der Philharmonic Society ... Henry E. Krehbiel wird am Tag vor den Abendkonzerten einen Einführungsvortrag halten (Klavier: Henry Holden Huss) ... Solisten ... Abbildungen, darunter Emil Paur, Franz Kneisel, Carl Halir ...].
     Mr. Emil Paur, conductor of the Boston Symphony orchestra, has been busy during the summer making up the programmes to be played this season. [... in Boston, Brooklyn, New York, Philadelphia und Baltimore ...]. In a recent interview Mr. Paur spoke of his plans as follows:
     "At this time, perhaps more so than at any other during the past fifteen years, there is a growing tendency to go back to the simplicity and naturalness of the old masters [...]. Mr. Paur goes on to say of his Boston prgoramme [sic]: "Tschaikowsky, who has met with so signal public favor, will not be forgotten and his second and fourth symphonies, which are included in the programmes, are new here. Bruckner is a renowned Vienna composer who belongs to the extreme modern direction and it appears to me as a duty to bring out one of his works, as hardly anything is known of him in America. Of course, the Brooklyn programme will be a largely a selection of the best works performed in the home city of the Symphony band. [...]
     [... Aufführungspläne, in Boston 24, New York 10, Brooklyn 9 Konzerte etc., Bruckner nicht erwähnt ... Solisten ... Termine der Philharmonischen Konzerte ...]. Mr. Krehbiel's word pictures will be helped out by Mr. Henry Holden Huss' illustrations on the pianoforte." (zb4).

Nachruf im Buffalo Courier Nr. 292 auf S. 7 in der 1. und 2. Spalte:
"          DR. ANTON BRUCKNER.
Some Account of the Great Composer of Sacred Music.

     It was with the deepest regret that musicians in this country received the news that Dr. Anton Bruckner died in Vienna last week. His was a name which has been associated with Vienna for many years, and it was only recently that the University of Vienna conferred upon him the title of Doc. Phil. Hon. C., a distinction that has been granted to no other musician. He has been a lecturer on harmony and counterpoint in the above named institution for years.  He was born in a village of Upper Austria, in 1824, and began life as a choir boy, supplementing the cultivation of his voice by the study of the violin, piano, abd organ. Upon the latter instrument he was destined to become a most proficient performer. Bruckner has always stood on terms of especial intimacy with the Roman Catholic Church, in whose honor no modern musician of note has written so much. "His masses," says a recent writer, "have that in common with the great classic models that they offer well nigh insurmountable difficulties for church choirs as ordinarily equipped." On all he has written he has impressed the stamp of a powerful individuality, and that is certainly one of the chief characteristics of great music. Bruckner's music has yet to be comprehended, but his death is a great loss to the musical world." (zb5).

Nachruf und Ankündigung der 8. Symphonie in The Chicago Tribune Nr. 293 auf S. 35 in der 4. Spalte:
"               Musik Notes.
[...].
     The death of Herr Anton Bruckner, the celebrated composer, was chronicled at Vienna last week. Herr Bruckner, whose fame rests upon his eight symphonies, was a strong adherent of Wagner. The final one of these will be given under Mr. Thomas' direction this season. A number of years ago the same conductor gave Herr Bruckner's Symphony No. 1 [sic] an American first performance. Herr Bruckner was born Sept. 4, 1824, at Ausfelder [sic], Austria, receiving his earliest musical instruction from his father, the village schoolmaster. First a member of the choir of the Institute of St. Florian, he subsequently went to the Cathedral of Linz in the same capacity, studying meanwhile under Sechter and Otto Kinzler [sic] in Vienna. He succeeded the former as organist in the court chapel, where the music is of extraordinary beauty, in 1867. On assuming that position he was also appointed professor in the conservatorium." (zc1).

In einem Kommentar Theodor Helms in der Deutschen Zeitung Nr. 8909 auf S. 8 wird festgestellt, daß das Quintett sowohl vom Hellmesberger- als auch vom Rosé-Quartett vergessen wurde: "[... Bekanntgabe der Programme von Kammerkonzerten ...].     Hierzu bemerkt unser Musikreferent: Mit Rücksicht auf die tiefe allgemeine Frauer, in welche die musikalische Welt durch das Ableben Bruckner's versetzt worden, fällt auf, daß sowohl Herr Hellmesberger, als Herr Rosé auf des großen Tondichters F-dur=Quintett völlig vergessen haben.     Für Herrn Rosé, der das erwähnte Meisterwerk in Wien überhaupt noch nie gespielt (obgleich er damit in Linz großen Erfolg errungen!), hätte sich nun die passendste Gelegenheit ergeben, eine langjährige künstlerische Unterlassungssünde gut zu machen.  Wie leicht hätte er aus seinem überreichen Brahms=Spielplan eine Nummer (zum Beispiel das so oft gehörte Clavierquartett in A) streichen können zu Gunsten einer "Erstaufführung" des Bruckner'schen Quintettes! Nun vielleicht erinnern sich die "Böhmen" des todten Meisters Anton und bringen uns heuer wieder dessen Quintett, mit welchem sie in der verflossenen Spielzeit – am 27. März 1896 – im großen Musikvereinssaal – einen geradezu sensationellen Erfolg erzielten.     h–m." (zd1).

Das Deutsche Volksblatt Nr. 2799 veröffentlicht auf S. 10 eine Familienanzeige:
»                          Eingesendet. *)
[Fußnote der Schriftleitung]
                             Danksagung.
     Außer Stande, für die aus Nah und Ferne zugekommenen liebevollen Beweise herzlicher Theilnahme, welche uns anläßlich des Ablebens unseres unvergeßlichen Bruders, des Herrn 
Dr. Anton Bruckner, zugekommen sind, einzeln zu danken, statten wir auf diesem Wege Allen, welche das Andenken unseres theueren Bruders hierdurch geehrt, unseren innigsten Dank ab.
     Insbesondere bringen wir dem hohen k. k. Unterrichtsministerium, dem Herrn Bürgermeister, den beiden Vice=Bürgermeistern und dem Gemeinderathe der k. k. Reichshaupt= und Residenzstadt Wien, der k. k. Wiener Universität, der Direction der k. k. Hofoper, Herrn Hofcapellmeister Hans Richter und den Philharmonikern, dem Lehrkörper des Conservatoriums, der Gesellschaft der Musikfreunde, dem Singvereine, dem Wiener Männergesangvereine, dem Schubertbunde, dem Wiener Akademischen Wagnervereine, dem akademischen Gesangvereine und den übrigen akademischen Verbindungen für die Betheiligung am Leichenbegängnisse und für die prachtvollen Kranzspenden unsern herzlichsten Dank zum Ausdrucke.
     Wien, am 16. October 1896.
                             Ignaz Bruckner,
              Rosalia Hueber, geb. Bruckner.« (zd2).

Artikel im »Guide musical« (zg1).

Das Grazer Tagblatt Nr. 288 bringt auf S. 9 einen mit "Dick." signierten Aufsatz mit Gedanken zur Zeit- und Kulturgeschichte, in dem auch Bruckner erwähnt wird:
"[ohne Überschrift]
     Die Wogen der französischen Begeisterung über den Russenbesuch glätten sich langsam, [... England, Nansen, Studentenverbindungen, Figurenschmuck der Grazer Sparkasse ...].
     Dem eben heimgegangenen Meister Anton Bruckner gelang es auch erst spät, die so wohlverdiente Anerkennung seines trefflichen Wirkens zu erhalten. Er, der Schöpfer so gewaltiger Tonwerke, begann seine Laufbahn als Schulgehilfe und Messner.
     Die Clericalen von heute leugnen es mit Vorliebe, dass der Lehrer der vormärzlichen Zeit des Pfarrers Stiefel putzen, die Kirchenbänke abstauben, Lichter anzünden musste. [... siehe Kienzls "Evangelimann" ...].
     Bruckner, der Sänger so herrlicher Symphonien, fand allgemein betrauert seine Ruhestätte in St. Florian an Oberösterreich.
     In St. Johann bei Graz dagegen gedenkt zu unserer allgemeinen Freude die treffliche Sängerin Amalia Materna sich zur Ruhe zu setzen, [... Vision einer von ihr betriebenen Schlosswirtschaft ... so müsste] die hochwillkommene Sängerin als reine Materna magica erscheinen.                    Dick." (zg2).

Artikel im Ischler Wochenblatt Nr. 42 auf S. 2f mit Nachruf und Bericht über die Leichenfeier am 14.10.1896 und das Begräbnis am 15.10.1896 und mit dem Text der Rede von Franz Födisch:
"              Anton Bruckner †.
     
In seinem stillen Heim im Belvedere zu Wien ist am 11. d. M. nachmittags halb 4 Uhr der große Componist Dr. Anton Bruckner nach langem, schweren Leiden im 73. Lebensjahre verschieden. Mit ihm hat unser Kronland einen seiner größten und hervorragendsten Söhne verloren. Anton Bruckner wurde am 4. September 1824 zu Ansfelden bei St. Florian in Oberösterreich als Sohn des biederen Dorfschulmeisters gleichen Namens geboren. Schon in zarter Jugend verrieth er außergewöhnliche musikalische Begabung. Den ersten Unterricht erhielt er von seinem Vater, welcher 1836 starb. Der verwaiste zwölfjährige Anton fand im Stifte St. Florian als Sängerknabe Aufnahme, wo ihm reichliche Gelegenheit geboten war, einen gediegenen Grund für seine weitere musikalische Ausbildung zu legen.
    Schon als Sängerknabe versuchte er sich im Componieren, auch meisterte er schon damals die Orgel in einer für sein Alter ganz ungewöhnlichen Weise. [...]
     Ein Tag, reich an Ehren für Bruckner, ist der 25. Jänner 1856. An diesem Tage fand im Alten Dome zu Linz das Probespiel zur Besetzung der viel umworbenen Domorganistenstelle statt. Bruckner gieng aus dem Concurrenzkampfe als Sieger hervor. [...]
     Seine erste wahrhaft große That als selbstschöpferischer Tonkünstler vollbrachte Bruckner im Jahre 1864, in welchem Jahre er die herrliche Messe in D schuf. Mit dieser Messe hat sich Bruckner in die vorderste Reihe der hervorragendsten kirchlichen Tonsetzer gestellt. [...]
     Im Jahre 1868 vollendete er die dritte und großartigste Messe in F-moll; im gleichen Jahre schrieb er auch zur Einweihung der Votivkapelle des Maria Empfängnis=Domes die zweite große Messe in E-moll. [...]
     Im Jahre 1872 wurde die dritte Messe (F-moll) in der Augustinerkirche aufgeführt, scheiterte aber an der Lässigkeit und dem Widerwillen der Musiker, die sie als zu schwierig erklärten. [...]
     Auch an äußeren Ehren, nachdem endlich böswillige Anfeindungen zum Schweigen gebracht waren, fehlte es nun nicht. Die Wiener Universität ernannte Bruckner 1891 zum Ehrendoctor der Philosophie. Die Studentenschaft feierte diese Ehrung durch einen großen Commers im Sophiensaale und die Philharmoniker am Sonntag darauf, am 13. December 1891, durch Aufführung seiner ersten Symphonie. Kaiser Franz Josef I. ehrte den Meister durch Verleihung des Franz Josef=Ordens.
     Am 4. September 1894 feierte Bruckner seinen 70. Geburtstag, der ihm große Ehrungen brachte. Im Jahre 1895 wurde am Geburtshause Bruckners in Ansfelden eine Gedenktafel enthüllt, welche die Liedertafel „Frohsinn" dem großen Tondichter widmete. Die steigende Anerkennung, die glänzenden Erfolge seiner Werke verschönten den Lebensabend des einsamen Mannes, dem auch kaiserliche Huld im Belvedere ein hübsches Heim eingerichtet hat.
     In der Symphonie einerseits, in der Kirchenmusik andererseits ruht Bruckner's unvergängliche Bedeutung; er hatte beide in neue Bahnen gelenkt, indem er an Wagner's Kunstideal anknüpfte. [...].
     Wiewohl Bruckner in den letzten Monaten oft und viel zu leiden hatte, ist sein Tod sanft und schmerzlos eingetreten, er kam plötzlich über ihn, bald nachdem er noch an seinem letzten großen Werke, der neunten Symphonie, gearbeitet hatte. Dr. Bruckner war seit Langem an einem quälenden Herzleiden erkrankt, das sich derart geltend machte, daß der Kranke oft, von asthmatischen Anfällen heimgesucht, Nächte im Lehnstuhl verbringen mußte.[...].
     Bruckners letztes großes Werk, an dem der Meister bis zum Tode arbeitete, die neunte Symphonie, ist bis zum letzten Satz gediehen. In Vorahnung dessen, daß der Tod ihm möglicherweise die Feder aus der Hand nehmen könnte, hatte der Altmeister bestimmt, daß für den Fall, als der letzte Satz unvollendet bleiben sollte, sein Te Deum den Schluß des großen Werkes bilden möge.               *        *       *      Die Leichenfeier Anton Bruckner's am 14. d. gestaltete sich großartig. Eine außerordentliche Anzahl von Persönlichkeiten aller Stände befanden sich im Zuge der Leidtragenden. [...] Der Akademische Gesangverein sang den Mittelsatz aus Bruckner's „Germanenzug" unter Mitwirkung des Hornquartetts Wipperich.
     Nach drei Uhr setzte sich der Zug in Bewegung; die Straßen bis zur Karlskirche waren von Menschen gefüllt. Unmittelbar hinter dem Leichenwagen schritten die Hochschulkörperschaften mit ihren Bannern, der Sarg war umgeben von Studenten mit gezogenen Schlägern, Gemeindedienern im Festkleide, Fackelträgern der Leichenbestattungsgesellschaft u. s. w. [...] Erst nach 4 Uhr, als der Sarg wieder in den Leichenwagen gehoben war, scharrt[sic] sich die akademische Jugend um denselben und das Mitglied des Akademischen Gesangvereines, Doctorand der Med. Franz Födisch, Assistent am Ersten anatomischen Institute der Wiener Universität, sprach vor der ertblößten Hauptes lauschenden Menge den Abschied der Jugend von dem Meister, wie folgt:
     „Da es uns nicht gegönnt war, in der Bannmeile und angesichts der freien AIma mater, die in so einzig dastehender Weise ihn anerkennend einst geehrt, uns von dem großen Todten zu verabschieden, so sei es hier gestattet, im Namen seiner Gaudeames, wie er uns zu nennen pflegte, im Namen der deutschen Studentenschaft Wiens dem todten Meister den letzten Gruß ehrfurchtsvoll und dankbar zu entbieten. Wir deutsche Studenten, die wir für die Freiheit der Wissenschaft und Kunst eintreten, werden die Bahnen der Freiheit auch nicht verlassen bei der Beurtheilung dieses gottbegnadeten Geistes, wir werden nicht an den Hüllen nörgeln, wie Manche es thun zu müssen glaubten, mit mehr oder weniger Wissen zwar, aber verständnißlos und ohne Herz. Man konnte den armen Künstler mit allen Mitteln lange Zeit niederhalten, man konnte unseren aufrichtigen Freund unwürdig behandeln, aber man konnte den endlichen Durchbruch des Genies nicht hindern; man konnte es nicht verhindern, daß Bruckner's Name heute in aller Welt mit Ehrfurcht und Bewunderung genannt wird; man konnte es nicht hindern, daß selbst von Kaisern und Fürsten ihm huldvolle Anerkennung wurde. Es gereicht mir als einstigem Schüler und engerem Landsmanne Bruckner's zu ganz besonderer Auszeichnung, im Namen des Akademischen Gesangvereines und der Wiener deutschen Studentenschaft heute dem verstorbenen Professor und Freunde auf das Wärmste danken zu dürfen für die innige Liebe, mit der er uns stets entgegengekommen, im Nammen [sic] der gesammten deutschen Studentenschaft des Reiches und des mit uns fühlenden deutschen Volkes dem todten Meister zu danken für die einzig schönen und ewig unvergänglichen hehren Werke, mit denen sein Genius unser Volk beschenkt hat. — Möge ihm die heimatliche Erde leicht sein! Fiducit!"
     Nun setzte sich der Leichenwagen, gefolgt von den Trauergästen zum Westbahnhofe in Bewegung, worauf die irdische Hülle Anton Bruckner's nach Asten, beziehungsweise St. Florian überführt wurde, wo am 15. d. M. in höchst feierlicher Weise das Leichenbegängnis und die Beisetzung in der dortigen Stiftskirche, gerade unter der großen Orgel, die er so oft und so meisterlich gespielt hatte, stattfand. Abt Moser nahm mit 60 Geistlichen die Einsegnung vor, wobei die große Orgel gespielt wurde. An der Trauerfeier nahmen der Statthalter, der Landeshauptmann, der Bürgermeister von Linz, die Behörden von St. Florian, die Gesangvereine von Linz und Steyr, sowie zahlreiche Leidtragende theil." (zi1).

Der »Kikeriki« Nr. 84 bringt auf S. 2 ein Gedicht:
"               Anton Bruckner †.
So hast Du, großer Meister, ausgerungen;
Ein vielbewegtes Leben sank ins Grab!
Was Du geschaffen, ist für Dich verklungen,
Der Nachwelt bleibt nun, was Dein Geist ihr gab.

Ein christlich Glauben sprach aus Deinem Schaffen,
Drum war Dein Wirken Vielen so verhaßt,
Drum griff zu niedrigsten, gemeinsten Waffen
Das Volk, das Deine Höhe nie erfaßt!

Des Sieg's bewußt, hast Du das Aug' geschlossen,
Dein Schaffen ward begeistert anerkannt,
Ob's auch die Kritikaster hat verdrossen,
Die jetzt noch geifernd schmäh'n an Grabes Rand!

Von höchster Gunst, von edlen Fürstenthronen
Wohl mancher Strahl belebend auf Dich fiel:
Dir bot, Dein herrlich Schaffen zu belohnen,
Des Kaisers Huld ein trauliches Asyl!

So möge jener höchste Herrscher Dir
Dein heilig edles Wirken reichlich lohnen!
Unsterblich bleibt Dein Angedenken hier,
So lange Menschen diese Welt bewohnen."
[keine Autorenangabe] (zk1).

Nachruf im Kremsthal-Boten "Ein edles Herz hat aufgehört zu schlagen [...]" (zk2).

[??] Im Linzer Volksblatt macht eine Anzeige auf Franz Brunners Bruckner-Buch aufmerksam (zl1).

Die Linzer Zeitung übernimmt auf S. 1148 einen Artikel der »D. V.« [recte: Deutsche Wacht?] ("Das Lob eines Componisten"), in dem Arthur Seidl eine Anekdote über Bruckner erzählt:
„     Tagesneuigkeiten.
                        
Linz, 17. October.
     * (Anton Bruckner.) Einen für Anton Bruckner charakteristischen Zug weiß Dr. Arthur Seidl in der "D. V." von dem dahingeschiedenen Componisten zu erzählen. Einmal trat Bruckner, zu einer Abendgesellschaft bei Richard Wagner in Bayreuth geladen, unmittelbar hinter der Erbprinzessin von Meiningen im Vorsaale ein, die sich ihm leutselig gleich selber vorstellte. Freundschaftlich drückt er ihre "Patschhand" sofort mit seinen beiden Händen: „Freut mich ungemein, gnädige Frau, werte Bekanntschaft zu machen. Hab' schon so viel Schönes von Ihnen gehört, ist aber auch sehr lieb von Ihnen, daß Sie zu unserem Meister Wagner so gut sind!“ “. (zl2).

Artikel im »Le ménestrel« (Oskar Berggruen) (zm1).

Artikel »Anton Bruckner †.« in den Münchener Musikalischen Nachrichten (zm2).

Marburger Zeitung Nr. 84 auf S. 1f:
"                       Dr. Anton Bruckner †.
    
Die Tonkunst hat einen schweren Verlust zu beklagen. [... Biographisches,  Förderer (ausführlich über Herbeck) ...]
     [... Rudigier ... dessen Dank im Linzer Dom ...]. "Lieber Bruckner [...] Hier dieses Plätzchen in heiligem Boden gehört Ihnen; ich habe es Ihnen als Grabstätte gewidmet."
     In frommer Rührung dankte der Künstler, der die Meinung des Bischofs wohl verstand. Nun wird er wohl Gebrauch machen von der kühlen Gabe  .  .  . " [keine Signatur] (zm3).

Die Neue Freie Presse Nr. 11549 bringt auf S. 6 bei den »Mittheilungen aus dem Publicum.« eine Anzeige:
»                            Danksagung.
    
Außer Stande, für die aus Nah und Fern zugekommenen liebevollen Beweise herzlicher Theilnahme, welche uns anläßlich des Ablebens unseres unvergeßlichen Bruders, des Herrn 
                         Dr. Anton Bruckner,
zugekommen sind, einzeln zu danken, statten wir auf diesem Wege Allen, welche das Andenken unseres theuren Bruders hiedurch geehrt, unseren innigsten Dank ab. Insbesondere bringen wir dem hohen k. k. Unterrichtsministerium, dem Herrn Bürgermeister, den beiden Vice=Bürgermeistern und dem Gemeinderathe der k. k. Reichshaupt= und Residenzstadt Wien, der k. k. Wiener Universität, der Direction der k. k. Hofoper, Herrn Hof=Capellmeister Hanns Richter und den Philharmonikern, dem Lehrkörper des Conservatoriums, der Gesellschaft der Musikfreunde, dem Singvereine, dem Wiener Männergesang=Vereine, dem Schubertbunde, dem Wiener Akademischen Wagner=Vereine, dem Akademischen Gesangvereine und den übrigen akademischen Verbindungen für die Betheiligung am Leichenbegängnisse und für die prachtvollen Kranzspenden unsern herzlichsten Dank zum Ausdrucke.
      Wien, am 16. October 1896.
              Ignaz Bruckner, Rosalia Hueber geb. Bruckner.« (zn1).

Auf Seite 9 informiert Gutmann über Druckausgaben der 7. und 4. Symphonie:
»     Neue Musikalien. (Bericht der k. u. k. Hof=Musikalien=Handlung Albert J. Gutmann, Wien, Hofopernhaus.) Anton Bruckner, Symphonie E-dur mit der Trauermusik) für zwei Claviere, vierhändig; Symphonie Es-dur ("Romantische") für Clavier, zweihändig. [...]« (zn2).

Artikel von Theodor Helm (mit einem Bruckner-Porträt [IKO deest, nach IKO 37] wie am 3.3.1895), Bericht vom Leichenbegängnis, Ankündigungen von Konzerten in Dresden [28.10.1896] und Berlin [16.11.1896] und Veröffentlichung von Bruckners Testament in der Neuen Musikalischen Presse Nr. 42, S. 1 - 5:
"                    Anton Bruckner †.
[zwischen den zwei Spalten ein Bruckner-Porträt (IKO deest), siehe auch 3.3.1895]
     Ein grosser Meister der Tonkunst ist dahin gegangen. Von den in Oesterreich geborenen Tondichtern wohl einer der genialsten und originallsten dieses Jahrhunderts. Anton Bruckner verschied am letzten Sonntag, den 11. October, Nachmittags halb 4 Uhr, nach jahrelangem Siechthum in dem Asyl, das ihm die kaiserliche Familie im Lustschloss Belvedere zu Wien bereitet hat. Er starb im 73. Lebensjahre an den Folgen der Wassersucht, derselben tückischen Krankheit, welcher sein begeistert verehrtes Vorbild, Beethoven, erlegen war. Aber während Beethoven, bevor er seine grosse Seele aushauchte, einen stundenlangen, furchtbaren Todeskampf kämpfte, war Bruckner's Ende sanft, ja völlig schmerzlos, nachdem er noch Vormittag, sich bedeutend besser fühlend als die letzten Tage, an seiner neunten Symphonie gearbeitet hatte.
     Obgleich man seit Jahr und Tag auf Bruckner's Ende vorbereitet sein musste – insbesondere Mitte Juli, unmittelbar vor Beginn der heurigen Bayreuther Festspiele, erwartete man stündlich diesen Ausgang – erweckte doch die Nachricht seines nun wirklich eingetretenen Todes in den musikalischen Kreisen weit über Wien hinaus die grösste Theilnahme. Ueber die Massen feierlich und erhaben verlief sein am 14. October Nachmittag auf Kosten der Stadt Wien veranstaltetes Leichenbegängniss. Es zeigte sich bei dieser Gelegenheit, dass der einst so wenig beachtete und noch weniger verstandene, bescheidene Künstler eine populäre Persönlichkeit im edlen Sinne des Wortes geworden war und dass die Tausende von Leidtragenden, sei es als tief begründete Ueberzeugung, sei es als instinctiv dunkles, aber nicht mehr abzuweisendes Gefühl, die eine Empfindung beherrschte: einen [sic] Fürsten im Reiche der Tonkunst die letzte Ehre erwiesen zu haben. Vernahm man doch beim Herausgehen aus der Karlskirche[,] als das von den Bläsern der philharmonischen Gesellschaft vorgetragene Bruchstück aus dem erhabenen Traueradagio der siebenten Symphonie Bruckner's (für diesen lugubren Anlass von Professor F. Löwe gesetzt) eben verklungen war, von verschiedenen Seiten Worte tiefster Ergriffenheit, sich darin begegnend: würdiger konnte der todte Meister nicht geehrt werden als mit diesen seinen eigenen, Tod und Vergänglichkeit besiegenden, wahrhaft unsterblichen Tönen!
     Wie spricht sich in dieser spontanen Kundgebung für Bruckner's Genius die sich immer entschiedener vollziehende Umwandlung der öffentlichen Meinung aus – einem Künstler gegenüber, den man als solchen vor etwa 20 Jahren durchaus nicht ernst nehmen wollte, ja wegen seiner gesellschaftlichen Unbeholfenheit mehr oder minder als – Idioten betrachtete.
    Im schroffsten Gegensatz zu jener einstigen unglaublichen*) [Fußnote: "*) Wir folgen hier der Darstellung in Nr. 5 (1895) [sic! recte Nr. 9 am 3.3.1895] unseres Blattes."] Verkennung kommt die musikalische Welt heute immer mehr zur Ueberzeugung, dass sie auf nicht dramatischen Gebiete neben Brahms in Bruckner den grössten Tondichter der Gegenwart zu verehren hat. Und fast scheint es, als ob die beiden Künstler dazu auserkoren worden [sic], sich in ihrem Streben und Können wechselseitig zu ergänzen. Vor Allem gilt dies von ihren Symphonien. Bei Brahms grundsätzliches und durch meisterliche Technik unterstütztes Formen nach bewährten Mustern, zwingende Logik, klarster Kunstverstand, freiwilliger Verzicht auf starke, äussere Effecte zu Gunsten keuschen, strengen Ernstes, wodurch aber häufig eine gewisse Sprödigkeit entsteht, die Mache entschieden vor der Erfindung hervortretend, die Arbeit stets durch eine Selbstkritik controlirt, welche so zu sagen jede Note auf die Goldwage legt – bei Bruckner aus dem bisherigen Rahmen kühn herausstrebende Gestaltung, blühende Melodik, strahlende Pracht des Colorits, muthvoll zielbewusste Ansetzung aller Hebel des Effectes, auch der von Richard Wagner für die dramatische Musik gewonnenen, und eben dadurch eine dem Orchester zugeführte ausserordentliche Steigerungsfähigkeit der Tonsprache in dynamischen und Klangwirkungen, ein Schaffen weniger aus sorgfältiger Ueberlegung, denn aus augenblicklicher Eingebung, manchmal geradezu improvisatorisch erscheinend, voll genialer Blitze und überraschender Combinationen, aber auch nicht frei von jähen, räthselhaften Absprüngen . . . . . . .   Stellt man die zwei Meister nebeneinander, prüft man vorurtheilsfrei ihre Vorzüge und Schwächen, so wird man gestehen müssen, dass erst beide zusammen: Brahms und Bruckner den höchsten Ausdruck der Zeit auf absolut symphonhischen Gebiete aussprechen, wobei freilich dem Unterzeichneten die überlegene Genialität Bruckner's ebenso ausser Frage erscheint, wie die überlegene Formgewandtheit Brahms'. Die grosse contrapunktische Meisterschaft mag wohl auf beiden Seiten gleich sein. Um aber eben diese contrapunktische Meisterschaft zu erringen, hat vielleicht kein hervorragender Componist eine strengere Schule durchgemacht, mit grösserer Ausdauer unablässig an seiner eigenen Vervollkommnung gearbeitet, als Bruckner. Nachdem er – am 4. September1824 als als der Sohn eines armen Dorfschullehrers zu Ansfelden in Oberösterreich geboren – mit 12 Jahren vollig verwaist dastand, war er freilich auf unermüdlichen Lerneifer angewiesen, wollte er es zu etwas Rechtem in der Welt bringen. Dass er gleich nach dem Tod des Vaters als Sängerknabe ins Stift St. Florian aufgenommen wurde, war insofern für seine weitere künstlerische Laufbahn entscheidend, als er sich nun längere Zeit fast ausschliesslich mit Kirchenmusik zu beschäftigen hatte, eine Thätigkeit, die gewiss nicht den persönlichen Neigungen des aus Ueberzeugung frommgläubigen Knaben und Jünglings widersprach und dem reifen Manne erst späterhin ihren reichsten Segen bringen sollte. Denn wie es ein grosses kirchliches Werk (die 1863–64 in Linz componirte D-Moll-Messe) war, in welchem Bruckner den ersten Höhepunkt seines musikalischen Schaffens erreichte, so ist auch ein gut Theil des gewaltigen Symphonikers Bruckner aus dem begeisterten Sänger der Kirche hervorgewachsen. Fast in keiner Bruckner’schen Symphonie fehlen gewisse auffallend kirchliche Wendungen, welche weit entfernt, in den Tonsatz ein fremdartig störendes Element zu bringen, demselben vielmehr ein individuelles, nur diesem Componisten eigenes Gepräge verleihen und nebenbei den Ernst, die Würde des Eindruckes mächtig erhöhen. So, wenn plötzlich in die thematische Entwicklung der bisher gehörten Motive als cantus firmus ein felsenfester Choral tritt (besonders grossartig in den ersten Sätzen der 3. und 4. Symphonie, sowie in den Finale's der 1. und 5.) oder wenn in langen feierlichen Orgelpunkten, wie sie erst Bruckner so eigenthümlich spannend [am 3.3.1895: "sprühend"] in die Symphonien eingeführt, zu einem Hauptgedanken zurückgeleitet oder der Schluss eines Satzes vorbereitet wird. Bezüglich dieser hochcharakteristischen Orgelpunkte bietet jede der gedruckten Bruckner'schen Symphonien (Nr. 1, 2, 3, 4, 7, 8), besonders in ihren Ecksätzen die interessantesten Beispiele. Mitunter wählt auch Bruckner ausgesprochene kirchliche Themen: wir erinnern an die innige, mit »Misterioso« überschriebene dritte Melodie im Adagio der D-moll-Symphonie, an den schönen Choral, welchen der Componist im Finale der »Siebenten« dem muthig aufstrebenden Hauptthema gleichsam als den festen Anhalt glaubenskräftiger Zuversicht jedesmal höchst glücklich gegenüberstellt, an die in ähnlichem Sinne wirkenden feierlichen langsamen Episoden in dem kriegerisch erregten Schlusssatz der »Achten«. So recht dem frommen Sinne Bruckner’s entspricht es, wenn er manchmal gar seine schönsten Melodien und aus diesen gewonnene Steigerungen gleichzeitig in einem kirchlichen und einem symphonischen Werk verwendet. Es dürfte sich verlohnen, diesfalls die letzte Abtheilung des berühmten Tedeums mit dem nicht minder berühmten Trauer-Adagio der siebenten Symphonie zu vergleichen. Die poetische Absicht scheint klar: ein dankbarer Aufblick zur Gottheit, dass sie es dem Künstler vergönnte, zu ihrem Lob und Preis so Herrliches zu schaffen. Was Bruckner über die Partitur seines Tedeums schrieb: »Omnia ad majorem Dei gloriam«, das darf ja in ähnlichem Sinne als der eigentliche Wahlspruch seines Lebens und Schaffens gelten, wie C. M. v. Weber's oft citirtes »Wie Gott will!« Welcher genauere Kenner der Beethoven'schen Muse denkt hier nicht auch noch an den unvergleichlichen »Heiligen Dankgesang eines Genesenen in der lydischen Tonart« aus dem A-Moll-Quartette op. 132?
     Doch wir sind nun mitten in die Bruckner'sche Tonwelt gerathen, während die Leser vielleicht vorerst noch biographische Mittheilungen erwarteten. Leider dürfte gerade das Interessanteste, was diesfalls mitzutheilen wäre, schon in weiten Kreisen bekannt sein. So die Leidensgeschichte von Bruckner's erster Anstellung 1841 als Schulgehilfe zu Windhag bei Freiberg in Oberösterreich, wo er, um mit seiner monatlichen Besoldung von 2 fl. auch nur dem Hungertode zu entgehen, gar oft auf Bauernhochzeiten und Kirchweihfesten um einen Zwanziger die ganze Nacht zum Tanz auffiedeln musste.
     Die gründlichen Studien, welche Bruckner namentlich bei dem ebenso gefeierten, als gefürchteten Theoretiker S. Sechter betrieb, die strengen Examen, denen er sich von freien Stücken und stets mit dem glorreichsten Erfolge unterzog, die als Ergebnis der letzten glänzenden Prüfung aus dem drei- und vierfachen Contrapunkt von Herbeck, einem der Examinatoren, veranlasste Berufung Bruckner’s nach Wien — als exspectirender Organist in der Hofcapelle und später als Professor des Orgelspieles, der Harmonielehre und des Contrapunktes am Conservatorium . . . . auch das Alles dürtte nur einem kleinen Theile der Leser noch fremd sein.*) [Fußnote: "*) Gelegentlich jenes letzten Examens liess sich Herbeck, der ehrgeizige Musiker, dem gewiss Niemand ein starkes Stück Selbstgefühl absprechen wird, die Worte entschlüpfen: "Wenn ich den zehnten Theil von dem wüsste, was Der da (Bruckner) weiss, wäre ich glücklich." "]
     Dagegen herrschen im Publicum — wie wir uns wiederholt selbst zu überzeugen Gelegenheit hatten — noch allerlei Irrthümer und Missverständnisse in Bezug auf die Entstehung und die ersten Aufführungen der bedeutendsten Bruckner’schen Werke. Nachstehende Darstellung des wirklichen Sachverhaltes dürfte daher vielen Kunstfreunden willkommen sein. Bis zum Jahre 1865 hatte Bruckner mit Ausnahme des vom Linzer Männergesangtverein [sic] preisgekrönten «Germanenzug» (Männerchor mit Orchester) fast nur Kirchenmusik geschrieben, darunter die bereits erwähnte hochbedeutende D-moll-Messe. Nun drängte es aber den Componisten mächtig, einmal seine Subjectivitât und die ganze ungeheure Summe der in ihr seit Jahren angesammelten musikalischen Kenntnisse in einem nicht an's Wort gebundenen grossen Instrumentalwerke auszusprechen. So entstand 1865—1866 unmittelbar vor und nach den denkwürdigen Münchener «Tristan»-Darstellungen, welche Bruckner für ewige Zeit zum glühenden Verehrer Wagner's machten, der Koloss seiner ersten Symphonie in C-moll! Bruckner nahm damal den vollendeten Theil der Partitur nach München mit und erzählte noch später gerne mit einer Art humoristischen Behagens, welch' zwiespältigen Eindruck das Werk auf Hans v. Bülow hervorbrachte: hier rückhaltslose Bewunderung der grossen Schönheiten und gleich darauf helles Entsetzen über die beispiellosen harmonischen und contrapunktlichen Wagnisse! Nun, unser Tondichter, der sich vielleicht in keinem anderen Werke so wenig um Publicum und Kritik kümmerte, liess sich durch die Bedenken des genialen Dirigenten nicht im mindesten anfechten, sondern hegte jetzt nur einen heissen Wunsch: seine kühne «Erste» in tönende Wirklichkeit übertreten zu lassen. Dazu kam es aber erst 1868 in Linz, und nach den bescheidenen Kräften des ausführenden Orchesters konnte der Eindruck auf die Hörer nur ein verwirrender sein; Bruckner erkannte dies trotz des seiner persönlichen Beliebtheit gespendeten aufmunternden Beifalls gar wohl, und er war dadurch nahe daran, an sich völlig irre zu werden, ja sogar – vielleicht noch von anderen Sorgen bedringt — der Nacht des Wahnsinns zu verfallen. Da fand er sich und seine künstlerische Zuversicht wieder als gläubiger Christ in einer erhabenen religiös-musikalischen Aufgabe, in der zweiten und grossartigsten seiner Messen (F-moll), die er nun um Weihnachten desselben Jahres (1868) vollendete.         Es bezeichnet wieder so recht des Künstlers naivfrommen Sinn, dass er im Dankgefühl für die ihm «von oben» gewordene geistige Wiedergeburt, zwei der schönsten Stellen des Benedictus, bezüglich Kyrie der F-moll-Messe in das Andante, bezüglich Finale seiner zweiten Symphonie (wie die erste aus C-moll geschrieben) aufnahm. Unbegreiflich, dass eben diese zweite Symphonie, gegenüber der Vorgängerin um so vieles klarer, einfacher, verständlicher gehalten, aber, wie die erste, ein Prachtwerk an melodischer Erfindung und orchestraler Kraft, von den Wiener Philharmonikern 1872 einfach für unaufführbar erklärt wurde. Die Herren widerlegten sich bald darauf selbst, indem sie die Symphonie – und zwar mit glänzendem Erfolge – doch spielten, aber freilich nicht in einem ihrer Abonnement-Concerte, sondern in einem von Bruckner zum Schlusse der Weltausstellung veranstalteten ª  eigenen Fest-Concerte am 26. October 1873. (In die Abonnement-Concerte der Philharmoniker gelangte Bruckner's «Zweite» erst 21 Jahre später am 25. November 1894: mit welch' tiefgehender Wirkung, ist bekannt).
     Als Entstehungszeit der zweiten Symphonie ist jedenfalls der Anfang der Siebziger Jahre anzunehmen, und Bruckner war damals so im Schaffenseifer, dass er der kaum vollendeten «Zweiten» sofort die «Dritte» in D-moll folgen liess, welche sich (noch vor jenem «Weltausstellungs-Concerte») so sehr der persönlichen Anerkennung R. Wagner’s erfreute, dass sie den Componisten ermuthigte, seine neueste Schöpfung dem von ihm über Alles verehrten Bayreuther Meister zu widmen.
     Als die sogenannte «Wagner-Symphonie» Bruckner's hat sich seither diese D-moll-Symphonie in den verschiedensten Musikstädten mehr oder minder durchgesetzt; sie ist zur Zeit das einzige Werk des Componisten, das auch (in einem Lamoureux-Concert) zu Paris aufgeführt wurde. Dass das Wiener Publicum mit der grossartigen Schöpfung bekannt wurde, ist das Verdienst von Bruckner’s treuem Gönner, J. Herbeck, der die Symphonie auf das Programm eines Gesellschaftsconcertes setzte, ohne aber diese Aufführung (16. December 1877) mehr selbst zu erleben. Bruckner hatte damals bereits seine «vierte» Symphonie in Es-dur, die er «die romantische» nannte, vollendet und arbeitete eifrig an einer «fünften» in B-dur. Es hat etwas Rührendes, ihn da in seinem einsamen Musikzimmer zu beobachten, wie er, der von der tonangebenden Kritik und den hervorragendsten Concert-Instituten geflissentlich ignorirte, demgemäss auch von der Masse des Publicums immer weniger beachtete «Sonderling» im Symphonischen Schaffen nimmer ermüdet, ja sich in dem Masse immer mehr in die geliebte Kunstgattung förmlich vergräbt, als die Aussichten auf Anerkennung von draussen sich stets verringern. Spricht dies nicht allein schon für das innerste Bedürfnis des Tondichters, für den entschiedensten Beruf zur Sache, bezeugt es nicht jenes zwingende »Ich muss!», das in Kunstfragen Alles entscheidet, dem zuletzt eine feindliche ganze Welt nicht widerstehen kann?!
     Wir aber mussten, wenn wir uns den fast total vereinsamten und doch rastlos weiterschaffenden Bruckner von 1873 bis Ende 1884 so recht vorstellten, unwillkürlich an die zwei grossen Meister denken, an die er als Symphoniker am Häufigsten und Begeistertsten anknüpfte: an den tauben Beethoven, wenn dieser — in seinen «letzten Quartetten» — «ungestört vom Geräusche des Lebens nur einzig noch den Harmonien seines Inneren lauscht.» (Wagner: «Beethoven», 9. Band der «Gesammelten Schriften», S. 112), und an Richard Wagner, wenn er ferne der lieben Heimat, ohne Hoffnung, je die Aufführung zu erleben, eine «Nibelungen»-Partitur nach der anderen vollendet hinlegt.
     Aber wie für Beethoven's «letzte Quartette» und für Wagner’s «Nibelungen» sollte auch für Bruckner’s Symphonien endlich der Tag ihrer künstlerischen Auferstehung, d. h. ihrer richtigen Wertschätzung seitens der Allgemeinheit, herankommen. Freilich musste hiezu noch eine Reihe von Jahren vergehen. Dass die vierte («romantische») Symphonie des Meisters erstmalig, und zwar unter rauschendem Beifalle eines Theiles der Hörer am 20. Februar 1881 in einem Concerte zum Besten des «Deutschen Schulvereines» unter Hans Richter's Leitung von den «Philharmonikern» gespielt wurde, dass am 11. Februar 1883 zum ersten Male ein Bruckner’sches Fragment — nämlich die Mittelsätze der ungefähr seit Jahresfrist vollendeten sechsten Symphonie (A-dur) — unter der Leitung Director Jahn's in die philharmonischen Concerte selbst Eingang fand, waren vereinzelte Siege des Componisten, die an dem Gesammtverhalten des Publicums wenig ändern konnten.
     Die eigentliche «Umwandlung» (wie sich bekanntlich H. Ibsen in seinem neuesten Drama «Klein Eyolf» ausdrückt) vollzog sich in der Jahreswende 1884/85 in den stürmisch bejubelten Erstaufführungen der grossartigen siebenten (E-dur) Symphonie Bruckner's (30. December 1884 durch Capellmeister A. Nikisch in Leipzig, 10. März 1885 durch Capellmeister H. Levi in München) und die dazwischen fallende nicht minder glanzvolle Première des herrlichen F-dur-Quintettes in dem Wiener Hellmesberger-Quartett am 8. Januar 1885. Nun war für Bruckner die Bahn gebrochen, nicht in dem Sinne, als wenn etwa von da an die Opposition gegen sein kühnes Schaffen verstummt wäre, im Gegentheil, sie äusserte sich jetzt erst mit vollen Backen, feindseliger als früher, aber sie verfehlte im Wesentlichen ihr Ziel; Bruckner war von nun an nicht mehr zu ignoriren, vielmehr wurde und wird dem Neuerscheinen jedes seiner Werke mit einem Interesse entgegengesehen, wie es nur ganz das herkömmliche Niveau überragende durch den Stempel der Genialitat gekennzeichnete Schöpfungen erwecken können.
     Seit dem Jahre 1886, in welchem die Erstaufführung des gewaltigen «Tedeum» in den Gesellschaftsconcerten immer nicht enden wollenden Jubel hervorrief und die glanzvolle Erstaufführung einer ganzen Brucknerschen Symphonie in den philharmonischen Concerten, der bereits im Ausland berühmt gewordenen Siebenten in «E», nun vollends die chinesische Mauer durchbrach, hinter welcher sich die besorgte musikalische Gesellschaft Jahre lang wider einen der grössten vaterländischen Tondichter verschanzt hatte, erscheint Bruckner's künstlerischer Spätherbst fast nur wie eine Kette von Triumphen, die ihm seine unerbittlichen, kritischen Gegner nicht mehr  streitig zu machen vermochten.
     Wohl auf dem Gipfel seines Ruhmes stand der 1891 zum Ehrendoctor der Wiener Universität ernannte Meister am 18. December 1892, als seine übermächtig grosse achte Symphonie (die dritte in C-moll geschriebene) nicht nur das Programm eines hiesigen philharmonischen Concertes ganz allein ausfüllte, sondern auch die zahlreichste, andächtigste Hörerschaft herbeizog und von dieser mit enthusiastischer Begeisterung aufgenommen wurde. — Nachdem am  8. April [sic] 1894 Capellmeister Franz Schalk in Graz auch Bruckner's «Fünfte», die contrapunktisch kunstvollste aber eber darum auch schwerst verständliche seiner Symphonien zu überraschend durchschlagender Wirkung gebracht, erscheint von den Bruckner’schen acht Symphonien als Ganzes nur mehr die sechste unaufgeführt. Aber auch ihr Tag wird, ja muss kommen, und darf es überdies mit den bisherigen Erstaufführungen Bruckner’scher Symphonien nicht sein Bewenden haben. Wir halten es vielmehr für gebotene Pflicht jedes seine Aufgabe ernst nehmenden und über die ausreichenden Kräfte verfügenden Orchesterdirigenten, von Zeit zu Zeit die Werke zu wiederholen, das einzige Mittel, sie dem Publicum immer vertrauter zu machen und endlich bei der Masse der Concertbesucher völlig einzubürgern.
     Von der geplanten neunten Symphonie des Meisters (wie die dritte aus D-moll gehend) liegen angeblich drei Sätze im Schreibtische Bruckner's vollendet vor; da ihm seine schwächte Gesundheit nicht mehr die Ausarbeitung eines Finales erlaubte, so würde als solches nach seinem eigenen Wunsche — das Tedeum zu gelten haben. Eine gewiss sehr merkwürdige Idee, deren praktische Ausführbarkeit sich aber nicht früher beurtheilen lässt, bevor man nicht die drei Symphoniesätze kennt.
 [hier eingefügt ein Faksimile aus dem Adagio der 9. Symphonie. Beschriftung am Unterrand: "Eine Seite aus der Partitur der neunten Symphonie Anton Bruckner's. Sie wurde der Redaction der "Neuen Musikalischen Presse" vom Regenschori in Steyr, Herrn Jos. Bayer freundlichst zu [sic] Verfügung gestellt."]
     Offenbar wollte hiemit auch der Symphoniker Bruckner als begeisterter Sänger des Herrn von der Kunst Abschied nehmen, und liesse sich in diesem Sinne allerdings ein grossartigeres Chorfinale, als das Tedeum, kaum denken. In die hochinteressanten Einzelnheiten [sic] der Bruckner'schen Werke hier näher einzugehen, würde den uns für diese Skizze zugewiesenen Raum überschreiten. Vielleicht finden wir ein andermal Gelegenheit dazu. Unserer oben in der Parallele mit Brahms zu geben versuchten Gesammtcharakteristik Bruckner's möchten wir aber nur noch Folgendes hinzufügen: So gewiss Beethoveen [sic] und Wagner als Bruckner's  eigentliche künstlerische Vorbilder erscheinen, so gewiss er den grössten Theil seiner contrapunktischen Kraft aus dem Studium J. S. Bach's schöpfte, von Haus zeigt sich seine lebensfrohe Natur doch noch vielmehr der eines vierten Tondichters verwandt: jener unseres liederreichen Franz Schubert. Beide, Schubert und Bruckner, sind echte Kinder des Volkes, beide waren sogar süddeutsche Schullehrerssöhne, und begannen ihr öffentliches Wirken als ehrsame Schulgehilfen. Nachdem sie später als grosse  Musiker sich in überirdische Regionen aufgeschwungen, kehren sie doch immer wieder mit innigstem Behagen zur lieben Erde zurück, sich am frischen Urquell ihres heimatlichen Volksliedes oder Volkssanges zu erquicken. Man höre die reizend ländlerartigen Scherzo-Trio's Schubert's und Bruckner's; ist es da nicht, als ob sich der gemüthliche Alt-Wiener und der treuherzige ober-österreichische Bauer das herzlichste "Grüss Gott!" zuriefen?! Dieser im besten Wortsinne schubertisirende Volkston ist es wohl ganz besonders, was uns häufig auch in den einfachsten Bruckner'schen Tonsätzen so unmittelbar entzückt und rührt.          Theod. Helm."
                *          *           *     
     Anton Bruckner wurde am 4. September 1824 in Ansfelden bei Linz als Sohn eines Dorfschulmeisters geboren und war der erste von zwölf Geschwistern. Den ersten musikalischen Unterricht erhielt er von seinem Vater. Nach dessen Tode im Jahre 1836, fand Bruckner im Stifte St. Florian als Sängerknabe Aufnahme. Dort erhielt er Unterricht im Clavier- und Violinspiel, sowie die ersten Unterweisungen im Generalbass. In diese Zeit fallen seine frühesten Compositionsversuche; auch war er damals schon ein Meister des Orgelspiels. Nach Absolvirung eines zehnmonatlichen Präparandencurses in Linz kam Bruckner 1841 als Schulgehilfe nach Windhag mit zwei Gulden Monatsgage. Damals war es, dass er den Bauern zu Hochzeiten und ländlichen Festen Nächte hindurch mit der Fiedel aufspielen musste, um nur das nackte Lebenzu fristen. 1843 wurde Bruckner nach Kronstorf bei Enns versetzt, und 1845 als Lehrer und später als supplirender Stiftsorganist im Stifte St. Florian angestellt. Aus dem am 25. Jänner 1856 im alten Dome zu Linz veranstalteten Concurrenzspiele zur Besetzung des vielumworbenen Domorganisten-Stelle, ging Bruckner als Sieger hervor. Im gleichen Jahre konnte er, mit Unterstützung des Bischofs Rudigier, seine theoretischen Studien bei Sechter in Wien beginnen, welche er vier Jahre hindurch mit Benützung des kurzen Urlaubes, den er zu Weihnachten und Ostern jeden Jahres erhielt, fortsetzte. Als er sich im Besitze der technischen Ausdrucksmittel seiner Kunst wusste, legte er am Wiener Conservatorium vor einer aus Sim. Sechter, Jos. Hellmesberger, Dessof [sic], Joh. Herbeck und Schulrath Becker bestehenden Commission die Reifeprüfung im Contrapunkt mit so glänzendem Resultate ab, dass Herbeck äusserte: «Er hätte uns prufen sollen.
     Vom Jahre 1862 bis 1868 wirkte Bruckner als Chormeister der Liedertafel «Frohsinn» in Linz, das Jahr 1864 brachte sein erstes grosses Werk, die Messe in D, in die Oeffentlichkeit. Der Entstehung seiner übrigen Werke haben wir schon oben in ausführlicher Weise gedacht. Ueber Herbeck's Verwendung wurde Bruckner 1868 als Hoforganist und Lehrer am Conservatorium nach Wien berufen. 1869 schlug Bruckner bei einem Wettspiel der Organisten in der Kathedrale zu Nancy alle Mitbewerber; die Frucht dieses Erfolges waren seine stürmisch bejubelten Pariser Concerte, denen solche in London 1871 folgten. 1875 erfolgte seine Berufung als Lector an die Wiener Universität wo er in lebhaften Wechselverkehr mit seinen «Gaudeamusern» wie er die akademische Jugend nannte, trat. 1886 verlieh ihm der Kaiser das Ritterkreuz des Franz Josef-Ordens. 1890 bewilligte ihm der ober-österr. Landtag in Würdigung seiner nie glänzend gewesenen materiellen Lage eine Ehrengabe im jährlichen Betrage von 400 fl. für die Zeit seines Lebens. Die grösste Ehrung brachte Bruckner das Jahr 1891 in welchem er zum Ehrendoctor der Philosophie an der Wiener Universität ernannt wurde. Bei dem Fest-Commers welcher aus diesem Anlasse am 12. December 1891 im Sofien-Saale stattfand, sprach Hofrath Dr. A. Exner die denkwürdigen Worte: «Ich, der Rector magnificus der Wiener Universität, beuge mich vor dem ehemaligen Unterlehrer von Windhag.» Es würde zu weit führen, hier alle Triumphe, die der Meister in den letzten Jahren in Wien und an anderen Orten gefeiert hat, einzeln aufzuzählen. Wir wollen nur noch des Menschen Bruckner gedenken mit den Worten, welche ihm der Herausgeber des Lebensbildes, dem wir die vorstehenden Daten entnommen haben, Franz Brunner, gewidmet hat:
     «Bruckner lebte nur ganz seiner Kunst, in ihr ging er völlig auf. Für Dinge, die dem Alltagsmenschen schrecklich nahe gehen, wie zum Beispiel Umgangsformen, die Sorge fur den modernsten Schnitt seiner Kleider, für Comfort etc., hatte er wenig Verständnis. Einen anderen als Bruckner würden in den himmelblauen Kaserngemächern seiner Behausung die Ideen gleichsam erdrückt, die Künstler von heute müssen Stimmung um sich haben und umgeben sich darum mit dem feinen, behaglichen Reiz der Eleganz; Bruckner hatte die Stimmung in sich, jene geduldige starke Stimmung, die durch die bange Kärglichkeit des Gemaches nicht beeinträchtigt wird. Sein Sinn war nur aut das Höchste, Hehrste in seiner Kunst gestellt. Er war Idealist durch und durch, er war ein grosser Naiver vor dem Herrn, ein gewaltiger Ungeschickter auf dem glatten Parketboden des Salons, er war aber Einer, in dem eine Urkraft arbeitete, so dass man sie merkte durch die ganze Kruste von linkischer, formloser Schlichtheit hindurch; er war eine echte Oesterreicher-Natur, warm-, fast leichtblütig, tiet erregbar, dabei eine grundgute, selbstlose, edie Menschenseele.
     Dass er die Höhe reiner Menschlichkeit erklommen, daran haben, ohne es zu wollen – auch die Widersacher Bruckner's einen unbestreitbaren Antheil. Man hat ihn, der sich von der Pieke auf emporarbeiten musste, der alles, was er geworden, durch seine eigene Kraft erreicht hat, oft und oft an seiner Künstlerehre angegriffen, und das hat ihm wehe — recht wehe gethan. Die harten Kämpfe aber und die schweren Prüfungen haben das Herz des Meisters geläutert. In der unbegrenzten Güte und Milde seines Herzens hatte er seinen Gegnern längst verziehen.
          *        *        *
     Das Leichenbegängnis Bruckner's ist auf Kosten der Stadt Wien erfolgt. Mittwoch den 14. October um halb 2 Uhr Nachmittags wurde der Sarg aus Goldbronze von dem prächtig geschmückten Katafalk gehoben, verlöthet und in den sechsspännigen Galawagen gebracht. Um 3 Uhr setzte sich der Leichenzug vom Belvedere aus in Bewegung. Voraus ritt ein Herold. Ihm folgten die akademischen Corporationen unter Vorantragung des Universitätsbanners, der Akademische Gesangverein und der «Schubertbund» mit umflortem Banner, der Akademische Wagner-Verein, viele andere musikalische Vereine und die beiden Blumenwagen,Vereine und die beiden Blumenwagen, auf denen die Fülle der herrlichen Gewinde nur schwer Platz gefunden hatte. Dann kam der Leichenwagen. Ihn flankirten ausser Magistratsdienern in Gala und Bediensteten der Entreprise in der mittleren Reihe je sechs Chargirte mit gezucktem Schläger. Ein Hausofficier der Entreprise trug auf rothem Sammtkissen den Franz Josefs-Orden. Im ersten Wagen, der dem Sarge folgte, sassen Bruckner's Bruder, Ignaz Bruckner, der dem verblichenen Meister auffallend ähnlich ist, und seine beiden Nessen, im zweiten Wagen der Bürgermeister mit den beiden Vice-Bürgermeistern, im dritten der Testamentsexecutor Dr. Reisch. Ehe der Sarg auf den Wagen gehoben wurde, sang der akademische Gesangverein vor dem Thore Bruckner's «Germanenzug».
     An dem dichten Spalier vorbei nahm der Conduct seinen Weg zur Karlskirche, wo er um halb 4 Uhr eintraf. Unter grosser geistlicher Assistens nahm dort Pfarrer Dobner die feierliche Einsegnung vor. Während der Einsegnung trug der Wiener Männergesangverein unter Eduard Kremser's Leitung das «Libera» von Herbeck vor.
     Nach der Ceremonie brachten der «Singverein» unter R v. Perger's Leitung die «Litanei» von Schubert, hierauf das Hofopernorchester das tiefempfundene Adagio aus der 7. Symphonie (für Bläser eingerichtet von Prof. Löwe) zu Gehör.
     Nachdem noch ein Mitglied des «Akademischen Gesangvereines» namens des Vereines und der Wiener Studentenschaft Abschied von dem Tonheros genommen, setzte sich um halb 5 Uhr der Conduct nach dem Westbahnhof in Bewegung, von wo aus der Sarg mit der Leiche Bruckner's nach dessen Geburtsort, St. Florian in Oberösterreich gebracht werden sollte. Fast alle musikalischen Corporationen und alle markanten Persönlichkeiten der Wiener Musikwelt, sowie Abordnungen aus Oberösterreich hatten sich an der Leichenfeier betheiligt.
            *          *          *
     In St. Florian wurde Bruckner Donnerstag, um 3 Uhr Nachmittags bestattet. Der Zug bewegte sich von der Todtencapelle in die Stiftskirche, wo die Leiche, dem Wunsche des Dahingeschiedenen entsprechend, unter der grossen Orgel beigesetzt wurde. Abt Moser nahm unter Assistens von 60 Geistlichen die Einsegnung vor, wobei Trauerchöre gesungen und die grosse Orgel gespielt wurden. An der Trauerfeier nahmen theil der Statthalter, der Landeshauptmann, der Bürgermeister von Linz, die Behörden von St. Florian, die Gesangvereine von Linz und Steyr, sowie zahlreiche Leidtragende. Der Markt trug Trauerschmuck, insbesondere das Haus, in welchem Bruckner als Schulgehilfe wohnte.
           *          *          *
     Die Bildhauer Haberler u. Zinsler in Wien haben dem Dahingeschiedenen die Todtenmaske abgenommen. Der Liebenswürdigkeit der Genannten, sowie des Testamentsexecutors Dr. Theod. Reisch, verdanken wir die Möglichkeit, eine fotografische Reproduction derselben unseren Lesern mittheilen zu können.
     [Abbildung der Totenmaske. Beschriftung am Unterrand: "Todtenmaske Anton Bruckner's. Abgenommen von den Bildhauern Haberler und Zinsler."]
            *           *           *
     Bruckner konnte es bekanntlich nie zu einem auch nur bescheidenen Wohlstande bringen, ja er konnte bis in seine letzten Lebensjahre nicht einmal einen Verleger für seine Werke finden. Erst im Jahre 1884 vermittelten gute Freunde eine Verbindung mit dem Hofmusikverleger Alb. J. Gutmann in Wien, welcher zuerst das Quintett für Streichinstrumente, dann 1885 die Symphonie in E-dur (m. d. Trauermarsch) und 1887 die Es-dur-Symphonie (Romantische) folgen liess. 1892 kam dann ein Vertrag mit der Firma Jos. Eberle & Co. in Wien zu Stande, welcher die Herausgabe der damals noch nicht erschienenen Werke, und zwar der ersten, zweiten, fünften, sechsten und der nachcomponirten neunten Symphonie, dann der 2. und 3. Messe, des 150. Psalms und aller Männerchöre sicherstellte, wogegen Bruckner eine bescheidene Jahresrente ausgeworfen wurde. Bis auf die sechste und neunte Symphonie sind alle Werke schon der Veröffentlichung zugeführt.
             *           *           *
     Dr. Theod. Reisch beabsichtigt nicht nur, wie ihm durch das Testament auferlegt, Bruckner's sämmtliche Manuscripte der Hofbibliothek zu übergeben, sondern auch eine Anzahl Bruckner-Reliquien, u. A. den vom Meister benützten Bösendorfer-Flügel und die ausgezeichnete, aus Tilgner's Meisterhänden hervorgangene Büste dem städtischen Museum einzuverleiben. Die Lieblings-Orgel Bruckner's, ein Hausinstrument mit doppeltem Manual und Pedal, hat der langjährige Freund des Entschlafenen, Hofrath Professor Dr. Schrötter, von diesem zum Geschenk erhalten. Sie ist ein Werk der Harmoniumfabrik Kohn & Cie. in Prag und Stuttgart.
             *           *           *
     Zum Gedächtnis des verewigten Meisters wird im 1. Nicodé-Concert (am 28. ds.) in Dresden das Cis-moll Adagio aus der 7. Sinfonie Bruckner's und aus demselben Anlasse von der Berliner Philharmonischen Gesellschaft (Dirigent Siegfried Ochs) im ersten Concerte (Mitte November) das Tedeum aufgeführt werden.
             *           *           *
               Bruckner's Testament.
 
   Für den Fall meines Ablebens treffe ich nach reiflicher Erwägung folgende letztwillige Verfügungen:
                  1.
      Ich wünsche, dass meine irdischen Ueberreste in einem Metallsarge beigesetzt werden, welcher in der Gruft unter der Kirche des regulirten lateranischen Chorherrnstiftes St. Florian und zwar unter der grossen Orgel frei hineingestellt werden soll, ohne versenkt zu werden, und habe ich mir hiezu die Zustimmung schon bei Lebzeiten seitens des hochwürdigsten Herrn Prälaten genannten Stiftes eingeholt.
     Mein Leichnam ist daher zu injiciren, zu welchem Liebesdienste Herr Professor Paltauf sich bereit erklärt hat, und ist Alles ordnungsmässig zu veranlassen (Leiche I. Classe), damit die Ueberführung und Beisetzung in der von mir bestimmten Ruhestätte in St. Florian in Ober-Oesterreich bewirkt werden könne.
                  2.
     Verordne ich, dass dem genannten Stifte St. Florian zur Sicherstellung der Kosten der Instandhaltung meines Sarges, dann von 4 heiligen Messen und zwar 3 Messen, welche an meinem Geburtstage, meinem Todestage und meinem Namenstage und eine 4. Messe, welche für meine Eltern und Geschwister alljährlich gelesen werden sollen, ein entaprechender Capitalbetrag übergeben werde.
                  3.
     Zu meinen Universalerben berufe ich meinen Bruder Ignaz Bruckner in St. Florian und meine Schwester Rosalia Huber geb. Bruckner in Vöcklabruck zu gleichen Theilen unter sich. Dieselben haben insbesondere die den Erben gesetzlich zustehenden und in den Verlagsverträgen seitens meiner Verleger vertragsmässig den Erben zugesicherten Tantièmen zu beziehen, welche sich in der Zukunft hoffentlich reichlicher einstellen werden, nachdem ich selbst bei Lebzeiten von meinen Werken kaum irgend einen materiellen Ertrag bezogen habe.
                  4.
     Ich vermache die Originalmanuscripte meiner nachbezeichneten Compositionen: der Symphonien, bisher acht an der Zahl, die neunte wird, so Gott will, bald vollendet werden, — der 3 grossen Messen, des Quintettes, des Te Deum's, des 150. Psalm's und des Chorwerkes Helgoland — der kais. und kön. Hofbibliothek in Wien und ersuche die k. u. k. Direction der genannten Stelle, für die Aufbewahrung dieser Manuscripte gütigst Sorge tragen zu wollen.     Zugleich bestimme ich, dass die Firma Jos. Eberle & Cie. berechtigt sein soll, die Manuscripte der von ihr in Verlag genommenen Compositionen fur eine angemessene Zeit von der k. k. Hofbibliothek zu entlehnen und soll Letztere verpflichtet sein, den Herren Jos. Eberle & Cie gedachte Originalmanuscripte für eine entsprechende Zeit leihweise zur Verfügung zu stellen.
                  5.
     Meiner Bedienerin Katharina Kachelmaier vermache ich in Anerkennung der mir geleisteten vieljährigen treuen Dienste einen Betrag von fl. 400. Für den Fall, als sie bis zum meinem Ableben meine Bedienung noch besorgt, soll dieselbe noch weitere fl. 300 erhalten, so dass sie bei Eintritt dieser Voraussetzung zusammen fl. 700 bekommt. Ich wünsche, dass dieses Legat von meinen Erben ohne jedweden Abzug sogleich nach meinem Ableben ausbezahlt werde.
                  6.
     Als Testamentsexecutor bestelle ich Herrn Dr. Theodor Reisch, Hof- und Gerichtsadvocat in Wien, XIX., Oberdöbling, und ersuche denselben, für die getreuliche Erfüllung meines letzten Willens Sorge zu tragen.
     Urkund dessen, dass dies mein letzter Wille, habe ich denselben in der gleichzeitigen Anwesenheit der mitgefertigten drei Testamentszeugen eigenhändig unterschrieben.
Wien, den 10. November 1893.     Dr. Anton Bruckner m. p.
Ferdinand Löwe m. p., als ersuchter Testaments-Zeuge.
Cyrill Hynais m. p., als ersuchter Testaments-Zeuge.
Dr. Theodor Reisch m. p., als ersuchter Testaments-Zeuge." (zn3).

Auf Seite 10 wird die Aufführung der 4. Symphonie beim Musikverein Innsbruck [am 5.3.1897] angekündigt:
"     *  Der Musikverein in Innsbruck veranstaltet in der Saison 1896/97 fünf Mitglieder- und zwei ausserordentliche Concerte, ausserdem zwei Kammer-Musik-Abende. Zur Aufführung gelangen u. A.: [...]; Bruckner, 4. Symphonie; [...]. Dirigent: Jos. Pembaur sen. Mitwirkende des Vereins: Concertmeister Franz Eibl, Herr Leop. Höss, Musikvereinslehrer Alexander Hummel, sowie Chor und Orchester des Vereines. Gäste: [... u. a. Karl Pembaur und Jos. Pembaur jun. (München) ...]." (zn4).

Das Neue Wiener Tagblatt Nr. 287 bringt auf S. 8 die Danksagung von Bruckners Geschwister in gekürzter Form:
"                            Danksagung.
     Außer Stande, für die aus Nah und Ferne zugekommenen liebevollen Beweise herzlicher Theilnahme, welche uns anläßlich des Ablebens unseres unvergeßlichen Bruders, des Herrn 
Dr. Anton Bruckner zugekommen sind, einzeln zu danken, statten wir auf diesem Wege Allen, welche das Andenken unseres theuren Bruders hierdurch geehrt, unseren innigsten Dank ab.
     Wien, am 16. October 1896.
                             Ignaz Bruckner,
              Rosalia Hueber, geb. Bruckner." (zn5).

Das Prager Tagblatt Nr. 287 erzählt auf S. 10 die in der Deutschen Wacht [siehe "nach dem 11.10.1896"] Anekdote:
"     * [Von Anton Bruckner] erzählt Dr. Arthur Seidl in der "D. W." folgendes Geschichtchen: Einmal trat Bruckner, zu einer Abendgesellschaft bei Richard Wagner in Bayreuth geladen, unmittelbar hinter der Erbprinzessin von Meiningen in den Vorsaal ein; die Prinzessin stellte sich ihm leutselig gleich selber vor. Freundschaftlich drückt der Componist ihre "Patschhand" sofort mit seinen beiden Händen: "Freut mich ungemein, gnädige Frau, werthe Bekanntschaft zu mach'n. Hab' schon so viel Schön's von Ihnen gehört – ist aber auch sehr lieb von Ihnen, daß Sie zu unserem Meister Wagner so gut sind!" " (zp1).

Artikel von Friedrich Gaigg von Bergheim in der Reichspost Nr. 255 auf S. 9:
"                        Anton Bruckner.
   Ein Nachgespräch zur Todtenfeier des großen Meisters.
     So ist denn auch unser Bruckner nach hartem Lebenskampfe in das Reich der Unsterblichkeit eingegangen! Der hinfällige Körper war schon lange dem Tode verfallen; aber in dem schwachen Leibe thronte ein starker Geist, und gerade am Abende seines Lebens regte und dehnte sich dieser Geist bis in's Unendliche! [...] In der Reife des Mannes war er – seiner Kunst nach – ein ungegohrener Jüngling, im hohen Alter – ein reifer Mann. [... kam für sich und seine Zeitgenossen zu spät ... Unterstützung durch die Jugend (v. a. des WAGV) ...].
     [... Unverstand der Hörer und Kritiker ... Orgel als Ausgangspunkt ... späte Entwicklung ...] deshalb hinkte bei ihm lange, lange Zeit die Form dem Wesen nach.. Das war es, was befremdete, was das Erfassen seiner genialen Werke erschwerte und das Urtheil trübte. [... inzwischen anders ... wer] über Bruckner heute noch die Nase rümpft, der thut dies nicht, weil er ihn nicht versteht, sondern weil er ihn nicht verstehen will. [... über die wichtigsten Werke, "unverwelkliche Blüthen der deutschen Tonkunst" ...]. Bruckner war sich – wie jeder echte Künstler – seiner Größe und seiner Bedeutung vollbewußt; dies ersah man aus seinen Aeußerungen und Urtheilen [... und dem Sonderwunsch der Sargaufstellung ... Stolz auf Wagners Freundschaft und das Ehrendoktorat ...]. Den Schreiber dieser Zeilen, einen ihm damals fast ganz unbekannten Kunstjünger, lud er in seinen Wagen, um – direct aus der Hofkapelle – das "Chaos" in der "Schöpfung" von Haydn (im Gesellschaftsconcerte) nicht zu versäumen [siehe die Anmerkung], und so wissen viele seiner Freunde und Verehrer die edelsten Züge über seine herzliche Urbanität.
     Diese echt menschlichen Eigenschaften hat sich der Meister durch sein ganzes Leben bewahrt; [... auch die Religiosität ...]. Dort, in der Schloßkirche zu Bayreuth, wohin er so gerne wallfahrtete, betete er einsam mit der ganzen Inbrunst eines gewöhnlichen Erdenpilgers [... Widmung der 9. Symphonie, "Te deum" als Finale ...]. Darum berührte ihn auch – mitten in der Arbeit – der Engel des Todes sanft und süß und er trug ihn mit seinem milden Flügelschlage empor ins Reich der Unendlichkeit!      Gaigg von Bergheim." (zr1).

Artikel »Dr. Anton Bruckners Leichenbegängniß« [14.10.1896 gemeint?] in der Steyrer Zeitung Nr. 84 auf S. 1f:
"Dr. Anton Bruckners Leichenbegängniß.
                                        
Wien, 14. Oktober.
     Die heutige Leichenfeier des dahingeschiedenen Meisters der Tonkunst nahm einen diesen hochehrenden, großartigen Verlauf. Im Laufe des Vormittags waren den seit gestern hier weilenden Verwandten Bruckners noch zahlreiche mündliche, schriftliche und telegraphische Condolenzen von Freunden und Verehrern des verblichenen Componisten zugekommen. Eine Fülle herrlicher Kränze und Blumengewinde schmückte Bruckners Sarg. Um 2 Uhr Nachmittags wurde der Sarg geschlossen und verlöthet. Kurz darauf versammelten sich vor Bruckners Wohnung im oberen Belvedere die zahllosen Trauergäste, die gekommen waren, dem todten Meister das letzte Ehrengeleite zu geben. Hier waren erschienen Abordnungen der Gemeinde Wien, der Wiener Universität, der Gesellschaft der Musikfreunde, der Künstler=Genossenschaft, des Wiener Männergesangvereines, des "Schubert=Bund" und der Wiener Singakademie.
     Nachdem um 3 Uhr im Trauerhause die Einsegnung der Leiche erfolgt war, trug der Wiener akademische Gesangverein einen Satz aus Bruckners Composition "Germanen=Zug" vor, worauf sich der Trauerzug zwischen einem dichten Spalier von Menschen durch die Heugasse zur Kirche St. Carl Borromäus in Bewegung setzte. Voran schritten Mitglieder hiesiger Burschenschaften mit dem Universitäts=Banner, der akademische Gesangverein mit seiner Fahne, und zu beiden Seiten des sechsspännigen Trauerwagens sowie nach dem Trauerwagen giengen Chargirte, denen sich in Wagen die Verwandten des Verblichenen und zahlreiche Trauergäste anschlossen. Zur Einsegnung in der Kirche waren erschienen die Sectionschefs Graf Latour und Dr. v. Hartl in Vertretung des Herrn Ministers für Cultus und Unterricht, Generalintendant  Dr. v. Bezecny, die Abgeordneten Dr. v. Fuchs, Doblhamer, Plaß, Jordan, Zehetmayr und Gasser, der Universitätsrector Dr. Reinisch, sowie die Decane, Senatoren und zahlreiche Professoren der Universität, Bürgermeister Strobach mit den Vicebürgermeistern Dr. Lueger und Dr. Neumayer, Magistratsdirector Tachau und Vicedirector Preyer, sowie viele Stadt= und Gemeinderäthe und Magistratsbeamte, die Directoren und Professoren des Conservatoriums, Hofopern=Capellmeister Hellmesberger, mehrere Musikschriftsteller, zahlreiche Vertreter von hiesigen und auswärtigen Gesangs= und Musikvereinen &c. Nach der Einsegnung der Leiche, die der hochw. Herr Pfarrer Dobner unter zahlreicher Assistenz, darunter Professor Gitlbauer und P. Abel, die Franciscaner=Patres Heribert und Emanuel, vornahm, sang der Wiener Männergesangverein (von Bläsern begleitet) Herbeck's "Libera", der Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde trug Schubert's Chor "Am Tage Allerseelen" vor, und zum Schlusse dieser Leichenfeier ertönten vom Chore her unter Hans Richters Leitung das Trauer=Adagio aus Bruckners 7. Symphonie durch die Musiker des Hofopernorchesters. Sodann wurde der Sarg aus der von Menschen überfüllten Kirche hinaus auf den Leichenwagen getragen, worauf sich gegen 5 Uhr, nach einer Ansprache des aus Oberösterreich gebürtigen Drnd. med. Fädisch, Mitglied des Wiener akademischen Gesangvereines, unter Vorritt eines Herolds der von Fackelträgern flankirte Leichenwagen, gefolgt von den Verwandten, zahlreichen illustren Trauergästen in Fiakern, nach dem Westbahnhofe in Bewegung setzte. Von dort wurde Abends noch die Leiche per Bahn nach St. Florian überführt. Auf dem ganzen Wege, den der Trauerzug dahier genommen, brannten die Gaslaternen." (zs1).

In derselben Zeitung auf S. 2f auch ein Bericht über die Beisetzung in St. Florian [15.10.1896]
"Die Beisetzung Dr. Anton Bruckner's im Augustinerstifte St. Florian.
 
   Kaum hatte die erschütternde Trauerkunde von dem Tode des Altmeisters deutscher Tonkunst, Dr. Anton Bruckner's, die Monarchie durchflogen und war hinausgedrungen über die Grenzen unseres engeren Heimatlandes, kaum hatte der elektrische Telegraph auch jenseits des Meeres den Verehrern des großen Meisters kundgethan, daß sein Herz zu schlagen aufgehört, kaum war auch hier bei uns in Steyr kundgeworden, daß unser Bruckner nicht mehr sei, so ergieng sich alles in Vermuthungen, wo des großen Meisters sterbliche Ueberreste ihre letzte Ruhestätte finden sollten.
     Das Testament hatte sogar eine Summe bestimmt zur Erbauung eines Mausoleums in unserer Stadt, in welcher ja Bruckner ruhen wollte, wenn nicht das Stift St. Florian, dessen Gastfreundschaft Bruckner so gerne genoß, ihm auch im Tode einen Platz gönnen würde. — Dies ist nun geschehen. Bruckner ruht in der Krypta des Stiftes, seinem Wunsche gemäß unter dem großartigen Werke Chrisman's, der weltberühmten Orgel, die er einst mit neidlos angestaunter Meisterschaft beherrscht hatte.
     Der Tag der Beisetzung, Donnerstag der 15. ds., brachte reges Leben in den sonst stillen Ort. War ja doch schon Morgens im reichgeschmückten Sarge Bruckners Hülle von Asten aus, woselbst sie in einem prachtvollen Leichenwaggon von Wien um 6 Uhr Früh eingelangt und vom dortigen Herrn Ortspfarrer eingesegnet worden war, zur Todtenkapelle des Krankenhauses in St. Florian überführt und dort zur Besichtigung ausgestellt worden; brachte doch jeder Zug neue Ankömmlinge aus Wien, Linz, Steyr, Vöcklabruck und anderen Orten, welche dem Altmeister das letzte Geleite geben wollten.
     Gegen ½ 3 Uhr Nachmittag versammelten sich die Corporationen von St. Florian in dem Garten vor der Kapelle, um sich zu rangiren. Um drei Uhr erschien Se. Gnaden der hochw. laterinische Abt des Stiftes, Ferdinand Moser, mit großer Assistenz, begleitet von mehr als 60 Priestern, um seinem alten lieben Freunde die letzte Ehre der Einsegnung zu erweisen. — Die Musik spielte einen Trauerchoral, silberhelle glockenreine Stimmen sangen das Miserere und unter dem feierlichsten Geläute aller Stiftsglocken, unter das sich auch die zwei kleinen Stimmen der Glocken des St. Johanneskirchleins mischten, wie das Gebet der Kinder in das Flehen der Erwachsenen, wurde der Sarg gehoben und in langsamem Zuge zum Stifte gebracht.
     Die Ordnung des Leichenzuges war folgende: Voraus, von ihrem Lehrkörper geführt, schritten die Schulkinder laut betend, dann reihten sich an die Mitglieder der Feuerwehr, des Veteranenvereines, des kath. Gesellenvereines, sämmtliche die Kränze tragend, welche die Liebe der Mitwelt dem hoch geschätzten Meister in reichster Zahl, wir zählten 66 Kränze, geweiht. Hierauf schlossen sich Deputationen der Liedertafel von Vöcklabruck und des Steyrer Männergesangvereines „Kränzchen", deren Ehrenmitglied Bruckner war, an; dann folgten die „Steyrer Liedertafel" mit umflorter Fahne, ebenso der Ausschuß der Gesellschaft der Musikfreunde in Steyr, die Liedertafel „Frohsinn" (in corpore) und eine Abordnung des „Sängerbundes" aus Linz, ebenso eine solche des oberösterreichischen Lehrervereines, und Vertreter zahlreicher anderr auswärtiger Vereine, die Musikcapelle und der Stiftschor vor St. Florian, drei weißgekleidete Mädchen, wovon eines den Franz Josefs=Orden Bruckners auf einem schöngeschmückten Polster trug. Nach der stattlichen Reihe der Hörer der theologischen Anstalt mit den Professoren schritt der hochwst. Herr Prälat mit der großen Assistenz unmittelbar vor den reichbekränzten Leichenwagen. Diesem folgten Bruckner's einziger noch lebender Bruder nebst drei Neffen Bruckner's, dessen alte Wirthschafterin und treue Pflegerin „Frau Kathe“. In der langen Reihe illustrer Trauergäste befanden sich u. A. die P. T. Herren Statthalter Baron Puthon, Landeshauptmann Abt Achleuthner und Landesausschuß Baron Kast, Abg. Plaß, Domscholaster Dullinger und Bürgermeister Poche von Linz, Canonicus Dürrnberger und Stadtpfarrer Strobl aus Steyr, Musikdirector Göllerich von Linz und Regenschori Bayer von Steyr, P. Georg Huemer von Kremsmünster, Vertreter zahlreicher Gemeinden Oberösterreichs und des benachbarten Niederösterreichs, viele Honoratioren aus Wien und anderen Städten.
     Als der Sarg in die Stiftskirche getragen wurde, ertönte die große Orgel Florians in pleno, ein Motiv aus „Parcival" bringend. Die Fahnen senkten sich und der Sarg wurde zwischen zahlreichen Lichtern aufgestellt. Nun erklangen in wahrhaft herzerschütternden silberhellen Klängen vom Stiftschor unter der Direction des hochw. Herrn Regens chori Bernhard Deubler die Töne von Bruckners „Libera.“ Der ob seiner Tüchtigkeit und ob seiner Leistungen rühmlichst bekannte Stiftschor hat sich mit der Aufführung dieses Tonwerkes selbst übertroffen. Lag es wie ein Alp auf den Gemüthern, Trauerzeugen des Begräbnisses des großen Meisters zu sein, so lag in diesen Klängen die Erlösung vom Schmerze, und manche Perle, wie sie edler der Schooß des Meeres nicht schafft, erglänzte in den Augen der Hörer. Hat der Altmeister Bruckner diese im strengen Gesetze des Contrapunktes ausgearbeiteten Motive vielleicht vom Himmel selbst herabgeholt, so sind sie gewiß auch wieder dort hinauf gestiegen, den Menschen predigend: Sursum corda.
     
Nach dem „Libera“ sang die Linzer Liedertafel „Frohsinn" einen Trauerchor von Mendelssohn, dann wurde die Leiche Bruckners letztmals eingesegnet und in die Gruft getragen. Hunderte von Menschen folgten derselben. Sie wurde im mittleren der drei Gewölbe, welche mehr als 20.000 Todtenschädel eines asiatischen Völkerstammes bergen, die in der Nähe von St. Florian einst ausgegraben worden, gerade unter dem Spieltische der großen Orgel beigesetzt. Möge er dort, bewacht von den Tausenden, die einst im wilden Kampfe gefallen, auf heiliger deutscher Erde auch Ruhe finden, er, der Friedensfürst mit dem Kindesherzen, mögen ihm die Klänge der großen Orgel, die er mit seltener Meisterschaft gespielt, hinunterrauschen all das, was er in seinen Symphonien hinausjauchzt der staunenden Welt, Freude und Schmerz, Hoffnung und Entsagung, Liebe zu seinem Herrscher und Anbetung seines Schöpfers.
      Die Erde hat nun aufgenommen, was zur Erde wiederkehren muß. Die schmerzbefreite Seele jedoch lebt fort in ihren Werken, immerdar.
     Mögen hier auch noch die Worte Platz finden, die ich einst meinem Lehrmeister Bernardin Rücker geweiht, der mich eingeführt hat in das Verständniß des großen Meisters, den persönlich kennen und lieben zu lernen mir ein gütiges Geschick erlaubt hatte, ist es mir doch, als hätte ich sie für ihn geschrieben:
     Im altersgrauen Dome    Tönt schon viel Jahre lang
     In wunderbaren Weisen    Der alten Orgel Klang.
     Bald schwellende Accorde,    Wie Stromeswellen wild,
     Bald süße Melodien,    In Trostesklängen mild.
     Bald weint sie Erdenklage,    Bald singt sie Himmelsmacht.
     Gar seltsam hat der Meister    Das todte Werk entfacht,
     Doch heute steht sie trauernd,    Ringsum liegt Schweigen schwer,
     Die Töne sind verklungen –    Der Meister ist nicht mehr.
     Steyr, den 16. Oktober 1896.                   August Riener." (zs2).

[Tagespost] Die Linzer Tages-Post Nr. 241 bringt auf S. 5 die von Arthur Seidl in der Deutschen Wacht erzählte Anekdote (über die Prinzessin von Meiningen):
"     (Das Lob eines Componisten.) Einen hübschen Zug weiß Dr. Arthur Seidl in der "D. W." von dem dahingeschiedenen Componisten Anton Bruckner zu erzählen. Einmal trat Bruckner, zu einer Abendgesellschaft bei Richard Wagner in Bayreuth geladen, unmittelbar hinter der Erbprinzessin von Meiningen in den Vorsaal ein; die Prinzessin stellte sich ihm leutselig gleich selber vor. Freundschaftlich drückt der Componist ihre "Patschhand" sofort mit seinen beiden Händen: "Freut mich ungemein, gnädige Frau, werthe Bekanntschaft zu mach'n. Hab' schon so viel Schön's von Ihnen gehört – ist aber auch sehr lieb von Ihnen, daß Sie zu unserem Meister Wagner so gut sind!" " (zt1)

ergänzt auf Seite 6 ihren Bericht über Bruckners Leichenbegängnis [vermutlich 15.10.1896 gemeint]:
"     (Zu Bruckners Leichenbegängnis.) Am Sarge Bruckners haben noch Kränze niedergelegt der oberösterreichische Volksbildungsverein und der deutsche Club in Linz." (zt2)

und berichtet auf derselben Seite von Vereinsversammlungen am 14.10.1896 bzw. 13.10.1896:
"     (Männergesangverein Wels.) Der Männergesangverein Wels hat, wie uns von dort mitgetheilt wird, in seiner Versammmlung vom 14. d. M. nach Schluss der Gesangübung und Begrüßung von drei neuen Mitgliedern und nachdem der Vorstand Herr Dr. Johann Schauer dem verstorbenen Ehrenmitgliede des Vereins, Professor Anton Bruckner einen ehrenden Nachruf gewidmet hatte, [... Planung von Konzerten und Diskussion über Kalliwodas Chor "Das deutsche Lied" ...].
      (Jahresversammlung des Gesangvereines Aigen.) Von dort schreibt man uns unterm 14. d. M.: Dienstag abends hielt der hiesige Männergesangverein "Concordia" in Herrn Adalbert Swobodas Gasthofe hier seine diesjährige Jahreshauptversammlung ab. [... Tätigkeitsbericht, Vorstandswahl (Dr. Raimund Thon, Adalbert Swoboda, Chormeister Karl Hackermüller und Johann Luckschy, Heinrich Czekal, Victor Schützenberger, Josef Mürzinger, Eduard Pilz, Victor Gruber) ...]. Auf Antrag des Herrn Hackermüller erhob sich die Versammlung  von den Sitzen, um hiedurch der Trauer über das Hinscheiden des Herrn Dr. Anton Bruckner Ausdruck zu geben. Nach Besprechung interner Vereins=Angelegenheiten wurde die Versammlung geschlossen." (zt3).

Auf Seite 7 ein Hinweis auf ein [wohl unbekannt gebliebenes?] Bruckner-Gedicht:
"                      Briefkasten.
[...]
     H. W. in U. Das Gedicht auf den Tod Bruckners ist sehr hübsch, wir nehmen aber Gedichte nur in den seltensten Ausnahmsfällen auf, daher besten Dank!" [siehe die Anmerkung] (zt4).

In "De Telegraaf" Nr. 1387 (Amsterdam) schreibt auf S. 1 Henri Viotta ausführlich über die Trauerfeierlichkeiten und würdigt Person und Werk Bruckners:
"             FEUILLETON.
            Muzikale Kroniek.
    
Wanneer men do wijze waarop Mozart en andere beroemde componisten van het verleden ter aarde werden besteld, vergelijkt met de uitvaart van Anton Bruckner, den 11en dezer te Weenen gestorven, dan komt men tot de overtuiging, dat er of een ommekeer is gekomen in de opinie van de grooten der aarde over de „muzikanten", of wel dat men Bruckner veel hooger schat dan de hierboven genoemden.
     [... über den Trauerzug ... Biographisches ... das Werk ...].
   Wat den componist betreft, zal men zich, nu de meester dood is in naar aanleiding daarvan wel eens hier en daar compositiën van hem uitgevoerd zullen worden, een helder oordeel over hem kunnen vormen. Wat zegt ook weer het rijmpe?
       Wenn's aus ist wird es offenbar,
       Ob's Talglicht oder Nachslicht [sic] war.
                                                 HENRI VIOTTA."  (zt5).

"Das Vaterland" Nr. 287 verzeichnet Bruckner in der Totenliste auf S. 13 (= S. V des Beiblatts):
"              Verzeichniß der Verstorbenen.
     Am 7. October: [...]. – Am 11. October: [...]; Dr. Bruckner Anton, k. k. Professor und Componist, 72 J., 3. Bez., Heugasse 3, an einem Herzklappenfehler; [...]." (zv1).

Wiener Bilder Nr. 41 auf S. 11:
»[Porträt, nach links blickend, mit faksimilierter Unterschrift "Dr Anton Brucknermp."]
          Anton Bruckner †.
                 
(Mit Porträt.) 
     Sonntag, am 11. October ist Anton Bruckner in seinem Asyle im Belvedere gestorben [... über die letzten Lebenstage ...]. Anton Bruckner hat keine Reichthümer gesammalt. Er ist eigentlich arm gestorben, und sein letztes Heim verdankt er der Gnade des Kaisers. [... Testament (Hofbibliothek), Grab in St. Florian ... kurz zur Biographie und zu den Werken ... später Erfolg ... Vor- und Nachteile der Werke ...] Eine Zeit lang entbrannte ein förmlicher Streit um die Werke Bruckner's, ein Kampf, den der Componist vielleicht selbst nicht guthieß.« [keine Signatur] (zw1).

Wiener Salonblatt Nr. 42 auf S. 10f, signiert »F. B-n.« [Ferry Bératon]):
»               Anton Bruckner †.
     Mit vierundvierzig Jahren ist er durch die Vermittlung Herbeck's nach Wien gekommen. [... die äußere Erscheinung, Einfluss der Herkunft ...]. Sein menschlicher Rest, alles Denken und Fühlen war in ihm Musik geworden. [...] So ward er ein völlig in sich abgeschlossener Geist, der den Menschen oft irr erschien.
     Die Irdischen sind nicht gewohnt, Größen zu erfassen, die außerhalb ihres Erfahrungskreises stehen. [...]. Darum lächelten sie über Bruckner und seine Art, die er Jahrzehnte hindurch in der Großstadt nicht abgelegt hatte, fremd und ferne war er den Gebräuchen des Verkehres der Städter geblieben. [...].
     Man erzählt sich, tausend merkwürdige Züge in seinen Gewohnheiten, die ebensoviele gut pointirte Anekdoten geworden sind. [... an den "Schmerzen des Alltages" gewachsen, "flüchtete vor den Wehen des realen Lebens zur Kunst" ...].
     Bruckner's Musik war ungewohnt, wie seine Erscheinung. Die gab nichts Glattes und Freundliches für musikalisch minder Bemittelte; ungeschlacht, polyphemisch ergeht sie sich in Größen und Weiten, welche Schulbank=Theoristen kaum zu erfassen vermögen. [...].
     Die armseligen irdischen Reste haben wir jüngst zu Grabe getragen. Es ist ein geringer Körper, Haut und Knochen von ihm, den Krankheit seit Langem zerfressen, geblieben. Ich habe die Züge festzuhalten versucht. Sie waren wie von Stein. Tiefe Furchen, eingesunkene Augen. Nur die Knorpel der Nase und das breite Kinn, das kahle Cranium staken in den schwarzen Kleidern. Das Scelett eines Adlers lag hier. [... 9. Symphonie ... kurz über die Trauerfeierlichkeiten ...].
     Die Jugend stand vor Bruckner's Bahre und sprach schöne Worte des Leides. Er lebt in der Jugend weiter, die immer getreu zu ihm gehalten. Sie wird seinen Ruhm weiter verkunden [sic].Denn die Jugend hat ihn immer verstanden. Sie hat früh schon den Flügelschlag des Aars gefühlt. der nun in die Grube gesenkt wurde.
                                                F. B–n. « (zw2).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189610185, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189610185
letzte Änderung: Mai 15, 2024, 13:13